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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 17 Antworten
und wurde 1.816 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.02.2012 17:11
Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Mit dem Hinweis auf einen lesenswerten Artikel in "Welt-Online" verbinde ich in diesem Zitat des Tages einen kurzen Kommentar zu der Frage, ob in Europa Nationalismus heute eigentlich "anachronistisch" ist.

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

08.02.2012 18:13
#2 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

So weit ich das sehe, haben die anderen Europäer die europäische Integration nie so verstanden, dass die "alten" Nationen in einer gesamteuropäischen Identität aufzugehen hätten. Diese Sicht ist und war vor allem eine deutsche, aus Unbehagen mit der eigenen Nation und der Erfahrung von 40 Jahren Teilung entstanden.

Es sind ja nicht nur die Schotten, die nach mehr Selbstbestimmung verlangen, sondern schon lange z.B. auch die Basken oder Katalanen.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.02.2012 18:30
#3 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Zitat von Rayson
Es sind ja nicht nur die Schotten, die nach mehr Selbstbestimmung verlangen, sondern schon lange z.B. auch die Basken oder Katalanen.

So ist es, lieber Rayson. Und die Korsen, die Bretonen, die Lombarden, allen voran die Flamen.

Entgegen einem gängigen Klischee sind eben Demokratie und Nationalismus nicht nur kein Gegensatz, sondern in gewisser Weise bedingen sie einander sogar: Die Volkssouveränität kann nur funktionieren, wenn es auch das Volk als eine Entität gibt; und die Selbstbestimmung, die das Wesen der Demokratie ist, schließt die nationale Selbstbestimmung ein.

Übrigens wird das ja in der Geschichte Deutschlands und auch Italiens sehr deutlich: Es waren gerade die Demokraten, die den Nationalstaat forderten; Schwarzrotgold war nicht nur die Fahne des Nationalstaats, den man wollte, sondern stand auch für die demokratischen Bestrebungen. Siehe zum Beispiel die Dekorationen zum Hambacher Fest.

Und die Konservativen standen in Deutschland lange Zeit der Idee des Nationalstaats eher ablehnend gegenüber; ihre Loyalität galt der jeweiligen Dynastie, nicht Deutschland.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

08.02.2012 19:04
#4 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Zitat von Zettel
Es waren gerade die Demokraten, die den Nationalstaat forderten; Schwarzrotgold war nicht nur die Fahne des Nationalstaats, den man wollte, sondern stand auch für die demokratischen Bestrebungen.



Das hat uns ja den Nationalliberalismus eingebrockt . Damals erhoffte man eben, mit den Königs- und Fürstenstaaten auch die Monarchie selbst abzuschaffen zu können. In einem "Big Bang" wären dann Einheit und Freiheit hergestellt. Nicht zufällig ähnlich: der Anfang der dritten Strophe unserer Nationalhymne. Nun, das hat nicht funktioniert. Es ist ebenso spannend wie fruchtlos, darüber zu sinnieren, was sich in der deutschen Geschichte alles verändert hätte, wäre es doch so gekommen.

Aber auch heute ist klar: Wenn ich andere Menschen zusammen mit mir über ein gemeinsames Schicksal entscheiden lassen will, muss ich zu diesen anderen Menschen auch eine Bindung haben, die über formale Rechtskonstrukte hinaus geht.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

08.02.2012 19:51
#5 Spannend Antworten

Meine Prognose: Die SNP erlebt in der Abstimmung ihr persönliches S-21-Debakel. Nur weil man jahrelang am lautesten schreit, weil Labor mit Tony Blair unbeliebt war und die Tories es seit 1987 North of the border sehr schwer haben, findet sich keine Mehrheit für eine Unabhängigkeit.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

