Das war eine irre Geschichte, damals am 28. Mai 1987. Im Rückblick so etwas wie ein Vorbote des Herbsts 1989.
Dieser 28. Mai 1987 war übrigens der Tag der spektakulären Cessna-Flüge: Während Rust mit seiner Cessna-172 nach Moskau flog, entkam der cubanische Luftwaffengeneral Rafael del Pino Díaz mit einer Cessna-402 nach Key West, Florida.
Ich staune über den ersten Teil der Route. Das Google-Earth-Lineal gibt die Luftline von Ütersen zum Flughafen Vágar mit ca. 1.360km an. Die Fa. Cessna nennt für die 172 als Maximum-Range 687nm (ca. 1.240km). Mit den dabei kalkulierten 45min Reserve ist die Entfernung evtl. gerade so zu schaffen. Aber wer würde sein Leben darauf setzen, dass in den 6 Stunden Flug kein Gegenwind aufkommt?
Zitat von ESKAIch staune über den ersten Teil der Route. Das Google-Earth-Lineal gibt die Luftline von Ütersen zum Flughafen Vágar mit ca. 1.360km an. Die Fa. Cessna nennt für die 172 als Maximum-Range 687nm (ca. 1.240km). Mit den dabei kalkulierten 45min Reserve ist die Entfernung evtl. gerade so zu schaffen. Aber wer würde sein Leben darauf setzen, dass in den 6 Stunden Flug kein Gegenwind aufkommt?
Es ist oft hilfreich, in die verschiedenen Sprachversionen des großen Wikis zu schauen:
Zitat ____ Rust left Uetersen near Hamburg and his home town Wedel in his rented Reims Cessna F172P D-ECJB, which was modified by removing some of the seats and replacing them with auxiliary fuel tanks. ____
Manchen Genre-Lesern kam die Aktion übrigens wie aus einer Erzählung von J. G. Ballard gefallen vor (beinahe surrealistisch: der Einbruch des Unerhörten, mit den Symbolen des Kalten Kriegs jonglierend, "große Namen" - Kennedy, MM, die Apollo-Astronauten wie Versatzstücke in der Pop-Art zur Collage montiert; das Motiv des Fliegens - mit kleinen Privatmaschinen, als Traum der grenzenlosen Freiheit ist auch auch oft Thema in Ballards Stories). Ballard selbst scheint das eher distanziert gesehen zu haben; in einem Interview drei Jahre später war ihm der Name Rust unbekannt, und der Vorfall nur noch schemenhaft präsent.
Mir ist der FLug damals nicht in Erinnerung. Habe letztens das Interview mit Rust im Stern (oder Spiegel) gelesen. Sorry. Das ist ein Spinner. Er hat eine Schwester im Zilidienst niedergestochen (!), zeigt heute kaum Reue dafür und glaubt(e) Gorbatschow würde sich mit ihm an einen Tisch setzen und er das erreichen, was der US-Präsident in Reijkavik nicht erreichte.
Ex-Post natürlich eine Geschichte, die den anstehenden Zusammenbruch des Ostblocks andeutete. Das sicherlich. Aber als 'Einzelleistung' die Tat eines Spinners, der darauf auch noch stolz ist.
Zitat von ESKAIch staune über den ersten Teil der Route. Das Google-Earth-Lineal gibt die Luftline von Ütersen zum Flughafen Vágar mit ca. 1.360km an. Die Fa. Cessna nennt für die 172 als Maximum-Range 687nm (ca. 1.240km). Mit den dabei kalkulierten 45min Reserve ist die Entfernung evtl. gerade so zu schaffen. Aber wer würde sein Leben darauf setzen, dass in den 6 Stunden Flug kein Gegenwind aufkommt?
Zitat: Rust left Uetersen near Hamburg and his home town Wedel in his rented Reims Cessna F172P D-ECJB, which was modified by removing some of the seats and replacing them with auxiliary fuel tanks.
... oder auch air&space mag: http://www.airspacemag.com/history-of-flight/rust.html Demzufolge hatte die genannte Skyhawk eine Reichweite von 750nm, ausserdem gabs noch weitere Stops auf dem Weg nach Island und Bergen, welche die 'legs' dementsprechend verkuerzten.
@Zettel: Soweit mir bekannt (und auch in den genannten Quellen beschrieben) ging der Flug in Uetersen los (und nicht in Fulsbuettel) - vielleicht korrigieren?
