In seiner aktuellen Kolumne, der ich das Zitat des Tages entnommen habe, geht George F. Will auf die Auseiandersetzung zwischen Präsident und Kongreß über die Schuldenobergrenze ein. Ich nehme das zum Anlaß, auf den Hintergrund und die Bedeutung dieser Debatte aufmerksam zu machen.
die Kritiker führen mit dem Bezug auf die Basis der Statistik in die Irre. Die realen Ausgaben der USA auf Bundesebene sind seit Beginn der Krise == ungefähr der Amtszeit Obamas kaum gestiegen und sogar weniger als die von Deutschland: http://krugman.blogs.nytimes.com/2010/11...-fiscal-policy/ . Nur relativ zum Bruttosozialprodukt sind sie explodiert, weil es ja eine heftige Rezession gab.
Und wenn man sich ansieht, wo die Gelder aus ARRA etwa in 2010 hingegangen sind: http://www.bea.gov/recovery/pdf/arra_table_01b.pdf dann ging da fast nichts in expanding government, sondern von den in 2010 ausgegebenen 357 Mrd. Dollar gingen gleich mal 150 Mrd. für Steuersenkungen drauf, 70 Mrd. waren Sozialleistungen (SNAP (Essensmarken), Medicare, ua), 100 Mrd. zusätzliche Bundeszuweisungen an Staaten und Gemeinden. Der kümmerliche Rest: 33 Mrd. Dollar für ... irgendwas.
die Bundeszuweisungen gleichen dann wiederum nur das aus, was die Staaten wegen des Zwangs zur ausgeglichenen Haushaltsführung einsparen hätten müssen oder schlicht zur Unterstützung besonderer Härten. So eine Art erweiterter Finanzausgleich. Durch ARRA an Sozialleistung wurde ua eine Erweiterung der Arbeitslosenhilfebezugsdauer auf 99 Wochen finanziert. Die so unterstützten Arbeitslosen heißen ugs auch 99ers. Mittlerweile hat man die Bezugsdauer für einige noch mal um 14 Wochen erhöht - wieder aus dem ARRA Topf bezahlt: http://www.examiner.com/unemployment-in-...representatives
ich habe ja auch nichts übrig für die sozialistische Agenda von Obama und es läßt sich ökonomisch sauber argumentieren, daß die Staatseingriffe seines Vor-Vorgängers Clinton eine der Wurzeln der Immobilienblase waren, aber was die Republikaner momentan aufführen, ist zum Schaden aller. Das rumreiten auf der Schuldengrenze ist intellektuell besonders unseriös, weil es ja für alle Staatsausgaben bereits ein unterschriebenes Budget gibt. Was übrigens ein weiterer Grund ist, warum ich diese Staatsschuldengrenze ignorieren würde. Wenn man sparen hätte wollen, dann in der Präsidentschaft von Bush jr., denn da lief die Konjunktur bis 2007 ja recht gut. Aber da hat man die Schuldengrenze problemlos mehrmals durchgewunken.
Und dann fehlt bei den Republikanern momentan vor allem eines: eine Antwort auf die Wirtschaftkrise. wie soll sparen aus der Krise führen? Das wird im Gegenteil die Rezession noch weiter verschärfen. Ohne Bevölkerungswachstum hätten wir ja in den USA noch immer Rezession. In Europa/Griechenland dämmert es den ersten immerhin, daß man mit sparen die Krise nur noch vertieft: http://de.reuters.com/article/worldNews/...E76P0CF20110726 in den USA wurde 2009 darüber diskutiert, aber geschehen ist wenig. ARRA war dafür gedacht, aber es war viel zu klein dimensioniert. Amerika hätte gewaltigen Bedarf, die zerbröselnde Infrastruktur wie etwa die Highways aus den 60ern oder die chronisch überlasteten Flughäfen zu sanieren. Da hätte man 2.000 Milliarden reinstecken können, wäre gut investiert gewesen: http://www.huffingtonpost.com/social/Sum...1_20193956.html jaja, ich weiß, Huffington ist auch ein eher linkes Blatt, nur: Fakten kennen keine Ideologie. Man kann den Staat auch kaputtsparen. Und wenn man sich den Zustand der Straßen, Brücken und Kanäle in den USA ansieht, dann weiß man, wo seit ~Reagan auch gespart wurde, wo nicht gespart hätte werden sollen.
Zitat von Johann Grabnerdie Kritiker führen mit dem Bezug auf die Basis der Statistik in die Irre. Die realen Ausgaben der USA auf Bundesebene sind seit Beginn der Krise == ungefähr der Amtszeit Obamas kaum gestiegen und sogar weniger als die von Deutschland: http://krugman.blogs.nytimes.com/2010/11...-fiscal-policy/ . Nur relativ zum Bruttosozialprodukt sind sie explodiert, weil es ja eine heftige Rezession gab.
Wohl wahr, lieber Johann Grabner. Aber sollte man seine Ausgaben nicht relativ zu seinen Einnahmen gestalten?
Soweit ich das als Nichtökonom verstehe, ist der Kern der Sache eine Rückkehr zum Keynesianimus, von dem ich dachte, daß er seit den Erfolgen der Schule von Chicago eigentlich überholt sei. Stimulus program scheint mir das neue Wort für das zu sein, was man früher deficit spending nannte.
Aus der Rezession hat es die USA nicht gebracht; jedenfalls nicht besser oder schneller als andere Länder. Hier kann man sehen, daß die Arbeitslosigkeit seit Beginn von ARRA sogar konstant höher lag, als selbst für den Fall ohne ARRA prognostiziert worden war! Ohne ARRA war sie für 2011 bei 8 Prozent erwartet worden. ARRA sollte das unter 7 Prozent drücken. Tatsächlich liegt sie jetzt bei über 9 Prozent.
Zitat von Johann GrabnerUnd wenn man sich ansieht, wo die Gelder aus ARRA etwa in 2010 hingegangen sind
Ich hatte mir das für den Artikel auch angesehen. Man muß sich, um ein zutreffendes Bild zu bekommen, mit den Einzelposten befassen. Hier sind die Posten genau aufgeschlüsselt. Es lohnt sich, das anzusehen.
Beispielsweise werden unter Tax incentives 288 Milliarden Dollar genannt. Steuerliche Anreize, das klingt nach Steuersenkungen. Tatsächlich findet man hier Lenkungsinstrumente.