08.02.2012 20:53
#6 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Vielmehr noch als die Schotten wünschen sich die Engländer eine Unabhängigkeit Schottlands. Nur müssten die Schotten sich dann einen neuen Geldgeber für ihren aufgeblasenen Staatshaushalt suchen. Sollte Griechenland aus dem Euro austreten, wäre das auch ein gutes Signal Richtung Schottland und wohl das Ende aller Unabhängigkeitsbestrebungen. Nicht, dass ich ihnen ihre Autonomie oder Unabhängigkeit nicht gönnen würde, aber ich hab den Eindruck, die Schotten sehen eine günstige Gelegenheit Druck auszuüben um notwendigen Kürzungen in ihrem, für britische Verhältnisse sehr großzügigen Sozialetat, entgegenzuwirken. Selbst wenn Schottland seine Steuern und Öleinnahmen für einen eigenen Haushalt verwenden könnten hätten sie immer noch ein Defizit von 14 Milliarden Pfund.

Zitat von englandcalling
The quick way of getting a quick approximation of the amount of money a Scottish government under Devomax would have to raise to fund present expenditure . The total budget projection for £2011/12 is £710 billion (http://cdn.hm-treasury.gov.uk/2011budget_complete.pdf p6). 9% of that is £64 billion.

In 2009/10 – the last year for which there are official Scottish government figures for public expenditure in Scotland : Government Expenditure and Revenue Scotland ( GERS) - Scottish tax revenues were £42,201 billion excluding North Sea oil and £48,132 billion with what are coyly called “an illustrative geographical share “ of North Sea oil revenues with expenditure for the year of £62.086 billion (http://www.scotland.gov.uk/Publications/2011/06/21144516/1). Even with the Oil revenues included there was a shortfall of £14 billion in tax revenue.


Ganz zu schweigen von ihrem Anteil an der Landesverteidigung, den Auslandsbeziehungen und der Schuldentilgung.
Wenn ich mich mit Engländern über die Unabhängigkeitsbestrebungen Schottlands unterhalten habe, wurde mir gesagt, dass, wenn die Schotten auf Nummer sicher gehen wollten, sie am besten GB-weit abstimmen lassen sollten. Dann hätte ihr Referendum mit Sicherheit Erfolg.
Der Vorsitzende der SNP, Alex Salmond, ist sich wohl selbst nicht ganz klar, wie die Unabhängigkeit Schottlands aussehen soll:

Zitat von scotsman
He said: “It is SNP policy to have the Queen as our head of state.
“That union, that United Kingdom if you like, would be maintained after Scottish political independence.
“I think that’s a real stumbling block about putting forward a question of the United Kingdom.”
Asked whether that meant Scotland could still be regarded as being in the UK after independence, Mr Salmond said: “I don’t think it’s a very good idea to confuse the issue by talking about united kingdoms when what we’re talking about is political independence.”


http://www.scotsman.com/news/politics/i_...lmond_1_2085533
edit: landesweit ersetzt durch GB-weit.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Florian Offline



Beiträge: 3.136

08.02.2012 21:29
#7 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Es geht hier um die Frage einer Sezession.
Ich bin mir nicht sicher, ob "Nationalismus" da überhaupt eine sinnvolle Kategorie ist.
Denn es gibt ja nicht nur eine schottische Nation, sondern auch eine britische.
Nicht nur eine flämische, sondern auch eine belgische.
Wenn nun ein Flame einen eigenen Staat Flandern wünscht, ist er nicht mehr und nicht weniger nationalistisch als ein Belgier, der die Abspaltung Flanderns ablehnt.


Aber um die Entwicklung einmal nüchtern zu analysieren:

Es gibt gewisse staatliche Aufgaben, bei denen große Staaten Vorteile haben.
Und es gibt andere, bei denen kleine Staaten Vorteile haben.

Der Hauptvorteil großer Staaten ist deren größeres außenpolitisches und militärisches Gewicht.
Dieser Aspekt ist im modernen Europa aber nicht mehr so wichtig.