Zitat von DagnyEx-Post natürlich eine Geschichte, die den anstehenden Zusammenbruch des Ostblocks andeutete. Das sicherlich.
Und selbst das würde ich anzweifeln. Die sowjetische Flugabwehr hatte die Cessna auf dem Radar. Dass das kein atomarer Erstschlag war, war klar. Und wie Zettel schon schrieb, es hätte auch ein Kolchosenchef mit Tante gewesen sein können. Oder ein flüchtender sowjetischer Spion. Was soll denn der Chef der Flugabwehr in so einem Fall machen? Schiesst er das Ding ab und es war irgendein planloses hohes sowjetisches Tier, dann steht er morgen vor einem Erschiessungskommando. Schiesst er die Cessna nicht ab und es ist nur eine gescheiterte deutsche Existenz, dann verliert er seinen Job - in den 50er Jahren wäre er im GULag verschwunden. Eine Lose-Lose-Situation für den kommandierenden Offizier, aber das hat nichts mit dem Zusammenbruch des Ostblocks zu tun. In den 50er Jahren wären ihm genau die gleichen Gedanken durch den Kopf gegangen. Vielleicht hätte er damals anders entschieden, aber mehr ist das auch nicht.
-- Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito
Zitat _____ Verteidigungsminister Sergei Leonidowitsch Sokolow und der Chef der sowjetischen Luftverteidigung, Alexander Iwanowitsch Koldunow, wurden von Michail Gorbatschow verantwortlich gemacht und „auf eigenen Wunsch in den wohlverdienten, frühzeitigen Ruhestand“ entlassen. Zudem nutzte Gorbatschow das Ereignis, sich von über 300 weiteren perestroika- und glasnostfeindlich eingestellten Generälen zu trennen. _____
Warum gibt es eigentlich keine Verschwörungstheorie, M.R. sei von Gorbi (oder seinen außerirdischen Hintermännern) lanciert, um Hemmschuhe der Perestroika in die Wüste zu schicken und einen Militärputsch zu unterbinden?
Was "den Verantwrtlichen" aber wohl wirklich vor Augen stand, war der Abschuß von KAL 007 im September 1983. Die andere Parallele wäre der Abschuß der U-2 von Gary Powers im Juli 1960, gewesen (da lag ja auch kein Zweifel vor, daß es sich um eine Aktion à la James Bond handelte und nicht um die Kolchosenschwiegermutter). Daß Rust neben der Spur lief, schwante schon manchen, als er gleich nach seiner Landung von Moskau als der "Hauptstadt des Weltfriedens" faselte, zu der er eine Brücke bauen wollte... Immerhin bekam er Arbeitslager (und nach 14 Monaten Begnadigung) anstatt für den Rest seiner Tage in der Psychiatrie zu verschwinden. Vom Typ her scheint Rust nach dem Schnittmuster des Barons Münchhausen geraten zu sein, zwei oder drei Jahrhunderte zu spät: wie der "Kaiser vom Amerika", Emperor Norton, die "Grafen" Benjowsky und Ossendowski oder Manolescu, das Vorbild des Felix Krull. Es fällt ja auf, daß für seine späteren Heldentaten nur Illustriertenberichte vermelden: "nach eigenen Angaben". Für die Medien ist der Fall klar: Hier ist ein bunter Vogel, der seine Viertelstunde des Ruhms gehabt hat, und den man alle 10 Jahre kurz erwähnt: "where are they now?", worauf man Dönekes von Autorennen in Wildost serviert bekommt, die sich bei näherem Nachsuchen wohl in Luft auflösen würden; oder "er habe jetzt materiell ausgesorgt, so daß er keiner Erwerbstätigkeit mehr nachzugehen brauche". Ein Schelm, der das mit "Hartz IV" übersetzt.
Zitat von GorgasalWas soll denn der Chef der Flugabwehr in so einem Fall machen?
Ich bin jetzt nicht der Experte in solchen Sachen. Aber gibt es da wirklich nur die Wahl zwischen Abschuß und Nichtstun?
Das Übliche wäre doch wohl, daß man eigene Flugzeuge hinschickt und nachschaut, was das für ein Teil ist. Und notfalls dann abdrängen und zur Landung zwingen. Das Eindringen in den sowjetischen Luftraum ist ja die eine Sache - da kommen noch Varianten wie geflohener Spion oder Kolchosenchef mit Tante in Frage. Aber schnurgerade direkt ins Zentrum von Moskau wäre für die auch kein erlaubter Kurs.
