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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 13 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.04.2012 19:27
Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

Versuch einer Klärung dessen, was einzelne Wetterdaten und Wettereignisse für die Frage eines Klimawandels bedeuten und was nicht. Übrigens sind ja eisige Ostern nichts Neues. Sagte nicht schon Goethe im "Osterspaziergang": "Vom Eise bedeckt sind Strom und Bäche"?

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

06.04.2012 20:12
#2 RE: Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

1) Kälte = Wärme. Kalte Winter sind ein toller Beleg für beständige Erwärmung (das war der Spin während der letzten beiden kalten Jahreszeiten).
2) "Weather is not climate" (unless we say it's so).
3) Göthe wohnte in der Kleinen Eiszeit; da bestimmten die Sonne und die natürlichen Schwankungen das Wetter, hm, das Klima, also eher doch: das Wetter, aber seit der Neuzeit, seit der Industrialisierung, kurz: seit dem Anthropozän, gilt nur noch der Einfluß des Zeh-Oh-Zwo (also auch bitte keine Anfragen nach anderen Treibhausgasen wie Methan oder Wasserdampf).
4) Dieser vorgebliche Geheimbderath war ja wohl Neptunist? Und überhaupt diese Farbenlehre...: Wir hingegen befragen nicht die Sterne, die ein Dichter sieht, wenn die Muse zugeschlagen hat, sondern sichere Proxydaten aus Baumringen.
5) Und wieviele peer-reviewed papers gehen auf sein Konto?
Q.E.D.

Kallias Offline




Beiträge: 2.310

06.04.2012 20:42
#3 RE: Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

Lieber Zettel,

aus Laiensicht zwei kleine Einwände:

1. Sie schreiben:

Zitat von Zettel
Inzwischen ist diese Zeitspanne von 15 Jahren erreicht. Folgt man dieser damaligen Aussage, dann ist die Diskrepanz jetzt da.

Nach IPCC-Sicht ist es in den späten 90er-Jahren wärmer gewesen, als es dem langfristigen Trend entsprochen hätte. Dafür wird als Erklärung ein besonders starkes El-Nino-Ereignis angeführt. Man hat also eine Erklärung und braucht deswegen für diesen Zeitraum den Zufall nicht zu bemühen. Erst für die Stagnation ab 2001 hat man anscheinend keine Erklärung und zieht sich deshalb auf das "Rauschen" der Daten zurück. Der Zeitraum, in dem man den Zufall benötigt, ist demnach nur ein Jahrzehnt und gefährdet somit die Klimatheorie noch nicht.

2.

Zitat von Zettel
Nanu? Wie kann eine Häufung extremer Wetterereignisse innerhalb nur eines Jahrzehnts signifikant sein, wenn doch das Stagnieren der Temperaturen über einen Zeitraum von 15 Jahren nur zufällig ist? (...) Wenn Jahr für Jahr die globale Temperatur nicht steigt, dann wächst damit in exakt derselben Weise die Wahrscheinlichkeit, daß es sich nicht um zufällige Abweichungen von der Vorhersage der ACC-Modelle handelt.

Die Antwort auf die Frage könnte erstens lauten, daß in beiden Fällen verschiedene Zufallsverteilungen vorliegen. Und zweitens hängt der Zeitraum, in dem eine Abweichung signifikant wird, doch sicherlich von dem Winkel ab, mit dem die Kurven auseinanderlaufen. Wenn der im Fall der Wetterereignisse größer ist als bei der sehr gemächlichen Klimaerwärmung von 0,2°/Jahr , dann merkt man früher, daß etwas nicht stimmt.

Herzliche Grüße,
Kallias (fröstelnd)

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

06.04.2012 21:03
#4 RE: Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

Zum Frost passend 2 p.s. zu # 2:
a) In Sachen Erderwärmung - Klimawandel - Klimadisruption - [xxx] - gilt die Antwort auf die alte Frage an Radio Eriwan: "Stimmt es, daß der Sozialismus die Zufälligkeit und Willkür der Geschichte beseitigt hat?" "Im Prinzip ja. Die Zukunft steht unverrückbar fest. Es ist nur die Vergangenheit, die sich ändert."
b) Da paßt es auch, daß auch die revolutionäre Avantgarde auf der Hut sein muß: wenn man sich hier gegen die Parteilinie vergeht, kann es leicht sein, daß man v e r s c h w i n d e t ...
http://wattsupwiththat.com/2012/04/02/re...ress-statement/

Gorgasal Online




Beiträge: 4.095

06.04.2012 22:18
#5 RE: Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

Zitat von Zettel
Wird beispielsweise die Signifikanzgrenze von 5 Prozent unterschritten, dann bedeutet dies, daß mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 95 Prozent das betreffende Modell nicht stimmt


Zettel, Zettel... dass ich die klassische Fehlinterpretation des Nullhypothesen-Signifikanztests noch bei Ihnen lesen muss...

