Als die FDP - allen voran ihr momentarer Star Lindner - dem "Ausstieg" zugestimmt hat, hat sie sich für eine Energieversorgung entschieden, die nicht von technischer und nicht von wirtschaftlicher Vernunft bestimmt wird, sondern von Ideologie und kollektiver Besoffenheit. Also eine staatlich reglementierte und vom Steuerzahler und dem Stromverbraucher alimentierte Energieversorgung.
es ist schon erstaunlich, mit welcher konzeptioneller Inkonsistenz man heute so durchkommt. Entweder interessiert's keinen oder das Gedächtnis ist so kurz, weil's ... keinen interessiert? Ich halte es für möglich, daß viele Menschen bemerken, wie wenig die Politik an unserer Situation zu ändern willens oder in der Lage ist. Es spielt einfach kein Rolle mehr.
Aber wenn überhaupt einem mildernde Umstände zugebilligt werden können, dann Rainer Brüderle. Als damaliger Wirtschaftsminister hat er sich hinter den Kulissen betont kritisch zur Energiewende geäußert. Als solche Äußerungen aus einer BDI-Sitzung via Süddeutsche Zeitung durchgestochen wurden, geriet Brüderle von allen Seiten unter massiven Beschuss, siehe etwa hier: www.tagesspiegel.de/politik/atomwende-br...pf/3986690.html
Nicht nur die Opposition, sondern auch die eigenen Leute erklärten ihn plötzlich zum Problembären der Regierung. Obwohl Brüderle bis dahin als einer der erfolgreichsten FDP-Minister galt, war er nach dieser "BDI-Affäre" erst einmal zum Abschuss freigegeben und kam deshalb auch für die anstehende Westerwelle-Nachfolge nicht mehr infrage. (Womit die Boy-Group freie Fahrt hatte.)
Das alles entbindet Brüderle nicht aus der Mithaftung. Aber das Projekt Energiewende hat er weder erfunden, noch hat er es jemals mit Überzeugung und Leidenschaft propagiert. Die zentrale Verantwortung für dieses Projekt trägt nun einmal die Bundeskanzlerin, die hier - aus welchen Gründen auch immer - von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht hat.
Zitat von Verteidiger des Glaubens, Özdemir"Das Grundproblem dieser Bundesregierung ist, dass sie nicht an die Energiewende glaubt"
Aha, es ist nur eine Glaubensfrage. Würde die BuReg nur ganz fest die Augen schließen und die Kraft ihres Glaubens imaginär mit der unerschütterlichen Überzeugung der Öko-Ideologen vereinen, dann wäre alles gar kein Problem. Denn Glaube versetzt bekanntlich Berge.
Zitat von Grünkohlminister AltmaierWir müssen eine bewegende Story und eine glaubwürdige Strategie haben, wie wir die Energiewende zum Erfolg machen.
Was wir brauchen ist also eine Story, eine bewegende. Quasi einen Volksmythos, der die blöden Realitäten ausblenden hilft, auf dass die Herde blind in die gewollte Richtung trottet. Statt Volk ohne Raum halt Volk ohne Umwelt. Und die große Vorsitzende hat natürlich schon einen Schlachtplan, resp. eine glaubwürdige Strategie in der Schublade.
Zitat von Vertretung der überschuldeten Kommunen Deutschlands"Bislang profitieren nicht die Gemeinden, sondern große Investoren. Das muss sich ändern, sonst ist die Energiewende in Gefahr" (...) Denn es seien die Gemeinden, die Eingriffe in die Landschaft durch Stromtrassen oder Windräder hinnehmen und vor ihren Bürgern vertreten müssten. Gerade bei der Besteuerung von Windrädern gebe es Nachbesserungsbedarf.
WIR wollen unser Stück vom Kuchen haben! Denn wenn ihr uns nicht bald auch füttert, könnt ihr eure Pläne in Zukunft vergessen. (Das könnt ihr vielleicht trotzdem, aber wir würden euch wenigsten vordergründig nicht sabotieren.) Heißt: Ihr könnt euch unseren guten Willen kaufen.
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Mir scheint, wir erleben auf vielen Feldern gerade das große Ringen zwischen der Kraft des Narrativs und der Kraft der Fakten. Auch die Eurokrise wäre ja nicht halb so wild, wenn die Gläubiger bloß endlich wieder gläubiger wären und den Krisenstaaten wieder Kredit (= Vertrauen) gäben.
Es ist im sozialen Bereich zweifellos so, dass die Interpretation von Fakten manche Fakten selbst wiederum verändern kann. Die Finanzmärkte sind ein extremes Beispiel, aber auch in der Realwirtschaft ist bekanntlich "die Hälfte Psychologie". Von der Fußball-EM gar nicht zu reden.
