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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 20 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.12.2011 07:19
Marginalie: Euro und Dollar Antworten

Interessanterweise habe ich die Analyse, die ich in dieser Marginalie referiere, in der Moscow Times gefunden; einer lesenswerten Tageszeitung.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

06.12.2011 08:36
#2 RE: Marginalie: Euro und Dollar Antworten

Hinzu kommt, dass die kulturelle Homogenität der USA sich nicht nur in mobileren Arbeitskräften niederschlägt, sondern auch darin, dass nicht in einem "griechischen" Bundesstaat die Steuerhinterziehung Volkssport und die amtliche Statistik Märchenstunde ist.

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Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

06.12.2011 10:00
#3 RE: Marginalie: Euro und Dollar Antworten

Mich überraschen diese Thesen.

1.) Abwertung der eigenen Währung ist nur eine Option eines wirtschaftlich schwachen Gebiets. Und keine sehr gute - man kann damit kurzfristig über die Schwächen hinwegtäuschen, langfristig verfestigt man damit seinen Strukturnachteil.
In Zeiten vor den durch Zentralbanken gesteuerten FIAT-Währungen gab es auch keine Möglichkeit der Abwertung (Münzverschlechterung ist ein anderes Thema) und das hat auch funktioniert.
Die übliche Reaktion einer schwachen Region innerhalb eines Währungsgebiets ist z. B. die Absenkung von Löhnen. Und genau das geht besser, wenn die Arbeitnehmer NICHT so mobil sind.
Soll heißen: Eigentlich müßte die Währungsunion bei europäischen Verhältnissen besser mit Strukturunterschieden fertig werden als in den USA.

2.) Es ist mir völlig neu, daß die Steuern in den USA nur an die Zentrale gingen. Der Steueranteil von Gemeinden und Bundesstaaten ist m. W. erheblich. Und es gibt m. W. auch keinerlei Finanzausgleich, keine Zahlungen des Bundes an Einzelstaaten. Es gibt nur indirekte Hilfen durch Projekte oder Finanzierung von Bundeseinrichtungen.

3.) Es ist gut für die Bundesstaaten, wenn sie ausgeglichene Haushalte vorlegen müssen. Ob sie das immer tun, bezweifele ich - es hat ja schon Konkurse von US-Staaten gegeben.
Auf jeden Fall ist die Frage, ob ein Bundesstaat solvent bleibt, für die Währung ähnlich irrelevant wie es eine Griechenlandpleite für den Euro ist.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

06.12.2011 11:15
#4 RE: Marginalie: Euro und Dollar Antworten

Zitat von R.A.
1.) Abwertung der eigenen Währung ist nur eine Option eines wirtschaftlich schwachen Gebiets. Und keine sehr gute - man kann damit kurzfristig über die Schwächen hinwegtäuschen, langfristig verfestigt man damit seinen Strukturnachteil.


Wieso? Abwertung macht auch Investitionen durch ausländische Investoren attraktiver (und Investitionen durch Inländer im Ausland unattraktiver). Welcher Faktor wirkt dem entgegen?

Zitat von R.A.
In Zeiten vor den durch Zentralbanken gesteuerten FIAT-Währungen gab es auch keine Möglichkeit der Abwertung (Münzverschlechterung ist ein anderes Thema) und das hat auch funktioniert.
Die übliche Reaktion einer schwachen Region innerhalb eines Währungsgebiets ist z. B. die Absenkung von Löhnen. Und genau das geht besser, wenn die Arbeitnehmer NICHT so mobil sind.


Prinzipiell ja, aber heutzutage funktioniert das nicht ohne größere soziale Verwerfungen. Im 19. Jh. konnte man den Webern in Schlesien noch die Löhne senken, als mechanische Webstühle aufkamen, das führte dann zu lokalen Unruhen - heutzutage würden Regierungsviertel brennen. Und ich würde behaupten, dass das nicht aufgrund der goldgedeckten Währung früher besser funktionierte, sondern aufgrund der eben geringeren Mobilität.

