Diese kleine Marginalie illustriert anhand dessen, was die Berliner Redaktion der FAZ recherchiert hat, die Tendenzen, die wir kürzlich auf einer abstrakteren Ebene hier diskutiert haben.
In meinen Augen ist das ein recht schwacher FAZ-Artikel. Da werden die gängigen Gerüchte zusammengerührt, völlig ohne konkrete Erkenntnisse oder gar Ergebnisse.
Einige Einzelanmerkungen:
Der aktuelle Streit ums Betreuungsgeld ist im wesentlichen einer innerhalb der Union - deswegen wird wohl nicht die Koalition brechen.
Auch wenn Lindner und Kubicki keine Freunde von Rösler sind - ihre denkbaren Wahlerfolge würde in der FDP nicht zu einer Führungskrise führen. Rösler müßte natürlich stärker Rücksicht auf die Beiden nehmen, aber sie könnten ihn nicht absägen (alleine schon, weil sie sich gegenseitig blockieren und auch keinen konsensfähigen Nachfolger anbieten können).
Eine Ampel wäre in der FDP auch nicht annähernd mehrheitsfähig. Bei Gauck hat das nur funktioniert, weil der überhaupt nicht "rot/grün" ist. Ansonsten ist die Kritik der FDP an der Union ja NICHT, daß diese zu rechts wäre (damit könnte man einen Schwenk der FDP ja begründen), sondern im Gegenteil ist sie zu links. Und die Antwort der FDP wird dann nicht sein, selber noch weiter nach links zu gehen.
Eigentlich gibt es derzeit nur eine Partei, die gerne Neuwahlen hätten: Die Grünen. Allen anderen wäre eine spätere Wahl lieber.
Zitat von R.A.In meinen Augen ist das ein recht schwacher FAZ-Artikel. Da werden die gängigen Gerüchte zusammengerührt, völlig ohne konkrete Erkenntnisse oder gar Ergebnisse.
Dem stimme ich zu. Und er ist selbst Teil dessen, über das er nur zu berichten vorgibt. Es ist ja kein Zufall, dass vor allem die FDP als Unruheherd ausgemacht wird, der die inhaltliche Arbeit behindert. Dabei hat die Union einen Punkt nach dem anderen aus dem Koalitionsvertrag sterben lassen, und für das Gezänk um das Betreuungsgeld ist sie zunächst mal allein verantwortlich, während die FDP bislang Vertragstreue signalisiert.
Zitat von ZettelDas würde sehr wahrscheinlich den Sturz des Parteivorsitzenden Rösler bedeuten und damit auch eine Kabinettskrise.
Warum steht da noch ein Konjunktiv? Wenn man nach den Auguren geht, stürzt Rösler auf jeden Fall. Niederlagen in den Landtagswahlen sollen ihn schwächen, Siege seine Gegner stärken: eine wunderschöne "Lose-Lose-Situation". Aber R.A. hat auch hier Recht: Eine echte Gefahr für Rösler bestünde nur, wenn Lindner mit einem triumphalen Ergebnis in den Landtag einzöge, während Kubickis FDP es nicht schafft. Gelingt es aber beiden Landesverbänden, kann der Erfolg nicht mehr allein einer Person zugerechnet werden, die dann automatisch zum gefühlten Vorsitzenden würde. Und scheitern beide, werden sie als die - ebenfalls gefühlt - wichtigsten Rösler-Kritiker in der FDP Probleme haben zu erklären, warum es nicht auch an ihnen lag. Um die letzte Option noch abzudecken: Schafft nur die FDP in S-H den Wiedereinzug in den Landtag, wird das zwar Kubicki zugeschrieben werden. Dass dieser aber Parteivorsitzender werden könnte, ist völlig ausgeschlossen. Er fühlt sich auch viel wohler in seiner jetzigen Rolle als freischwebender Paradiesvogel oder auch Hofnarr (gar nicht despektierlich gemeint).
Dass ein Kanzler der CDU jemals freiwillig das Risiko einer Neuwahl eingehen könnte, halte ich für ein Ding der Unmöglichkeit. Den Kanzler zu stellen, nimmt den Großteil der CDU-DNS ein. Inhalte kommen da erst unter "ferner liefen".
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von ZettelDiese kleine Marginalie illustriert anhand dessen, was die Berliner Redaktion der FAZ recherchiert hat, die Tendenzen, die wir kürzlich auf einer abstrakteren Ebene hier diskutiert haben.
Lieber Zettel,
Mir deucht, dass Du Deine Ansprüche an Recherchen gewaltig heruntergeschraubt hast und froh darüber bist, wenn überhaupt einmal etwas veröffentlicht wird, was den Anschein einer Recherche haben könnte und dass die Piratenpartei nicht ein einziges mal erwähnt wurde. Das finde ich übrigens seltsam, wo doch die Piraten die ungeküssten Lieblinge der FAZ sind.
Der Artikel der FAZ wirkt auf mich wie das laue Anwärmen von Luft, passend zum Wetter und wie ein Vorgriff auf das, was uns im Sommerloch erwarten wird. Eine Aneinanderreihung von Spekulationen, vielleicht wünscht sich ja die FAZ Neuwahlen, Wahlkämpfe sind immer ein dankbares Thema für den Qualitätsjournalismus. Aber von der Piratenpartei abgesehen, die noch nicht einmal im Bundestag vertreten ist, will niemand Neuwahlen, es will auch niemand jetzt schon wählen gehen.
