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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 23 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.07.2012 09:49
Faszination Verbrechen Antworten

Daß ich gestern so schnell und ausführlich über die Bluttat von Karlsruhe berichtet habe, hat mir nicht nur die eine, am Beginn dieses Artikels zitierte Leserreaktion eingebracht, sondern noch weitere, ähnliche.

Das hat mich veranlaßt, die eine oder andere Überlegungen zu unserem Interesse am Verbrechen anzustellen.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

05.07.2012 10:44
#2 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Vielleicht bin ich nicht normal. (Das wäre sicherlich auch wert einmal untersucht zu werden, was eigentlich Normal ist und wer das festlegt.)

Mich stoßen solche Berichte ab. Ganz besonders, wenn sie, durch Spekulationen angereichert, immer und immer wieder in den Medien auftauchen. Faszinierend finde ich das nicht. Es interessiert mich auch nicht, warum dieser Mensch 4 Menschen erschossen hat, um sich anschließend selbst zu richten. In Büttenwarder würde man sagen: "Das hat doch keinen Nennwert."

Auf der gleichen Linie befinden sich die täglichen Endlosberichte über Verkehrsunfälle. Je mehr Tote, desto ausführlicher der Bericht.

Diese Art der Berichterstattung empfinde ich als krank. Sie begeistern auch nur eine kranke Gesellschaft.

Wie schon eingangs bemerkt: Höchstwahrscheinlich bin ich nicht normal. Zumindest aber anders als die Anderen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.07.2012 11:04
#3 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #2
Diese Art der Berichterstattung empfinde ich als krank. Sie begeistern auch nur eine kranke Gesellschaft.
Wie erklären Sie denn, lieber Paul, daß das Verbrechen ein Hauptthema der Mythologie ist? Waren auch diese alten Kulturen schon krank?

Oder nehmen Sie das Nibelungenlied. Hagen war ein Mörder, das ist bekannt. Aber auch Siegfried war ein Mörder; er tötete u.a. den Zwerg Albarich. Und lesen Sie, was am Hof des Königs Etzel geschah; wie Hagen dem kleinen Sohn Krimhilds den Kopf abschlägt, diese wiederum eigenhändig den Kopf Hagens, und so fort.

Alles krank?

Herzlich, Zettel

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

05.07.2012 11:20
#4 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Heute hat das Mainstremmediale Interesse aber bereits deutlich abgenommen, obwohl doch immer mehr interessante Details ans Licht kommen. Momentan ist auf der SPON-Startseite kein einziger Beitrag zum Thema mehr verlinkt (ich dachte schon, bei der Headline "Desaster von Menschenhand" wäre ich fündig, aber es geht um Fukushima...)

Liegt das daran, dass man sich mit ersten Spekulationen (Jäger, den der Raubtierkapitalismus zur Verzweiflung gebracht hat) zu weit aus dem Fenster gelehnt hat?

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.07.2012 11:43
#5 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Zitat von Meister Petz im Beitrag #4
Liegt das daran, dass man sich mit ersten Spekulationen (Jäger, den der Raubtierkapitalismus zur Verzweiflung gebracht hat) zu weit aus dem Fenster gelehnt hat?
Mir ist völlig unklar, wo das "Jäger" herkam. Hat sich das ein Journalist einfach aus den Fingern gesogen?

Mich wundert es, daß die Grünen und die Kommunisten noch nicht nach einer Verschärfung des Waffenrechts rufen. Alle schon im Urlaub?

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.07.2012 14:47
#6 Jäger und Verbrechen Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #5
Zitat von Meister Petz im Beitrag #4
Liegt das daran, dass man sich mit ersten Spekulationen (Jäger, den der Raubtierkapitalismus zur Verzweiflung gebracht hat) zu weit aus dem Fenster gelehnt hat?
Mir ist völlig unklar, wo das "Jäger" herkam. Hat sich das ein Journalist einfach aus den Fingern gesogen?
Dazu heute Sueddeutsche.de:

Zitat
Der Deutsche Jagdschutzverband teilte mit, dass der mutmaßliche Täter kein Jäger war: Er war weder bei der Waffen- noch bei der Jagdbehörde in Deutschland oder Frankreich gemeldet und besaß keinen Europäischen Feuerwaffenpass, hieß es in einer Mitteilung.