Erstens betreffen diese "Anreize" für private Steuerzahler vor allem Bezieher kleiner Einkommen, dienen also der Umverteilung. Das ist der größte Batzen, nämlich 237 Milliarden Dollar
Nur 51 Milliarden Dollar, also 18 Prozent des Betrags für "steuerliche Anreize", waren überhaupt für die Wirtschaft vorgesehen; und davon 13 Milliarden zur Föderung der alternativen Energie!
Schon dieses Beispiel, lieber Johann Grabner, zeigt, daß es Obama und dem damals demokratisch beherrschten Kongreß eben nicht nur um eine Ankurbelung der Wirtschaft ging, sondern um Gesellschaftspolitik. Noch deutlicher wird das bei anderen Posten.
Allein 155 Milliarden Dollar waren für den Gesundheitssektor vorgesehen, und auch hier wieder vor allem im sozialen Bereich (allein 87 Milliarden Dollar für MedicAid). Oder sehen Sie sich an, wie die 100 Milliarden unter "Education" verteilt werden sollen - wiederum im wesentlichen für sozial Benachteiligte.
Weitere 82 Milliarden Dollar waren ausdrücklich für "Aid to low income workers, unemployed and retirees" vorgesehen, 27 Milliarden Dollar für "Energy efficiency and renewable energy research and investment".
Und was wurde für die Forschungsföderung bereitgestellt? Gerade einmal 7,6 Milliarden Dollar, davon eine Milliarde für das Energieministerium, eine Milliarde für die NASA und ganze 3 Milliarden für die National Science Foundation, über die ein großer Teil der US-Forschung finanziert wird.
Drei Milliarden für die gesamte wissenschaftliche Forschung - das sind zwei Drittel des Betrags von 4,5 Milliarden, den ARRA allein bereitstellt, um in Regierungsgebäuden die Energieffizienz zu verbessern!
Nein, lieber Johann Grabner: Dieses gewaltige Ausgabenprogramm wurde nicht unter dem Gesichtspunkt zusammengestellt, wie man am effizientesten die Wirtschaft ankurbeln kann; und auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer langfristigen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der USA.
Sondern die Gelder wurden ganz überwiegend nach gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten verteilt. Obamas damaliger Stabschef Rahm Emanuel hat es ja ungeschminkt gesagt: Man könne dank der Krise Dinge tun, die man ohne sie nicht hätte tun können; siehe Europa - ein Elitenprojekt?; ZR vom 11. 3. 2011.
Von Sparen kann ja nicht die Rede sein. Die USA werden immer noch ein gesalzenes Defizit haben. Das Land hat doch früher auch Rezessionen überwunden und in kurzer Zeit wieder Arbeitsplätze geschaffen, ohne sich so massiv zu verschulden. Und wenn Sparen angesichts der Wirtschaftslage schlecht ist, können Steuererhöhungen - sofern sie mehr als nur kosmetisch sind - kaum hilfreich sein. Die Republikaner wissen ja, dass die debt ceiling angehoben werden muss, sie wollen aber diesmal auch Einsparungen sehen. Das ist nicht intellektuell unseriös, das ist eben politisches Schachern.
Wenn auch von einem der größten zivilen Ausgabenprogramme aller Zeiten das meiste konsumiert wird und nichts für die Infrastruktur übrigbleibt, ausserdem die Arbeitslosigkeit - im Gegensatz zu früheren Rezessionen - ziemlich hartnäckig verharrt, dann nenne ich das ein Scheitern. Die Demokraten haben zwei Jahre lang alles bekommen, was sie wollten und haben das weidlich ausgenutzt. An nachhaltigem Wirtschaftswachstum haben sie sich erschreckend uninteressiert gezeigt: Gängelung der Wirtschaft, Klientelpolitik, Umverteilungspolitik, die Drohung, die Energiepreise in den Himmel steigen zu lassen, haben zu einer großen Verunsicherung geführt. Das Ergebnis ist manifest. Wäre mir neu, dass ein Paul Krugman je etwas dagegen gesagt hätte. Und dass die Schulden von heute mein konfisziertes Einkommen von morgen sind, kriegen auch immer mehr Leute mit.
Ich glaube ja auch, dass eine bessere Infrastruktur für die USA gut wäre. Aber in Verbindung mit einer marktwirtschaftsfeindlichen Politik ist es keine Investition mit einem guten Return. Da muss man sich nur die ex-DDR ansehen. Im übrigen hat Obama versprochen, dass sein Konjunkturprogramm genau das sein würde. Das war also auch gelogen.
Darf ich nebenbei eventuell auf die Größenordnungen verweisen, mit denen wir es hier bei den Geldsummen zu tun haben? Vermutlich war es die Bankenkrise mit den "Rettungsschirmen", die überhaupt erst zweistellige Milliardenbeträge zum "Normalfall" gemacht hat. Vor fünf oder gar vor 10 Jahren hätten Staatsgarantien oder Ausgabenprogramme in Höhe von Hunderten Milliarden wohl als absurd und undenkbar gegolten.
Als was gelten sie jetzt? Hoffentlich immer noch als absurd, obwohl wir uns daran gewöhnt zu haben scheinen.
288 Milliarden tax incentives, 155 Milliarden für den Gesundheitssektor...völlig gaga. Es funktioniert doch nicht, Fantasiesummen aufzurufen und auszuloben, in der Hoffnung, dann würde die zur Deckung notwendige Wirtschaftsleistung schon entstehen. Tut sie nicht. Und da das Geld nur soviel wert ist wie die dahinterstehende Wirtschaftsleistung, bedeutet es eben im Endeffekt eine rasende Inflationierung des Dollars. Wenn Obama über 700 Milliarden ausschüttet und trotzdem die Straßen, Kanäle und das Energienetz nicht saniert werden, dann bleiben die USA ein infrastrukturell maroder Staat.
Man muß also dankbar sein, daß überhaupt ein politischer Akteur (eine Partei) sich dagegen auflehnt. In Europa tut das nämlich niemand.
Übrigens findet auch in Deutschalnd eine sehr geschickte Inflationierung statt, die allerdings noch nicht die Lebenshaltungskosten direkt betrifft. Aber man schaue sich die Baukosten an. 10 km Autobahn kosten 10 bis 100 Millionen, Eisenbahntrasse dito. Jedes größere Bauprojekt wird mit völliger Sicherheit teurer, oft um das Doppelte. Bald wird es der Faktor drei sein. Das sind unrealistische Summen, das ist Inflation.