Wird das Alpha-Niveau (typischerweise 5 Prozent) unterschritten, dann bedeutet das, dass die Wahrscheinlichkeit für Messungen, die so extrem sind wie die gesehenen oder noch extremer, unter der Voraussetzung der Nullhypothese und der Richtigkeit des Modells 5% oder kleiner ist. (Noch korrekter: ersetze "Messungen" durch "Teststatistik".)

Das ist nicht das gleiche wie "das Modell stimmt mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 95% nicht". Auch wenn die allermeisten Studenten und viele Professoren exakt diese Fehlinterpretation machen.

Aussagen über die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Modell stimmt, kann man im NHST (Null Hypothesis Significance Testing)-Paradigma überhaupt nicht treffen - sondern nur Aussagen über die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Messungen und Teststatistiken. Für Wahrscheinlichkeiten von Modellen brauchen wir Bayesianische Statistik.

Und: wenn man spitzfindig sein will, dann lässt sich die Frage nach der Korrektheit von Modellen ohnehin auch ganz ohne Statistik und ohne Messungen beantworten, spart viel Geld. Denn jedes Modell ist per se falsch, weil ein Modell ja notwendigerweise die Realität vereinfacht.

Zitat von Box & Draper
All models are wrong, but some are useful.

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.04.2012 22:42
#6 RE: Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

Zitat von Gorgasal

Zitat von Zettel
Wird beispielsweise die Signifikanzgrenze von 5 Prozent unterschritten, dann bedeutet dies, daß mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 95 Prozent das betreffende Modell nicht stimmt


Zettel, Zettel... dass ich die klassische Fehlinterpretation des Nullhypothesen-Signifikanztests noch bei Ihnen lesen muss...


Ach Gorgasal, lieber Gorgasal, Sie haben ja soo Recht.

Ich versuche derartige Sachverhalte für jemanden zu erklären, der von Wahrscheinlichkeitsrechnung, Modelltesten usw. keine Ahnung hat.

In der Passage, die Sie zitieren, ging es mir nur darum, den Leser darauf vorzubereiten, daß in dem nachfolgenden Zitat auf einmal von 95 und nicht von 5 Prozent die Rede ist; so wie auch anderes, was ich dort schreibe, dazu dienen soll, das Zitat zu verstehen. Und in diesem Zitat aus dem Bericht der NOAA wird eben so argumentiert, wie es die meisten tun und wie Sie es durchaus zu Recht beanstanden ("The simulations rule out (at the 95% level) zero trends for intervals of 15 yr or more, suggesting that an observed absence of warming of this duration is needed to create a discrepancy with the expected present-day warming rate".)



Wir hatten das vor Jahren schon einmal, als Sie mir, wenn ich mich recht erinnere, ankreideten, ich hätte den Median nicht richtig erklärt. Glauben Sie mir, es ist nicht ganz einfach, solche Sachen so zu schreiben, daß - und das möchte ich gern - sie jemand versteht, der vielleicht Mathematik abgewählt hat und dann Kunstgeschichte studiert. Oder der gar nicht studiert hat und sich trotzdem für solche Themen interessiert.

Mein Absicht, wenn ich derartige Artikel schreibe, ist es, daß dieser nicht fachlich vorgebildete Leser etwas lernt. Daß der Fachmann in solchen Artikeln Formulierungen findet, die er gern komplexer hätte, muß ich in Kauf nehmen.