Ein weiterer Vorteil der Größe, der gerne genannt wird, sind angebliche Skalenvorteile bei der Administration: Eine Regierung hat gewisse Fixkosten. Also ist eine Regierung für 20 Mio. Einwohner pro Kopf gerechnet günstiger als eine Regierung für 10 Mio. Einwohner.
Ob es diese Skalenvorteile wirklich gibt, erscheint mir aber unklar.
Zumindest gibt es in Europa viele relativ kleine Länder, die eine erkennbar effizientere Verwaltung haben als große Länder.

Der Hauptvorteil kleinerer Länder ist hingegen, dass sie ihre Politik zielgerichteter auf die Bedürfnisse ihrer Bürger einstellen können.
Das bringt Vorteile in allen Bereichen, in denen kulturelle Besonderheiten unterschiedliche Politik erfordern. Wichtige Bereiche sind z.B. die Sozial- oder die Bildungspolitik.
Und diese Bereiche machen mittlerweile den größten Teil moderner Staatshaushalte aus.
Speziell bei der Sozialpolitik gibt es noch das Umverteilungsproblem: Je größer ein Staat ist, desto weniger fühlen sich die Bürger miteinander verbunden und desto weniger haben sie Verständnis für Umverteilungsmaßnahmen zu Gunsten räumlich und kulturell weit entfernter Regionen.

Im Jahr 1900, als über 50% der nationalen Haushalte in die Militär-Etats flossen, war eine Tendenz hin zu großen staatlichen Einheiten nachvollziehbar und sinnvoll.
Im Jahr 2012, wenn in Europa über 50% der Haushalte in die Sozial-Etats fliessen, ist hingegen ein Trend hin zu kleinere nationale Einheiten plausibel. Es ist absehbar, dass wir da in den nächsten Jahren noch einiges erleben werden: Schottland, Nordirland, Flandern, Baskenland, Katalonien, Norditalien: die Liste ist lang.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

09.02.2012 00:16
#8 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Zitat von Florian

Im Jahr 2012, wenn in Europa über 50% der Haushalte in die Sozial-Etats fliessen, ist hingegen ein Trend hin zu kleinere nationale Einheiten plausibel. Es ist absehbar, dass wir da in den nächsten Jahren noch einiges erleben werden: Schottland, Nordirland, Flandern, Baskenland, Katalonien, Norditalien: die Liste ist lang.



Sie schrieben eine interessante und glaubwürdige Analyse. Auch diese Liste ist eine gute Zusammenfassung. Aber warum denkt niemand an ein Auseinanderbrechen Deutschlands? Warum können sich Deutsche eher eine Abspaltung Norditaliens von der italienischen Nation vorstellen?

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein



Ich forder die Anwerbung von journalistischen Fachkräften aus Großbritannien, USA, Frankreich und der Schweiz!

C. Offline




Beiträge: 2.639

09.02.2012 00:28
#9 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Zitat von Techniknörgler

Sie schrieben eine interessante und glaubwürdige Analyse. Auch diese Liste ist eine gute Zusammenfassung. Aber warum denkt niemand an ein Auseinanderbrechen Deutschlands? Warum können sich Deutsche eher eine Abspaltung Norditaliens von der italienischen Nation vorstellen?



Bayern und Pfalz - Gott erhalts

http://iceagenow.info

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

09.02.2012 10:26
#10 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Zitat von Techniknörgler
Aber warum denkt niemand an ein Auseinanderbrechen Deutschlands?


Genau, keine Denkverbote! Deutschland ist unseren Nachbarn sowieso viel zu groß.
Mal schauen…Bayern und die Pfalz ist ja schon vorgeschlagen worden, da machen Hessen und Baden-Würtemberg bestimmt noch mit, vielleicht auch Sachsen. Das wäre dann die Südrepublik.
Naja, und die Defizitländer des Finanzausgleichs bilden die Nordrepublik.
Wenn sich die Länder nicht einigen können auf eine Nord- und Südrepublik werden aus den deutschen Ländern einfach Staaten.
Sollte das Schule machen und alle Völker in Europa gründen ihre eigenen Staaten, sind wir einem europäischen Staatenbund oder sogar einem Bundesstaat, m.E. näher als je zuvor.
http://images.wikia.com/starwars/images/...acticsenate.jpg

Viele Grüße, Erling Plaethe

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

09.02.2012 13:41
#11 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Zitat
Naja, und die Defizitländer des Finanzausgleichs bilden die Nordrepublik.


