Denkbar, daß Historiker die Rationalität der geschichtlichen Akteure unterschätzen, wenn sie sich darüber streiten, welche Überlegungen diese zu der einen oder anderen Entscheidung geführt haben.
Denkbar, daß ich denselben Fehler mache, wenn ich nach einem Motiv der Kanzlerin für Röttgens Rausschmiß suche. Aber mir scheint, es gibt eine Erklärungslücke.
Jetzt ärgere ich mich fast schon, dass ich hier nicht mehr kommentiere und nicht für Politik interssiere - denn so ähnlich hätte ich das auch gesehen, was die Kanzlerin denkt. Mit kleinen Unterschieden, die die Lücke kleiner werden lassen.
Zitat von ZettelDenkbar, daß Historiker die Rationalität der geschichtlichen Akteure unterschätzen, wenn sie sich darüber streiten, welche Überlegungen diese zu der einen oder anderen Entscheidung geführt haben.
Ich schätze die Kanzlerin - wie Sie vielleicht ahnen - nicht besonders aber diese Frau hat neben anderen eine Qualität die so herausragend groß ist, dass man das bewundern muss: Sie kalkuliert Kosten und Nutzen in politischen Dingen perfekt.
Röttgen war ein Nutzenposten in ihrer Kalkulation. Er stand für Energiewende und Schwarzgrüne Option, war rethorisch begabt und deswegen - auch auf anderen Posten - ein geeigneter Auftragskiller. Taktisch diszipliniert, Vielseitig einsetzbar nennt man das im Fußball.
Nun wurde er nach NRW zum Kostenposten. Er gilt als eigennützig, egozentrisch, nicht engagiert. NRW schien für ihn die Chance zu sein, in der Union groß rauszukommen. Die hat er vertan weil er bei dieser Chance nichts riskieren wollte. Er versuchte sich einerseits als Retter des Landes aufzuspielen und andererseits distanzierte er sich, indem er indirekt klarstellte, dass er entweder Ministerpräsident werde oder gehe. Mit diesem Maneuver war die NRW-Wahl gelaufen. Das Nutzenkonto sinkt im Saldo. Dann versucht er noch die Kanzlerin in den Wahlkampf zu ziehen ("...das sind auch meine Themen" und andere Aussagen). Das mag ihm genutzt haben, gereicht zum Sieg hat es nicht. Der Kanzlerin hat es nach dem Wahlausgang geschadet.
Der Wahlausgang war dann für die CDU verheerend. 26% sind erbärmlich. Nun haftet Röttgen öffentlich das Image des Verlierers an, der sich in der Niederlage schadlos halten will. Will man mit so jemandem in den Bundeswahlkampf gehen?
Unter Umständen. Und das ist der Punkt. Ich gehe davon aus, dass Merkel diese Kosten-Nutzen-Rechnung in den letzten Wochen täglich aktuell gehalten hat. Und mit jedem Fauxpas des Herrn Röttgen - wozu ich auch seine öffentlichen Auftritte wie etwa das "leider entscheidet darüber nicht die CDU" zähle* - sinkt sein Nutzenpotential, mit dem Wahlergebnis schnellt sein Kostenpotenzial in die Höhe. Es gibt also keinen Grund mehr den Mann zu halten.
Das ist aber keine Grund ihn rauszuwerfen. Der liegt woanders. Nach Fukushima haben die Grünen kurz den Status einer neuen Volkspartei beansprucht und die FDP ist - aus anderen Gründen - abgestürzt. Das ist nun gestoppt. Die FDP kann wieder Wahlen gewinnen, insbesondere in NRW ist das wichtig. Und die Grünen sind wieder die 10+X-Partei die sie seit Jahren sind. Denn die linksliberalen und idealistischen Jungwähler haben in den Piraten eine bessere Heimat gefunden. Damit ist für die Kanzlerin Schwarzgrün als Option für 2013 unwahrscheinlich geworden, zumal die Hoffnung besteht, dass die Niedersachsen-Wahl Schwarzgelb wieder möglich macht. Oder zumindest eine Unionsgeführte Große Koalition. Für beides braucht sie Röttgen nicht, mindestens bei einer Option stünde er inzwischen sogar im Weg. Nämlich bei Schwargelb, da die FDP an der Energiewende rütteln wird und Lindner eine wichtige Rolle spielen wird.