Wenn Sie im jetzigen Fall eine Formulierung finden, die genauso leicht verständlich ist wie meine und die Ihren - ja völlig richtigen - fachlichen Bedenken gerecht wird: Schreiben Sie sie auf und schicke Sie mir eine kleine PM. Ich werde mir das dann überlegen und ggf. den Text ändern, mit Dank an Sie natürlich.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

06.04.2012 23:55
#7 RE: Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

Zitat von Kallias
1. Sie schreiben:

Zitat von Zettel
Inzwischen ist diese Zeitspanne von 15 Jahren erreicht. Folgt man dieser damaligen Aussage, dann ist die Diskrepanz jetzt da.

Nach IPCC-Sicht ist es in den späten 90er-Jahren wärmer gewesen, als es dem langfristigen Trend entsprochen hätte. Dafür wird als Erklärung ein besonders starkes El-Nino-Ereignis angeführt. Man hat also eine Erklärung und braucht deswegen für diesen Zeitraum den Zufall nicht zu bemühen. Erst für die Stagnation ab 2001 hat man anscheinend keine Erklärung und zieht sich deshalb auf das "Rauschen" der Daten zurück. Der Zeitraum, in dem man den Zufall benötigt, ist demnach nur ein Jahrzehnt und gefährdet somit die Klimatheorie noch nicht.


Man kann so argumentieren. Dazu habe ich hier etwas geschrieben: Abweichungen von der Vorhersage kann man grundsätzlich auf Rauschen oder auf identifizierbare entgegenwirkende Faktoren zurückführen; ja nicht nur El Niño, sondern auch die Sonnenflecken-Aktivität und Vulkanismus. Die Erklärung, die Sie zitieren, kombiniert das.

Das sind zwei Immunisierungsstrategien. In dem Artikel zitiere ich einen cleveren Versuch, den Einfluß solcher identifizierbarer Faktoren so zu parametrisieren, daß das Plateau komplett verschwindet und die Temperatur (adjusted!) ziemlich linear ansteigt.

Es ist halt so, wie es für solche Forschungssituationen typisch ist: Man findet immer etwas, um die bisherige Theorie zu retten (ein Musterbeispiel sind die Versuche der Neobehavioristen, kognitive Prozesse als "implizite Reaktionen" zu interpretieren - und schon war das S-R-Schema gerettet).

Und es kann ja sein, daß diese Post-Hoc-Erklärungen stimmen und ACC richtig ist. Nur sinkt eben die Wahrscheinlichkeit, daß das so ist, mit jedem Jahr, in dem die Erwärmung ausbleibt.

Ich meine ja nicht - und habe das nie geschrieben -, daß ACC falsch ist. Wer will das denn bei einem so unklaren Forschungsstand wissen?

Ich beanstande nur, daß in diesem Fall nicht so, wie es sonst in der Wissenschaft üblich ist, auch alternative Theorien beachtet und die entsprechenden Forschungen gefördert werden; und daß die jetzt offensichtlichen Abweichungen von der Vorhersage vom Tisch gewischt werden, statt sie ernst zu nehmen.

Zitat von Kallias
2.

Zitat von Zettel
Nanu? Wie kann eine Häufung extremer Wetterereignisse innerhalb nur eines Jahrzehnts signifikant sein, wenn doch das Stagnieren der Temperaturen über einen Zeitraum von 15 Jahren nur zufällig ist? (...) Wenn Jahr für Jahr die globale Temperatur nicht steigt, dann wächst damit in exakt derselben Weise die Wahrscheinlichkeit, daß es sich nicht um zufällige Abweichungen von der Vorhersage der ACC-Modelle handelt.

Die Antwort auf die Frage könnte erstens lauten, daß in beiden Fällen verschiedene Zufallsverteilungen vorliegen. Und zweitens hängt der Zeitraum, in dem eine Abweichung signifikant wird, doch sicherlich von dem Winkel ab, mit dem die Kurven auseinanderlaufen. Wenn der im Fall der Wetterereignisse größer ist als bei der sehr gemächlichen Klimaerwärmung von 0,2°/Jahr , dann merkt man früher, daß etwas nicht stimmt.


Stimmt. Ich würde das, lieber Kallias, aber nicht als einen "kleinen Einwand" sehen, sondern als eine "gute Antwort" auf die Frage, die Sie zitieren.

Herzliche Grüße aus dem warm geheizten Arbeitszimmer,

Ihr Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.04.2012 11:15
#8 RE: Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

Zitat von Zettel
Wenn Sie im jetzigen Fall eine Formulierung finden, die genauso leicht verständlich ist wie meine und die Ihren - ja völlig richtigen - fachlichen Bedenken gerecht wird: Schreiben Sie sie auf und schicke Sie mir eine kleine PM. Ich werde mir das dann überlegen und ggf. den Text ändern, mit Dank an Sie natürlich.