Zitat von R.A.
2.) Es ist mir völlig neu, daß die Steuern in den USA nur an die Zentrale gingen. Der Steueranteil von Gemeinden und Bundesstaaten ist m. W. erheblich.


Laut der National Conference of State Legislatures gingen 2008 67% der Steuern an den Bund, 20% an die Staaten, 13% an die lokale Ebene.

Zitat von R.A.
Und es gibt m. W. auch keinerlei Finanzausgleich, keine Zahlungen des Bundes an Einzelstaaten. Es gibt nur indirekte Hilfen durch Projekte oder Finanzierung von Bundeseinrichtungen.


Aber das kann durchaus einiges ausmachen, siehe etwa die Beschäftigungswirkung von Baumaßnahmen an den Interstates. Pork-barrel spending lässt sich auch leichter verkaufen, wenn das Geld in strukturschwachen Regionen verteilt wird.

Zitat von R.A.
3.) Es ist gut für die Bundesstaaten, wenn sie ausgeglichene Haushalte vorlegen müssen. Ob sie das immer tun, bezweifele ich - es hat ja schon Konkurse von US-Staaten gegeben.


Ohne Zettels Zahlen nachgegangen zu sein, wage ich die Behauptung, dass Kaliforniens "niedrige" Verschuldung daher kommt, dass die Pensionszusagen an Staatsbedienstete nicht einberechnet werden. Die sind es nämlich, die Kalifornien das Genick brechen werden. Und dass es dort momentan nicht zum Besten steht, sieht man daran, dass 2009 die Beamten wieder einmal eine Weile nur Schuldscheine des Staates anstatt Gehälter bekamen.

Zitat von R.A.
Auf jeden Fall ist die Frage, ob ein Bundesstaat solvent bleibt, für die Währung ähnlich irrelevant wie es eine Griechenlandpleite für den Euro ist.


Und damit haben Sie einfach nur Recht.

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Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Florian Offline



Beiträge: 3.135

06.12.2011 12:44
#5 RE: Marginalie: Euro und Dollar Antworten

Punkt 4:
In den USA ist eine unbegrenzte Geldschöpfung des Staates via bei der Zentralbank hinterlegten Staatsanleihen möglich. In Europa ist das nicht möglich.
In begremztem Umfang macht das zwar auch die EZB, etwa im Falle von italien. Staatsanleihen.
Aber der entscheidende Unterschied ist, dass der italienische Staat und dessen Gläuber nicht sicher wissen können, ob die EZB bereit ist, solche Staatsanleihen zu akzeptieren.
Deshalb sind italienische Staatsanleihen risikobehaftet, auch aus Sicht z.B. einer italienischen Bank.
In den USA sind hingegen US-Staatsanleihen aus Sicht einer US-Bank genauso sicher wie Bargeld.
Natürlich hat die Bank ggf. ein Inflationsrisiko (das hat sie aber auch, wenn sie Bargeld hält). Sie hat aber die Sicherheit, dass der Staat seine Anleihen bedienen wird, sofern er dies will. (Die Krise diesen Sommer mit der debt ceiling kam ja nur daher, weil der amerikanische Staat womöglich nicht zahlen WOLLTE. Er KONNTE aber immer). Der italienische Staat KANN aber ggf. bald nicht mehr.
Natürlich hat des europäische System auch Vorteile. Aber eben auch die skizzierten Nachteile.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

06.12.2011 13:35
#6 RE: Marginalie: Euro und Dollar Antworten

Lieber Zettel,

es stimmt, dass die US-Bundesstaaten zu einem ausgeglichenen Haushalt verpflichtet sind, nur sagt das über die Finanzlage recht wenig aus. Das Hauptproblem der US-Bundesstaaten sind Zahlungsverpflichtungen vor allem der Renten, die ohne Zuschüsse aus Washington in Zukunft ein Großteil der Bundesstaaten in die Pleite treiben werden. http://news.stanford.edu/news/2010/april...lem-040510.html
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziale...,742473,00.html
Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen haben irgendwann eine Grenze.