Das Mezzonotte Deutschlands!

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

10.02.2012 09:34
#12 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Im Vereinigten Königreich gibt es offiziell zwar einen gemeinsamen Paß, aber keine gemeinsame Nationalität, sondern stattdessen eine englische, walisische, schottische etc. Das ist schon im Hinblick auf Veranstaltungen wie die “internationale” Snooker-Meisterschaft erforderlich.

Schottland hat aber durchaus Züge nationaler Eigenart bewahrt; sie haben eine eigene Notenbank, ein eigenes Schul- und Hochschulwesen, einen sehr charakteristischen Dialekt und nicht zuletzt eine lange und stolze Tradition in Literatur, Wissenschaft und Technik.

Daß dieses konservative Nationalgefühl (mit dem die Briten seit jeher keinerlei Probleme haben; die Aversion der eigenen Nation gegenüber ist eine rein deutsches Spezifikum) neuerdings in Separatismus ausartet, ist weniger eine Ursache als vielmehr eine Folge der Devolution. Sie hat nämlich den Konstruktionsfehler, daß nun zwar lokale Parlamente und teilunabhängige Regierungen für Wales, Schottland und Nordirland existieren, jedoch nicht für England, so daß Westminster die doppelte Aufgabe eines Parlaments für England und für das Vereinigte Königreich erfüllen soll.

Diese Asymmetrie steht einer Entwicklung zu einem Bundesstaat mit zwei Ebenen, wie sie in Deutschland in Bund und Ländern vorliegen, im Wege und läßt die Devolution, die eigentlich eine Lokalisierung der Volksvertretung und Regierung darstellen soll, wie englischen Mikroimperialismus aussehen, der die nichtenglischen Landesteile zu Juniorpartnern degradiert. Löwe und Einhorn halten das Wappen des Vereinigten Königreichs; aber im Moment sieht es eher so aus, als hielte der Löwe sich Einhorn (und walisischen Drachen) als Schoßtiere.

Das kann bei den Schotten, die nach 1603 den Monarchen in Personalunion gestellt haben und 1707 als gleichberechtigter Partner in die Union gegangen sind, nur Unmut auslösen. Bezeichnenderweise ging die jüngste Debatte über das schottische Referendum gar nicht um Details einer Unabhängigkeit, sondern um die Frage, ob die schottische Regierung ein Referendum aufgrund naturrechtlicher nationaler Selbständigkeit durchführen dürfe oder ob nicht vielmehr eine Genehmigung aus Westminster dafür erforderlich sei. Das hat auch den praktischen Aspekt der Einflußnahme auf den Wortlaut des Referendums. Westminster wünscht eine klare Entscheidung: entweder bedingungslosen Verbleib in der Union oder politische Unabhängigkeit, etwa nach Vorbild Kanadas. Für die separatistische SNP wäre beides fatal, da sie programmatisch und in der Wählergunst ganz von den Nachteilen der Devolution lebt; sie will deshalb eine dritte Möglichkeit, nämlich größere Devolution, also keine Lösung, sondern eine Verschärfung der Frage nach der schottischen Nationalität.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

10.02.2012 11:47
#13 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Eine Feinheit: Schottland hat keine eigene Notenbank. Es gibt vielmehr keine Notenbank in Schottland, sondern die 3 grossen Banken Schottlands haben das Recht, eigenes Papiergeld herauszugeben, welches aber 1:1 an das Pfund Sterling der Bank of England gekoppelt ist und von deren Geldpolitik gesteuert wird. Daher findet man in Schottland Geldscheine mit 4 verschiedenen Bildern. Denen der Bank of England mit der Queen, der Royal Bank Scotland mit Schottischen Castles, der Bank of Scotland mit Brücken und der Clydesdale Bank mit Rittern/Historischen Köpfen drauf. Die 3 letztgenannten sind private Banken. (Well, until the crisis)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