Also hat sie die Gelegenheit genutzt. Es heißt in den letzten Tagen zwar immer, man solle auf am Boden liegende nicht eintreten. Aber - wenn man ehrlich ist - bei denen ist es am Einfachsten. Da es also keinen Grund gibt Röttgen zu halten ist sein altuelles Tief der beste Moment ihn abzuservieren.
Der barsche Ton, das der Hinweis auf die einzige Lücke. Das scheint mir nicht erklärbar zu sein wenn man nicht dabei war, wie Röttgen und Merkel hinter verschlossenen Türen mit einander umgegangen sind. Aber diese Lücke ist recht klein.
*Nicht im Bezug auf ein mögliches Demokratiedefizit des Herrn Röttgen. Sondern weil ich wirklich glaube, dass Röttgen für seine persönliche Karriereplanung so etwas unvorhersehbares wie "Wahlen" für hinderlich hält.
Ich bleibe etwas erstaunt zurück nach dem Lesen; soweit ich bisher wusste, wurde das ZDF-Nachgespräch offiziell von Seehofer freigegeben und vom ZDF selbst im Fernsehen gesendet; in der ZDF-Mediathek ist es auch zu finden. Kurios, da eine Verschwörung zu konstruieren. Davon abgesehen wird eine Sache vollkommen außer Acht gelassen. Wie ich das zumindest verstanden habe, wurde seitens der Partei (und auch der CSU) von Röttgen erwartet, dass er sich vollkommen dem NRW-Wahlkampf verschreibt und eben auch als Oppositionsführer in Düsseldorf bleiben sollte. Das Amt des Umweltministers hätte also so oder so neu besetzt werden müssen bzw. war es also vorgesehen, dass man Röttgen da ersetzt. Man eröffnete ihm mit NRW wohl die Möglichkeit weiterhin eine starke Position einzunehmen und nicht vollkommen entmachtet dazustehen. Der 'fähige' Politiker Röttgen wollte das wohl aber anscheinend nicht und dachte, er könne sich durchsetzen. Btw frage ich mich, wie man einen 'guten, effizienten Politiker' hier definiert. Für mich sah es immer so aus, als stelle er sich besonders linkisch an und wäre gerade deswegen kein besonders guter Politiker. Meiner Meinung nach, war er nach dem Atomausstieg und seinem hin und her eigentlich nur noch eine Lachnummer. Erst will er vehement den Ausstieg, als sich die CDU dann ohne ihn (auch da erkannte man schon, wie ernst man ihn noch nahm) dagegen entscheidet, verteidigt er brav den Kurs, statt Rückgrat zu zeigen und zurückzutreten, nur um dann, als der Ausstieg dann doch wegen Fukushima kommt, als großer Depp dazustehen, der wiederum seine Haltung ändern muss. Gut und effizient ist für mich anders. Seine vielen kleinen Fehler bei und nach der NRW-Wahl muss man ja nicht nochmal erwähnen, aber wäre ich Bundeskanzler, dann hätte ich ihn auch nicht behalten wollen, weil er einfach zu ungeschickt agiert und wohl immer nur sich selbst im Auge hat und nur sich. Die 'eiskalte' Kanzlerin Merkel hat aus meiner Sicht also nur folgerichtig gehandelt und sich vom Mühlstein um ihren Hals befreit. Dass es auf diese Weise geschah, zeigt doch nur allzu deutlich, wie sehr er sie wohl nach unten zu reißen drohte.
Ich finde es absolut nicht schwierig, die Motive zu finden, die Frau Merkel angetrieben haben.
Erstens ist Röttgen kein fähiger Politiker, sondern ein extremer Opportunist - ein Anbiederer, Einschleimer, (daher "Muttis Bester"), der die Fahne nach dem Wind hängt und nirgends anecken will. Dazu aber auch beratungsresistent, was ihn für seine Kollegen zu einem unangenehmen Menschen macht. Ich wette, er dürfte bereits lange sehr unsympathisch gewesen sein, aber mit seiner Verweigerungshaltung gegen Merkel und Seehofer bzgl. Umzug nach NRW hat er es dann total "versch...n".
