Mich als juristischen Laien hat immer einmal eine staatsrechtliche Bewertung der ganzen Vorgänge interessiert. Die Medienberichte über die Einschätzung Hans-Herbert von Arnims sind nun schon ein paar Tage alt, aber falls es noch einmal jemand in seiner Gänze nachlesen mag:
Zitat Diese Art von Volksnähe begegnet einem in letzter Zeit häufiger: wenn Politiker zum Beispiel beabsichtigen, „die Menschen mitzunehmen“, ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen, ob die denn wohl mitgenommen werden wollen, und falls ja, von wem und wohin. Die Abschaffung des Bürgers passt ganz ausgezeichnet zum Selbstbild einer politischen Klasse, die sich nicht als Teil eines demokratischen Gemeinwesens versteht, sondern vermutlich als so etwas wie Manager einer Bevölkerung, die man prinzipiell für infantil und wenig einsichtsfähig hält.
Er ist unten durch, eine Lame Duck, selbst wenn Frau Merkel ihn nicht zum Rücktritt auffordern wird und er im Amt bleiben wird. Moralisches K.O.
Sie deuten eine simple Erklärung an, warum die BILD die schützende Hand über Wulff wegnahm und mit der Story den einstiegen Liebling angriff: Weil es sonst der SPIEGEL getan hätte. Die BILD ist dem Scoup nur zuvorgekommen und Wulff wäre - so die Einschätzung der BILD Redaktion - gegen den SPIEGEL nicht zu verteidigen gewesen. Daher hat man den Stein selber ins Rollen gebracht.
Der Wettbewerb auf dem Zeitungsmarkt funktioniert.
Zitat von DagnySie deuten eine simple Erklärung an, warum die BILD die schützende Hand über Wulff wegnahm und mit der Story den einstiegen Liebling angriff: Weil es sonst der SPIEGEL getan hätte. Die BILD ist dem Scoup nur zuvorgekommen und Wulff wäre - so die Einschätzung der BILD Redaktion - gegen den SPIEGEL nicht zu verteidigen gewesen. Daher hat man den Stein selber ins Rollen gebracht.
Der Wettbewerb auf dem Zeitungsmarkt funktioniert.
Ja, dafür spricht ein starkes Indiz: Der "Spiegel" 51/2012 wurde bereits am Samstag, dem 17. 12. ausgeliefert. Meines Wissens hat es dafür nie eine offizielle Erklärung von Redaktion oder Vertrieb gegeben. Sonst zieht der "Spiegel" den Erscheinungstermin nur bei Doppelfeiertagen u.ä. vor - wenn ich mich recht erinnere, gehört dazu inzwischen auch schon der Rosenmontag.
Also, offenbar hatte der "Spiegel" die Story nahezu fertig in den Rechnern, und man ärgerte sich nun grün und blau darüber, daß "Bild" schneller gewesen war. Den Springer-Leuten wiederum dürfte das Hemd näher als der Rock gewesen sein - für einen solchen Scoop belastet man auch schon mal die gute Beziehung zu Wulff.
Der das alles offenbar überhaupt nicht durchschaute.
Zitat von Ulrich ElkmannSitzfleisch zahlt sich eben doch aus, und in unserer Mediendemoktraie sind mittlerweile alle gegessenen Skandale nach Versenden Schnee von gestern.
Das ist die eine Seite, lieber Ulrich Elkmann. Die andere ist, daß zwar die Sau irgendwann durchs Dorf getrieben ist; aber ihr Gestank - um im Bild zu bleiben - bleibt hängen.
Ein aktiver Politiker kann, wenn er Glück hat, eine solche Sache politisch überleben; wenn auch mit Schrammen und Narben. Strauß hat jahrelang der Kampagne Augsteins standgehalten, bevor er über seine eigene Rücksichtslosigkeit stolperte. Lübke hat die Kampagne lange ertragen, auch er ein sturer Westfale, wenn auch aus dessen südlicher Ecke. Sonst fällt mir auf Anhieb gar kein Beispiel ein.
