Nichts Neues - aber in einer Zeit, in der selbst in der FAZ die Kapitalismuskritik eine Heimstatt gefunden hat, ist es doch erfrischend, einen so klaren Kommentar zu lesen wie den von Dorothea Siems.
Zitat Da liest man eine Stimme der Vernunft wie die von Dorothea Siems gern; auch wenn sie nichts ausspricht, was nicht eigentlich jeder wissen könnte.
Um das wissen zu können, muss man leider aktiv vom Mainstream abweichen, eine Mühe, die sich kaum ein Bürger macht. Wie man sieht, ist das Interesse daran wohl auch nicht sehr groß:
Zitat Als gegenläufige Entwicklung hierzu muss man die Tatsache deuten, dass die Bevölkerung mehr und mehr dazu neigt, gesellschaftliche Ziele aller Art als Aufgabe des Staates zu sehen, mehr und mehr Kontrollen und Verbote in zahlreichen Lebensbereichen zu akzeptieren oder sogar zu fordern. Die Mehrheit der Bevölkerung stellt anscheinend keinen gedanklichen Zusammenhang zwischen dem Maß staatlicher Aktivität und gesellschaftlicher Freiheit her. Von einer Furcht vor der Einschränkung persönlicher Freiheit, vor staatlicher Bevormundung oder Gängelung ist auch bei denen nichts zu erkennen, die dem Wert der Freiheit sonst einen hohen Stellenwert einräumen. Der Wunsch nach Freiheit und der Ruf nach Verboten sind für die meisten kein Widerspruch.
ich bin leider nicht fähig, ihr Wohlwollen gegenüber dem Artikel von Frau Siems zu teilen. Sicherlich versucht sie, die Markwirtschaft zu verteidigen. Nur, hat sie das Wesen der Marktwirtschaft überhaupt verstanden?
Sie schreibt:
Zitat Die Gefahr ist indes, dass nach einer langen Phase der Liberalisierung nun das Pendel all zu stark in die Gegenrichtung ausschlägt.
Welche lange Phase der Liberalisierung meint sie? Man möchte daran erinnern, dass im achso marktwirtschaftlichen Amerika es auch die (ehemals) "Big Three" Ford, General Motors und Chrysler waren, die die US-Regierung um Steuerzahlergeld gebeten haben, und es zum Teil auch bekamen. Dies nur als ein einziges Beispiel. In Europa sind wir ja längst so weit, dass von vorgeblich konservativen Regierungen in Frankreich und Deutschland über die Einführung einer "Europäischen Wirtschaftsregierung" diskutiert wird. Und dies, um die (natürlich katastrophalen) Folgen einer planwirtschaftlich eingeführten gemeinsamen währung zu beheben...
Sie schreibt zudem:
Zitat Und auch der nachwachsenden Generation im reichen Westen droht ohne den wirtschaftlichen Wandel, dessen Motor der Kapitalismus ist, eine düstere Zukunft.
Diese düstere Zukunft hat doch längst begonnen. Das kanadische Fraser Institute gibt jährlich einen Bericht zum Stand der weltweiten ökonomischen Freiheit heraus. Im Bericht des Jahres 2011 steht:
Zitat Economic freedom has suffered another setback The chain-linked summary index [...] permits comparisons over time. The average economic freedom score rose from 5.53 (out of 10) in 1980 to 6.74 in 2007, but fell back to 6.67 in 2008, and to 6.64 in 2009, the most recent year for which data are available. [...] The world’s largest economy, the United States, has suffered one of the largest declines in economic freedom over the last 10 years, pushing it into tenth place. Much of this decline is a result of higher government spending and borrowing and lower scores for the legal structure and property rights components.
Und wo steht Deutschland?
Zitat The rankings (and scores) of other large economies are Germany, 21 (7.45); Japan, 22 (7.44); France, 42 (7.16); Italy, 70 (6.81); [...]
Wohlgemerkt, eine freie Martwirtschaft würde mit 10 Punkten bewertet.
Sie steht ja kurz davor, die Dinge zu verstehen, wenn sie schreibt:
Zitat Dass Finanzinstitute gigantische Risiken eingehen können mit der Chance auf hohe Renditen, im Schadensfall aber auf Kosten der Steuerzahler gerettet werden, ist ein unhaltbarer Zustand.
Aber ist sie fähig, die Konsequenz aus dem, was sie selbst schreibt, zu ziehen und zu konstatieren, dass wir es längst mit einem "Geldsozialismus" (Roland Baader) zu tun haben, indem die Risiken auf dem Rücken der 99% sozialisiert werden, damit die 1% die Gewinne privat geniessen können? Dass wir gezwungen werden mit einem sozialistischen Geldkreislauf zu leben, der die Überreste des martwirtschaftlichen Körpers immer mehr und mehr vergiftet und lähmt? Nein, ist sie nicht. Sie hält unser derzeitiges Wirtschaftssystem für marktwirtschaftlich. Nur, das ist es leider nicht.
