Das Thema der deutschen nationalen Identität beschäftigt mich, seit ich als Student in den Semeseterferien in Europa gereist bin und beim Trampen und in den Jugendherbergen Jugendliche aus anderen Ländern kennengelernt habe.
Ich war über die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihr eigenes Land lobten und sich zu ihm bekannten, ebenso verwundert wie sie darüber, wie verdruckst wir Deutschen mit unserer nationalen Identität umgingen.
Es ging dabei nicht um die Schandtaten der Nazis, über die wir uns ja alle einig waren, sondern um die Beurteilung des jeweiligen Landes, wie es damals - in den sechziger Jahren - war.
Es ist deprimierend, daß sich in den Jahrzehnten seither nichts Grundlegendes geändert hat, wie die Untersuchung von Professor Schmidt-Denter, von dem das Zitat des Tages stammt, wieder einmal bestätigt; jetzt empirisch besonders gut gesichert.
Wir Deutschen haben als Ersatz für eine natürliche nationale Identität, wie sie jedes Land mit einer intakten Gesellschaft hat, verschiedene Surrogate entwickelt: Erst den Stolz auf das "Wirtschaftswunder" und die D-Mark; dann eine Attitüde moralische Überheblichkeit, wie sie vor allem in dem Umwelt-Fanatismus zum Ausdruck kommt, mit dem wir gegenwärtig die Welt zu beglücken versuchen.
In der DDR gab es das Surrogat, daß man sich als Erbe des "besseren Deutschland" verstand und außerdem Stolz daraus bezog, immer noch besser zu sein als die "Bruderländer".
Surrogate halten selten auf Dauer. Europa ist jetzt in einer Epoche, in der das Thema der nationalen Identität auf der Tagesordnung steht. Der Politologe Francis Fukuyama hat dazu kürzlich einen wichtigen Vortrag gehalten - Florian hat hier im Forum darauf aufmerksam gemacht -, auf den ich demnächst in ZR eingehen werde.
Es dürfte kein Zufall sein, dass die Vision von den Vereinigten Staaten von Europa gerade in Deutschland so einen hohen politischen Stellenwert hat und von führenden Vertretern aller Parteien geteilt wird.
Die Deutschen wollen Mustereuropäer sein, weil sie ihre unangenehme nationale Identität am liebsten loswerden und in einer europäischen Identität verdampfen lassen würden. Im "deutsch-französischen Motor" finden sie dazu den perfekten Partner, denn Frankreich ist davon überzeugt, dass es einen Identitätsbegriff hat, der auf ganz Europa erweitert werden könnte und sollte.
Alle anderen Europäer wollen ihre Identität im Prinzip bewahren. Sie sind weder auf der Flucht vor sich selbst, noch verstehen sie sich als zivilisatorisches Leitbild und geborene Führungsmacht. Sie erhoffen sich von der engen europäischen Zusammenarbeit die unterschiedlichsten Vorteile, benötigen das Projekt aber nicht zur Definition ihrer nationalen Identität. (Einzige Ausnahme sind die Belgier, deren Staat ein historisches Kunstprodukt ist, dessen ohnehin schwache Identität immer weiter zerfällt.)
Jede dieser Positionen ist natürlich legitim. Die Herausforderung in den kommenden Jahren ist aber, dass die "Sachzwänge" zur Integration immer größer werden, während die nationalen Identitäten eher wieder stärker werden. Auch und gerade in Deutschland.
Die Nazi-Diktatur hat Deutschlands Identität ja in den vergangenen Jahrzehnten deshalb so stark geprägt, weil ihre extrem schmerzhaften Folgen für alle schlicht unübersehbar waren - menschliche, städtebauliche, weltpolitische Folgen. In der Nachkriegszeit mit dem Kalten Krieg bis 1989 wurde es dann ein Gebot der Vernunft, die Realität der nationalen Teilung zu akzeptieren und neue Formen der Identität wie den westdeutschen "Verfassungspatriotismus" zu entwickeln. Die SED ersetzte das "Deutschland einig Vaterland" durch das "sozialistische Vaterland DDR".
Heute ist das Land auf dem Weg zu einer neuen Normalität. Die Generationen, die den Krieg und seine unmittelbaren Folgen erlebt haben, sterben langsam aus. Die Städte sind runderneuert und fast narbenfrei, das geeinte Deutschland hat seine Form gefunden und ist völkerrechtlich ein Staat wie jeder andere. Am Potsdamer Platz in Berlin gehen die Massen wieder ins Kino oder ins Restaurant (oder alle Jahre wieder zum Fußball-Public Viewing).