10.02.2012 14:50
#14 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Zitat von Fluminist
Löwe und Einhorn halten das Wappen des Vereinigten Königreichs; aber im Moment sieht es eher so aus, als hielte der Löwe sich Einhorn (und walisischen Drachen) als Schoßtiere.

Schön gesagt! Danke für diesen kundigen Artikel, und willkommen im kleinen Zimmer.

Herzlich, Zettel

FTT_2.0 Offline



Beiträge: 537

10.02.2012 15:03
#15 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Zitat von Fluminist
Sie hat nämlich den Konstruktionsfehler, daß nun zwar lokale Parlamente und teilunabhängige Regierungen für Wales, Schottland und Nordirland existieren, jedoch nicht für England, so daß Westminster die doppelte Aufgabe eines Parlaments für England und für das Vereinigte Königreich erfüllen soll.


Diese Asymmetrie steht einer Entwicklung zu einem Bundesstaat mit zwei Ebenen, wie sie in Deutschland in Bund und Ländern vorliegen, im Wege und läßt die Devolution, die eigentlich eine Lokalisierung der Volksvertretung und Regierung darstellen soll, wie englischen Mikroimperialismus aussehen, der die nichtenglischen Landesteile zu Juniorpartnern degradiert. Löwe und Einhorn halten das Wappen des Vereinigten Königreichs; aber im Moment sieht es eher so aus, als hielte der Löwe sich Einhorn (und walisischen Drachen) als Schoßtiere.



Wobei weitere "devolutions" wohl meines Wissens vorgesehen waren, allerdings nach der knappen Annahme des walisischen Referendums und der klaren Zurückweisung des "nordenglischen" Referendums auf die lange Bank geschoben wurden.

http://en.wikipedia.org/wiki/Northern_En...ferendums,_2004

Abgesehen davon, war der "Mikroimperialismus" nicht viel ausgeprägter als die Engländer, die 80 Prozent der Bewohner des Vereinigten Königreichs stellen, die anderen 20 Prozent einfach "marginalisieren" konnten / hätten können?

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

10.02.2012 15:26
#16 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Zitat von FTT_2.0

Zitat von Fluminist
Sie hat nämlich den Konstruktionsfehler, daß nun zwar lokale Parlamente und teilunabhängige Regierungen für Wales, Schottland und Nordirland existieren, jedoch nicht für England, so daß Westminster die doppelte Aufgabe eines Parlaments für England und für das Vereinigte Königreich erfüllen soll.


Diese Asymmetrie steht einer Entwicklung zu einem Bundesstaat mit zwei Ebenen, wie sie in Deutschland in Bund und Ländern vorliegen, im Wege und läßt die Devolution, die eigentlich eine Lokalisierung der Volksvertretung und Regierung darstellen soll,



Wobei weitere "devolutions" wohl meines Wissens vorgesehen waren, allerdings nach der knappen Annahme des walisischen Referendums und der klaren Zurückweisung des "nordenglischen" Referendums auf die lange Bank geschoben wurden.

http://en.wikipedia.org/wiki/Northern_En...ferendums,_2004

Abgesehen davon, war der "Mikroimperialismus" nicht viel ausgeprägter als die Engländer, die 80 Prozent der Bewohner des Vereinigten Königreichs stellen, die anderen 20 Prozent einfach "marginalisieren" konnten / hätten können?




