Martin Walser habe ich erst spät zu lesen begonnen; eigentlich mehr zufällig, als ich als Lektüre für eine längere Bahnfahrt die Taschenbuchausgabe von "Das Schwanenhaus" gekauft hatte. Ich war fasziniert - zunächst von der Brillanz seines Stils; dann, nachdem ich mich in seine Werke eingelesen hatte, mehr und mehr auch von der Komplexität seiner Figuren, von der Tiefe und Subtilität seines Denkens.
Er ist ein umfassend gebildeter, ein ungemein belesener Schriftsteller; ein écrivain érudit, wie wir ihn in Deutschland nur selten haben. Dabei ein realistischer Beobachter der Gesellschaft, der sich mit großer Akribie in die Lebenswelten seiner Helden einarbeitet; ob es sich um die Kultur-Schickeria der fünfziger Jahre handelt, wie in seinem Erstlingsroman "Ehen in Philipsburg" (1957), um die Welt der amerikanischen Unis in "Brandung" (einer meiner Lieblingsromane) oder so spröde Lebenswelten wie die des Immobilienmaklers ("Das Schwanenhaus") oder des Jura-Studenten in "Die Verteidigung der Kindheit".
Ich habe mich gefreut, für meine kleine Würdigung Walsers zum 85. Geburtstag zwei sehr schöne Fotos gefunden zu haben.
Danke für die Würdigung als Erinnerung an seinen Geburtstag und die wirklich schönen und treffenden Fotos. Jetzt läuft ja dann auch gleich um 20.15 Uhr im TV auf 3sat die Verfilmung seines Romans "Ein fliehendes Pferd" aus dem Jahre 2007 mit Ulrich Tukur und Ulrich Noethen, die ganz gelungen ist, wie ich meine. Dieser Roman war eine meiner Schullektüren im Gymnasialunterricht der Mittelstufe und Martin Walser hat mich seither nicht mehr losgelassen.
Zitat von apollinarisJetzt läuft ja dann auch gleich um 20.15 Uhr im TV auf 3sat die Verfilmung seines Romans "Ein fliehendes Pferd" aus dem Jahre 2007 mit Ulrich Tukur und Ulrich Noethen, die ganz gelungen ist, wie ich meine.
Ja, das ist ein kleines Meisterwerk - von Walser selbst, wenn ich mich recht erinnere, aber gar nicht so sehr geschätzt. Ich würde es vielleicht auf eine Stufe mit "Tod eines Kritikers" stellen, das ja auch perfekt konstruiert ist, und kürzer als Walsers große Romane.
Auch "Der Augenblick der Liebe" gehört aus meiner Sicht in diese Kategorie, obwohl das schon ein ausgewachsener Roman ist. Ich habe ihn wie "Brandung" mit großem Genuß gelesen (wobei sicher bei mir auch das akademische Milieu eine Rolle spielt); aber es ist eben doch ein monothematisches Werk; oder genauer, es sind zwei miteinander verschränkte Themen:
Die sozusagen kreatürliche Bedingungslosigkeit einer Liebe, auch wenn sie von vornherein aussichtslos ist; und der kalte Blick des Aufklärers LaMettrie auf die menschliche Kreatürlichkeit. Bei LaMettrie steht dieser Kreatürlichkeit das Gewissen als Vertreter der Gesellschaft gegenüber (darin ist er ein Vorläufer Freuds). Auch Walsers Romanheld Gottlieb Zürn kehrt am Ende in die Arme seiner moralisch und auch sonst perfekten Frau zurück.
Dies nur als kleine Anregung, Walser zu lesen. Er ist vergnüglich.
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