Die schwierige Vergangenheit wird eine völlig abstrakte, eher verkopfte Angelegenheit. Ich würde mal vermuten, dass die zitierte Umfrage in Deutschland in 15 Jahren ziemlich anders ausfallen wird.
Die Aussage zum Nationalgefühl würde ich auch so teilen, aber die Ursache liegt m.E. nach nicht in der schulischen Geschichtserziehung. Geschichte ist wertneutral und sich mit den Verbrechen früherer Generationen zu beschäftigen führt nicht ad hoc dazu, sich weniger mit dem Lande zu identifizieren. Die Australier sind teilweise Nachfahren von Strafgefangenen, nicht das man davon läse das das aufs Nationalgefühl drücken würde. Die Amerikaner haben die Indianer nahezu ausgerottet, was sie nicht daran hindert ein sehr gesundes Nationalgefühl zu haben.
Und gerade im Zusammenhang mit Migration halte ich die Begründung sogar für ziemlich widersprüchlich: Wenn wirklich zuviel zweiter Weltkrieg in der Schule vorkäme, warum hat dann ausgrechnet die Migrantengruppe mit der die Probleme bestehen, so wenig Probleme damit das Wort Jude als Beleidigung zu verwenden ? Wenn die Täter als so negativ emfunden werden, warum ist es gerade diese Gruppe, die durch antisemitische Ausfälle auffällt ? Wie kommt es, dass vor Synagogen Polizeieinheiten stehen, während evangelische Kirchen gemeinhin als sicher gelten ? Das passt überhaupt nicht.
Natürlich ist ein nicht vorhandenes Nationalgefühl ein Riesenproblem bei der Integration von Menschen denen per Religion ein Überlegenheitsgefühl eingeimpft wird, dass sich in der Realität aber nicht wiederfindet. Da ist ein gesunder (oder auch ungesunder) Nationalstolz mit Sicherheit hilfreich. Dieser Nationalstolz fehlt aber m.E. nach weniger aufgrund der Geschichtserziehung sondern eher aufgrund der Tatsache, dass jemand, der sich öffentlich ins Fernsehen stellt und verkündet er sei "stolz ein Deutscher zu sein" erst einmal in die rechte, wenn nicht braune Ecke verortet wird und sich danach erklären muss.
Eine persönliche Randnotiz zum Nationalstolz möchte ich auch noch beitragen, nämlich eine Begründung warum ich heute kaum noch welchen emfinde. Das ist sicher eine individuelle Begründung, aber jeder hat ja so seine eigenen: Ich emfinde den zweiten Weltkrieg in Bezug auf eigenen Stolz sehr undramatisch. Es sind nicht meine Verbrechen. Und genausowenig wie ich Stolz darauf emfinden kann, dass Goethe und Kant auch Deutsche waren, so wenig kann ich Scham für das emfinden was die Nationalsozialisten getan haben. Ich finde in diesem Zusammenhang auch die umfassende Behandlung auf der Schule gut, weil sie vieles lehrt, was sich zu wissen lohnt, aber das beziehe ich nicht auf mich und meine Zusammengehörigkeit zur Nation. Warum ich heute so wenig Nationalgefühl emfinde hat vor allem damit zu tun, wie die Gesellschaft den Beitrag zur Gesellschaft bewertet. Ich bin ziemlich gut qualifiziert, arbeite und verdiene dabei auch nicht schlecht. In der Folge zahle ich einen Haufen Steuern. Ich sehe ein, dass man Steuern zahlt, wenn auch vielleicht nicht in dieser Höhe. Aber selbst wenn ich die Höhe einsähe, so, man entschuldige meine Wortwahl, kotzt mich der Umgang der Gesellschaft mit dieser Besteuerung einfach nur an. Anstatt anzuerkennen, dass es Leute gibt, die sich um Leistung bemühen und in der Folge finanziell einiges beitragen, etwas auf das man durchaus stolz sein könnte, muss man sich noch beschimpfen lassen. Was an Verunglimpfung durch diese Gesellschaft stattfindet, treibt mir zumindest den Stolz auf diese Leistung deutlich aus. Und das ist zumindest hier das Problem. Ich kann stolz sein auf eine persönliche Leistung, aber mein Beitrag zu dieser Gesellschaft als ganzer ist meine Meinung (beispielsweise durch meine Stimme) und eben auch mein Geld in Form von Steuern. Meine Meinung ist ziemlich marginalisiert und das finanzielle ist der Mehrheit immernoch nicht genug. Worauf denn stolz sein ? Wenn man als Gesellschaft auf eine gemeinsame Leistung stolz sein will, dann muss man die auch gemeinsam bringen und diese auch anerkennen. Versimpelt gesagt: Kein Mensch ist stolz darauf Steuern zu zahlen. Aber besser wäre es. Wenn wir auf die erreichte Gesellschaft stolz sein wollen, dann müssen wir auch sehen wie diese zustande kommt.
