Wird am Ende nicht der Kontinent isoliert sein, sondern das UK? Oder beginnt mit dem Scheitern des Versuchs, Einvernehmen zu erzielen, der Zerfall der EU, das Ende des Euro? Und falls ja - wäre das zu begrüßen oder zu bedauern?
Zitat von ZettelWird am Ende nicht der Kontinent isoliert sein, sondern das UK?
Die historische Erfahrung zeigt: Wenn die Briten sich in solcher Weise gegen "den Kontinent" stellen, dann a) haben sie Recht und b) werden sich am Ende durchsetzen.
Was vor allem daran liegt, daß "der Kontinent" eben nicht einig ist, sondern eine Zentralmacht versucht, den widerstrebenden Teilen ihren Willen aufzudrücken. Und das ist eben noch nie dauerhaft gelungen.
Zitat Oder beginnt mit dem Scheitern des Versuchs, Einvernehmen zu erzielen, der Zerfall der EU, das Ende des Euro? Und falls ja - wäre das zu begrüßen oder zu bedauern?
Das wäre m. E. zu bedauern, ist aber nicht zu befürchten. Wenn Merkozy mit ihrem Zentralisierungs-Vorstoß scheitern, wird die EU in alter Form überleben. Und wahrscheinlich auch der Euro.
Zitat von ZettelOder beginnt mit dem Scheitern des Versuchs, Einvernehmen zu erzielen, der Zerfall der EU, das Ende des Euro?
Mir scheint, die Einstimmigkeit ist nicht an den Briten gescheitert, wie alle behaupten, sondern an Frankreich und Deutschland. Denn der Haushaltsdisziplin und ihrer Kontrolle wollte Cameron ja offenbar zustimmen, aber nicht einer Finanztransaktionssteuer, die Merkel und Sarkozy anscheinend noch wichtiger ist als ihr Eurorettungsplan.
Das kann aber nun eigentlich auch nicht sein. Deswegen vermute ich, die beiden wollten die Briten an den Rand der EU drängen, um einen Störenfried ihrer Herrschaft über Europa auszuschalten.
Sofern die Duarchie nur vorübergehend in Kraft bleibt, bis die Eurokrise abflaut oder gelöst wird, wird die EU weiterleben können. Ein Riss im Fundament bedeutet der heutige Beschluss allerdings schon - wie so oft, wenn die Kanzlerin sich irgendwie durchsetzt.
Manchmal wäre es mir lieber die deutschen Vertreter würden auch etwas mehr der britischen Zurückhaltung üben und mal darüber nachdenken was eigentlich mittel- bis langfristig im Interesse des Landes ist anstatt aus spontaner Panik heraus sich von einem Abenteuer ins nächste zu stürzen. Aber eine solide Außenpolitik läuft anscheinend dem Charakter dieses Landes zuwider, wir sind lieber die allzeit besorgten Musterknaben...dumm nur, dass uns das Ausland trotzdem nicht so sieht...
Zitat von KalliasDenn der Haushaltsdisziplin und ihrer Kontrolle wollte Cameron ja offenbar zustimmen, aber nicht einer Finanztransaktionssteuer, die Merkel und Sarkozy anscheinend noch wichtiger ist als ihr Eurorettungsplan.
Das wäre ja hochgradig absurd. Diese Steuer mag man nun für sinnvoll halten oder nicht - sie bleibt eine reine Nebensache, mehr Symbolpolitik als real wirksam. Und mit der Schuldenkrise hat sie überhaupt nichts zu tun.
Zitat Deswegen vermute ich, die beiden wollten die Briten an den Rand der EU drängen, um einen Störenfried ihrer Herrschaft über Europa auszuschalten.
Die Vermutung liegt in der Tat nahe. Und damit wird wahrscheinlicher, was ich vor einiger Zeit noch als Verschwörungstheorie abgetan hätte: Es geht Merkel/Sarkozy gar nicht in erster Linie um die Abwehr einer Finanzkrise, sondern um die Etablierung eines europäischen Zentralstaats. Was erstens nicht funktionieren wird und zweitens überhaupt nicht im deutschen Interesse liegt.
Zitat von R.A.Und mit der Schuldenkrise hat sie überhaupt nichts zu tun.
Da wäre ich mir noch nicht zu sicher! Noch ist mir nämlich nicht klar, wieweit die Durchgriffsrechte auf die nationalen Haushalte gehen werden. Wenn diese in Deutschland eine Grundgesetzänderung nötig machen sollten, wird es mit einer angekoppelten Finanztransaktionssteuer wesentlich leichter, Zustimmung von SPD und Grünen zu organisieren.