Nun ja, wäre man Politiker, man würde ebenso handeln. Es herrschen Zwänge. Es herrscht die Alternativlosigkeit. Da hat Merkel wirklich recht. Man nenne doch Alternativen - für die USA, für Europa, für Deutschland. Der Unterschied Europas zu den USA besteht darin, daß hier alles Weicheier sind, während die Amis noch einen Prozentsatz harter Hunde in der Politik haben.
---------------------------------------------------- Wir sind alle gemacht aus Schwächen und Fehlern; darum sei erstes Naturgesetz, dass wir uns wechselseitig unsere Dummheiten verzeihen. - Voltaire
Zitat von ZettelIn seiner aktuellen Kolumne, der ich das Zitat des Tages entnommen habe, geht George F. Will auf die Auseiandersetzung zwischen Präsident und Kongreß über die Schuldenobergrenze ein. Ich nehme das zum Anlaß, auf den Hintergrund und die Bedeutung dieser Debatte aufmerksam zu machen.
Als ich den Artikel schrieb, habe ich mich einen Augenblick lang gefragt, ob es wirklich nötig ist, das politische System der USA zu beschreiben, in dem der Kongreß Teil der Regierung ist, gleichberechtigt mit dem Präsidenten.
Es scheint nötig zu sein. Offenbar ist dieser simple Umstand nicht einmal der Redaktion von "Zeit-Online" bekannt, wo gegenwärtig dies zu lesen ist:
Zitat Republikaner verschieben Abstimmung über Sparprogramm
Neue Hürde im US-Schuldenstreit: Während die Zeit für einen überparteilichen Kompromiss kaum noch reicht, ist der Plan der Opposition nun bei Experten durchgefallen.
Der "Opposition"? Die Republikaner sind nicht "die Opposition", sondern die Mehrheitspartei im Repräsentantenhaus. Sie sind damit ebenso Teil der Regierung wie der Präsident.
Die Vorstellung, die Republikaner seien in der "Opposition", zeigt, daß der betreffende Redakteur, der das formuliert hat - oder die Agentur, von der er es hat - vom amerikanischen Regierungssystem keine Ahnung hat.
Die Verabschiedung des Haushalts ist, wie in meinem Artikel erläutert, Sache des Kongresses. Wenn man davon sprechen kann, daß jemand in "Opposition" ist, dann Obama, der ja bereits sein Veto gegen den von der Mehrheit des Repräsentantenhauses beabsichtigten Haushalt angekündigt hat.
"Zeit-Online" ist kein Einzelfall. Die falsche Darstellung des amerikanischen Regierungssystems mag auf Unkenntnis beruhen. Sie hat daneben aber auch den Effekt, daß der Eindruck entsteht, der Präsident wolle handeln, und das Repräsentantenhaus würde ihm dabei Schwierigkeiten machen.
Es ist aber genau umgekehrt: Das Repräsentantenhaus mit seiner großen republikanischen Mehrheit will einen Haushalt verabschieden, wie es seine Aufgabe und sein Recht ist. Der Präsident versucht das zu verhindern, um seine eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Er hat aber nun einmal nicht die Hohheit über den Haushalt, sondern kann den Kongreß lediglich um die Bewilligung von Mitteln bitten.
Was Obama in diesen Tagen veranstaltet, ist ein Angriff auf die balance of powers.
Zitat von Zettel Was Obama in diesen Tagen veranstaltet, ist ein Angriff auf die balance of powers.
Was allerdings nun nicht direkt "ungewöhnlich" ist. Die Präsidenten versuchen sich schon geraume Zeit mehr "Macht" anzueignen. Und viel wird eben schon nicht mehr diskutiert sondern vom Präsidenten und Konsorten "beschlossen" Was Ron Paul in seinem Buch "Liberty defined" ziemlich "beeindruckend" ausführt.
Wir sehen das aber nicht nur in den USA sondern auch hier in Euro Land mit den Rettungsschirmen.
Zitat von FriedrichDie Präsidenten versuchen sich schon geraume Zeit mehr "Macht" anzueignen. Und viel wird eben schon nicht mehr diskutiert sondern vom Präsidenten und Konsorten "beschlossen" Was Ron Paul in seinem Buch "Liberty defined" ziemlich "beeindruckend" ausführt.
Wir sehen das aber nicht nur in den USA sondern auch hier in Euro Land mit den Rettungsschirmen.
Ja, die im amerikanischen System angelegte und beabsichtigte Rivalität zwischen Präsident und Kongreß bringt es mit sich, daß diese ihre Macht immer wieder neu zu definieren versuchen.
Aber Obama ist schon ein besonderer Fall. Als Clinton sich nach mid term elections einem republikanisch beherrschten Kongreß gegenübersah, hat er sich arrangiert und eine erfolgreichere Politik gemacht als zuvor. Obama aber ist offenkundig entschlossen, das für seine Partei verheerende Ergebnis der mid term elections von 2010 einfach zu ignorieren. Ja nicht nur in Sachen Haushalt. Auch beim Einsatz in Libyen versucht er die Rechte des Kongresses auszuhebeln, indem er einfach bestreitet, daß es sich um einen Militäreinsatz handelt.
Politiker, die sich als Erlöser sehen, begreifen eben oft den Widerstand Andersdenkender nur als "Opposition". Obama will die USA sozialdemokratisieren und zugleich aus ihrer Rolle als Supermacht lösen - zwei, wie er es sieht, welthistorische Aufgaben für ihn, den Großen Staatsmann. Daran wird er sich doch nicht durch einen Boehner hindern lassen.
Zitat Es ist aber genau umgekehrt: Das Repräsentantenhaus mit seiner großen republikanischen Mehrheit will einen Haushalt verabschieden, wie es seine Aufgabe und sein Recht ist. Der Präsident versucht das zu verhindern, um seine eigenen Vorstellungen durchzusetzen.
Nein, ich glaube, das ist so nicht richtig. Es geht bei der aktuellen Debatte um die Schuldengrenze nicht um die Verabschiedung des Haushalts.
Der Haushalt für 2011 ist vom Kongress bereits verabschiedet. Es geht um die "Schuldengrenze".
Und da ist die Rechtslage wohl schon etwas unübersichtlich: Der Kongress hat einen Haushalt verabschiedet, der den Präsidenten ermächtigt (und wohl auch verpflichtet) gewisse Ausgaben zu tätigen. Aufgrund dieses Haushalts wird allerdings die gesetzliche Schuldengrenze nicht eingehalten. Wenn nun die Schuldengrenze nicht angehoben wird, entsteht eine juristisch so eigentlich nicht haltbare Situation. In der Vergangenheit war daher wohl das regelmäßige Anheben der Schuldengrenze auch stets eine unstrittige Formalie. Gestritten wurde hingegen um den eigentlichen Haushalt.