Zitat von LlarianEine persönliche Randnotiz zum Nationalstolz möchte ich auch noch beitragen, nämlich eine Begründung warum ich heute kaum noch welchen emfinde. Das ist sicher eine individuelle Begründung, aber jeder hat ja so seine eigenen: Ich emfinde den zweiten Weltkrieg in Bezug auf eigenen Stolz sehr undramatisch. (...)
Warum ich heute so wenig Nationalgefühl emfinde hat vor allem damit zu tun, wie die Gesellschaft den Beitrag zur Gesellschaft bewertet. Ich bin ziemlich gut qualifiziert, arbeite und verdiene dabei auch nicht schlecht. In der Folge zahle ich einen Haufen Steuern. Ich sehe ein, dass man Steuern zahlt, wenn auch vielleicht nicht in dieser Höhe. Aber selbst wenn ich die Höhe einsähe, so, man entschuldige meine Wortwahl, kotzt mich der Umgang der Gesellschaft mit dieser Besteuerung einfach nur an. Anstatt anzuerkennen, dass es Leute gibt, die sich um Leistung bemühen und in der Folge finanziell einiges beitragen, etwas auf das man durchaus stolz sein könnte, muss man sich noch beschimpfen lassen.
Ihre Beurteilung, daß in unserer Gesellschaft Leistungsträger zunehmend negariv dargestellt werden, teile ich.
Das ist Ausdruck der gegenwärtigen linken Dominanz in den Medien; dabei verbinden sich vier Faktoren und Gruppen:
* Die Strategie der denkenden und planenden Linken, die einen "neuen Sozialismusversuch", eine DDR 2.0 anstrebt. Ein wesentlicher Faktor im Vorfeld der sozialistischen "Umgestaltung" (das Codewort für Revolution) ist es, den Menschen per Agitprop beizubringen, sie lebten in einer ungerechten Gesellschaft, die es wert sei, beseitigt zu werden.
* Die politische Haltung der zahlreichen Deutschen, die als Linke in der Gesellschaft aufgestiegen sind - vom Steinewerfer zum Minister, vom kommunistischen Studenten zum Ko-Vorsitzenden der Partei "Die Grünen"; in den Medien, den Unis. Sie bilden einen wesentlichen Teil der herrschenden Schicht; und man kann fragen, warum sie eigentlich den Neid auf sich selbst schüren, die sie ja auch zu den "Besserverdienenden" gehören.
Ein wesentlicher Faktor ist wohl, daß sie dem Neid just ihren Aufstieg und ihre Macht verdanken. Sie sind die klassischen Volkstribunen, die selbst reich und mächtig sind, aber den Haß auf die Reichen und Mächtigen schüren, um eben reich und mächtig zu bleiben. Der Millionär und Hausherr einer Protzvilla à la Neureich Lafontaine, der Porschefahrer Klaus Ernst, die der Haute Cuisine zugetane Sahra Wagenknecht - was wären sie ohne Neid und Haß in der Gesellschaft?
* Die Guten. Menschen, die ein starkes Motiv des Mitleidens haben. Ihnen geht es glänzend; aber das macht ihnen ein schlechtes Gewissen. Sie befördern den Neid auf ihre eigene Gesellschaftsschicht, weil dies der äußere Ausdruck ihres inneren Konflikts ist.
* Diejenigen, um die es angeblich geht: Die Mühseligen und Beladenen, die von der vorgeblichen Ungerechtigkeit der Gesellschaft Betroffenen. Es gibt sie kaum, sie spielen gesellschaftlich und politisch keine Rolle. Aber als Fiktion, als Geisterarmee sozusagen, sind sie von zentraler Bedeutung; denn ohne sie fiele alles andere zusammen.