Aber bei einem Präsidenten liegen die Dinge eben anders. Ein Amt, das vom Ansehen lebt, kann man nicht ausüben, wenn das Ansehen weg ist. So, wie man ein Amt, das von der Macht lebt, nicht mehr ausüben kann, wenn diese weg ist - so hoch vielleicht das Ansehen bleiben mag.
Zitat von ZettelEin Amt, das vom Ansehen lebt, kann man nicht ausüben, wenn das Ansehen weg ist.
Von der Theorie her würde ich Ihnen zustimmen. Aber die Praxis wird zeigen, daß Wulff das Amt noch jahrelang ausüben wird. Er wird alle mit dem Amt verbundenen Aktivitäten absolvieren und die Leute werden ihn ähnlich behandeln wie z. B. seinen Vorgänger. Vielleicht mit weniger Respekt im Hinterkopf, aber von außen wird man kaum einen Unterschied feststellen.
Der wesentliche Unterschied wird erst in einigen Jahren sichtbar werden: Niemand wird auf die Idee kommen, Wulff nach seiner Bereitschaft für eine zweite Amtszeit zu fragen.
Zitat von R.A Er wird alle mit dem Amt verbundenen Aktivitäten absolvieren und die Leute werden ihn ähnlich behandeln wie z. B. seinen Vorgänger. Vielleicht mit weniger Respekt im Hinterkopf, aber von außen wird man kaum einen Unterschied feststellen. Der wesentliche Unterschied wird erst in einigen Jahren sichtbar werden: Niemand wird auf die Idee kommen, Wulff nach seiner Bereitschaft für eine zweite Amtszeit zu fragen.
Empfänge, Akkreditierung von Botschafter, Halten von goldenen und silbernen Löffeln und verteilen von Bundesverdienstkreuzen. Das ja. Ruckrede. Nein.
Zitat von R.A.Aber die Praxis wird zeigen, daß Wulff das Amt noch jahrelang ausüben wird. Er wird alle mit dem Amt verbundenen Aktivitäten absolvieren und die Leute werden ihn ähnlich behandeln wie z. B. seinen Vorgänger. Vielleicht mit weniger Respekt im Hinterkopf, aber von außen wird man kaum einen Unterschied feststellen.
Zwischen einem Menschen und einem Zombie kann man, von außen, auch keinen Unterschied feststellen.
Das ist jetzt etwas böse gesagt. Aber es liefe doch auf eine Art Zombie-Präsidentschaft hinaus. Auf einen Präsidenten, vor dem man sich vielleicht verneigt, hinter dessen Rücken man aber über ihn tuschelt und lästert. Was ist das für ein Leben?
Ich versteh's nicht. Wulff ist ja kein Guttenberg. Er ist dem Amt nicht gewachsen, aber er ist auch kein Blender.
Er ist ein Mann, der mit dem Amt des Ministerpräsidenten das Äußerste erreicht hatte, das er konnte, und der jetzt unter die Räder des Peter-Prinzips geraten ist. Ein gutwilliger Mann, auf seine Art ehrlich und anständig. Er tut mir leid.
Zitat von ZettelNoch einmal eine Zusammenfassung, ein Rückblick, ein - hoffentlich - abschließender Kommentar zu dieser seltsamen Un-Affäre.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Zitat Aber bei einem Präsidenten liegen die Dinge eben anders. Ein Amt, das vom Ansehen lebt, kann man nicht ausüben, wenn das Ansehen weg ist
Ist es wirklich weg oder ist neues Ansehen hinzugekommen? Er, der dem Stahlgewitter getrotzt hat, in Drachenblut gebadet, nur die BILD kennt das Lindenblatt*, hat er nicht neue Bewunderer gefunden? Seine Reden, solange sie von politischer Korrektheit triefen, dafür wird Wulff schon sorgen, werden voll des Lobes goutiert werden, wegweisend für die bunte Republik, der Integrationspräsident, der nicht in eigener Sache, aber doch für die Schwächsten der Gesellschaft die richtigen Worte findet.