Die Feinde der Marktwirtschaft und der offenen Gesellschaft haben in Deutschland wenig zu befürchten, solange die Marktwirtschaft nur solche Verteidiger wie Frau Siems findet.
Zitat von Am_Randeich bin leider nicht fähig, ihr Wohlwollen gegenüber dem Artikel von Frau Siems zu teilen. Sicherlich versucht sie, die Markwirtschaft zu verteidigen. Nur, hat sie das Wesen der Marktwirtschaft überhaupt verstanden?
Sie schreibt:
Zitat Die Gefahr ist indes, dass nach einer langen Phase der Liberalisierung nun das Pendel all zu stark in die Gegenrichtung ausschlägt.
Welche lange Phase der Liberalisierung meint sie?
Die Bullshit-Phrasen werden so oft von allen Kanzeln gepredigt, dass man es irgendwann verinnerlicht. Der sagenhafte „neoliberale Mainstream“ gehört dazu. Kein Prediger kann sagen, was das in praxi ist. Aber Herden von Politikern, Journalisten und Wissenschaftlern schwadronieren über seine Schlechtigkeit.
Zitat von Am_RandeSie steht ja kurz davor, die Dinge zu verstehen, wenn sie schreibt:
Zitat Dass Finanzinstitute gigantische Risiken eingehen können mit der Chance auf hohe Renditen, im Schadensfall aber auf Kosten der Steuerzahler gerettet werden, ist ein unhaltbarer Zustand.
Aber ist sie fähig, die Konsequenz aus dem, was sie selbst schreibt, zu ziehen und zu konstatieren, dass wir es längst mit einem "Geldsozialismus" (Roland Baader) zu tun haben, indem die Risiken auf dem Rücken der 99% sozialisiert werden, damit die 1% die Gewinne privat geniessen können?
Mal noch einen Schritt zurück … Wie wäre es, wenn die ach so schlauen Kommentatoren mal die Namen der sagenhaften Banken nennen würden. Denn genau das, die Bezeichnung der Banken, meiden die wie der Teufel das Weihwasser. Aus gutem … nein, „gut“ stimmt nicht … aus schlechtem Grund. Die meisten Propagandamärchen fallen in sich zusammen, wenn man die Beziehung zur Realität herstellt. Auch das Bankster-Märchen.
Zitat Die Gefahr ist indes, dass nach einer langen Phase der Liberalisierung nun das Pendel all zu stark in die Gegenrichtung ausschlägt.
Welche lange Phase der Liberalisierung meint sie?
Eine lange Phase der liberalisierung kann ich durchaus erkennen... vielleicht nicht in den USA oder Frankreich, aber bspw. schon in Deutschland (mal auf den Osten bezogen), ganz Osteuropa, Asien und Suedamerika... da hat sich in den letzten Jahrzehnten durchaus etwas getan.
Grundsaetzlich:
Ich finde den Artikel auch nicht so prickelnd; macht auf mich den Eindruck als haette jemand mal Lust gehabt, zur Abwechslung die Seite des Boesewichts einzunehmen. Zumindest spricht es nicht fuer ein Mindestmass an Sachverstand, wenn man staatliche Regulierung als Konsequenz der Finanzkrise fordert, um im naechtsen Absatz auf die Eigentuemerhaftung hinzuweisen; die Tatsache, dass gewisse Eigentuemer (hier vor Allem die der Banken) nicht haften, ist ja kein Naturgesetz und hat auch mit Markt nicht viel zu tun, sondern ist vielmehr politisch gewollt.
Mal abgesehen davon, dass hier der Begriff Kapitalismus wieder einmal in seiner korporatistischen Interpretation gebraucht wird (Kapitalismus != Wall Street). So ein Artikel erweist den Kapitalismusverfechtern eher einen Baerendienst. Ich darf auf Dieter Nuhr verweisen und seinen Vorschlag darueber, was zu tun waere wenn man keine Ahnung hat
Gruesse, F.Alfonzo
P.S.: Kleine Randbemerkung: Die ueblichen, linken Verschwoerungstheoretiker liegen mal wieder voellig falsch, wenn sie behaupten, an der Wall Street waere was faul. Wer sich wie ich jahrelang beruflich damit befasst hat weiss: Es ist noch viel schlimmer, als es sich ein Che-Shirt tragender Alternativ-Oeko in seinen schlimmsten Traeumen ausmalen koennte . Ich wuerde inzwischen fast von mafioesen Strukturen sprechen; die Rechtswidrigkeit der Geschaefte ist m.M.n. eher die Regel als die Ausnahme, aber wo kein Richter, da kein Henker.