Da kann ich mich dem Autor und den Kommentaren nur anschliessen. Frankreichs Staatschef hat es, denke ich, gut auf den Punkt gebracht, so wie er im Telegraph zitiert wird:
Zitat "David Cameron asked for something that we all thought was unacceptable: a protocol in the treaty that would allow the United Kingdom to be exempt from a certain number of regulations on financial services. We weren't able to accept that because we consider on the contrary that a good part of the worries of the world comes from the deregulation of financial services," he said.
Es geht Merkozy um die Regulierung der Finanzmärkte und um eine Zentralisierung Europas. Das neue Verhältnis von Großbritannien zu Kontinentaleuropa beschreibt der Telegraph mit einem Vergleich:
Zitat A senior Wall Street figure I was chatting to earlier this week suggested the UK could be to Europe what Hong Kong is to China.
(…)
Zitat We should be aiming to be a global hub, and therefore Europe's hub, for new technologies such as nano-technology, life sciences, pharmaceuticals, high-end manufacturing, research and development, education, design, entertainment, not forgetting financial services, volume car making, tourism and specialist engineering to name a few.
Zitat He explained: "I came here with one of two outcomes in mind: safeguards (for the UK) that made a treaty within a treaty safe; or allowing others to set up a different treaty on their own and ensure that the European Union is maintained as a single market. "I had to pursue very doggedly what was in Britain's interests, which is very difficult in a room where people are pressing you to sign up to things because they say it is in all our interests."
Es gibt wohl auch unterschiedliche Auffassungen den Führungsstil betreffend.
Zitat von Erling PlaetheDa kann ich mich dem Autor und den Kommentaren nur anschliessen. Frankreichs Staatschef hat es, denke ich, gut auf den Punkt gebracht, so wie er im Telegraph zitiert wird:
Zitat "David Cameron asked for something that we all thought was unacceptable: a protocol in the treaty that would allow the United Kingdom to be exempt from a certain number of regulations on financial services. We weren't able to accept that because we consider on the contrary that a good part of the worries of the world comes from the deregulation of financial services," he said.
Es geht Merkozy um die Regulierung der Finanzmärkte und um eine Zentralisierung Europas.
Nur, das war von vornherein Illusion. Für eine Regulierung von Transfermechanismen innerhalb der Eurozone hätte ein Vertrag unter den Euroländern völlig gereicht. Das UK kann die Haushaltsbremsen gar nicht anwenden, und Ungarn vermutlich auch nicht. Beide regulieren über ihre Wechselkurse.
Den Briten dann auch noch Finanzmarktregulierungen auf das Auge drücken zu wollen hat das Paket zusätzlich ein bisschen zu groß gemacht. Die City of London lebt von ihren laxen Regeln. Cameron wäre ja verrückt gewesen, auf die Vertragsänderungen einzugehen. Das muss aber allen Beteiligten schon vorher klar gewesen sein.
Zitat von EierkoppWenn diese in Deutschland eine Grundgesetzänderung nötig machen sollten, wird es mit einer angekoppelten Finanztransaktionssteuer wesentlich leichter, Zustimmung von SPD und Grünen zu organisieren.
Natürlich kann es innenpolitisch solche Koppelgeschäfte geben. Aber da sind auch andere Kompensationen für SPD/Grüne denkbar - wenn man sich nicht überhaupt auf den Standpunkt stellt, daß eine solche GG-Änderung "alternativlos" ist und die Opposition gar nicht ablehnen kann, ohne Europa ins Verderben zu stürzen ...
Auf jeden Fall aber hat die Finanztransaktionssteuer inhaltlich nichts mit der eigentlichen Vertragsänderung zu tun. Und deswegen gehört sie auch nicht in das Paket, das Cameron mittragen soll.
Ich habe es bei den Freunden der offenen Gesellschaft schon geschrieben: Das ist in meinen Augen der Anfang vom Ende der britischen Mitgliedschaft in der EU. Und das stand auch schon vor dem Gipfel fest. Das britische Unterhaus hat letztes Jahr ein Gesetz beschlossen, das jede grundlegende Änderung an den EU-Verträgen automatisch an ein Referendum bindet. Da dieser merkwürdige "Vertrag im Vertrag" einer Fiskalunion der 23 sicherlich nicht das Ende der Fahnenstange ist, wird sich früher oder später die Frage einer Revision des Vertrags von Lissabon stellen und spätestens dann ist das Vereinigte Königreich endgültig raus. Oder Cameron lässt es gar nicht erst so weit kommen: Nach einer Umfrage sind 80% seiner Parteimitglieder für ein sofortiges Referendum über den Verbleib in der EU.