Bei Betrachtung der "Westloathian Question" - ob die Schottischen und Walisischen Abgeordneten in Westminster über rein Englische Belange abstimmen dürfen, wenn die Englischen MP nicht über Belange des Schottischen Regionalparlaments oder der Welsh Assembly abstimmen - sollte man aber auch sehen, dass die Briten nicht so denken wie es die Deutschen manchmal gerne hätten oder erwarten.
Das Referendum zur Änderung des Mehrheitswahlrechts ist zum Beispiel gescheitert. Die Briten sind mit Ihrer Form des Parliamentarismus gut gefahren und teilen den Wunsch nach "Egalite" nicht im selben Masse wie "der Kontinent".

Florian Offline



Beiträge: 3.136

10.02.2012 15:39
#17 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Zitat
Sie hat nämlich den Konstruktionsfehler, daß nun zwar lokale Parlamente und teilunabhängige Regierungen für Wales, Schottland und Nordirland existieren, jedoch nicht für England, so daß Westminster die doppelte Aufgabe eines Parlaments für England und für das Vereinigte Königreich erfüllen soll.



Das ist zwar eine seltsame Konstruktion. Aber ähnliche Konstruktionen gibt es aber immer wieder einmal, ohne dass das unlösbare Probleme erzeugen würde.

Ähnlich gelagert ist z.B. die Situation in Bremen, wo das Landesparlament zugleich das Kommunalparlament der Stadt Bremen ist, nicht jedoch von Bremerhaven. Das führt zwar auch zu gewissen praktischen Problemen (z.B. sind EU-Ausländer nur auf kommunaler Ebene wahlberechtigt), sind aber wohl doch irgendwie lösbar.
Und gerade die Briten sind sicher pragmatisch genug, um die Probleme irgendwie zu umschiffen.

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

10.02.2012 18:01
#18 RE: Zitat des Tages: Unabhängiges Schottland? Antworten

Zitat
Das Referendum zur Änderung des Mehrheitswahlrechts ist zum Beispiel gescheitert. Die Briten sind mit Ihrer Form des Parliamentarismus gut gefahren und teilen den Wunsch nach "Egalite" nicht im selben Masse wie "der Kontinent".

Der britische Parlamentarismus in Westminster ist tatsächlich vorbildlich und faszinierend. Er zeigt ganz deutlich die Vorteile des Mehrheitswahlrechts, allen voran die enge Bindung des Abgeordneten an seinen Wahlkreis. In der Debatte sprechen sich die MPs ja auch nicht mit ihren Namen, sondern den Namen ihrer Wahlkreise an, so daß diese Bindung nie in Vergessenheit gerät.

So vertritt jeder Abgeordnete in erster Linie die Interessen seiner Wähler, nur sekundär (durch die "Whips" motiviert) die seiner Partei. Das scheint mir ein viel gesünderes Prinzip als unser Parteilistensystem, bei dem arrivierte Berufspolitiker, die einen der oberen Listenplätze innehaben, nur noch auf ihren Status innerhalb der Partei und bei den Wahlen allenfalls auf die Prozentanteile achtgeben.

Dagegen ist der ohnehin ziemlich theoretische Aspekt der Egalité im Sinne einer möglichst genauen Abbildung der Parteivorlieben der Bevölkerung in der Sitzverteilung des Parlaments weniger wesentlich.

Zitat
Abgesehen davon, war der "Mikroimperialismus" nicht viel ausgeprägter als die Engländer, die 80 Prozent der Bewohner des Vereinigten Königreichs stellen, die anderen 20 Prozent einfach "marginalisieren" konnten / hätten können?

Hier scheint mir ein gewisser Unterschied zwischen Wales und Schottland zu bestehen. Die Waliser wurden tatsächlich jahrhundertelang marginalisiert, so daß ihre Anerkennung als politische Einheit Mitte des 20.Jahrhunderts und die Einrichtung des Welsh Assembly Government eine wichtige Rolle im nationalen Selbstverständnis spielte und spielt. Die Schotten hingegen hatten wohl vor der Devolution und auch noch heute wenig Grund, Westminster nicht auch als ihr Parlament anzusehen.

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