Und von der Grenze bis nach Moskau sind es ja einige Stunden Flugzeit. Das hätte ja reichen können, um einige Nachfragen nach oben zu geben.
Zitat von captndelta@Zettel: Soweit mir bekannt (und auch in den genannten Quellen beschrieben) ging der Flug in Uetersen los (und nicht in Fulsbuettel) - vielleicht korrigieren?
Zitat Rust mietete die Cessna 172 P eines Hamburger Luftsportvereins für einen „Rundflug über die Nordsee“ und startete in Hamburg-Fuhlsbüttel. Bei einer Zwischenlandung auf dem Flugplatz Uetersen bei Hamburg baute er die Rücksitzbank der viersitzigen Maschine aus und flog am 13. Mai 1987 auf die Färöer.
Der von Ihnen zitierte, sehr informative Bericht widerspricht dem nicht unbedingt. Der eigentliche Flug begann nach der Zwischenlandung in Uetersen.
Beim Nachsehen bin ich übrigens auf ein hübsches Video gestoßen, das den Flug in seinen Etappen rekonstruiert.
Was mich am meisten an der Geschichte überrascht, ist, daß daraus nie ein Buch geworden ist: M. Rust: "Mein Weltflug - Auf den Flügeln des Friedens" Oder könnte es sein, daß alle prospektiven Ghostwriter schnell die Flinte ins Korn geworfen haben?
Zitat von ZettelBeim Nachsehen bin ich übrigens auf ein hübsches Video gestoßen, das den Flug in seinen Etappen rekonstruiert.
Ich habe jetzt einen Hinweis darauf in den Artikel eingefügt und bei dieser Gelegenheit eine Ungenauigkeit korrigiert: Streng genommen "landete" Rust nicht auf dem Roten Platz, wie es in dem Artikel gehießen hatte, sondern kam mit seiner Cessna dort nur an. Nachdem er nämlich auf einer Brücke daneben gelandet und dann auf den Roten Platz gerollt war.
Zitat von R.A.Das Übliche wäre doch wohl, daß man eigene Flugzeuge hinschickt und nachschaut, was das für ein Teil ist.
Das wurde gemacht: Now that it was well inland, army units in the area were put on high alert and two fighter-interceptors at nearby Tapa air base were scrambled to investigate. Peering through a hole in the low clouds, one of the pilots reported seeing an airplane that looked similar to a Yak-12, a single-engine, high-wing Soviet sports airplane that from a distance looks very similar to a Cessna. The fighter pilot, or his commander on the ground, perhaps thinking the airplane must have had permission to be there, or didn’t pose any threat, decided the airplane did not require a closer inspection.
Später noch einmal: From below and to the left, a Soviet MiG-23 fighter-interceptor pulled up beside him. He kept watching the Soviet airplane, “but there was no sign, no signal from the pilot for me to follow him. Nothing.”
Ein ziviles Sportflugzeug zur Ladung zu zwingen gehörte wahrscheinlich nicht zum Trainingsprogramm eines sowjetischen Abfangjägerpiloten. Kreativität wird in einem totalitären Regime nicht gefördert, daher ist es nicht verwunderlich, wenn in unüblichen Situationen das ein wichtiger Teilbereich des Militärs komplett versagt.
Zitat von R.A. Das Übliche wäre doch wohl, daß man eigene Flugzeuge hinschickt und nachschaut, was das für ein Teil ist. Und notfalls dann abdrängen und zur Landung zwingen. Das Eindringen in den sowjetischen Luftraum ist ja die eine Sache - da kommen noch Varianten wie geflohener Spion oder Kolchosenchef mit Tante in Frage. Aber schnurgerade direkt ins Zentrum von Moskau wäre für die auch kein erlaubter Kurs.
Und von der Grenze bis nach Moskau sind es ja einige Stunden Flugzeit. Das hätte ja reichen können, um einige Nachfragen nach oben zu geben.
Das ist ja auch passiert. Rust sagte, einige MIGs seien aufgestiegen und hätten sich ihn angesehen. Nur war er zu langsam. Und er ist nicht "unter" dem Radar geflogen, sondern so, dass er ganz genau zu sehen war. Damit er nicht aus versehen abgeschossen wird.
Man kann die Geschichte vermutlich auch anders erzählen: Ein kleines Flugzeug, davon geht keine Gefahr aus?
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