Jetzt habe ich mir, lieber Gorgasal, selbst eine Formulierung überlegt, von der ich hoffe, daß sie auch vor Ihrem gestrengen Blick Bestand hat. Sie steht jetzt in dem Artikel:

Zitat
Das sind Wahrscheinlichkeiten gegen den Zufall. Wird beispielsweise die Signifikanzgrenze von 5 Prozent unterschritten, dann bedeutet dies, daß mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 95 Prozent die Daten nicht den Vorhersagen des Modells entsprechen; daß die Abweichung der Daten von seiner Vorhersage also nicht zufällig ist, sondern auf andere Faktoren - mindestens einen anderen Faktor - zurückgeht als diejenigen, die das Modell annimmt.

Das ist zwar weniger griffig als meine ursprüngliche Formulierung. Es wird aber Ihrem - wie gesagt, ja richtigen - Einwand gerecht, daß die Wahrscheinlichkeit, daß Vorhersagen eines Modells nicht eintreffen, nicht dasselbe ist wie die Wahrscheinlichkeit, daß dieses Modell falsch ist.

Herzliche Grüße, und schöne Ostern!

Zettel

dirk Offline



Beiträge: 1.538

07.04.2012 14:22
#9 RE: Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

Zitat von Gorgasal
Zitat von ZettelWird beispielsweise die Signifikanzgrenze von 5 Prozent unterschritten, dann bedeutet dies, daß mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 95 Prozent das betreffende Modell nicht stimmt


Zettel, Zettel... dass ich die klassische Fehlinterpretation des Nullhypothesen-Signifikanztests noch bei Ihnen lesen muss...



Lieber Gorgasal, ist diese Aussage tatsächlich so falsch? Sicher, strenggenommen ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein konkretes Modell richtig ist oder nicht, 1 oder 0, jedenfalls im Setup der Hypothesentests.

Nun ist aber, sie schreiben es ja, die formalkorrekte Interpretation des Konfidenzniveaus eine Aussage über die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Teststatistiken. Genauer lautet die korrekte Aussage: "Mindestens 95 Prozent aller Modelle (besser Hypothesen), dessen Voraussagen von den Beobachtungen bei einem Signifikanzniveau von geringer als 5% abweichen, sind falsch". Habe ich nun eine konkrete Hypothese vor mir und ich weiss, dass sie aus eine von diesen ist (und sonst nichts), dann messe ich der Wahrscheinlichkeit für die Korrektheit der Hypothese einen Wert unter 5% zu. Lässt sich dieser Schritt nicht epistemologisch rechtfertigen, möglicherweise sogar in einem formalen set-up a la Bayescher Statistik?

Anders gesagt: Das Wort "Wahrscheinlichkeit" in dem Halbsatz "daß mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 95 Prozent das betreffende Modell nicht stimmt
" muss doch nicht unbedingt die Wahrscheinlichkeit wie sie im Kontext der Hypothesentest definiert ist bezeichnen, sondern kann auch so verstanden werden, dass damit die relative Häufigkeit aller korrekten Hypothesen, bei der man eine derartige Abweichung beobachtet, gemeint ist.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

08.04.2012 20:47
#10 RE: Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

Zitat von Zettel
Übrigens sind ja eisige Ostern nichts Neues. Sagte nicht schon Goethe im "Osterspaziergang": "Vom Eise bedeckt sind Strom und Bäche"?

Sooo eisige Ostern sind allerdings doch etwas sehr Seltenes; jetzt hier dokumentiert.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

09.04.2012 02:29
#11 RE: Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

Zitat von dirk
Nun ist aber, sie schreiben es ja, die formalkorrekte Interpretation des Konfidenzniveaus eine Aussage über die Wahrscheinlichkeitsverteilung von Teststatistiken. Genauer lautet die korrekte Aussage: "Mindestens 95 Prozent aller Modelle (besser Hypothesen), dessen Voraussagen von den Beobachtungen bei einem Signifikanzniveau von geringer als 5% abweichen, sind falsch". Habe ich nun eine konkrete Hypothese vor mir und ich weiss, dass sie aus eine von diesen ist (und sonst nichts), dann messe ich der Wahrscheinlichkeit für die Korrektheit der Hypothese einen Wert unter 5% zu. Lässt sich dieser Schritt nicht epistemologisch rechtfertigen, möglicherweise sogar in einem formalen set-up a la Bayescher Statistik?