Es ist bezeichnend für diesen grausigen Artikel, dass er noch nicht einmal erwähnt, wie die Auflösung des Bundestags stattfinden soll. Über eine Vertrauensfrage aus Jux und Tollerei hat das Bundesverfassungsgericht sich schon ausgelassen, ein konstruktives Mißtrauensvotum würde Neuwahlen obsolet machen. Wenn die FDP allerdings mitten einer Legislaturperiode zum ampeln beginnen und Sigmar Gabriel zum Kanzler machen würde, könnte sie sich den nächsten Wahlkampf schenken. Von verfassungsrechtlichen Bedenken mal abgesehen passen Vertrauensfrage und Angela Merkel nicht zusammen, die Kanzlermehrheit hält sie für das, was sie ist, eine Erfindung von Journalisten um das ganze spannender zu machen. Sie kann also mit und ohne neuwahlen ihre Politik so durchziehen, wie sie es sich vorstellt, sie steht ja nicht einem Minderheitenkabinett, sondern einer großen Koalition im Bundestag und Bundesrat vor. Deswegen wirkt sie ja auch so entrückt zufrieden.
Zitat In meinen Augen ist das ein recht schwacher FAZ-Artikel. Da werden die gängigen Gerüchte zusammengerührt, völlig ohne konkrete Erkenntnisse oder gar Ergebnisse.
Manchmal ist ja vielleicht gerade ein schwacher Artikel besonders gut . In anderen Medien werden diese gängigen Gerüchte täglich zu heißen Geschichten hochgejazzt. Für den Bürger stellt sich die Frage, was da denn nun eigentlich dran ist.
Der FAZ-Artikel wandert einmal durch die Gerüchteküche und hinterlässt den Eindruck, dass das eben doch alles nicht so heiß gegessen wird. Das ist durchaus informativ - vorausgesetzt natürlich, der vermittelte Eindruck stimmt.
Die Diskussion um einen Koalitionsbruch 2012 mit dem Verweis auf die NRW-Wahl 2005 zeigt einmal wieder, daß der eigentliche Grund für die Neuwahlen 2005 nicht gesehen wird. Mit der Änderung der Mehrheitsverhältnisse in NRW 2005 ergab sich auch eine Zwei-Drittel-Mehrheit der von CDU/CSU/FDP geführten Bundesländer im Bundesrat. Mit Absatz 4 Art. 77 GG hätte die damalige Regierung nichts mehr allein durchsetzen können. Eine ähnliche Situation lag im übrigen im September 1982 vor, als ein Regierungswechsel in Hessen von dem Umfragen zu erwarten war, bevor es zu dem Koalitionsbruch kam. Weder wird man heute mit einem Koalitionsbruch eine Landtagswahl drehen können, noch zeichnet sich eine rotgrüne Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat ab, schon gar nicht durch die kommende NRW-Wahl, da sich dort an den Mehrheitsverhältnissen nichts ändern würde.
Die Rationalität eines Koalitionsbruches derzeit läge vielleicht darin, daß die FDP bis zum September 2012 ausreichend Zeit hätte, sich als Oppositionspartei zu regenerieren und wieder über die 5%-Hürde zu kommen. Die Existenzrisiken bei vorgezogenen Neuwahlen wären schon ungleich größer.
Zitat von C.Mir deucht, dass Du Deine Ansprüche an Recherchen gewaltig heruntergeschraubt hast und froh darüber bist, wenn überhaupt einmal etwas veröffentlicht wird, was den Anschein einer Recherche haben könnte
Es ist, dear C., ein Artikel, wie er auch in der NYT oder der Washington Post stehen könnte. Keine tierschürfende Analyse, keine Spekulationen. Sondern die Leute aus dem Berliner Büro der FAZ sind ausgeschwärmt und haben sich umgehört, was man denn bei den Parteien so redet.
Natürlich steckt oft Taktik dahinter, wenn ein Politiker einem Journalisten etwas hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand sagt. Aber viele machen auch ihrem Herzen Luft.
Mir scheint, daß der Artikel die Stimmung dieser Tage im politischen Berlin gut zeichnet. Es wird geplappert und spekuliert, aber klare Pläne scheint niemand zu verfolgen.
Außer natürlich der Kanzlerin, die das alles kalt lassen kann - vermutlich wird sie weiterregieren, mit wem auch immer.
Zitat von Zettel Außer natürlich der Kanzlerin, die das alles kalt lassen kann - vermutlich wird sie weiterregieren, mit wem auch immer.
Die Kanzlerin hat ohne Zweifel Qualitäten. Nervenstärke ist sicher eine davon. Ich bin ebenfalls überzeugt, dass sie kalt läßt was so gemunkelt wird und wer ihr als zukünftiger Partner noch zur Verfügung steht. Vielleicht steht im nächsten Bundestag ja eine Partei zur Verfügung die auch so einiges kalt läßt, weil sie noch nicht mal ein Programm hat. Eigentlich ein idealer Partner zum durchregieren, oder?
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