*BILD hat ihr Pulver sicherlich noch nicht verschossen, da geht noch was, wenn BILD will und dann ist er weg.
Zitat von DagnyEmpfänge, Akkreditierung von Botschafter, Halten von goldenen und silbernen Löffeln und verteilen von Bundesverdienstkreuzen. Das ja. Ruckrede. Nein.
Och, einmal hat er es ja schon hörbar ruckeln lassen. Bevor er ins BILD-Fadenkreuz geriet.
Zitat von Der BundespräsidentWas wird da eigentlich verlangt? Mit wem würden Sie persönlich gemeinsam Kredit aufnehmen? Auf wen soll Ihre Bonität, die Sie sich mühselig erarbeitet haben, zu Ihren Lasten ausgedehnt werden? Für wen würden Sie persönlich bürgen? Und warum? Für den Partner, die eigenen Kinder – hoffentlich ja! Für die Verwandtschaft – da wird es gelegentlich schon schwieriger. Vielleicht würden wir bürgen, wenn nur so der andere die Chance bekommt, wieder auf die eigenen Füße zu kommen. Sonst doch nur dann, wenn wir wüssten, dass wir uns nicht übernehmen und die Bürgschaft in unserem, dessen und dem gemeinsamen Interesse ist. Selbst der Bürge kann sich unmoralisch verhalten, wenn er die Insolvenz nur hinauszögert.
Und weiter:
Zitat Mich stimmt nachdenklich, wenn erst im allerletzten Moment Regierungen Bereitschaft zeigen, Besitzstände und Privilegien aufzugeben und notwendige Reformen einzuleiten. Erst recht, wenn die obersten Währungshüter dafür auch noch weit über ihr Mandat hinausgehen und massiv Staatsanleihen - derzeit im Volumen von über 110 Milliarden Euro - aufkaufen. Das kann und das wird auf Dauer nicht gut gehen und kann allenfalls übergangsweise toleriert werden. Auch die Währungshüter müssen schnell zu den vereinbarten Grundsätzen zurückkehren. Ich sage es hier mit Bedacht, ich halte den massiven Aufkauf von Anleihen einzelner Staaten durch die Europäische Zentralbank für politisch und rechtlich bedenklich. Artikel 123 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verbietet der EZB den unmittelbaren Erwerb von Schuldtiteln, um ihre Unabhängigkeit zu sichern. Dieses Verbot ergibt nur dann Sinn, wenn die Verantwortlichen es nicht durch umfangreiche Aufkäufe am Sekundärmarkt umgehen.
Für mich ist diese weithin unbemerkt gebliebene Rede "seine Ruckrede". Hat nur niemand drauf gehört.
---------------------------------------------------- "Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011
Wenn er denn jetzt zurücktreten würde, welche Begründung würde/könnte er vorbringen?
Ich bin kein Jurist und vielleicht ist der Gedanke völlig abwegig. Im §1 des Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten steht: "Scheidet der Bundespräsident mit Ablauf seiner Amtszeit oder vorher aus politischen oder gesundheitlichen Gründen aus seinem Amt aus, so erhält er einen Ehrensold in Höhe der Amtsbezüge mit Ausnahme der Aufwandsgelder."
Wären die Gründe für einen Rücktritt unumstritten politischer Natur? Oder wartet hier schon das nächste "Stahlgewitter"? Das Ruhegehalt dürfte für ihn ja nicht ganz ohne Bedeutung sein.