Feldstein adressiert letztlich zwei Punkte:
1. Die Transferunion der US-Bundesstaaten, und
2. Einfluss der Migration

Zur Transferunion:
Der Mechanismus der USA erzwingt die Wahl der Bundesstaaten zwischen Haushalten (Sparen, Steuerpolitik) oder Verlust eines Teils der Souveränität (Insolvenzverfahren). Damit besteht erst mal ein hoher Druck auf die Regierungen der Bundesstaaten, den die EU heute gerne hätte, aber momentan nur über den Umweg IWF ausüben kann.
Die Zentralregierung sammelt einen Großteil der Steuern ein und kann (muss aber m.W. nicht) so die Wirkung von regionalen Veränderungen in der Wirtschaftskraft kompensieren.

Zur Mobilität:
Üblicherweise folgen die Menschen den Arbeitsplätzen, was in den USA ganz sicher einfacher geht als in Europa. Feldstein führt für Europa u.a. die Sprache als Hindernis an. Ich denke aber, dass das bei besser Qualifizierten, aber auch im einfachen Dienstleistungsbereich kein so großes Thema ist. Ich würde eher vermuten, dass die recht gute soziale Absicherung besonders bei Arbeitslosigkeit in vielen europäischen Ländern der wichtigere Faktor ist: So schnell wandern die Leute nicht ab.

Wie auch immer, ich glaube nicht, dass Merkels Vorstoss zu einer Änderung von EU-Verträgen eine den USA vergleichbare Lösung bringen wird, zu groß wird der Widerstand gegen die Abgabe von Souveränität sein. Es wird maximal eine halbe Lösung geben, mit der Hoffnung vor allem der Südländer, diese durch allerlei Einflussnahmen zu verwässern.

Nimmt man das als denkbare Ausgangslage, dann lohnt es sich vielleicht über einen zusätzlichen Euroraum-spezifischen Ausgleichmechanismus nachzudenken, der sich der politischen Einflussnahme (Hauptsorge der 'Geberländer') weitgehend entzieht: Man müsste Migration über ein Doppelbesteuerungsabkommen innerhalb der Euroländer kompensieren: Die Einkommensteuer könnte zum (großen?) Teil an die Herkunftsländer der Migranten zurückfließen, ähnlich den US-Amerikanern, wenn diese im Ausland arbeiten. Man könnte zusätzlich über Kompensationen bei den Sozialsystemen nachdenken. Das wäre ein Anreiz, Arbeitslose in einem wirtschaftlich schwachen Land schneller aus den Sozialsystemen zu werfen, und diese bei der Migration zu unterstützen. Ein Land mit Migrationsverlusten müsste nicht bei irgendeiner zentralen Verwaltung um Ausgleichszahlungen betteln, sondern hätte einfach ein Anrecht darauf. Bliebe der Vertrag an den Euro gebunden, dann gäbe es vielleicht auch Anreize für die restlichen Länder dem Euroraum beizutreten.

Würde man diesen Mechanismus auf die BRD anwenden, dann gäbe es eine Menge Transferleistungen aus den Süd- in die Nord- und Ostländer, mit dem Vorteil, dass es keine Händel und Klagedrohungen geben müsste. Den Zuwanderländern bleiben ja immer noch viele Einnahmen aus anderen Steuern und sonstige Vorteile eines Wirtschaftsstandorts. Und Abgewanderte müssten gegenüber ihrer Heimat kein 'schlechtes Gewissen' haben.

Es sollte aber klar sein, dass bessere Ausgleichs- und Sanktionsmechanismen zwar gute Voraussetzungen für die Stabilität einer Währung sind, aber wenig Prinzipielles zur Lösung der Probleme der welweiten Schuldenexzesse beitragen. Trotz oder wegen besserer Ausgleichsmechanismen haben die US/UK-Banken mehr (Schulden-)Geld in den Umlauf gebracht als die Welt ertragen kann. Diese verschwinden nicht mit einer europäischen Einigung.