Was hat das alles mit Nationalbewußtsein zu tun? Eben nichts, lieber Llarian. Denn das sind doch alles aktuelle Bestrebungen von Gruppen, die gegenwärtig mächtig sind. Zu der langen deutschen Geschichte, mit der vielfältigen und bewundernswerten deutschen Kultur, zu meiner Identität als jemand, der zu dieser Schicksalsgemeinschaft der Deutschen gehört, hat das aus meiner Sicht keinen Bezug.
Herzlich, Zettel
Edit: Für einige Sekunden stand oben "Die Linke" statt "Die Grünen".
Zitat von Zettel Was hat das alles mit Nationalbewußtsein zu tun? Eben nichts, lieber Llarian. Denn das sind doch alles aktuelle Bestrebungen von Gruppen, die gegenwärtig mächtig sind.
Nein, lieber Zettel, diese Gruppen sind nicht nur gegenwärtig sehr mächtig, sie haben längst das Denken der Menschen durchdrungen und das ist das schlimmere. Das die Konfettikanone der Demokratie gegen alles hetzt was mehr verdient als ein Redakteur ist nicht neu, und eigentlich auch nicht tragisch, aber das das mehrheitlich auch gedacht wird, das ist tragisch. Sympthomatisch war die Hetze gegen Banker vor 2 Jahren oder die seit Jahren andauernde Hetze gegen Manager. Das sind nicht nur linke Gruppen die das propagieren, das ist inzwischen eine gesellschaftsdurchdringende Idee. Neid ist die oberste deutsche Tugend geworden und das ist keine Projektion der Grünen.
Zitat Zu der langen deutschen Geschichte, mit der vielfältigen und bewundernswerten deutschen Kultur, zu meiner Identität als jemand, der zu dieser Schicksalsgemeinschaft der Deutschen gehört, hat das aus meiner Sicht keinen Bezug.
Für mich schon, denn die deutsche Geschichte ist schlicht genau das, Geschichte. Sie hat zu mir genausoviel Bezug wie amerikanische Geschichte oder englische. Ich finde das sehr interessant, aber der Bezug ist auf intellektuelle Ebene. Es ist gut viel über Geschichte zu wissen um sie nicht wiederholen zu müssen, aber das kann ich aus der deutschen wie auch aus der französischen. Was nun die Kultur angeht, so ist das eigentlich auch nicht meine. Mein Lieblingsautor ist Amerikaner, deutsche Filme finde ich (vielleicht bis auf Fritz Lang) meistens durchschnittlich furchtbar, ich ziehe die amerikanische Küche der deutschen vor, ich kenne die alten Meister, aber ich höre sie selten, ich kann mit Kant wenig anfangen und finde dagegen Smith und Rand sehr ansprechend. Und mir ist nebenbei vollkommen egal was mein Nachbar verdient. Ich denke vielleicht sehr deutsch und habe auch viele Eigenschaften, die man als typisch deutsch klassifiziert, aber mit der Kultur kann ich wenig anfangen. Insofern kann ich mich darüber auch nicht identifizieren oder Stolz dazu emfinden. Ich würde vielleicht gerne auf die Schicksalsgemeinschaft stolz sein, aber genau die verwehrt mir diese. Insofern, wo soll die Bindung herkommen ? Und wo keine Bindung ist, kann auch kein Stolz sein.
Es gab in Deutschland, speziell Preußen, eine besondere Epoche der Entfaltung der Naturwissenschaften, Mathematik, Technologie. Jedem fällt sofort eine schier endlose Liste großer Namen ein, auf die man durchaus stolz sein kann. Und ganz nebenbei die Frage: Was hat die damalige, verhältnismäßig bescheidene, Bildungsbürokratie eigentlich anders gemacht? mfG
Im Gegensatz zum Nationalstolz (stolz kann ich nur auf eigene Leistungen sein) habe ich Nationalbewusstsein. Mein Land liegt mir am Herzen. Es ist mir nicht egal was mit ihm passiert und wohin es sich entwickelt. Ich rede über meine Landsleute nicht in der dritten Person. Wenn ich unterwegs in anderen Ländern bin, freue ich mich einen Landsmann zu treffen. Wenn unsere Sportler oder eine Mannschaft für mein Land Medaillen oder Siege holt, macht es mich glücklich. Ich bin immer für unsere Sportler und …ich habe es mir abgewöhnt, im Ausland negativ über mein Heimatland zu reden. Kritik an meinem Land übe ich eigentlich nur gegenüber Landsleuten. Nicht zu letzt deshalb, weil es überhaupt nicht gut rüberkommt und jede Konversation killt.