Man muß sich vergegenwärtigen, wie Seehofer sich äußerte: "...der Röttgen hat mich eiskalt abtropfen lassen." Effekt: Seehofer, persönlich beleidigt, wollte Rache. Er mußte nur noch Merkel überzeugen. Und da sich Herr Röttgen auch ihr gegenüber wohl nicht konziliant, sondern unangemessen fordernd und arrogant verhielt, hatte sie dann eben auch die Schnauze voll.
Merkel hat aber auch einen ganz offiziellen Grund, und sie hat ihn ganz deutlich benannt: die Energiewende ist ihr zentrales Polit-Projekt, an dem sogar Wohl und Wehe ihrer politischen Zukunft hängen. Und beim Treffen neulich mit den Energiekonzern-Bossen mußte sie erfahren, daß das Projekt geradezu "steht" und das überhaupt keinerlei Teilziele in erreichbarer Nähe sind!! Und genau daran ist "Umwelt"minister Röttgen gescheitert.
Ihr Bestreben ist es jetzt, hier NOCH stärker zu forcieren und zB den Netzausbau mit aller Gewalt in Gang zu bringen (damit die Nordseewindparks nicht der totale Schlag ins Wasser werden). Mit einem neuen, ergebenen Minister Altmaier kann sie das am besten angehen. Übrigens ist sie da mit Seehofer 1 zu 1 derselben Überzeugung: die "Energiewende" muß forciert werden. Seehofer möchte natürlich die Gefahren für die Wirtschaft bei drohender Versorgungsunsicherheit abwenden und gleichzeitig der Industrie die neuen Proftmöglichkeiten (staatliche Subventionen für Kraftwerksbau, Leitungsnetz etc.) noch mehr eröffnen - "wenn man eine Bewegung nicht verhindern kann, muß man sich ihr halt anschließen".
Die hier oft gelesene Meinung, Merkel tendiere nun zum Bremsen oder zu rationalerem Handeln bei der überteuerten und unsinnigen "Energiewende" halte ich für reines Wunschdenken. Nein, dieses Projekt möchte sie um jeden Preis durchziehen. Koste es, was es wolle.
Zitat von Zettels RaumOder ist doch das der Fall, was ich am Mittwoch als das Szenario 3 (das Agenda-2010-Szenario) skizziert habe? Ist der Kanzlerin inzwischen klargeworden, welch ein Fehler die Radikalität der "Energiewende" gewesen war, und bereitet sie ein Umsteuern vor, vergleichbar Schröders Agenda 2010? Ein Umsteuern, das mit Röttgen nicht möglich wäre, der sozusagen die personifizierte Energiewende ist?
Vielleicht ist ja mal eine ungewöhnliche Frage angebracht: Wollte Röttgen überhaupt die Wahl in NRW gewinnen? Er hatte ja schon verloren, als ihm klargemacht wurde, er solle in NRW evtl. Oppositionsführer werden. Das ist aber Nebensache, Szenario 3 ist ganz klar mein Favorit. Ich denke, nein, ich hoffe, es wird einen wirtschaftsliberalen Kurswechsel geben. Es ist m.E. die einzige Chance für die Kanzlerin 2013 wiedergewählt zu werden. Dem Wähler müssen dann zwei Varianten der Energiewende offeriert werden können. Eine rot/grüne und eine schwarz/gelbe. Bisher gibt es nur die rot/grüne. Und die funktioniert nicht. Soll sie ja auch nicht, weil sie das Wahlkampfinstrument von SPD und Grünen ist. Norbert Röttgen kann nur die rot/grüne Energiewende, er ist zu unflexibel. Und er sucht Streit...
Zitat von Erling Plaethe Ich denke, nein, ich hoffe, es wird einen wirtschaftsliberalen Kurswechsel geben. Es ist m.E. die einzige Chance für die Kanzlerin 2013 wiedergewählt zu werden.