Gruß, Martin

Martin Offline



Beiträge: 4.129

06.12.2011 13:39
#7 RE: Marginalie: Euro und Dollar Antworten

Zitat von Florian
Punkt 4:
In den USA ist eine unbegrenzte Geldschöpfung des Staates via bei der Zentralbank hinterlegten Staatsanleihen möglich. In Europa ist das nicht möglich.
In begremztem Umfang macht das zwar auch die EZB, etwa im Falle von italien. Staatsanleihen.
Aber der entscheidende Unterschied ist, dass der italienische Staat und dessen Gläuber nicht sicher wissen können, ob die EZB bereit ist, solche Staatsanleihen zu akzeptieren.



Lieber Florian,

ich weiß nicht, die EU-Bürokraten sind ja auch kreativ: Sie gründen eine eigene Ratingagentur, und die italienischen Staatsanleihen haben plötzlich ein AAA-rating .

Gruß, Martin

uniquolol Offline




Beiträge: 254

06.12.2011 14:39
#8 RE: Marginalie: Euro und Dollar Antworten

“...Selbst das nach amerikanischen Maßstäben hochverschuldete Kalifornien hat im Augenblick nur einen Gesamt-Schuldenstand (general obligation debt) von 4 Prozent seines Bruttosozialprodukts...”

Nach diesem Artikel von WELT-Online belaufen sich die Schulden von CA auf 366 Mrd. Dollar, die Quote lag im Februar bei 18,8 Prozent.
http://www.welt.de/wirtschaft/article125...m-Bankrott.html

http://www.usdebtclock.org/state-debt-cl...debt-clock.html

Martin Offline



Beiträge: 4.129

06.12.2011 14:57
#9 RE: Marginalie: Euro und Dollar Antworten

Zitat von uniquolol
“...Selbst das nach amerikanischen Maßstäben hochverschuldete Kalifornien hat im Augenblick nur einen Gesamt-Schuldenstand (general obligation debt) von 4 Prozent seines Bruttosozialprodukts...”

Nach diesem Artikel von WELT-Online belaufen sich die Schulden von CA auf 366 Mrd. Dollar, die Quote lag im Februar bei 18,8 Prozent.
http://www.welt.de/wirtschaft/article125...m-Bankrott.html

http://www.usdebtclock.org/state-debt-cl...debt-clock.html



Sind das Schulden oder Verpflichtungen? Jedenfalls tauchen sie nicht im Haushalt auf, deshalb ist dieser weitgehend ausgeglichen.

Gruß, Martin

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

06.12.2011 15:05
#10 RE: Marginalie: Euro und Dollar Antworten

Zitat von Martin
Sind das Schulden oder Verpflichtungen? Jedenfalls tauchen sie nicht im Haushalt auf, deshalb ist dieser weitgehend ausgeglichen.


Das sind Verpflichtungen, also nicht Schulden im engeren Sinne.

Aber der Welt-Artikel berichtet von einer Kommune, in der Polizisten und Feuerwehrleute mit 50 Jahren in Rente gehen können und dann 90% ihres letzten Gehalts bekommen. Teilweise gehen in die Rentenberechnung dann alle Gehaltsbestandteile des letzten Arbeitsjahres ein, dann werden noch einmal richtig viele Überstunden gerissen und ausbezahlt, und die Rente steigt in unermessliche Höhen. Das ist ein Problem, das einige US-Bundesstaaten und Gemeinden richtig teuer zu stehen kommen wird. Es war halt einfacher, die Polizisten und Feuerwehrleute durch üppige Pensionszusagen ruhig zu stellen...