Zitat von Zettel Wulff ist ja kein Guttenberg. Er ist dem Amt nicht gewachsen, aber er ist auch kein Blender. Er ist ein Mann, der mit dem Amt des Ministerpräsidenten das Äußerste erreicht hatte, das er konnte, und der jetzt unter die Räder des Peter-Prinzips geraten ist. Ein gutwilliger Mann, auf seine Art ehrlich und anständig. Er tut mir leid. Herzlich, Zettel
Lieber Zettel,
ganz so unschuldig dem Peter Prinzip unter die Räder gekommen will ich Wulff dann doch nicht sehen. Ich würde ihn zwar nicht als Blender bezeichnen, aber als Pharisäer, der verzweifelt und ziemlich ungeschickt versuchte zu verhindern, dass dies öffentlich wird. Und wie kam es dazu? "Cherchez la femme", denke ich. Dazu ein bisschen Schnuppern bei den Porsches, Piechs und anderen Gutbetuchten, und ein Vorgänger Schröder (MP) als Vorbild? dafür, wie weit man sich aus kleinen Verhältnissen herausarbeiten kann.
Einen Pharisäer als Bundespräsidenten hatten wir auch schon mit Rau, ohne dass diskutiert wurde, ob dies dem Amt schaden würde. Ich weiß auch nicht so richtig, woher der immerwährende Ruf nach 'Vorbildfunktion' kommt. Wäre Wulff frech und schlitzohrig zum Nutzen des Landes hätte ich überhaupt kein Problem damit. Wulffs hat sich auf das falsche Image versteift. Nichts gefällt dem Volk mehr als an der Fassade von Biedermännern zu kratzen. Das ist auch die eigentliche Rolle der Bild in diesem Spiel (Wie kann man ihr ernsthaft die Rolle des Moralwächters andichten wollen?).
Zitat von Zettel Also, offenbar hatte der "Spiegel" die Story nahezu fertig in den Rechnern, und man ärgerte sich nun grün und blau darüber, daß "Bild" schneller gewesen war. Den Springer-Leuten wiederum dürfte das Hemd näher als der Rock gewesen sein - für einen solchen Scoop belastet man auch schon mal die gute Beziehung zu Wulff. Der das alles offenbar überhaupt nicht durchschaute. Herzlich, Zettel
Zitat von Zettel Also, offenbar hatte der "Spiegel" die Story nahezu fertig in den Rechnern, und man ärgerte sich nun grün und blau darüber, daß "Bild" schneller gewesen war. Den Springer-Leuten wiederum dürfte das Hemd näher als der Rock gewesen sein - für einen solchen Scoop belastet man auch schon mal die gute Beziehung zu Wulff. Der das alles offenbar überhaupt nicht durchschaute. Herzlich, Zettel
Tja, interessant, wenn Journalisten mal aus dem Nähkästchen plaudern; wenn sozusagen eine Krähe der anderen, nein, nicht gleich ein Auge aushackt, aber ihr doch ein wenig am Gefieder zupft.
Zitat von Martin Wulffs hat sich auf das falsche Image versteift. Nichts gefällt dem Volk mehr als an der Fassade von Biedermännern zu kratzen. Das ist auch die eigentliche Rolle der Bild in diesem Spiel (Wie kann man ihr ernsthaft die Rolle des Moralwächters andichten wollen?).
"Das Volk" (also Sie und ich und wir alle) ist da, lieber Martin, sehr ambivalent, glaube ich.
Das alte "Hossiana - kreuzigte ihn" trifft es schon sehr gut. Wir achten jemanden, ja verehren ihn unter Umständen, jubeln ihm zu - solange er unserem Bild von einer Führungsfigur entspricht. Da mögen auch, weil die Haltung eben ambivalent ist, aggressive Impulse in uns sein, aber sie werden unterdrückt.
Das Ambivalente kippt, sobald der Betreffende "aus der Rolle fällt", wie es die Umgangssprache sehr treffend sagt. Dabei ist vermutlich ein Fehlverhalten als solches nicht so schlimm, wie daß diese Person Schwäche zeigt.