Weiter verkompliziert wird das ganze dadurch, dass wohl das verfassungsrechtliche Gewicht der Schuldengrenze nicht klar ist. Sie ist ein einfaches Gesetz. Und ihr steht das 14.Amendment der Verfassung womöglich entgegen. ("The validity of the public debt of the United States, authorized by law, including debts incurred for payment of pensions and bounties for services in suppressing insurrection or rebellion, shall not be questioned"). Dieses Amendment kann man so interpretieren, dass die Regierung ihre Schulden unbedingt bedienen MUSS. Es werden nun aber nach dem 1.8. hohe Zinszahlungen fällig, die zur Überschreitung der Schuldengrenze beitragen. Wenn die Verfassung vorschreibt, dass diese Zinsen gezahlt werden müssen, dann kann dies (so eine Rechtsmeinung) nicht durch ein einfaches Gesetz verhindert werden.
Insgesamt ist das ganze also ein recht vielschichtiges Problem. Es geht auf jeden Fall nicht einfach nur um das Budgetrecht des Kongresses.
Zitat von Zettel Aber Obama ist schon ein besonderer Fall. Als Clinton sich nach mid term elections einem republikanisch beherrschten Kongreß gegenübersah, hat er sich arrangiert und eine erfolgreichere Politik gemacht als zuvor. Obama aber ist offenkundig entschlossen, das für seine Partei verheerende Ergebnis der mid term elections von 2010 einfach zu ignorieren. Ja nicht nur in Sachen Haushalt. Auch beim Einsatz in Libyen versucht er die Rechte des Kongresses auszuhebeln, indem er einfach bestreitet, daß es sich um einen Militäreinsatz handelt.
Ich sehe da keinen so eklatanten Unterschied zwischen Obama und seinem Vorgänger. Ich sehe eigentlich diese Entwicklung seit vielleicht Reagan?
Zitat Es ist aber genau umgekehrt: Das Repräsentantenhaus mit seiner großen republikanischen Mehrheit will einen Haushalt verabschieden, wie es seine Aufgabe und sein Recht ist. Der Präsident versucht das zu verhindern, um seine eigenen Vorstellungen durchzusetzen.
Nein, ich glaube, das ist so nicht richtig. Es geht bei der aktuellen Debatte um die Schuldengrenze nicht um die Verabschiedung des Haushalts.
Der Haushalt für 2011 ist vom Kongress bereits verabschiedet. Es geht um die "Schuldengrenze".
Sie haben Recht, lieber Florian. Es geht nicht um die Verabschiedung des Haushalts, sondern um einen Zusatz zum Haushalt, nämlich den von den Republikanern eingebrachten Cut, Cap and Balance Act vom 19. Juli 2011:
Dieses Gesetz beschloß das Repräsentantenhaus - wenn ich es nicht falsch verstehe - in Ausübung (auch) seines Budgetrechts; es scheiterte dann aber im Senat, in dem die Demokraten ja auch nach den mid term elections noch eine knappe Mehrheit behauptet haben
Was Sie zur verfassungsrechtlichen Diskussion schreiben, stimmt. Aber auch dies scheint mir den Kern der Sache nicht zu berühren, daß es - wie in dem Artikel geschrieben - erstens um die Kompetenzen von Präsident vs Kongreß geht und zweitens um die ideologische Auseinandersetzung zwischen Konservativen und Linken ("liberals").
Zitat von FlorianEs geht auf jeden Fall nicht einfach nur um das Budgetrecht des Kongresses.
Nicht einfach nur, dem stimme ich zu. Aber es spielt in dieser Auseinandersetzung, soweit ich sehe, eine der zentralen Rollen. Neben eben der ideologischen Auseinandersetzung um die Staatsausgaben.
Zitat von FlorianDer Kongress hat einen Haushalt verabschiedet, der den Präsidenten ermächtigt (und wohl auch verpflichtet) gewisse Ausgaben zu tätigen. Aufgrund dieses Haushalts wird allerdings die gesetzliche Schuldengrenze nicht eingehalten.
Wenn das so ist, dann läge die Schuld am Debakel alleine am (republikanisch dominierten) Repräsentantenhaus. Denn es ist doch völlig unsinnig, zuerst Ausgaben zu genehmigen, dann aber die Finanzierung dafür abzuwürgen. Mir ist unverständlich, warum die Sparapostel nicht drastisch den Rotstift im Haushalt benutzt haben - der Umweg über die Schuldengrenze ist doch eigentlich peinlich.
Zitat Dieses Amendment kann man so interpretieren, dass die Regierung ihre Schulden unbedingt bedienen MUSS. Es werden nun aber nach dem 1.8. hohe Zinszahlungen fällig, die zur Überschreitung der Schuldengrenze beitragen.
Das wäre aber nun kein Problem (von der reinen Logik her). Wenn die Bedienung von Schulden per Verfassung erste Priorität hat, dann müssen eben die übrigen Ausgaben zurück stehen. Ich halte es für recht unwahrscheinlich, daß die Einnahmen nicht zur Begleichung alleine der Altschulden ausreichen.
Normalerweise konkurriert staatliche Nachfrage mit privater Nachfrage um die knappen Güter wie Arbeitskräfte und Material. Erhöht man die staatliche Nachfrage, dann schränkt man gleichzeitig die private Nachfrage ein - es findet ein crowding out statt. Ein Arbeiter kann eben nur zur gleichen Zeit ein Haus für einen Privaten bauen oder eine Straße für einen öffentlichen Auftraggeber. Genauso kann man Material nur 1* verwenden. Der Indikator, wie stark die Ressourcen belastet sind, ist der Zins. Die Ressourcen werden mit Geld bezahlt und je höher die Nachfrage nach Geld, desto höher auch der Preis dafür. Vollbeschäftigung ist ein weiter starker Indikator. In dieser Situation wirkt neue Nachfrage schnell inflationär. In jüngster Zeit war das zb beim Wiedervereinigungsboom anfang der 90er so: auf eine bereits gut ausgelastete Wirtschaft Westdeutschland traf starke Nachfrage von plötzlich mit Westgeld gut ausgestatteten Nachfragern aus den neuen Bundesländern und die BuBa musste die Zinsen massiv erhöhen, um die Wirtschaft abzukühlen.