Zitat von F.AlfonzoP.S.: Kleine Randbemerkung: Die ueblichen, linken Verschwoerungstheoretiker liegen mal wieder voellig falsch, wenn sie behaupten, an der Wall Street waere was faul. Wer sich wie ich jahrelang beruflich damit befasst hat weiss: Es ist noch viel schlimmer, als es sich ein Che-Shirt tragender Alternativ-Oeko in seinen schlimmsten Traeumen ausmalen koennte . Ich wuerde inzwischen fast von mafioesen Strukturen sprechen; die Rechtswidrigkeit der Geschaefte ist m.M.n. eher die Regel als die Ausnahme, aber wo kein Richter, da kein Henker.
Zu dem Thema habe ich schon viel und das Gegenteil gelesen ohne dabei klüger geworden zu sein. Einerseits glaube ich aufs Wort, dass sich dort mafiose Strukturen etabliert haben. Auf der anderen Seite ist nicht bekannt, dass Anleger oder Sparer im großen Stil ihre Werte aus den USA abziehen würden; was für Vertrauen in das System spricht.
Vielleicht könnten Sie soviel Zeit abknapsen und Ihre Erfahrungen und Ihre Sicht auf die Dinge posten? Das Thema interessiert bestimmt viele. Ich danke schon mal im Voraus.
Zettels Artikel passt ganz gut zum "Lob des Kapitalismus" welches sich aktuell in der Presse abspielt:
Schlecker ist pleite und es wird allenthalben die Verantwortung des Eigentümers betont. Kein Rettungsschirm, kein Rettungspaket, keine Bundeskanzlerin weit und breit. Eigentlich genau so, wie es in einer Marktwirtschaft sein soll: Die Wettbewerber haben das bessere Konzept, die besseren Läden und Schlecker hat es verpasst sich auf den modernen Kunden einzustellen. Jetzt ist er pleite.
Leider stammen die marktwirtschaftlichen Töne nicht aus eigener Überzeugung, sondern Schlecker hat es sich mit allen verscherzt: Mit den Kunden (die gehen zu Rossmann und Co), mit der Gewerkschaft, mit dem eigenen Personal, mit der Politik (niemand mag sich für Schlecker einsetzen um nicht dessen Negativimage abzubekommen).
Angeblich ist Schlecker nicht als Kapitalgesellschaft organisiert, sondern die Verantwortung läuft auf dem Firmengründer persönlich zu. Er wird mit seinem Privatvermögen einstehen müssen.
Ein ambivalentes Beispiel für a) Das Scheitern eines beratungsresistenten Firmenpatriarchen b) Das Scheitern einer Restrukturierung, da man in Politik und Gesellschaft keinen Rückhalt hat c) Das höhnische Lachen der Politik, die auf an dieser Stelle (ausnahmsweise) marktwirtschaftliche Verantwortung in den Vordergrund stellt.
Naja. Sätze wie "Die Gefahr ist indes, dass nach einer langen Phase der Liberalisierung nun das Pendel all zu stark in die Gegenrichtung ausschlägt." oder "Und es ist unbestreitbar, dass die Branche unzureichend reguliert ist." sind nicht wirklich eine Verteidigung des Kapitalismus, auch wenn die Tendenz des ganzen Artikel sicher nicht schlecht ist.
Viel besser finde ich dagegen ihre Anmerkungen, lieber Zettel, über das Wesen des Sündebocks. Denn es gibt ja nun wenig, woran der Kapitalismus nicht alles schuld ist, sei es Armut, Reichtum, Klimaerwärmung, Umweltverschmutung, Kriege, Hungersnöte, Naturkatastrophen. Selbst in Ländern ohne Kapitalismus ist der Kapitalismus schuld an allem was schlecht läuft. Und was ist das schönste am Kapitalismus ? Der wehrt sich nicht einmal. Hat schon was, so ein Kapitalismus.
Wenn Kapitalisten den Kapitalismus kritisieren, verdient das eine kritische Betrachtung. Lesenswert und m.E. zum Thread passend:
Zitat von ortner onlineNachdenken über Verbesserungen ist natürlich immer gut. Allerdings sollte die Frage erlaubt sein, auf wen hier eigentlich eingeprügelt wird. Auf einen Kapitalismus, der nur noch auf dem Papier existiert, in der Praxis aber längst von einem knallharten Staatssozialismus abgelöst wurde, der das Leben der Menschen demokratischer Länder bestimmt wie selten zuvor. Während also in Davoser Skihütten bei Glühwein und Biospeck über die zerstörerische Kraft ungezügelter Märkte sinniert wird, hat es sich der Staat in den Wohnzimmern der Bürger gemütlich gemacht.
---------------------------------------------------- "Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande" - De civitate dei, IV, 4, 1. Übers.: Papst Benedikt XVI, Rede vor dem Deutschen Bundestag am 22. September 2011
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