Lieber Dirk,

ich finde diese Diskussion interessant, weil sie einen zentralen Punkt betrifft, den ich Studenten nahezubringen versucht habe, seit ich als frischgebackener Assistent einmal dazu verdonnert worden war, als Nichtmathematiker einen Statistikkurs anzubieten: Die Bedeutung des Signifikanzniveaus.

Was man berechnet, das sind stets nur Wahrscheinlichkeiten. Rückschlüsse in Bezug auf Theorien oder Hypothesen spielen dabei zunächst keine Rolle. Bei einem t-Test berechnet man zB die Wahrscheinlichkeit, daß zwei Stichproben derselben Grundgesamtheit entnommen sind. Im jetzigen Fall geht es um die Wahrscheinlichkeit, daß unter den durch ein ASS-Modell definierten Bedingungen eine Meßreihe wie diejenige der Temperaturen zwischen 1997 und 2011 auftritt. Diese Wahrscheinlichkeiten sind natürlich kontinuierliche Variablen.

Rückschlüsse auf Theorien oder Hypothesen verlangen es, die berechnete Wahrscheinlichkeit zu interpretieren.

Das tut man, indem sie in Beziehung zu dem zuvor definierten Siginifikanzniveau setzt und damit eine binäre Entscheidung trifft: Entweder unterschreitet die errechnete Wahrscheinlichkeit dieses Niveau oder nicht. Im einen Fall ist die Nullhypothese widerlegt, im anderen nicht (sie ist damit nicht bestätigt; darauf hat Gorgasal hingewiesen; man hat lediglich keinen Grund, sie abzulehnen).

Die Entscheidung, welches Signifikanzniveau man festlegt, ist völlig unabhängig von den Daten und muß deshalb getroffen werden, bevor man überhaupt Daten hat. Denn sie hängt allein von im Grunde Bayes'schen Überlegungen ab; darauf haben Sie, lieber Dirk, hingewiesen, wenn ich es richtig verstanden habe: Wie groß ist die a-priori-Wahrscheinlichkeit, daß die Hypothese stimmt? Wie stark muß demnach die Evidenz gegen sie sein, um sie als widerlegt zu betrachten? Bei einer Hypothese, die mit einer sehr geringen A-priori-Wahrscheinlichkeit verbunden ist (etwa im Bereich der Parapsychologie) muß man ein strengeres Signifikanzniveau festlegen, als wenn es darum geht, einen schon oft bestätigten Befund zu replizieren.



Dagegen wird notorisch verstoßen. Man rechnet erst die ANOVA usw. und sieht sich dann an, welches Signifikanzniveau für jeden Faktor und jede Interaktion unterschritten wird. Das steht dann in der Auflistung der ANOVA-Ergebnisse.

Streng genommen ist das Humbug. Wenn man für alle Faktoreneffekte und Interaktionen, die man vorhergesagt hat, zB ein Signifikanzniveau von p < .05 festgelegt hat, dann dürfte auch nur dessen Unterschreitung aufgelistet werden. Jeder dieser Faktoren und jede dieser Interaktionen wurde entweder signifikant oder nicht. Punkt.

Das Übliche ist aber, daß man jeweils getrennt das errreichte Signifikanzniveau angibt; beim Faktor A steht dann vielleicht "p < .05", beim Faktor B steht" p < .001". Aber dieses "p < .001" ist völlig unerheblich, wenn vor dem Experiment für Faktor B ein Signifikanzniveau von p < .05 festgelegt worden war; es zählt nur, daß dieses Niveau erreicht wurde. So, wie umgekehrt Faktor A eben nicht signifikant geworden war, wenn man zuvor für alle Faktoren, sagen wir, das 1-Prozent-Niveau festgelegt hatte.