Ich glaube nicht, dass "Energiewende" zum Wahlkampfschlager wird, dafür ist das Thema zu komplex und wer auf einem Marktplatz "wirtschaftsliberal" zum besten gibt, hat schon verloren. Angela Merkel wird bis zur Bundestagswahl keine Politik betreiben, mit der sie ihrem zukünftigen Koalitionspartner Angriffsflächen bietet. Eine Stimme mehr für CDU/CSU als die SPD erhält reicht aus wiedergewählt zu werden, wenn Grüne und FDP auf Abstand gehalten werden und die Piratenpartei zwar Stimmen abzieht, aber sonst nichts auf die Reihe bringt.
Altmeiers Aufgabe wird es sein den Grünen die Mobilisierungsthemen wegzunehmen, das ist in erster Linie die Endlagerung, sei es Gorleben, sei es Asse, sei es woauchimmer. Die Grünen haben sonst nicht viel zu bieten, die globale Erwärmung lockt keinen Hund hinterm Ofen hervor. Der Rauch um Röttgen wird sich verziehen, selbst wenn er mitleidheischend von Maischberger zu Lanz und Schöneberger tingelt. Bei aller Stillosigkeit unserer aufgeklärten Absolutin wird lediglich hängenbleiben, wie es aussieht, wenn sich Angela Merkel durchsetzt. Das kann nur Sensibelchens mit guter Erziehung schockieren, aber die haben noch nie etwas anderes wie die CDU gewählt. Und zur Not tut es ja eine starke Frau, wenn kein starker Mann zur Verfügung steht. Freuen wir uns auf die Kanzlerin beim G8-Treffen zwischen Obama und Putin.
@zettel: “...Röttgen ist ein guter, ein effizienter Politiker...”
Ich hätte an dieser Stelle erwartet, dass Sie diese (steile) These - zumindest in zwei Sätzen - argumentativ untermauern. So allein wirkt der Satz etwas trotzig, in etwa so trotzig wie der Abgang des Herrn R.
Zitat Die hier oft gelesene Meinung, Merkel tendiere nun zum Bremsen oder zu rationalerem Handeln bei der überteuerten und unsinnigen "Energiewende" halte ich für reines Wunschdenken. Nein, dieses Projekt möchte sie um jeden Preis durchziehen. Koste es, was es wolle.
Lieber Thanatos,
leider sehe ich das auch so. Zwar ist Deutschland sachte dabei, sich aus der teuren "Vorreiterrolle" in der sog. Klimapolitik abzusetzen, aber Merkel muß den Grünen unbedingt ihr Hauptthema wegnehmen, und das sind traditionell immer noch die Kernkraftwerke, sieht man sich die Sozialisation der grünen Führungsriege an. Und ohne "Energiewende" läßt sich die Abschaltung der KKWs nicht rechtfertigen. Sündhaft teure Politik benötigt immer hehre Ziele.
Zitat von uniquolol@zettel: “...Röttgen ist ein guter, ein effizienter Politiker...”
Ich hätte an dieser Stelle erwartet, dass Sie diese (steile) These - zumindest in zwei Sätzen - argumentativ untermauern.
Lieber uniquolol, wenn ich jede solche Wertung argumentativ untermauern wollte, dann würden die Artikel in ZR den Umfang eines kleinen Buchs annehmen.
Nehmen Sie's halt hin. Wenn Sie anderer Meinung sind, dann haben Sie ja hier die Möglichkeit, Ihre andere Wertung zu äußern - und argumentativ zu untermauern.
Zitat von Thomas PauliZwar ist Deutschland sachte dabei, sich aus der teuren "Vorreiterrolle" in der sog. Klimapolitik abzusetzen, aber Merkel muß den Grünen unbedingt ihr Hauptthema wegnehmen, und das sind traditionell immer noch die Kernkraftwerke, sieht man sich die Sozialisation der grünen Führungsriege an. Und ohne "Energiewende" läßt sich die Abschaltung der KKWs nicht rechtfertigen.
Kann sein, lieber Thomas. Aber Hand aufs Herz - hättest du Schröder im Jahr 1998 die Agenda 2010 zugetraut? Ich nicht. Ich war überzeugt, er würde das "rotgrüne Projekt" durchziehen, bis Deutschland ruiniert ist.