Zitat von Martin Nur, das war von vornherein Illusion. Für eine Regulierung von Transfermechanismen innerhalb der Eurozone hätte ein Vertrag unter den Euroländern völlig gereicht. Das UK kann die Haushaltsbremsen gar nicht anwenden, und Ungarn vermutlich auch nicht. Beide regulieren über ihre Wechselkurse. Den Briten dann auch noch Finanzmarktregulierungen auf das Auge drücken zu wollen hat das Paket zusätzlich ein bisschen zu groß gemacht. Die City of London lebt von ihren laxen Regeln. Cameron wäre ja verrückt gewesen, auf die Vertragsänderungen einzugehen. Das muss aber allen Beteiligten schon vorher klar gewesen sein.
Genau, das war es auch. Die Einnahmen für den britischen Staat nur aus der Londoner City betragen 60 Milliarden Euro. Bedenkt man nun noch Schäubles Ankündigung:
Zitat Aber eines Tages werde ganz Europa eine Währung haben. "Aber es geht vielleicht schneller, als mancher heute auf der britischen Insel glaubt."
blieb Cameron wirklich nichts anderes übrig. Auf dem gleichen Link hebt der deutsche Finanzminister auch die Bedeutung der Finanztransaktionssteuer hervor:
Zitat Es gebe überall für alle Güter und Dienstleistungen eine Umsatzsteuer. Nur Finanzdienstleistungen seien davon ausgenommen. "Und ich kann nicht erkennen, warum das so sein soll", sagte Schäuble. Es könnten vor allem aber auch manche Übertreibungen an den Finanzmärkten eingedämmt werden. Hier liefen Prozesse – auf Basis computergesteuerter, komplexer Rechenmodelle – quasi automatisch ab. Und keiner steuere diese oder habe einen kompletten Überblick. "Wenn eine Finanztransaktionssteuer auf einen kleinen Prozentsatz oder den Bruchteil eines Prozentes erhoben wird, dann wird diese Art von Volatilität ein Stück weit an den Finanzmärkten bekämpft", sagte Schäuble. "Und es kann der Stabilität des Systems nur dienen."
Zitat Terry Smith, Chief Executive of Tullett Prebon, has compared Britain's isolation from the EU to "someone who refused to join the Titanic before it sailed" as "there is nothing that guarantees that the euro will survive at all". He adds that the countries on the periphery of the EU, "including France", will struggle "to become competitive if they remain in the single currency". The agreement, he believes, will lead "to more austerity" for those countries to take part.
Zitat von ZettelWird am Ende nicht der Kontinent isoliert sein, sondern das UK?
Die historische Erfahrung zeigt: Wenn die Briten sich in solcher Weise gegen "den Kontinent" stellen, dann a) haben sie Recht und b) werden sich am Ende durchsetzen.
Was vor allem daran liegt, daß "der Kontinent" eben nicht einig ist, sondern eine Zentralmacht versucht, den widerstrebenden Teilen ihren Willen aufzudrücken. Und das ist eben noch nie dauerhaft gelungen.
Dem schließe ich mich mit einem einfachen "Well done Mr Cameron" an.
Und außerdem bin ich der Meinung Zentralbanken gehören abgeschafft.
Zum Einen (off-topic): Etwas mehr Regulierung würde ihrer Systemstabilität zu Liebe auch den Briten nicht schaden. Dazu ein Ausschnitt aus dem Bericht (via Blicklog: http://www.heise.de/tp/artikel/36/36049/1.html) über eine Reuters-Analyse zu Banken-Geldschöpfung ohne Zentralbankbeteiligung / "re-hypothecation": Kundensicherheiten würden nach Europa verlagert, da sie hier durch Ausnutzung einer britischen Gesetzes"lücke" gehebelt zur Spekulation verwendet werden können. "Laut Reuters sind die Summen, mit denen manche Banken arbeiten, gewaltig. Dabei erscheinen die 28,17 Mrd. Dollar, die Goldman Sachs laut Reuters in solchen Geschäften zuletzt eingesetzt haben soll, noch vergleichsweise bescheiden, immerhin kommen JP Morgan auf 546,2 Milliarden und Morgan Stanley auf 410 Milliarden Dollar." Das mag ihnen zwar enorme Steuereinnahmen bescheren, aber irgendwann auch viele Bankpleitemilliarden.
Zum Anderen: Schäubles Vergleich mit der Mehrwertsteuer ist schlecht: Als Finanzmehrwertsteuer existiert schon die Kapitalertragssteuer... Eine echte Umsatzsteuer wäre wieder nur ein Alibi es den Bürgern zu präsentieren, um nicht erklären zu müssen, warum das Steuerrecht immer noch so kompliziert ist bzw. so viele Schlupflöcher bietet.
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