Wenn man diese Pensionszusagen aus der Debatte ausklammert, weil es ja keine "richtigen" Schulden sind, verfehlt man meines Erachtens das Thema.

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Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Martin Offline



Beiträge: 4.129

07.12.2011 12:37
#11 RE: Marginalie: Euro und Dollar Antworten

Zitat von Gorgasal
Wenn man diese Pensionszusagen aus der Debatte ausklammert, weil es ja keine "richtigen" Schulden sind, verfehlt man meines Erachtens das Thema.



Das hängt natürlich vom Thema ab. Wenn es um die finanzielle Situation eines Bundesstaates oder einer Stadt geht, dann sind die Verpflichtungen den Schulden gleichzusetzen, da die Verpflichtungen den finanziellen Handlungsspielraum gleichermaßen einschränken. Weiterhin ist natürlich klar, dass die Insolvenz unausweichlich ist, wenn die Verpflichtungen die vorhandenen oder eintreibbaren Mittel überschreiten.

Wenn das Thema das Regelwerk zwischen Zentral- und Lokalregierung ist, dann ist erst mal entscheidend, dass der regulären Verschuldung Grenzen gesetzt sind, und dass es keine Töpfe gibt aus denen allzu einfach Geld nachfließen kann. Wer schlecht haushaltet steuert einem Insolvenzverfahren zu (nach Chapter 7?) mit eingebautem Souveränitätsverlust. Ein adäquater Mechanismus fehlt im Eurosystem. Strafzahlungen bei Verletzung der Maastricht-Kriterien sind eher kontraproduktiv und wenig abschreckend.

Gruß, Martin

Nachgereicht eine kleine Frage in die Runde: Warum wollen Merkel und Sarkozy die Lissabon-Verträge nachbessern, reichte da nicht die Maastricht-Vertrag, da es lediglich um die Teilnahmebedingungen am Eurosystem geht?

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

07.12.2011 14:21
#12 RE: Marginalie: Euro und Dollar Antworten

Zitat von Martin

Nachgereicht eine kleine Frage in die Runde: Warum wollen Merkel und Sarkozy die Lissabon-Verträge nachbessern, reichte da nicht die Maastricht-Vertrag, da es lediglich um die Teilnahmebedingungen am Eurosystem geht?


Der Vertrag von Maastricht ist im Lissabon-Vertrag aufgegangen und damit durch diesen ersetzt worden.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Martin Offline



Beiträge: 4.129

07.12.2011 14:37
#13 RE: Marginalie: Euro und Dollar Antworten

Zitat von Erling Plaethe

Zitat von Martin

Nachgereicht eine kleine Frage in die Runde: Warum wollen Merkel und Sarkozy die Lissabon-Verträge nachbessern, reichte da nicht die Maastricht-Vertrag, da es lediglich um die Teilnahmebedingungen am Eurosystem geht?


Der Vertrag von Maastricht ist im Lissabon-Vertrag aufgegangen und damit durch diesen ersetzt worden.




Danke, war mir irgendwie entgangen.

Gruß, Martin

dirk Offline



Beiträge: 1.538

07.12.2011 22:04
#14 RE: Marginalie: Euro und Dollar Antworten

Zitat von Florian
Punkt 4:
In den USA ist eine unbegrenzte Geldschöpfung des Staates via bei der Zentralbank hinterlegten Staatsanleihen möglich. In Europa ist das nicht möglich....



Das ist exakt der Punkt. Die Staatsschuldenkrise hat insofern etwas mit dem Euro zu tun, als dass die Gemeinschaftswährung einen "weichen Schuldenschnitt" über Inflation verhindert. Zumal die Inflation ja auch die Verbindlichkeiten beträfe und damit die Last symmetrischer verteilt. (Sofern die Verbindlichkeiten nicht in Fremdwährung gehalten werden, aber die Art der Finanzierung sollte auch durch das naivste Risikomanagement begrenzt sein)

Insofern sehe ich Inflationierung durch die EZB als vertretbare Lösung an. Nur ist das leider nur die halbe Wahrheit. Denn selbst wenn das Problem der hohen Schuldenstände gelöst ist, bleibt immer noch das hoher Neuverschuldungen und des ausufernden Wohlfahrtstaates. Und da sehe ich kaum Hoffnung, dass das angepackt wird; vor allem wenn mit einem Schuldenschnitt (hart oder weich) der Anreiz dazu gesenkt wird.