Denn das "Aufsehen" zu jemandem, der Respekt basiert immer wesentlich auf der Anerkennung seiner Stärke; auf welchem Feld auch immer - ein vermutlich evolutionär sehr altes Merkmal des zoon politikon Mensch.
Zeigt sich die Person schwach und gibt es auch obendrein noch konkreten Anlaß zur Kritik, dann kippt die Haltung ihm gegenüber. Das ist jetzt Wulff passiert. Sein weinerliches Interview war das Dümmste, was er machen konnte. (Nebenbei: Könnte man sich vorstellen, daß die Kanzlerin auf Vorwürfe so reagiert, daß sie auf ihre Arbeitslast verweist, auf Menschliches, das ihr eben auch passiere? Daß sie derart jemals zu Kreuze kriecht, wie Wulff das gemacht hat?).
Und ist da Ansehen erst einmal weg, dann hilft eben nichts mehr. Macht kann man zurückerobern. Wenn man sein Vermögen verliert, kann man sich ein neues erarbeiten. Aber wer unten durch ist, der kommt nicht wieder auf einen grünen Zweig.
Zitat von Martin Wulffs hat sich auf das falsche Image versteift. Nichts gefällt dem Volk mehr als an der Fassade von Biedermännern zu kratzen. Das ist auch die eigentliche Rolle der Bild in diesem Spiel (Wie kann man ihr ernsthaft die Rolle des Moralwächters andichten wollen?).
"Das Volk" (also Sie und ich und wir alle) ist da, lieber Martin, sehr ambivalent, glaube ich.
Das alte "Hossiana - kreuzigte ihn" trifft es schon sehr gut. Wir achten jemanden, ja verehren ihn unter Umständen, jubeln ihm zu - solange er unserem Bild von einer Führungsfigur entspricht. Da mögen auch, weil die Haltung eben ambivalent ist, aggressive Impulse in uns sein, aber sie werden unterdrückt.
Das Ambivalente kippt, sobald der Betreffende "aus der Rolle fällt", wie es die Umgangssprache sehr treffend sagt. Dabei ist vermutlich ein Fehlverhalten als solches nicht so schlimm, wie daß diese Person Schwäche zeigt.
Denn das "Aufsehen" zu jemandem, der Respekt basiert immer wesentlich auf der Anerkennung seiner Stärke; auf welchem Feld auch immer - ein vermutlich evolutionär sehr altes Merkmal des zoon politikon Mensch.
Zeigt sich die Person schwach und gibt es auch obendrein noch konkreten Anlaß zur Kritik, dann kippt die Haltung ihm gegenüber. Das ist jetzt Wulff passiert. Sein weinerliches Interview war das Dümmste, was er machen konnte. (Nebenbei: Könnte man sich vorstellen, daß die Kanzlerin auf Vorwürfe so reagiert, daß sie auf ihre Arbeitslast verweist, auf Menschliches, das ihr eben auch passiere? Daß sie derart jemals zu Kreuze kriecht, wie Wulff das gemacht hat?).
Und ist da Ansehen erst einmal weg, dann hilft eben nichts mehr. Macht kann man zurückerobern. Wenn man sein Vermögen verliert, kann man sich ein neues erarbeiten. Aber wer unten durch ist, der kommt nicht wieder auf einen grünen Zweig.