Hätte man Mitterrand 1981 zugetraut, daß er zwei Jahre später den ganzen schönen Sozialismus fahren lassen würde und eine Politik einleiten, die übrigens genau der heutigen Merkel'schen Sparpolitik entspricht und auch so hieß wie diese jetzt in Frankreich - politique d'austérité?
Es kann objektive Notwendigkeiten geben, seine Politik neu auszurichten. Es hat das in der Geschichte der Bundesrepublik öfter gegeben - die SPD mit dem Godesberger Programm, das sie regierungsfähig gemacht hat, und ihrer Akzeptierung der Westbindung; die CDU später mit ihrer Übernahme der Ostpolitik, als Kohl Kanzler wurde. Eine ähnliche Wende hat in den USA Bill Clinton vollzogen, der in seiner zweiten Amtszeit eine wirtschaftsliberale Politik gemacht hat.
Ob die Kanzlerin in Bezug auf die "Energiewende" ein solches Umsteuern für objektiv erforderlich hält, weiß ich nicht. Es ist ja auch nur ein Szenario, vielleicht ein ganz falsches. Aber ich traue ihr zu, das durchzuziehen, wenn sich die Notwendigkeit ergeben sollte.
Vielleicht wird der Netzausbau ein kritischer Punkt werden. Ich sehe nicht, wie er den Anforderungen der "Energiewende" gerecht werden sollte, ohne daß das Planungsrecht in einer Weise geändert wird, die eigentlich die Bürger massenhaft auf die Straße bringen müßte. - Aber dazu gibt es ja Zimmerleute, die das viel besser beurteilen können als ich.
Schaumama, lieber Thomas. Ich rätsele immer noch über die Hintergründe der Entlassung von Röttgen und habe bisher kein überzeugendes Motiv gefunden.
Zitat Aber Hand aufs Herz - hättest du Schröder im Jahr 1998 die Agenda 2010 zugetraut?
Lieber Zettel,
auch ohne Hand auf dem Herzen - nein, hätte ich nicht. Auch Mitterand nicht, obwohl ich ihm als Franzosen mehr Zugang zu Rationalität zugetraut hätte. Aber es wird schwer sein, die Legende von der Klimarettung, die für Politiker wie die Quadratur des Kreises erscheinen mußte, durch etwas anders zu ersetzen, denn ohne geht es nicht. Ich sehe ja die Euro-Krise durchaus auch als einen Kampf der Politik um das Recht, Schulden machen zu dürfen, also die Ausgaben soweit als möglich unabhängig von den Einnahmen zu machen. Sonst müßte man doch einen Teil des schönen Geldes zum Aufbau von Rücklagen für schwere Zeiten nutzen! Deshalb taugt Keynes ja auch nur bedingt als Leitfaden - die Hälfte mit der Wirtschaftsbelebung ist ja in allen Köpfen angekommen, der andere Teil mit den Rücklagen ja nicht, aber wer weiß? Nun fliegt uns also der Euro um die Ohren, die Billion ist die kleinste ernstzunehmende Währungsmenge geworden, aber im Wesentlichen herrscht immer noch der Glaube, man könne immer noch so weitermachen wie zuvor. Implizit steht hinter vielen Plänen - am prominentesten die Energiewende - das Argument, wir seien doch so reich, wir könnten uns das leisten. Stellt man aber dem BSP die Schulden und die diversen Schattenhaushalte, sowie die eingegangenen Verpflichtungen gegenüber, sind wir als Land hemmungslos verschuldet. Und doch kann sich niemand dazu durchringen, die Ausbeutung des Shale-Gases überhaupt zu erlauben, während die USA bereits fallende Gaspreise erleben! Wir sitzen auf einer gigantischen Energiequelle, die uns unabhängig von Russland, der Golfregion und anderen unerquicklichen Geschäftspartnern machen kann (Die neuerliche Unlust, die Nabucco-Pipeline weiterzubauen, mag damit zusammenhängen), und wir wagen offenbar noch nicht einmal, laut darüber zu reden, weil dies allein die wackelige Balance des politischen Tagesgeschäftes durcheinanderbringen könnte. Wo soll da der Kurswechsel kommen? Uns geht's doch gut!