Johann Grabner Offline



Beiträge: 84

14.12.2011 15:55
#15 die Amerikaner sind bereit, Defizite auf Dauer zu finanzieren Antworten

Zitat

Virginia is not however the most “indebted” of America’s states, according to these calculations (see chart). That honour falls to New Mexico, which has a 20-year deficit worth over 260% of its GDP. Puerto Rico, which is a territory, rather than a full state, has an even bigger debt ratio.


http://www.economist.com/node/21524887

New Mexico bekommt vom Bund im Umfang von ca. 13% seines Haushalts mehr überwiesen als seine Bürger selbst an Steuern abführen. Ein Teil davon resultiert aus Bundesbehörden, die in NM residieren, aber der größte Teil sind block grants, Arbeitslosengeld, Renten, etc.. und das geht schon seit Jahrzehnten so. Umgekehrt überweist New York jährlich um die 5% seines BSP an den Bund.

Umgelegt auf Europa würde das alles bedeuten, daß Deutschland mindestens 120 Mrd. Euro jährlich netto an die EU zahlt und Griechenland jährlich netto sein aktuelles Defizit völlig von der EU finanziert bekommt. D.h. selbst bei allen Vorteilen der USA wie etwa der Arbeitskräftemobilität müssen (im Vergleich zur EU, wo Deutschland momentan etwa 8 Mrd. netto pro Jahr zahlt) jährlich gewaltige Ausgleichszahlungen geleistet werden. New Mexico hat dieses Defizit schon irgendwie immer, mindestens seit 1980, wo ich die Zahlen irgendwann einmal gefunden habe. Die versuchen mit allerlei Förderungen lokale Industrien aufzubauen, aber es gelingt nie so recht. Und der Umfang des Transfers wird sogar noch unterschätzt:

Zitat

These transfers are already far bigger than anything the Europeans could match, but the figures actually understate matters. For example, they exclude any interest payments on federal debt, which add up to over $4 trillion since 1990. If those payments were made by debtor states in proportion to their cumulative deficits, the debts of states like New Mexico and Mississippi would rise to over 500% of GDP



weil der Bund sich ja für diese Staaten extra verschulden muß, die Zinsen dafür aber auch wieder alle zahlen. Nur kommt in den USA trotzdem kaum jemand auf die Idee zu sagen, New York würde ausgenützt werden oder ähnliches Gejammer, wie man es aus Deutschland ständig hört, weil ja auch jeder weiß, daß New York nur deshalb so viel erwirtschaftet, weil es das Finanzzentrum des ganzen Landes ist und auch sonst vom großen Absatzmarkt profitiert. Obwohl natürlich trotzdem ein Teil übrig bleibt, den man im Nordosten einfach dafür zahlt, daß die etwas lockereren Südstaaten in der Union bleiben. Am Ende ist man eben doch ein Volk.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.12.2011 16:51
#16 RE: die Amerikaner sind bereit, Defizite auf Dauer zu finanzieren Antworten

Lieber Johann Grabner, besten Dank.

Viele Grüße, Erling Plaethe

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

14.12.2011 18:06
#17 RE: die Amerikaner sind bereit, Defizite auf Dauer zu finanzieren Antworten

Zitat von Johann Grabner
New Mexico bekommt vom Bund im Umfang von ca. 13% seines Haushalts mehr überwiesen als seine Bürger selbst an Steuern abführen.