Die Linke neigt dazu, dem Narrativ überall geradezu magische Kräfte zuzuschreiben. Da mag es auch berufliche Berührungspunkte geben: Wer im weitesten Sinne von der Kraft seiner Worte lebt, der hält Worte eben auch für außerordentlich bedeutungsvoll.
Die Rechte glaubt eher an den unveränderbaren "alten Adam" im Menschen, an die Grundrechenarten nach Adam Riese und an die unverrückbaren Naturgesetze.
Das Problem der Rechten ist vielleicht, dass sich Politik schon ex definitione im Sozialen abspielt. Wenn etwas schief geht, lag´s im Zweifel halt immer am falschen Bewusstsein.
Nachtrag 28.5., 16:00 Ein wunderbares Beispiel für die Magie des Narrativs hat am Freitag der Ökonomie-Nobelpreisträger Paul Krugman abgeliefert. Um die aus seiner Sicht dringend benötigten Ausgabenprogramme herbeizuführen, will er Naturwissenschaftler dazu bringen, eine Alien-Attacke anzukündigen!
Zitat I actually have a serious proposal which is that we have to get a bunch of scientists to tell us that we’re facing a threatened alien invasion, and in order to be prepared for that alien invasion we have to do things like build high-speed rail. And then, once we’ve recovered, we can say, “Look, there were no aliens.” http://newsbusters.org/blogs/noel-sheppa...n#ixzz1w5zk6aAO
Ein Scherz?! Dass so ein Mann das wirklich ernst meint, ist kaum vorstellbar, auch wenn er selbst von "serious proposal" spricht. Krugman geht allerdings mit dieser Pointe - Her mit den Aliens, damit deficit spending endlich salonfähig wird! - schon seit Monaten hausieren. Er scheint kein prinzipielles Problem darin zu sehen, die Reputation der Naturwissenschaft mal kurz für eine keynesianische PR-Aktion zu missbrauchen.
Zitat von Juno Das Problem der Rechten ist vielleicht, dass sich Politik schon ex definitione im Sozialen abspielt. Wenn etwas schief geht, lag´s im Zweifel halt immer am falschen Bewusstsein.
Was den Unterschied zwischen Rechts und Links ausmachen müsste, damit eine Korrektur möglich sein könnte, wäre, dass etwas schief gegangen ist.
Zitat von Calimero Aha, es ist nur eine Glaubensfrage.
Nicht nur, aber vor allem. Und das ist auch das Positive an der Krise um die Energiewende und dem Euro. Der Staat, im Fall der Energiewende der deutsche, im Fall der Eurokrise das europäische Staatswesen allgemein, verliert seinen Nimbus. Nicht nur für seine vielen Gläubiger, auch für jene, deren Staatsglauben bisher unerschütterlich war, werden seine Schwächen offenbar; sein Versagen offensichtlich, bei dem Versuch, Wettbewerb durch Planung zu ersetzen.
Zum Einen folgt daraus ein Vertrauensverlust des Bürgers in die Fähigkeiten des Staates, welcher aber für eine Rückkehr zum Primat des Privaten unumgänglich ist. Zum Anderen aber auch einer in die eigenen Möglichkeiten der Politiker selbst. Das Limit staatlichen Eingreifens wurde erreicht - und überschritten. Grundlegende Veränderungen sind in sozialstaatlich verfassten Gesellschaften auch m.E. gar nicht anders denkbar. Es läuft immer auf einen Crash hinaus, in Deutschland ist es schon mehrmals durchexerziert worden und es wird mit Sicherheit auch nicht das letzte Mal gewesen sein.
Für Europa war es der erste Versuch, welcher aller Wahrscheinlichkeit nach, mit einem signifikanten Wohlstandsverlust für die meisten Bürgern Europas, verbunden sein wird. Was in Europa gerade passiert ist keine Krise des Kapitalismus sondern eine des Sozialstaatsmodells.
Welches eine deutsche Erfindung ist, installiert von Bismarck zur Niederringung des wirtschaftlichen Liberalismus, bei gleichzeitigem Aufstieg eines in seiner Ausdehnung nie ernsthaft begrenzten Staatswesens. Dieses Modell als Grundlage für die Vereinigten Staaten von Europa ist gescheitert. Nicht weil bestimmte Staaten Verträge brachen oder ihren nationalen Interessen Vorrang einräumten, sonder weil sie handeln wie in solch einem Modell gehandelt werden muss, will man eine optimale Kosten/Nutzen Bilanz erreichen. Jeder versucht auf Kosten des anderen so viel wie nur möglich von den durch staatliches Einsammeln verfügbaren finanziellen Mitteln für sich nutzen zu können.