Man beachte: Ein großes Schwergewicht kann durchaus den Wechsel der Zeit bemerken, ja soger Versuchen (unter Ausnutzung seines finanziellen Vorsprunges) sich auf die neue Zeit ein zu richten, dafür auch viel Geld ausgeben, aber sich trotzdem zu sehr in Sicherheit wiegen, zu sehr am eigenen Größenwahn (in Bezug darauf, was man sich alles ökonomisch Leisten könnte) hängen, als das es sich erfolgreich anpassen könnte.
Bei uns ist diese Eitelkeit grün. Wir glauben uns anzupassen, sind aber in einen Größenwahn sondergleichen verfallen und lassen uns auch nicht von Zahlen aus anderen Ländern beirren.
Zitat There’s nothing harder than making radical changes when the numbers look great.
Bei uns schauen die Zahlen gut aus. Und wie das Unternehmen in dem Beitrag leisten wir uns, da wir durchaus den Wandel der Zeit mit bekommen, viel Geld in neue Sachen zu stecken (bei uns Windräder und Solarzellen). Aber wir passen uns damit nicht an. Wir machen uns keine wirklichen Gedanken. Wir suchen damit nach einfachen Lösungen. Und begnügen uns mit grünem Aktionismus.
Es zeigt außerdem wir gefährlich es ist, wenn man eine Wirtschaft zur Monokultur machen will, wie es die Grünen anstreben (unser Wohlstand soll in Zukunft nur aus den EE stammen, alle andere Industriezweige sind verwerlich und/oder umweltschädlich). Eine bunte Vielfalt an Mittelständlern macht einen nicht so auf Gedei und Verderb von einer Branche, von dem Erfolg einer Technik abhängig. Aber früher oder später hat jede Branche Angst- und Panikmacher und/oder Moralapostel gegen sich, die wiederum alle ihre Kritiker als von Industrieinteressen gesteuert anprangern (und wer möchte das schon werden) und den Herdentrieb ausnutzen (wer möchte schon aus der Herde ausgeschlossen werden, weil er sich angeblich zum Industrielobbyisten macht), um ihre Ansichten mit diesen Totschlagargument zu verbreiten.
Solche Bewegungen werden schnell zum Selbstläufer, gerade wenn sie den Anspruch haben, dass hinter ihnen keine finanziellen Interessen stünden. Das stimmt häufig nicht, aber selbst wenn: Es ist der Herdentrieb zusammen mit Angst und einem "zu den Guten dazugehören" wollen, welches solche Bewegungen zum Selbstläufer macht. Auf die inhaltliche Stichhaltigkeit der Argumente kommt es nicht an, sondern nur das sie (tatsächlich oder angeblich) Aufgrund ihres Inhaltes vor dem Vorwurf imun sind Industrieinteressen zu dienen. Stattdessen kann man sich noch als Kämpfer gegen eine angeblich so mächtige Lobby darstellen ohne wirklich viel Mut zu zeigen. Im sozialen Umfeld erfährt man selber Anerkennung, die Gegenposition skeptische Blicke (Ist der etwas gekauft? Ist der von PR-Maßnahmen der Industrie manipuliert?), aber doch in der Regel kein Geld von eine Lobby.
Das erhalten die Verfechter z.B. der EE auch selten, ist aber auch nicht ihr Antrieb. Der Hinsweis, das es auch für die EE eine Lobby gibt, ist ja nicht als Vorwurf gemeint, das alle EE-Verfechter von einer EE-Lobby geschmiert oder manipuliert seien. Er soll darauf aufmerksam machen, dass ein bei Ökos beliebtes Totschlagargument, nämlich jeden Widerspruch als Lobby-Gerede darzustellen, eigentlich auch auf die Unterstützung der EE angewendet werden kann. Es ist der Herdentrieb und der missionarische Eifer, der den Blick dafür für viele EE-Anhänger verschliest.
“Being right too soon is socially unacceptable.” ― Robert A. Heinlein
"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and those which are not."