Dieses Geld geht aber wohl nicht an den Staatshaushalt von New Mexico, sondern an irgendwelche Bürger, Institutionen oder Projekte. Und ist entsprechend an eine bestimmte, vom Bund vorgegebene Verwendung gebunden.
Das ist überhaupt nicht vergleichbar mit einem Finanzausgleich wie zwischen deutschen Bundesländern, wo die Zahlungen direkt im jeweiligen Landeshaushalt landen und vom Empfängerland nach Belieben verbraten werden können. Und auch nicht vergleichbar mit der geplanten europäischen Transferunion, wo die Empfänger das Geld schon nach Belieben verbraten haben und und nun nachträglich bezuschußt bekommen.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.021

14.12.2011 18:13
#18 RE: die Amerikaner sind bereit, Defizite auf Dauer zu finanzieren Antworten

Zitat von R.A.

Zitat von Johann Grabner
New Mexico bekommt vom Bund im Umfang von ca. 13% seines Haushalts mehr überwiesen als seine Bürger selbst an Steuern abführen.


Dieses Geld geht aber wohl nicht an den Staatshaushalt von New Mexico, sondern an irgendwelche Bürger, Institutionen oder Projekte. Und ist entsprechend an eine bestimmte, vom Bund vorgegebene Verwendung gebunden.



Aber Geld ist fungibel. Wenn der Bund Sozialausgaben tätigt, muss NM weniger Sozialausgaben tätigen. Wenn der Bund Interstates baut, muss NM weniger State Roads bauen. An diesem Problem kranken Verwendungsbestimmungen für Gelder immer.

So etwa in Deutschland auch irgendwelche Vorschriften, wie Einnahmen aus Studiengebühren seitens der Uni zu verwenden sind - wenn X Euro für Verwendung Y verwendet werden müssen und Y nicht komplett abwegig war, die Uni also schon Gelder für Y zur Verfügung stellt, dann wird der Zustrom von X Euro nicht unbedingt dafür sorgen, dass tatsächlich X Euro mehr (als in irgendeinem platonischen Alternativszenario) für Y zur Verfügung stehen.

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Martin Offline



Beiträge: 4.129

15.12.2011 08:40
#19 RE: die Amerikaner sind bereit, Defizite auf Dauer zu finanzieren Antworten

Zitat von Johann Grabner
Umgelegt auf Europa würde das alles bedeuten, daß Deutschland mindestens 120 Mrd. Euro jährlich netto an die EU zahlt und Griechenland jährlich netto sein aktuelles Defizit völlig von der EU finanziert bekommt. D.h. selbst bei allen Vorteilen der USA wie etwa der Arbeitskräftemobilität müssen (im Vergleich zur EU, wo Deutschland momentan etwa 8 Mrd. netto pro Jahr zahlt) jährlich gewaltige Ausgleichszahlungen geleistet werden. New Mexico hat dieses Defizit schon irgendwie immer, mindestens seit 1980, wo ich die Zahlen irgendwann einmal gefunden habe.

Die versuchen mit allerlei Förderungen lokale Industrien aufzubauen, aber es gelingt nie so recht. Und der Umfang des Transfers wird sogar noch unterschätzt: ..weil der Bund sich ja für diese Staaten extra verschulden muß, die Zinsen dafür aber auch wieder alle zahlen. Nur kommt in den USA trotzdem kaum jemand auf die Idee zu sagen, New York würde ausgenützt werden oder ähnliches Gejammer, wie man es aus Deutschland ständig hört, weil ja auch jeder weiß, daß New York nur deshalb so viel erwirtschaftet, weil es das Finanzzentrum des ganzen Landes ist und auch sonst vom großen Absatzmarkt profitiert. Obwohl natürlich trotzdem ein Teil übrig bleibt, den man im Nordosten einfach dafür zahlt, daß die etwas lockereren Südstaaten in der Union bleiben. Am Ende ist man eben doch ein Volk.