Ich bin Deutschland dankbar, sehr dankbar. Mein Land hat viel Geld für mich bezahlt damit ich einer Gewaltherrschaft entkommen konnte, die mein Leben zerstört hätte. Und es erfüllt mich mit Zufriedenheit, dass mein Land eine gefestigte Demokratie und ein bedeutendes Mitglied der westlichen Wertegemeinschaft ist. Ich hab auf Reisen viel Zeit mit Auswanderungsgedanken verbracht, nur um am Ende festzustellen, dass ich vor mir selbst geflüchtet bin. Seitdem geht es mir bedeutend besser. Trotzdem gibt es immer noch Länder die ich gerne besuche und deren Kultur mich sehr interessiert; ganz besonders trifft das auf das Land der Freiheit, Amerika, zu.
Allerdings gehört für mich zu diesem Nationalbewusstsein und der damit verbundenen kulturellen Identität auch die gesamte deutsche Geschichte. Die Zeit des Nationalsozialismus ist für mich ein sehr wesentlicher Bestandteil, nicht als Frage einer Schuld sondern als Bestandteil des Erbes das ich angenommen habe.
Zitat Erstaunlich war allerdings die Reaktion der Taliban auf das jüngste Skandalvideo. Zwar verdammten sie die Tat als „unmenschlich, unmoralisch und brutal“. Doch sie erklärten zugleich, dass das Video mögliche Gespräche mit den USA nicht gefährden werde. „Es ist nicht das erste Mal, dass wir solche Brutalität sehen“, sagte Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid. „Wir wissen, dass unser Land besetzt ist.“ Deshalb werde man die Gespräche nicht absagen. Dies nährt Hoffnungen, dass die Rebellen ernsthaft an Verhandlungen mit den USA interessiert sind, die bald beginnen sollen. Vor allem die Deutschen haben als Vermittler die Gespräche maßgeblich mit eingefädelt.
Hervorhebung von mir.
Wenn das kein Grund ist, stolz auf Deutschland zu sein ... Ich sage: Danke, Deutschland!
Mit freundlichem Gruß
-- „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“ – sagt Ingeborg Bachmann
Wow! Da fehlen mir glatt die Worte. Wo lebt diese Dame?
---------------------------------------------------- "Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011
Leider werden solche Studien wie die des Psychologen Schmidt-Denter, die den Deutschen eine im internationalen Vergleich sehr hohe "Fremdenfreundlichkeit" nachweisen, in den großen Medien zu selten diskutiert. Wie viel häufiger werden in Leitmedien wie Sueddeutscher, Zeit und Tagesschau die Arbeiten des Pädagogen Wilhelm Heitmeyer (Studie "Deutsche Zustände") genüsslich und anklagend zitiert, der den Deutschen ständig zunehmenden Rassismus, "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" und "Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft", alles natürlich irgendwie verknüpft mit "Neoliberalismus", unterstellt.
Zitat von ZettelEs ist deprimierend, daß sich in den Jahrzehnten seither nichts Grundlegendes geändert hat, ...
Man sieht das Thema gelassener wenn man sich klar macht, daß sich hier über Jahrhunderte nichts Grundlegendes geändert hat.
Das schwache deutsche Selbstbewußtsein ist tief verwurzelt, die Nazi-Zeit bzw. der Umgang damit ist nur der aktuelle Aufhänger. Vielleicht ist dies ein Reflex schon aus den Anfangszeiten deutscher Nationalgeschichte, als unseren Vorfahren immer bewußt war, daß sie bei aller militärischen und politischen Stärke kulturell immer zweitklassig waren gegenüber den unterworfenen Römern. Das ist aber eine rein private Spekulation von mir, es gibt dazu m. W. keine Forschung.
Auf jeden Fall gibt es schon seit vielen Generationen diesen Dualismus, wie mit dem schwachen Selbstwertgefühl umgegangen wird: Einerseits das hier diskutierte Defizit bei der nationalen Identifikation und die Orientierung an ausländischen Vorbildern. Und andererseits ein völlig übersteigertes "am deutschen Wesen soll die Welt genesen".