Zitat von Erling Plaethe Ich denke, nein, ich hoffe, es wird einen wirtschaftsliberalen Kurswechsel geben. Es ist m.E. die einzige Chance für die Kanzlerin 2013 wiedergewählt zu werden.
Ich finde das ja nett, aber ich halte das für ganz krasses Wunschdenken. Und ebenso halte ich es für ein völliges Mißverstehen der Person Angela Merkel.
Frau Merkel hat das, was einmal der Konservatismus der Union war, aufgelöst. Frau Merkel ist in keiner Hinsicht eine konservativ denkende Person, sie hat eine andere Prägung, sie kann und wird keine Politik machen, die den Wünschen des katholisch-bürgerlichen Mittelstands in Ba-Wü oder Bayern entspricht. Sie steht weder für christliche Werte noch für irgendwelche wirtschaftsliberalen Werte. Sie steht für schleichende Abschaffung dieser Werte.
Frau Merkel möchte Wählerschichten erschließen, indem sie mehr und mehr rot-grüne Politikziele selbst übernimmt und umsetzt. Die CDU rückt damit immer weiter nach links, gewinnt damit nichts, verrät und verliert aber ihre konservativen Wählerschichten. Diese enttäuschten Wähler haben bei der letzten Wahl ersatzweise die FDP gewählt, um das wirtschaftsliberale Profil zu stärken. Sie sind von der FDP krass enttäuscht worden.
Der konservative Unternehmer oder auch Arbeiter im Süden Deutschlands, wo nach wie vor ein christlich geprägtes Bürgertum vorhanden ist, möchte von der CDU keine absurde Klimaschutzpolitik, möchte keine Forcierung der Europa-Zentralisierung, möchte keine Schuldenunion, möchte keine Abschaffung des dreigliedrigen Schulsystems, möchte keine flächendeckende Kinderfremdbetreuung ab dem 1. Lebensjahr, möchte keine "Energiewende", möchte keine Frauenquoten, möchte keine Gleichstellung des Islam mit dem Christentum auf allen gesellsch. Ebenen usw. usw. usw.
Und genau dies betreibt die Merkel-CDU, und noch manches mehr. Wer konservativer eingestellt war, ist gegangen - von Koch bis Köhler.
Die konservativen (Ex-)-Stammwähler der CDU machen das nicht mehr mit. Sie bleiben zu Hause, denn es gibt keinerlei wählbare Alternative. Die CDU ist damit dank Angela Merkel auf einem permanenten Abwärtstrend, der sie von 40% + x jetzt Richtung 30% - x führen wird.
Ich wiederhole nochmals: ein Umdenken und Umsteuern der Merkel-CDU in Richtung liberal und konservativ wäre schön, aber ist aus meiner Sicht reinstes Wunschdenken. Just my two cents.
Zitat von Thanatos Ich finde das ja nett, aber ich halte das für ganz krasses Wunschdenken. Und ebenso halte ich es für ein völliges Mißverstehen der Person Angela Merkel.
Wunschdenken? Ja, natürlich. Ich bin ja nicht der einzige, der aus der Kanzlerin nicht schlau wird. Doch bevor ich ihr unterstelle die negativen Folgen eines falschen Kurses nicht zu realisieren, welche für das Land und eben auch für ihre Partei entstehen, hoffe ich. Meiner Ansicht nach haben sich die Machtoptionen für sie und die Partei deutlich verschlechtert. Die FDP ist neuerdings offen für Bündnisse jenseits einer CDU- Beteiligung und dies stärkt gleichzeitig die Position der SPD, die seit 2009 sicher weniger Interesse an einer erneuten Juniorpartnerschaft mit der CDU hat, als noch 2005. Die SPD wird, denke ich, sehr viel mehr Kompromisse bereit sein einzugehen, um dies zu vermeiden. Somit ist die Position der FDP in dieser Koalition zur Zeit die stärkste seit Beginn der Koalitionsverhandlungen. Gute Gründe für ein bisschen Wunschdenken.
Ja, der WELT-Artikel ist schon höchst aufschlußreich. Man kann momentan nicht glauben, daß Angie nochmal ne Wahl gewinnt. Doch bis 2013 fließt noch sehr viel Wasser den Rhein und die Elbe hinab.
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