In einem Umfeld mit Vollbeschäftigung und hoher Kapazitätsauslastung kann es helfen, wenn der Staat freiwillig seine Nachfrage zügelt. Das schafft Raum für mehr private Nachfrage. In der aktuellen Lage Deutschlands wäre der Staat gut beraten, ein Haushaltsplus zu erwirtschaften. Die Inflation zB am Bau ist ja jetzt schon zweistellig.
In den USA haben wir eine völlig andere Lage, vergleichbar mit der Japans 1990. Nach einigen Jahren starken kreditfinanzierten Wachstums haben die Haushalte einen Minsky Moment erlebt und binnen weniger Monate ihre Sparquote von 0 auf 5% angehoben. Vor allem die untere Einkommenshälfte will sich entschulden. Die Unternehmen sitzen auf einer Menge von Cash, aber die Investitionsneigung ist gering, weil die Nachfrage stagniert. Die Arbeitslosigkeit ist für US-Verhältnisse ungewöhnlich hoch und verharrt auf hohem Niveau. Eine Änderung ist nicht Sicht, da sich die Haushalte weiter entschulden wollen bzw. sogar angstsparen. Daß diese Rezession deswegen besonders tief ausfallen wird, wusste man schon 2008: http://www.creditwritedowns.com/2008/07/...vs-savings.html
Obama hat aktiv nichts zum Abschwung und zur dauernden Rezession beitragen. Sein einziges Highlight, die Gesundheitsreform, wird es 2013 richtig wirksam und ansonsten ist er einfach nur untätig gewesen, völlig überfordert mit dem Amt. Was aber vorherzusehen war.
wie speziell die aktuelle Rezession ist, sieht man auch hier: http://www.cq.com/graphics/crsreports/R41623_2011-02-08.pdf ua seite 5: in den letzten 20 Jahren sind selbst in Rezessionen die privaten Hypothekar- und Kreditkartenschulden weiter gestiegen. Jetzt geht beides zurück. Das ist zwar nicht alles sparen, sondern da sind auch Abschreibungen dabei. Der Nachfragerückgang rührt aber auch vom Vermögenseffekt der kräftig gesunkenen Immobilienpreise her, seite 11.
In dieser Situation gießt ein Sparprogramm auf staatlicher Ebene nur noch Öl ins Feuer. Wenn der Staat jetzt auch noch Mitarbeiter entlässt bzw. weniger Aufträge vergibt und Sozialleistungen kürzt, dann verzögert sich der Entschuldungsprozeß nur noch weiter. Der übliche Weg der Wirtschaftsbelebung durch Zinssenkungen ist den USA - wie auch Japan - verbaut. Die Zinsen sind am kurzfristigen Ende bereits auf Null und selbst die 10jährigen Treasuries notieren an der Inflationsgrenze.
Im Gegensatz zur Depression der 1930er könnte den USA als Ausweg der Rest der Welt zu Hilfe kommen. Nicht Europa, aber Asien und Südamerika. Von dort könnte Nachfrage kommen, wenn etwa die Chinesen endlich ihr Volk dazu bringen, ordentlich zu konsumieren. Inder hätten auch eine Menge Nachholbedarf. Aber wenn man darauf nicht warten will - es deutet ja nichts daran hin, daß etwa China seine Exportpolitik aufgeben will - dann muß man lokal was tun.
Eine Möglichkeit in die Vereinbarung eines hohen Inflationsziels, 5-6%. Greg Mankiew und Kenneth Rogoff haben das ua vorgeschlagen, Rogoff hat sich 2009 sogar auf 6% festgelegt: http://www.senseoncents.com/tag/greg-mankiw/ gemacht wurde nichts dergleichen.
Monetär kann man auch mittels Schuldenerlass entschulden. Wird gemacht, siehe ua den CRS report. allerdings schnarchlangsam. von daher kommen noch jahrelang keine Nachfrageimpulse.
Umstrukturierungen gehen auch noch, also Zinssenkungen auf bestehende Hypothekarkredite und Laufzeitverlängerungen. da gibt es einige Programme der Feds, aber auch hier geht es nur schleppend voran. Mangelhafte Dokumentation verbriefter und tranchierter Kredite verzögert überdies den Weiterverkauf von Immobilien.
Bleibt als wichtigste Möglichkeit eine massive Nachfrageausweitung des Staates. Zu tun gäbe es genug, wie gesagt, Infrastruktur zerbröselt zusehends. Forschung geht auch immer, wobei man aber darauf achten muß, daß es beschäftigungswirksam ist. Bauarbeiter werden nicht über Nacht zu Physikern, daher wäre es gut gewesen, zB in Straßenbau und -Verbesserung zu investieren, Flug- und Seehäfen, Kraftwerke, Mangel herrscht in den USA ja überall, da die Infrastrukturinvestitionen seit 30 Jahren vernachlässigt werden.
Aber daß es einen Case für Stimulus gibt, der wird durch die Datenlage gut gestützt. Es ist soweit auch alles gut wissenschaftlich abgesichert, da geben die Forschungen aus den 30ern Jahren (Fisherian debt deflation) wie etwa auch Bernanke's Arbeiten ausreichend Instrumentarium her. Bernanke hat dann auch inflation targeting den Japanern geraten: http://thinkprogress.org/yglesias/2011/0...eting-in-japan/ es wurde dort nicht umgesetzt und Bernanke macht es in den USA auch nicht. Warum? momentan hat er schlicht Angst. Warum man sich vor 2 Jahren nicht getraut hat? ich weiß es nicht.
Natürlich wird eine Menge Geld in ineffizienten Sozialprogrammen verpulvert. Head Start ist ein Paradebeispiel: das funktioniert seit 40 Jahren nicht, die NYTimes (wahrlich kein Ableger von Fox) nimmt das ebenso zur Kenntnis wie Newsweek, aber einige Senatoren der Dems beharren weiterhin darauf, meinen sogar, man müsse dann halt noch mehr Geld da rein stecken, damit es funktioniert.