Eine sehr treffende These finde ich, lieber Zettel, nur das "Aufsehen" zu jemandem würde ich nicht generell mit Respekt gleichsetzen. Dann hab ich jedenfalls eine Erklärung dafür, dass ich zu Beginn der Affäre ganz auf der Seite der Presse war und sie später gewechselt habe - mir fällt es schwer zu jemandem "aufzusehen". Sympathisch dagegen sind mir Menschen mit Schwächen, die diese auch bereit sind zuzugeben. Allerdings in einem gewissen Rahmen. Ohne es allzusehr auf Christian Wulff zu beziehen, dafür um so mehr auf das "Aufsehen": Mir ist immer wieder aufgefallen, dass in angelsächsisch geprägten Ländern mit persönlichen Fehlern anders umgegangen wird. Fast möchte ich sagen, sie sind erwünscht, als wichtige Quelle der Erkenntnisgewinnung, des Sammelns von Erfahrungen und Bestandteil des Understatements eines Gentlemen. Passiert jemandem ein Missgeschick wird weggesehen und so getan, als hätte man es nicht bemerkt. Die Bemerkung "my fault" wird für meinen Geschmack mitunter als Ersatz für eine Entschuldigung benutzt. Es wird gar nicht abgewartet ob man entschuldigt wird, nein man gibt im Zweifel auch einen Fehler zu, den man gar nicht begangen hat, nur um die Sache schnellstmöglich aus der Welt zu schaffen. Ich hege viel Sympathie für diese Art des Umgangs, habe aber feststellen müssen - in Deutschland funktioniert das nicht. Man verliert an Respekt.
Für mich ein guter Präsident jemand der sein Amt ähnlich ausfüllt, wie es der isländische Präsident macht. Als Beispiel die zweimalige Ablehnung der Parlamentsentscheide über die Pleitebank Icesave, bzw. die Entschädigung der Gläubiger. Ich finde die Möglichkeit solche Gesetze nicht zu unterschreiben und sie dafür dem Volk vorzulegen extrem klasse und natürlich sehr demokratisch. Bei und hat der Präsident leider nicht die Kompetenz einen Volksentscheid zu veranlassen, allerdings könnte er nach Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG eine Unterschrift zu einem Gesetz verweigern, was laut Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Bundespräsident_(Deutschland)) bisher acht mal passiert ist.
Horst Köhler hätte zum Beispiel die Unterschrift unter das erste Gesetz zur Eurorettung verweigern können. Es wäre sehr spannend gewesen, zu beobachten, wie die Bundesregierung damit umgegangen wäre. Für mich ist das auch der wahrscheinlichste Grund für seinen Rücktritt gewesen, war er doch massgeblich an der Ausarbeitung der Stabilitätskriterien für den Euro beteiligt und musste nun ein Gesetz unterschreiben, welches wohl mit diesen Kriterien nicht vereinbar war.
Der Präsident der BRD hat für mich nicht ausschliesslich repräsentative Aufgaben, er sollte auch eine (letzte) moralische Instanz sein. Wulff ist da wohl der falsche Mann, was hauptsächlich damit zusammenhängt, dass der Präsident meistens aus parteipolitischen Interessen ins Amt gebracht wird. Er ist also nicht ein Mann des Volkes, sondern ein Mann der amtierenden Bundesregierung. Schade eigentlich.
Zitat von ZettelNoch einmal eine Zusammenfassung, ein Rückblick, ein - hoffentlich - abschließender Kommentar zu dieser seltsamen Un-Affäre.
Ich habe mich über diese heutige Stellungnahme des Verfassungsjuristen und früheren Richters am BVerfG Dieter Grimm gefreut, der zum selben Schluß kommt wie ich in dem Artikel:
Zitat Der Bundespräsident wird es schwer haben, die Werte, denen sich das Gemeinwesen verschrieben hat, noch glaubwürdig zu verkörpern. Als Vorbild scheidet er aus. Er wird es auch schwer haben, künftig aus der „Würde des Amtes“ für sich Kapital zu schlagen. (...)
Vor allem wird er aber in seinen Beiträgen zur öffentlichen Diskussion, seinen Mahnungen an die Parteien, seinen Aufrufen an das Volk gehemmt sein. (...) Damit ist er aber gerade in derjenigen Funktion betroffen, die ihm das Gehör des Publikums und damit auch die Aufmerksamkeit der Politik verspricht. Andere Amtsträger können ihn darin nicht ersetzen. Das sollte zu der Einsicht führen, dass ein zeitiger Rücktritt dem Verbleib in einem halbierten Amt vorzuziehen ist, im eigenen Interesse und im Interesse des Ganzen.
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