Zitat von R.A.Das schwache deutsche Selbstbewußtsein ist tief verwurzelt, die Nazi-Zeit bzw. der Umgang damit ist nur der aktuelle Aufhänger. Vielleicht ist dies ein Reflex schon aus den Anfangszeiten deutscher Nationalgeschichte, als unseren Vorfahren immer bewußt war, daß sie bei aller militärischen und politischen Stärke kulturell immer zweitklassig waren gegenüber den unterworfenen Römern. Das ist aber eine rein private Spekulation von mir, es gibt dazu m. W. keine Forschung.
Hm. Hat sich denn in den paar Jahren zwischen 800 und 1800 ein "Bewußtsein kultureller Zweitklassigkeit" irgendwo durchgehend geäußert? Zumal selbst wenn es so war, daß anfangs aufgrund dort vorhandener altrömischer Restbestände noch ein kulturelles Gefälle von Süden und Westen her bestand, auf der anderen Seite dieses sich nach Osten hin ja fortsetzte; dort war die deutsche Kultur das ganze Mittelalter hindurch ihrerseits die überlegene, die übernommen bzw. nachgeahmt wurde. Irgendwann aber war das doch in beiden Richtungen einigermaßen nivelliert. Ich würde eher vermuten, daß die Deutschen sich mit der über Jahrhunderte eingenommenen Sonderrolle des römischdeutschen Kaisers als "Haupt der Christenheit", also Europas, und Träger einer als legitim empfundenen übernationalen Ordnung am Ende doch identifiziert hatten; was ein ausgeprägtes eigenes Nationalbewußtsein - verstanden als Abgrenzung gegenüber dem Rest Europas - lange Zeit schlicht entbehrlich und für die angenommene eigene Rolle sogar eher hinderlich erscheinen ließ. Um dann irgendwann recht plötzlich festzustellen, daß diese überkommene Ordnung von niemandem mehr respektiert wurde, daß man aus Anhänglichkeit an eine uralte Idee versäumt hatte, selbst Nationalstaat zu werden, während ringsum die Nachbarn sich zu solchen entwickelt hatten, die Akquise entsprechender Machtmittel eingeschlossen. Und die nächsten 150 Jahre füllt dann der Versuch, den aufgetretenen Zwiespalt zwischen dem über Jahrhunderte verinnerlichen Selbstbild als zumindest nominales Oberhaupt einer europäischen "Völkerfamilie" und der zirka Bonaparte drastisch erfahrenen völligen Machtlosigkeit irgendwie wieder zu schließen.
Zitat von R.A.Auf jeden Fall gibt es schon seit vielen Generationen diesen Dualismus, wie mit dem schwachen Selbstwertgefühl umgegangen wird: Einerseits das hier diskutierte Defizit bei der nationalen Identifikation und die Orientierung an ausländischen Vorbildern. Und andererseits ein völlig übersteigertes "am deutschen Wesen soll die Welt genesen".
Das eine und das, was das andere eigentlich meint, muß kein Gegensatz sein. Das ubiquitäre nicht ganz wörtliche Geibel-Zitat tut dem Autor durchaus unrecht. Im Original heißt es nämlich: es mag einmal am deutschen Wesen... eher im Sinne von könnte vielleicht. Das ganze Gedicht bringt m.E. gerade keine chauvinistische Anmaßung zum Ausdruck, sondern die aus der Beschäftigung der Romantik mit dem Mittelalter herrührende etwas schwärmerische Sehnsucht nach der alten, der gerechten übernationalen Ordnung. Mit den Deutschen als Ordnungsmacht, das ja. Aber das solchermaßen idealisierte "deutsche Wesen" ist hier nicht ein aggressiver Egoismus auf einer Ebene mit (und in Konkurrenz zu) dem der Nachbarn, sondern das eines ausgleichenden Schiedsrichters zum allgemeinen Frieden:
Zitat von Emanuel Geibel Deutschlands Beruf (1861)Oder wollt ihr mit den Waffen Endlich Rast und Frieden schaffen? (...) Macht Europas Herz gesunden, Und das Heil ist euch gefunden. (...) Sucht zum Lenken und zum Schlichten Eine schwerterprobte Hand, (...) Macht und Freiheit, Recht und Sitte, Klarer Geist und scharfer Hieb, Zügeln dann aus starker Mitte Jeder Selbstsucht wilden Trieb, Und es mag am deutschen Wesen Einmal noch die Welt genesen.