Auch in Deutschland bezahlen die südlichen Länder nur wiederwillig die Ansprüche der nördlichen. Und auch die Bürger in London und Südengland wurmt es, den Schotten ihr kostenreiches Sozialsystem zu finanzieren. Aber sie tun es. Die Schmerzgrenze ist eben noch nicht erreicht. In Europa kommt sie dagegen langsam ins Blickfeld. Es ist auch nur eine Frage der Zeit, und dann werden der Norden Deutschlands und auch die Schotten ihre Ansprüche den eigenen Einnahmen anpassen müssen.
Die Bereitschaft Schwachen zu helfen steigt mit der Eigenverantwortung, weil vorrausgesetzt werden kann, dass bereits sich selbst geholfen wurde. Und sie sinkt mit steigender Umverteilung.
Zitat von Erling PlaetheDer Staat, im Fall der Energiewende der deutsche, im Fall der Eurokrise das europäische Staatswesen allgemein, verliert seinen Nimbus. Nicht nur für seine vielen Gläubiger, auch für jene, deren Staatsglauben bisher unerschütterlich war, werden seine Schwächen offenbar; sein Versagen offensichtlich, bei dem Versuch, Wettbewerb durch Planung zu ersetzen.
Es wäre ja schön wenn's so wäre, allein ich glaub nicht dran. Solange Politik und staatsgläubige Medien noch Sündenböcke finden denen man die Schuld zuschieben kann, und der Michel diese Sündenbockstories willig schluckt, bleibt der Nimbus des gutwilligen Staates erhalten. Im Fall der EURO-Krise ist es nicht so ganz einfach, weil hier ja eindeutig die Politik für die Einführung der Esperantowährung an sich verantwortlich ist, und weil das Thema Staatsschulden und Steuergeldverschwendung schon immer ein (wenigstens unterschwelliges) Aufregerthema war. Doch selbst da gibt es die Sündenböcke in Gestalt der "faulen Griechen", der "gierigen Banken und Spekulanten" und der "unsoliden Südländer" allgemein.
Aber davon mal ab, wie reagiert der Michel denn auf hohe Spritpreise z.B.? Sollen da mal die Steuern runter, wird der Außenwert unserer (zu Deutschlands Export-Glück nicht so hoch bewerteten) Währung kritisiert, wird die Öko-Beimischungs-Bürokratie zum Teufel gewünscht? Nö, da schimpft man auf "das Kartell der Ölkonzerne". Zusammen mit Politniks und Medien. Wer wird hier denn ständig für hohe Strompreise verantwortlich gemacht? Die staatlichen (Fehl-)Planungsbehörden in Kanzleramt und BMU? Na ... also bitte! Dafür hat man doch das schöne Wort von den Strommultis und Atomkonzernen geprägt. Die sind doch für alles Übel verantwortlich, sabotieren sie doch ständig die Pläne der staatlich Gutmeinenden, die uns sonst schon längst mit 100% Naturstrom zum Nulltarif beglücken würden.
Mal gucken, ob es hierauf mal kritischeren Widerhall geben wird. Wahrscheinlich nicht. Eher der Ruf nach Verstaatlichung, damit demnächst wunschgemäß ein Beamter die Aktenkladde trägt.
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Zitat von CalimeroAber davon mal ab, wie reagiert der Michel denn auf hohe Spritpreise z.B.?
Der Michel geht zur Hälfte erst mal gar nicht wählen und interessiert sich nicht die Bohne für Politik. Aber seine Stromrechnung hat er im Blick - wie auch die Solaranlage des Nachbarn. Auch ist er längst nicht so einfach gestrickt wie manch Sozialingenieur ihn sich am Schreibtisch so ausmalt. Die Propaganda des ÖR verfängt bei ihm nicht, ihn interessiert was hinten rauskommt. Nur Ideologen und Fanatiker beharren auf ihrem Halbwissen, diese sind aber eine Minderheit die es lediglich versteht sich in Szene zu setzen. Der Michel denkt im Gegensatz vor allem ökonomisch, weil er muss. Auch die andere Hälfte des Michel der wählen geht, zahlt aus ideologischen Gründen nicht mehr als nötig. Wenn der grüne(!) Umweltminister von BW über eine Laufzeitverlängerung der KKW nachdenkt und der Bundesumweltminister sich überall genötigt sieht erklären zu müssen, dass der Ausstieg noch Bestand hat, wird aus einem Pfeifen im Walde ein vernehmbares Gezwitscher. Und eine Komplettverstaatlichung der Energieversorger ist, m.E., nicht ganz einfach, da ein Verkauf öffentlich ausgeschrieben werden müsste und eine Verstaatlichung gegen geltendes EU-Recht verstieße. Ansonsten hatte ich mal einen weniger pessimistischen Ansatz verfolgen wollen.
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