Lieber Johann Grabner,

das amerikanische System ist nun mal völlig anders als das europäische, dementsprechend nichtssagend ist der Beitrag des ecoonomist. Es ist auch nicht so klar, ob mit den Transferleistungen auch Leistungen in Bundeseinrichtungen die zufällig in den einzelnen Bundesstaaten sitzen, erfasst sind (das Militär ist nun mal ein großer Batzen).

Greift man Delaware als relativ! größten Gläubiger heraus (260% GDP), mit einem relativ kleinen absoluten GDP (ca. 60 Mrd $), aber dem zweithöchsten Einkommen per Capita von den US-Bundesstaaten (ca. 70K$/cap), und weiß man, dass Delaware ein attraktives Steuerparadies ist http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,658577,00.html, dann könnte man doch das griechische Problem dadurch lösen, dass Griechenland ein Steuerpardies innerhalb der EU wird. Jedenfalls kann man Finanzzentren schlecht mit Deutschland vergleichen.

Unter dem Strich wird man feststellen, dass der größte Gläubiger der USA (aus dem sich der Verteilungsmechanismus in die Bundesstaaten speist) die FED, China und Japan sind. Solange es ausreichend Geldgeber gibt muss sich das 'Volk' ja wenig Sorge über den Verteilungsmechanismus der Kredite machen. Also müsste Europa nur auf vergleichbare Geldgeber hoffen und alles wäre im Lot.

Und zum deutschen 'Gejammer': Ich denke nicht, dass dieses sich gegen eine Umverteilung richtet, sondern gegen eine Umverteilung nach dem Selbstbedienungsprinzip. Dass es Ausgleichsmechanismen geben muss, wenn die Wirtschaftsleistung ungleich ist, das ist eigentlich trivial. Die Mechanismen dürfen aber nicht kontraproduktiv sein.

Gruß, Martin

Martin Offline



Beiträge: 4.129

15.12.2011 08:45
#20 RE: die Amerikaner sind bereit, Defizite auf Dauer zu finanzieren Antworten

Zitat von Gorgasal
Aber Geld ist fungibel. Wenn der Bund Sozialausgaben tätigt, muss NM weniger Sozialausgaben tätigen. Wenn der Bund Interstates baut, muss NM weniger State Roads bauen. An diesem Problem kranken Verwendungsbestimmungen für Gelder immer.



Lieber Gorgasal,

das ist zwar irgendwo richtig, aber die Regierung von NM kann dann auch nicht als der Weihnachtsmann antreten, der diese Wohltaten (Sozialausgaben) verteilt, und die lokalen Parteien können ihr Wahlprogramm nicht über Neuverschuldungen realisieren. Der Kampf wird halt auf Bundesebene ausgefochten.

Gruß, Martin

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

26.12.2011 23:28
#21 RE: die Amerikaner sind bereit, Defizite auf Dauer zu finanzieren Antworten

Zitat von Martin


das ist zwar irgendwo richtig, aber die Regierung von NM kann dann auch nicht als der Weihnachtsmann antreten, der diese Wohltaten (Sozialausgaben) verteilt, und die lokalen Parteien können ihr Wahlprogramm nicht über Neuverschuldungen realisieren. Der Kampf wird halt auf Bundesebene ausgefochten.



Scheint mir entscheidend zu sein: Die Verantwortung und Entscheidung wird in den USA meistens auf der Ebene gefällt, welche die Ausgaben tätigt. Die Last aus (und Verantwortung für) eine Entscheidung darf eben nicht von der Entscheidungsfindung all zu stark getrennt sein. Das im allgemeinen übrigens der entscheidende Aspekt zu sein scheint, der gute, funktionierende föderale Staaten (Schweiz, weitestgehend USA) von mittelmäßig funktionierenden (Deutschland) bis schlechten (EU) föderalen Zusammenschlüssen unterscheidet.

Das pauschale Eintreten für die Schulden und Defizite anderer trennt jedoch Entscheidungsfindung und das tragen der Last. Das kann so nicht funktionieren.

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“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

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