Am dollsten ist es, wenn jemand auch noch die genaue Irrtumswahrscheinlichkeit angibt (besonders beliebt: "p < .0537" u.ä., wenn die Signifikanz knapp verfehlt wurde). Es wird dann noch mehr das verwischt, was zu unterscheiden Gorgasal angemahnt hat: Die Berechnung der Wahrscheinlichkeit, und die Entscheidung, ob man sie als ausreichend für die Zurückweisung der betreffenden Hypothese ansieht.



Wenn man zwischen Theorien und Hypothesen unterscheiden will, dann wird die Sache etwas komplizierter; denn eine Theorie als ein System von aufeinander bezogenen Aussagen läßt sich in der Regel nicht in toto widerlegen. Wenn eine der aus ihr abgeleiteten Hypothesen nicht bestätigt wird, dann ist es meist nicht einfach, zu sagen, welche Folgen das für die Theorie hat. Vielleicht muß man sie nur leicht modifizieren; etwa Parameterwerte ändern. Vielleicht sollte man eine Zusatzannahme einführen oder den Gültigkeitsbereich bestimmter Annahmen der Theorie einschränken usw.

Theorien verschwinden in der Regel nicht deshalb, weil sie widerlegt worden wären, sondern weil es inzwischen bessere Theorien gibt - solche, welche die Sachverhalte einfacher, vollständiger, genauer usw. erklären.

So wird es vemutlich auch bei ACC sein. Daß der Anstieg der Konzentration von CO2 in der Atmosphäre gar keine Rolle spielt, wäre sehr erstaunlich. Aber ich halte es für wahrscheinlich, daß sich die Fixierung auf diesen Faktor und die komplementäre Vernachlässigung vor allem kosmischer Faktoren, dis schließlich seit Jahrmillionen das Klima bestimmen, als irrig erweisen wird.

Herzlich, Zettel

dirk Offline



Beiträge: 1.538

10.04.2012 11:06
#12 RE: Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

Lieber Zettel,

auch ich halte die aufgeworfene Frage für sehr interessant und zwar aus zweierlei Gründen. Erstens, halte ich mich einerseits für in Fragen der Statistik kompetent genug, um in diesem Falle eine eigene Meinung zu vertreten; meine auch genau zu wissen, worauf Gorgasal sich bezieht. Anderseits vertraue ich auch den Aussagen Gorgasals. Und nun denke ich, dass ihre ursprüngliche Formulierung richtig ist und ich Gorgasals Kritik daran nicht zustimmen kann.

Zweitens ist es eine generell interessante Frage, wie man Signifikanzniveaus interpretiert und /oder zu a priori Wahrscheinlichkeiten kommt. Hat man a priori Wahrscheinlichkeiten, lässt sich die mathematische Maschinerie anwerfen, die einem die exakte Interpretation vorgibt. Allerdings gibt es in der Regel keine naheliegenden Priors. Also benötigt es hier eine neue Reinterpretation der Signifikanzniveaus oder aber ein Modell für die Gewinnung von a priori Wahrscheinlichkeiten. Oder beides.

Konkret: Oft macht das IPCC (oder seine Aussagen werden so interpretiert) Aussagen der Art "Wir sind zu 95 % sicher, dass es eine menschlich verusachte, Treibhausgas getriebene, globale Erwärmung gibt". Das ist natürlich ungenau bis falsch, exakt wie Gorgasals es kritisiert. Die genaue Aussage lautet "Wir haben ein Modell und gegeben dieses Modell ist korrekt und gegeben die Parameter sind so, dass es keinen CO2 Einfluss im Modell gibt, dann ist die Wahrscheinlichkeit gewisse Datenreihen zu beobachten kleiner als 5%" Diese Zahl hängt aber erheblich davon ab, dass das man vorliegende Modell als korrekt annimmt. Hier die unbedingte Wahrscheinlichkeit zu nennen und zu sagen "Die Wahrscheinlichkeit für einen großen CO2 Einfluss ist größer als 95%" ist falsch.