Und die steuerliche Totsünde der 2000er hat Bush jr. zu verantworten: http://en.wikipedia.org/wiki/Bush_tax_cuts man senkt in einer Hochkonjunkturphase eben gerade nicht die Steuern, sondern kürzt das Defizit, erwirtschaftet vielleicht sogar einen Überschuß wie in den Clinton Jahren. Was übrigens wie gesagt Deutschland jetzt auch haben sollte, Überschüsse im Bundeshaushalt.
sich auf den dem. Kongreß nach 2006 rauszureden, hilft nicht viel, denn es ist der Präsident, der dem Kongreß das Budget zuleitet. Es gab in den Bush-Jahren viele Stimmen aus dem eigenen Lager, die die Ausweitung des Staates kritisiert haben. Verstaatlichung der Flugsicherung == Schaffung der TSA ist nur eines der Beispiele, die das Beamtenheer in seiner Zeit vergrößert haben.
Hier etwas zu Keynes: man kann seinen Vorschlägen doch nicht Versagen vorwerfen, wenn man sie nicht richtig umsetzt. Keynes hat nie dem zügellosen Staat das Wort geredet, sondern ihn als Helfer in der Not verstanden, der dann einspringt, wenn weder Haushalte noch Unternehmen ausreichend Nachfrage schaffen. Erst in absolut letzter Konsequenz soll man Arbeiter entweder Gräben ausheben und wieder zuschütten lassen um sie zu beschäftigen. In wirtschaftlich prosperierenden Zeiten soll der Staat sich hingegen zurückziehen und Überschüsse erwirtschaften. Norwegen bekommt das mit seinem Ölfonds ganz gut hin, die Schweiz schafft auch Überschüsse im Bundeshaushalt, aber sonst wurde diese Ausgleichsfunktion des Staates nie ernst genommen. Man stockt in guten Zeiten mit Steuernsenkungen und üppigen Sozialleistungen die Nachfrage sogar noch auf, damit der Absturz umso heftiger ausfällt. Das kann man Keynes aber nicht anlasten.
Aber die Antwort heißt jetzt trotzdem nicht sparen, sondern Nachfrage schaffen, halt mit der Nachfrage nach "useful things", wie es Paul Krugman gerade ausdrückt. Und das muß doch vermittelbar sein, oder wer hat was gegen funktionierende Infrastruktur und ev. sogar ein neues Weltraumprogramm? Head Start kann man ja trotzdem einstampfen. Aber nichts dergleichen kommt von der Seite der Reps, nur Obstruktion.
Das Muster meine ich mit der Anti-Atom-Hysterie in Deutschland vergleichen zu können. Besonders die Tea Party Anhänger sind überhaupt nicht an Fakten interessiert. Es wird nicht mehr diskutiert, es wird jegliche Abweichung von ihrer puren Ideologie niedergebrüllt. http://krugman.blogs.nytimes.com macht sich fast immer die Mühe, wissenschaftlich nachvollziehbar mit den Methoden der VWL zu arbeiten: mit Echtdaten und Modellen. Wo ist vergleichbare wissenschaftlich seriöse Arbeit auf der Seite der Reps? Es wird nur mehr ideologisch argumentiert. Man zeige mir ein Modell, daß bei hoher Arbeitslosigkeit, Nullzinsen und debt deflation eine Expansion durch Nachfragesenkung des Staates vorhersagt. Ich gucke mir das sofort an. Ich habe nur noch nie eines gesehen.
aber ein Sen. der Dems hat ja freimütig bekannt, daß sein wichtigstes politisches Ziel ist, aus Obama einen one term president zu machen. In der Tat ist es für die Reps wahrscheinlich von Vorteil, wenn die Wirtschaft bis Ende 2012 so schlecht wie möglich läuft, denn der Wähler gibt nun mal am ehesten dem Typen im Weißen Haus die Schuld. Und so ist etwa Greg Mankiew mittlerweile auch schlicht still geworden. Es mag durchaus verlockend sein, in der Position eines tenured professors abzuwarten um dann halt erst 2013 das umzusetzen, was er schon 2009 vorgeschlagen hat. Unter republikanischer Führung wird man das Schuldenlimit ja problemlos erhöhen, ging ja unter Reagan und Bush auch. Intellektuell unseriös bleibt es trotzdem.
Ich fürchte, daß an nachfrageseitiger Stärkung wenig kommen wird. Daher folgen noch einige wirtschaftlich schwache Jahre (was wenn sich nichts ändert auch für die EU-Peripherie gilt). Einzig die noch immer stark steigende Bevölkerung der USA kann ihnen helfen, den Überhang an Immobilien schneller abzubauen als es zB in Japan geschehen ist und etwa in Spanien passieren wird. Aber Europa hat ja überhaupt seine besonderen, hausgemachten Probleme.
Zitat Wenn das so ist, dann läge die Schuld am Debakel alleine am (republikanisch dominierten) Repräsentantenhaus. Denn es ist doch völlig unsinnig, zuerst Ausgaben zu genehmigen, dann aber die Finanzierung dafür abzuwürgen. Mir ist unverständlich, warum die Sparapostel nicht drastisch den Rotstift im Haushalt benutzt haben - der Umweg über die Schuldengrenze ist doch eigentlich peinlich.
Ja. Sehe ich auch so. Allerdings muss man hier auch sehen, dass erstens der Senat (der ja ebenfalls dem Budget zustimmen muss) nach wie vor eine demokratische Mehrheit hat. Und außerdem gibt es die republikanische Mehrheit im Rep.Haus ja erst sei Januar 2011. Das Budget für 2011 wurde aber doch sicher schon im Jahr 2010 verabschiedet.
Ich sage nicht, dass die Republikaner keinen legitimine Anspruch haben. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass sie hier schon einen recht unorthodoxen Weg gehen, um den Anspruch durchzusetzen. Es ist also keinesfalls nur das "normale" Budgetrecht des Kongresses, gegen das sich Obama hier zur Wehr setzt.
Zitat Das wäre aber nun kein Problem (von der reinen Logik her). Wenn die Bedienung von Schulden per Verfassung erste Priorität hat, dann müssen eben die übrigen Ausgaben zurück stehen.
Richtig. Ich wollte hier v.a. darauf hinweisen, dass (zumindest aus Sicht einiger Juristen) die Schuldengrenze kein Hindernis ist, die bestehenden Schulden zu bedienen. Dass also, anders als von den Medien teilweise dargestellt, (zumindest aus Sicht der Gläubiger) gerade KEINE Staatsinsolvenz droht. Dass Rating von Griechenland ist ja z.B. so schlecht, weil es sehr wahrscheinlich ist, dass die Gläubiger ihr Geld nicht zurück bekommen. In den USA list die Lage aber anders. Und daran ändert auch die aktuelle Schuldengrenzen-Diskussion nichts.