Wenn man sich das so vor Augen führt, mag man sich fragen, ob nicht sogar beim Umgang mit der gegenwärtigen "Eurokrise" (den Protagonisten ganz unbewußt) sehr alte Wurzeln der deutschen Geschichte ein letztes Mal an die Oberfläche treten.
____________________________________________________ "I want my republic back!"
Zitat von FAB.Hm. Hat sich denn in den paar Jahren zwischen 800 und 1800 ein "Bewußtsein kultureller Zweitklassigkeit" irgendwo durchgehend geäußert?
Für die frühe Phase wüßte ich einige Belege (leider heißt "wissen" hier nicht, daß ich sie konkret bringen oder gar zitieren könnte), aber "durchgehend" war nur eine Vermutung.
Ab dem 18. Jahrhundert kann ich mich aber erinnern, daß das Thema häufig und regelmäßig diskutiert wird in der Art, daß die Neigung der Deutschen beklagt wird, ihre eigene Kultur, Sprache und Tradition nicht zu würdigen und stattdessen fremde Manieren anzunehmen. Und ab da spätestens würde ich auch Durchgängigkeit behaupten. Ich hätte da gerne ein schönes Beispiel aus der wilhelminischen Zeit verlinkt (also einer Phase, die eigentlich nicht mit schwachem Selbstwertgefühl assoziiert wird): Eine Simplicissimus-Karikatur mit dem Titel: "Herr und Frau Schmidt, wie sie nach London abreisen (noch "typisch deutsch" gekleidet) und Mr. und Mrs. Smith, wie sie nach zwei Wochen zurückkehren (in "typisch englischer" Verkleidung). Habe ich leider per Google nicht gefunden.
Zitat Zumal selbst wenn es so war, daß anfangs aufgrund dort vorhandener altrömischer Restbestände noch ein kulturelles Gefälle von Süden und Westen her bestand, auf der anderen Seite dieses sich nach Osten hin ja fortsetzte ...
Richtig. Aber dort gab es nicht diese Diskrepanz zwischen eigener Stärke und kultureller Unterlegenheit. Wobei ich diese These mit den ganz alten Wurzeln nicht strapazieren möchte, das ist wie schon gesagt nur eine Spekulation.
Zitat Ich würde eher vermuten, daß die Deutschen sich mit der über Jahrhunderte eingenommenen Sonderrolle des römischdeutschen Kaisers als "Haupt der Christenheit", also Europas, und Träger einer als legitim empfundenen übernationalen Ordnung am Ende doch identifiziert hatten ...
Das hatte ich auch schon überlegt, und das wäre ja auch kein Gegensatz. Nur eine verstärkende Motivation, sich nicht in erster Linie über den nationalen Kontext zu definieren. Und die Orientierung am supranationalen "europäischen" Heiligen Römischen Reich erinnert tatsächlich manchmal verblüffend an die heutige EU-Fixierung. Ich bin aber doch skeptisch, ob es da eine Traditionslinie gibt - die Überlieferung ist doch völlig abgerissen und das alte Reich wurde seit 1806 bis heute überwiegend negativ bewertet.
Zitat daß man aus Anhänglichkeit an eine uralte Idee versäumt hatte, selbst Nationalstaat zu werden, während ringsum die Nachbarn sich zu solchen entwickelt hatten
Das ist wohl richtig und entspricht der verbreiteten These von der "verspäteten" Nation.
Zitat Das ubiquitäre nicht ganz wörtliche Geibel-Zitat tut dem Autor durchaus unrecht.
Das wollte ich natürlich nicht, vielen Dank für die Ergänzung.
Das Zitat habe ich nur in der geläufigen, aufs Nationalistische verkürzten Bedeutung gebraucht. Und diese Mentalität (die natürlich nicht Geibel entspricht) ist ja immer noch ganz stark verbreitet. Man ist nicht stolz auf sein Land, geht aber trotzdem selbstverständlich davon aus, daß unsere Angewohnheiten, Ideen oder Vorgehensweisen die einzig Richtigen sind und denen in allen übrigen Ländern automatisch überlegen sind. Insbesondere bei den deutschen Linken ist dieser Chauvinismus ziemlich verbreitet - paßt ja auch gut zur allgemeinen linken Auffassung, daß es nur EINE richtige Auffassung geben kann.