Anders sieht es aber in dem Fall aus, auf den Sie sich bezogen. Hier ging es nicht um Evidenz für das Modell sondern gegen das Modell. Das als richtig angenommene Modell impliziert eine bestimmte Wahrscheinlichkeitsverteilung für globale Temperaturdaten. Die Diskrepanz ist aber so groß, dass das Ereignis "Das Modell ist korrekt und die Daten sind so wie sie sind" eine Wahrscheinlichkeit von kleiner als x % hat. Und jetzt denke ich schon, dass man sagen kann "Die Wahrscheinlcihkeit, dass das Modell korrekt ist, ist kleiner als x%", denn die Daten sind ja so wie sie sind, auch wenn dieser Schritt formal nicht ganz korrekt ist (bzw. nicht im Kontext der Hypothesentests formalisiert ist, was aber nicht heisst, dass sich ein soclher Schritt nicht modellieren lässt. )

Ein einfacheres Beispiel wäre ein Münzwurf mit einer Münze bei der man nicht weiss, mit welcher Wahrscheinlichkeit "p" sie "Kopf" zeigt. Nun beobachtet man 10 mal hintereinander Kopf (in 10 Würfen) und verwirft daher die Hypothese einer fairen Münze bei einer Signifikanz von 1/1024 oder gibt ein Konfidenzintervall "KI" für "p" an. Dann ist es zwar streng genommen falsch zu sagen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass "p" ausserhalb von "KI" liegt bei x% ist, denn entweder ist das der Fall oder eben nicht. Im mathematischen Modell ist das Konfidenzintervall eines Zufallsvariable, dieses hängt von den Daten ab, nicht der deterministische Wert "p". Die Wahrscheinlichkeit, dass "p" im KI liegt ist also für jedes schon bestimmte KI entweder 0 oder 1 und welcher es nun ist ist leider eben - deswegen hat man ja das KI überhaupt erst berechnet - unbekannt. Man koennte auf die Information, die man hat, auf die 10 Münzwürfe, bedingen, aber ohne Prior gibt es keine Definition einer bedingten Wahrscheinlichkeit.

Die Aussage "Die Wahrscheinlichkeit, dass "p" ausserhalb von KI liegt ist kleiner als x%" lässt sich in dem formellen Rahmen also gar nicht richtig fassen. Was man aber sagen kann, ist dass hätte man sehr viele Münzen auf Fairness zu testen und würde das würde die Fairnis immer dann ablehnen, wenn das KI nicht den Wert 0.5 enthält, dann würde man sich nur in x% der Fälle irren. Aber genau so kann auch die Aussage verstanden werden, die sie trafen. "Mindestens 95% aller Modelle bei denen es eine derartige Diskrepanz zu den Daten gibt, sind falsch!"


Zitat
Wenn man zwischen Theorien und Hypothesen unterscheiden will, dann wird die Sache etwas komplizierter; denn eine Theorie als ein System von aufeinander bezogenen Aussagen läßt sich in der Regel nicht in toto widerlegen. Wenn eine der aus ihr abgeleiteten Hypothesen nicht bestätigt wird, dann ist es meist nicht einfach, zu sagen, welche Folgen das für die Theorie hat. Vielleicht muß man sie nur leicht modifizieren; etwa Parameterwerte ändern. Vielleicht sollte man eine Zusatzannahmne einführen oder den Gültigkeitsbereich bestimmter Annahmen der Theorie einschränken usw.



Hmm. Wenn eine Theorie Gültigkeit behält, nach dem ein paar Parameter verändert wurden (oder neu eingefügt), dann ist eine Theorie ja größer als ein einzelner Punkt. Also etwa ein Umgebung eines Punktes im Parameterraum. Wenn ich es so verstehe, dann ist eine Theorie nicht schon deswegen abgelehnt, weil einer ihrer Punkte das entsprechende Signifikanzniveau erreicht. Wenn aber alle Punkte, die man zum Kern der Therie zählen würde, die Daten nicht erklären können (große Diskrepanz zu ihnen haben), dann hat die Theorie ein Problem.

Hausmann Offline



Beiträge: 710

13.04.2012 11:26
#13 RE: Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

Guten Tag!
Eine Frage am Rande(OT?): Wie sicher läßt sich inzwischen ein Zusammenhang der Klimageschichte (Temperaturen, Niederschläge u.a.) mit der Entwicklung der Sonnenaktivität annehmen (Frequenzanalysen?)? mfG

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

19.04.2012 16:25
#14 RE: Kleines Klima-Kaleidoskop (28): Eisige Ostern Antworten

"Erwärmung? Ohne uns!" Geht wegen des großen Publikumserfolges in Verlängerung:
"Piers Corbyn: Front Page News - UK: Coldest May for 100 Years"
http://climaterealists.com/index.php?id=9461

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