Zitat von Johann GrabnerAber daß es einen Case für Stimulus gibt, der wird durch die Datenlage gut gestützt. Es ist soweit auch alles gut wissenschaftlich abgesichert, da geben die Forschungen aus den 30ern Jahren (Fisherian debt deflation) wie etwa auch Bernanke's Arbeiten ausreichend Instrumentarium her. Bernanke hat dann auch inflation targeting den Japanern geraten: http://thinkprogress.org/yglesias/2011/0...eting-in-japan/ es wurde dort nicht umgesetzt und Bernanke macht es in den USA auch nicht. Warum? momentan hat er schlicht Angst. Warum man sich vor 2 Jahren nicht getraut hat? ich weiß es nicht.
Na ja, da hab ich meine Zweifel zum "Erfolg" von Stimulus in den 30ern genauso wie Henry Morgenthau, Jr. damals immerhin Secretary of Treasury unter F.D.R.
Zitat We have tried spending money. We are spending more than we have ever spent before and it does not work. And I have just one interest, and if I am wrong … somebody else can have my job. I want to see this country prosperous. I want to see people get a job. I want to see people get enough to eat. We have never made good on our promises. … I say after eight years of this Administration we have just as much unemployment as when we started. … And an enormous debt to boot.
Es ist ja zur Zeit immer von der gewaltigen US-Verschuldung die Rede. Ohne das jetzt klein reden zu wollen: Der aktuelle Alarmismus ist übertrieben.
Erstens: Das (z.B. auch von Zettel dargestellte) "Gross Public Debt in % of GDP" ist eben "Gross" (zu deutsch: Brutto). Mehr als ein Drittel der US-Staatsanleihen werden von staatlichen Organisationen gehalten (v.a. Renten- und Krankenkassen). So etwas gibt es im deutschen Umlage-System gar nicht. Wollte man die USA mit der Situation in Deutschland vergleichen, müsste man diesen Betrag eigentlich von den US-Schulden abziehen. Noch nicht mitgerechnet ist, dass ein weiterer großer Teil der Staatsschulden von privaten Pensionsfonds gehalten wird, deren Bedeutung deutlich größer ist als in Deutschland. Würde man dies auf deutsche Verhältnisse umrechnen, käme man in den USA derzeit wohl immer noch auf eine Gesamt-Verschuldung, die den Maastricht-Kriterien entsprechen würde (d.h. unter 60% des BIP).
Zweitens: Anders als Deutschland sind die USA demographisch relativ gesund. Eine nach wie vor wachsende Bevölkerung tut sich leichter, Schulden abzutragen als eine schrumpfende Bevölkerung.
Drittens: Auch wenn in der Tat die aktuelle US-Rezession besorgniserregend ist: das Wirtschaftswachstum war in den letzten Jahrzehnten in den USA fast immer höher als in Deutschland. Auch dies erleichtert das Abtragen der Schuldenlast.
Fazit: Die derzeitigen Krodkodilstränen auf Spiegel Online et al zum Zustand der US-Finanzen sind übertrieben. Ja: Die USA haben aktuell ein mörderisch hohes Haushaltsdefizit. Aber es ist nicht SO schlimm, wie man immer wieder in den Medien liest.
Zitat von Florian Es ist ja zur Zeit immer von der gewaltigen US-Verschuldung die Rede. Ohne das jetzt klein reden zu wollen: Der aktuelle Alarmismus ist übertrieben.
Erstens: Das (z.B. auch von Zettel dargestellte) "Gross Public Debt in % of GDP" ist eben "Gross" (zu deutsch: Brutto). Mehr als ein Drittel der US-Staatsanleihen werden von staatlichen Organisationen gehalten (v.a. Renten- und Krankenkassen). So etwas gibt es im deutschen Umlage-System gar nicht. Wollte man die USA mit der Situation in Deutschland vergleichen, müsste man diesen Betrag eigentlich von den US-Schulden abziehen. Noch nicht mitgerechnet ist, dass ein weiterer großer Teil der Staatsschulden von privaten Pensionsfonds gehalten wird, deren Bedeutung deutlich größer ist als in Deutschland. Würde man dies auf deutsche Verhältnisse umrechnen, käme man in den USA derzeit wohl immer noch auf eine Gesamt-Verschuldung, die den Maastricht-Kriterien entsprechen würde (d.h. unter 60% des BIP).
Die Logik erschliesst sich mir nicht. Das Geld gehört dem "Staat" nicht mehr und nein es gibt noch ein Riesendefizit wenn ALLE Rentenversprechungen wirklich auch zu Rückstellungen führten. Was eben nicht der Fall ist.
Zitat Drittens: Auch wenn in der Tat die aktuelle US-Rezession besorgniserregend ist: das Wirtschaftswachstum war in den letzten Jahrzehnten in den USA fast immer höher als in Deutschland. Auch dies erleichtert das Abtragen der Schuldenlast.
Fazit: Die derzeitigen Krodkodilstränen auf Spiegel Online et al zum Zustand der US-Finanzen sind übertrieben. Ja: Die USA haben aktuell ein mörderisch hohes Haushaltsdefizit. Aber es ist nicht SO schlimm, wie man immer wieder in den Medien liest.
Nun denn jedes jahr 10% mehr Schulden bei einem Wachstum von -1 bis 2 oder so Prozent. Was soll daran nicht schlimm sein? Im Gegenteil die Presse schreibt noch immer an Beruhigungspillen. Amerika ist genausso fertig wie Europa. Es bleibt nur noch die Frage wer wird Seinen Bankrott als Erstes erklären.
Zitat von Florian Das (z.B. auch von Zettel dargestellte) "Gross Public Debt in % of GDP" ist eben "Gross" (zu deutsch: Brutto). Mehr als ein Drittel der US-Staatsanleihen werden von staatlichen Organisationen gehalten (v.a. Renten- und Krankenkassen).
Genau das hat man ja unter Clinton gemacht, weswegen er offiziell ein Haushaltsueberschuss hatte. Es wurden einfach Schulden auf staatliche Organisationen verschoben. Das "Gross Federal Debt" ist in allen Jahren der Clintonadministration gestiegen.
Zitat Eine der wichtigsten Aufgaben des Kongresses ist es, über den Haushalt zu beschließen. Wenn der Präsident einen Haushaltsentwurf vorlegt, dann "bittet" er den Kongreß um Geld für die einzelnen Ausgabenposten (asks Congress for money).