Zitat Hm. Hat sich denn in den paar Jahren zwischen 800 und 1800 ein "Bewußtsein kultureller Zweitklassigkeit" irgendwo durchgehend geäußert? Zumal selbst wenn es so war, daß anfangs aufgrund dort vorhandener altrömischer Restbestände noch ein kulturelles Gefälle von Süden und Westen her bestand, auf der anderen Seite dieses sich nach Osten hin ja fortsetzte; dort war die deutsche Kultur das ganze Mittelalter hindurch ihrerseits die überlegene, die übernommen bzw. nachgeahmt wurde. Irgendwann aber war das doch in beiden Richtungen einigermaßen nivelliert
(Disclaimer vorab: Ich bin in Geschichts-Fragen nur interessierter Laie).
Es gibt doch eine ganz, ganz lange Traditionslinie, nach der Deutschland Importeur kulturelle Innovationen war.
Romanik, Gotik, Renaissance, Barock, Rokoko haben allesamt ihre Wurzeln in Frankreich oder Italien. Auch die allermeisten gesellschaftliche Innovationen (ritterliche Tugenden, Absolutismus, Nationalstaat, republikanische Verfassung, etc.) wurden von dort nach Deutschland importiert. In der deutschen Sprache gibt es außerdem zahlreiche französische und italienische Lehnwörter (von Boudoir bis Skonto), hingegen umgekehrt kaum deutsche. Bis in die napoleonische Zeit hinein war Frankreich darüber hinaus stilbildend für die deutschen Fürsten- und Königshöfe.
Wirklich wichtige kulturelle "Exportartikel" Richtung Westeuropa produzierte der deutsche Kulturraum eigentlich erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts. (Marx, Freud, viele technische und wissenschaftliche Innovationen, etc.).
Zitat von FlorianWirklich wichtige kulturelle "Exportartikel" Richtung Westeuropa produzierte der deutsche Kulturraum eigentlich erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts. (Marx, Freud, viele technische und wissenschaftliche Innovationen, etc.).
Das würde ich so nicht sagen.
Wir haben schon ab dem Mittelalter wichtige deutsche Theologen, Philosophen oder Wissenschaftler, die im restlichen Europa Beachtung fanden: Rabanus Maurus, Albertus Magnus, Nikolaus von Cues oder Paracelsus. Dann kommt Martin Luther und seine Mitstreiter - bis auf Calvin ja überwiegend Deutsche - deren Einfluß auf Geschichte und Kultur mindestens so groß ist wie die von Marx. Dann haben wir die großen Musiker von Bach und Händel bis Mozart und Beethoven. Maler wie Dürer oder Holbein waren europaweit anerkannt, arbeiteten teilweise auch in Frankreich oder England. Dann haben wir die Naturwissenschaftler von Kopernikus bis Humboldt und die Philosophen wie Kant oder Leibnitz.
Das einfach mal nur als erste kurze Namens-Sammlung. Grundsätzlich habe ich das Gefühl, daß die diversen europäischen Nationen alle einen ihrer Größe entsprechenden kulturellen Beitrag eingebracht haben, und sich auch dessen bewußt waren. Nur Italien dürfte ab der Renaissance einen gewissen Vorrang gehabt haben - ohne daß das anderswo zu Komplexen führte.
Kurzer Themenwechsel: Noch ein schönes Beispiel für die altbekannten deutschen Probleme mit der eigenen Identität ist m. E. Karl May. Literatur-Helden à la Kara Ben Nemsi finden sich natürlich auch in anderen Ländern genug. Aber seine wohl bei den Lesern meistbewunderte Fähigkeit ist wohl sein Talent, eine unglaubliche Anzahl von Sprachen mit Dialekten so perfekt zu beherrschen, daß er jederzeit als Einheimischer durchgehen kann. Sich perfekt als Ausländer tarnen zu können - ein deutscher Traum. Und in den meisten anderen Ländern kaum vorstellbar.
Zitat von Zettel Es ist deprimierend, daß sich in den Jahrzehnten seither nichts Grundlegendes geändert hat, wie die Untersuchung....
Das ist falsch. Fragen Sie die Erasmus- und Austauschstudenten doch mal, wie sie nicht Deutschland, sondern ihr Bundesland oder ihre Region sehen. Jeder wird stolz darauf sein, aus Bayern, Franken, Hessen, Berlin, der Waterkant oder dem Rheinland zu kommen.
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