Beim jetzigen Machtkampf benimmt sich Präsident Obama nach Ansicht seiner Kritiker aber so, als sei er und nicht der Kongreß für den Haushalt verantwortlich.
Tatsächlich sind beide Gewalten für den Haushalt verantwortlich. Der Präsident bringt den Haushalt ins Parlament ein - so wie das auch in Deutschland der Finanzminister als Vertreter der Regierung tut. So ist es auch in Großbritannien, wo diese Praxis mit der Standing Order 66 im 18. Jahrhundert seinen Ausgangspunkt genommen hat. Der Haushalt ist also sehr wohl Sache der Exekutive - es ist aber Sache des Parlaments, diesen auch zu bewilligen oder eben nicht.
Zitat At his Friday news conference-cum-tantrum, Barack Obama imperiously summoned congressional leaders to his presence: "I’ve told" them "I want them here at 11 a.m." (...) Inordinate self-regard is an occupational hazard of politics and part of the job description of the rhetorical presidency, this incessant tutor. Still, upon what meat doth this our current Caesar feed that he has grown so great that he presumes to command leaders of a coequal branch of government?
Das habe ich mich auch schon oft gefragt. Noch mehr aber, wieso dies in der Berichterstattung, die ja sonst so hellhörig auf autoritäres Gehabe achtet (Vgl. Berlusconi, Sarkozy) das bestenfalls neutral widergibt, meistens es auch noch gutheißt. Nicht auszudenken, was passiert wäre, hätte Präsident Bush jemals dergleichen von sich gegeben.
Zitat Der andere ist, daß es um eine Frage geht, die traditionell Demokraten und Republikaner spaltet: government spending, die Regierungausgaben. Aus konservativer Sicht sollte der Staat dem Bürger nur soviel von dessen Geld wegnehmen und für Regierungsausgaben verwenden dürfen, wie das unbedingt erforderlich ist. In der Demokratischen Partei, die heute eine (nach amerikanischen Maßstäben) weitgehend linke Partei ist, sieht man das umgekehrt: Der Staat hat seine Aufgaben zu erfüllen und kann vom Bürger soviel an Steuern verlangen, wie er nach seiner - des Staats - eigener Einschätzung benötigt.
Und beide haben sie irgendwo recht. Bei der Finanzpolitik sind einerseits die Leistungsfähigkeit der Steuerzahler, andererseits die Befürfnisse der Staatsaufgaben zu beachten. Und damit keine der beiden Aspekte den anderen "auffrisst", ist es gut, daß zwei Gewalten beteiligt sind und in einer auch noch zwei Häuser und darin dann zwei Parteien. Eine Herrschaft per präsidialem Diktat würde das aber aus den Angeln heben.
Ein Ansteigen der Staatsausgaben ist aber nicht gleichbedeutend mit "Sozialdemokratisierung" - was auch immer das sei - denn vor Obama haben bereits zwei andere Präsidenten ähnliche Anstiege zu verantworten: ihre Namen sind Reagan und Bush.
Zitat von FriedrichNun denn jedes jahr 10% mehr Schulden bei einem Wachstum von -1 bis 2 oder so Prozent. Was soll daran nicht schlimm sein? Im Gegenteil die Presse schreibt noch immer an Beruhigungspillen. Amerika ist genausso fertig wie Europa. Es bleibt nur noch die Frage wer wird Seinen Bankrott als Erstes erklären.
und genau diese Art der Argumentation ist (momentan) typisch für den brüllenden Teil der Republikaner. Was soll "Amerika ist fertig" oder "Bankrott erklären" ökonomisch bedeuten?
Wenn hier schon Keynes angegriffen sind und die Neoklassik gepriesen wird: es ist ja gerade die in der Neoklassik verwendete Ricardianische Äquivalenz, die Staatsschulden als vollkommen irrelevant ansieht. Was ja durchaus seine Berechtigung hat: Finanzierung durch Verschuldung und Besteuerung ist grundsätzlich austauschbar. Die Menschen beziehen das nur nicht zu 100% in ihre Konsumentscheidungen ein - argumentiert der Neokeynesianismus.
Die Schuldengrenze der USA ist tatsächlich eine Fußnote. Sie ist nicht nur fast ein Unikat (Dänemark hat sowas ähnliches auch noch, sonst weiß ich von keinem Staat mit einer obskuren Regelung dieser Art), sondern mM zumindest für 2011 auch durch das Budget derogiert, wenn nicht gleich ignorierbar. Wenn sich Präsidenten auch locker über den War Powers Act hinwegsetzen können, warum nicht auch über das einfachgesetzliche debt ceiling? Wer soll klagen? der Kongress sicher nicht, dafür haben die Reps im Senat keine Mehrheit.
aber um nochmal auf Argumente zurückzukommen: was konkret ist ökonomisch das Problem, wenn die USA sagen wir die Verschuldung von aktuell irgendwas von 70 (netto), 100 (brutto) Prozent des BIP auf sagen wir 90/120 Prozent in den nächsten 3 Jahren erhöht und damit Infrastrukturinvestitionen in dieser Höhe tätigt (ca. 2.800 Mrd. Dollar)?
und: wenn die USA ein Problem mit aktuell nehmen wir die 100 brutto her haben: was für ein Problem hat Japan mit einer Verschuldung von irgendwas bei 220%?
konkret heißt dabei: wo manifestieren sich die angeblichen negativen Auswirkungen? wie wird jemand in seinem Konsum beschränkt, in seinen Investitionsentscheidungen, wo wird jemand arbeitslos, wo gibt es negative Externalitäten wie etwa Umweltzerstörung? "Bankrott" und "fertig sein" sind keine Argumente, das ist polemisches Gebrüll.
Dabei zur Information: 1945 war die Staatsverschuldung der USA relativ höher als heute, bei 120% GDP: http://en.wikipedia.org/wiki/File:USDebt.png wo war da ein konkretes Problem?
Zitat Alles gar nicht so schlimm? Minnesota shutdown gar nicht so schlimm?
Minnesota ist - wie alle anderen US-Bundestaaten - Währungsnutzer, daher können die theoretisch insolvent werden. Tatsächlich ist es aber auch hier nur die gleiche politische Klopperei wie im Bund und in Minnesota auch nicht das erste Mal. Das ist weniger schlimm, denn lustig - oder traurig, je nach Standpunkt. Die könnten sich auch problemlos einigen, wenn sie sich wie erwachsene verantwortungsbewusste Menschen benehmen würden.
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