Aber etwas Anderes: Ich merke oft, daß ich die Resonanz auf Artikel völlig falsch einschätze.

Diesen zum Beispiel halte ich für wichtig und auch ganz gut gelungen. Die Frage, wo eigentlich unsere Faszination am Verbrechen herkommt, obwohl wir es doch alle verabscheuen, finde ich spannend.

Die Resonanz ist minimal. Anderes, was ich schreibe, ist eher belanglos und löst doch große Diskussionen aus.

Die guten Artikel in ZR werden oft kaum gelesen und kommentiert; und an Belanglosigkeiten entzünden sich lange Dehbatten.

Merkwürdig, nicht?

AldiOn Offline




Beiträge: 983

05.07.2012 15:03
#7 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Zitat von Zettel im Blogbeitrag
Zu dem gestrigen Artikel über die Bluttat von Karlsruhe hat mir ein Leser eine Mail geschickt und sich "über ein bißchen viel Boulevard" enttäuscht gezeigt. Ich habe ihm geantwortet, er möge doch einen Beitrag in ZR, dessen Thema ihn nicht interessiert, einfach nicht lesen.

Ich finde die Sache auch uninteressant aber sich darüber zu beschweren ist nun wirklich doof.

Wenn man heutzutage mit Mietern zu tun hat und es handelt sich um normale- oder (früher mein Fall gewesen) Substandardwohnungen dann hat mindestens 50% des Interessentenkreises - ja wie formuliert man das - ... ein massives Defizit. Gewöhnlich sind die Leute nicht gewalttätig aber häufig genug Messies und Mietnomaden (rein finanziell betrachtet fast noch schlimmer). Normale und normal fleißige Menschen, die keine besonders teuren Hobbies haben, kaufen und renovieren oder bauen ein Haus.

Das zum einen.

Was aber hier auch auffällig ist, daß gestandene Männer (Handwerker, Sozialarbeiter, Gerichtsvollzieher (!)) sich in einer vermutlich kleinen Wohnung von jemanden mit Pistole einschüchtern und sogar zum gegenseitigen Fesseln bewegen lassen. Hätten die sich auf ihn gestürzt wären vielleicht 2 verletzt worden/umgekommen und es hätte 3 Tote weniger gegeben. Doof ist außerdem, daß der Nutzloseste von Allen (außer dem Mörder) - der Sozialarbeiter - überlebt hat. Vermutlich hat der keine Kinder und ist womöglich noch nicht mal verheiratet - das Leben kann sehr ungerecht sein.

Nobby Offline



Beiträge: 110

05.07.2012 15:18
#8 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Zitat von AldiOn im Beitrag #7
[quote="Zettel im Blogbeitrag"]Was aber hier auch auffällig ist, daß gestandene Männer (Handwerker, Sozialarbeiter, Gerichtsvollzieher (!)) sich in einer vermutlich kleinen Wohnung von jemanden mit Pistole einschüchtern und sogar zum gegenseitigen Fesseln bewegen lassen. Hätten die sich auf ihn gestürzt wären vielleicht 2 verletzt worden/umgekommen und es hätte 3 Tote weniger gegeben. Doof ist außerdem, daß der Nutzloseste von Allen (außer dem Mörder) - der Sozialarbeiter - überlebt hat. Vermutlich hat der keine Kinder und ist womöglich noch nicht mal verheiratet - das Leben kann sehr ungerecht sein.


Zur Gegenwehr: In der Stuttgarter Zeitung von heute ist eine umfangreiche Reportage zu dieser Bluttat. Dort wird berichtet, daß der Schloßer versuchte,
dem Täter die Waffe zu entreissen. Das wurde mit zwei Schüße in die Beine beantwortet.
Aber Sie wären sicher so mutig gewesen, und hätten die anderen unter Einsatz Ihres Lebens gerettet. Hochachtung.

Und dann zum letzten Satz: Wie können Sie sich anmaßen über die Nützlichkeit von Menschen zu urteilen?

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.07.2012 15:30
#9 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Zitat von Nobby im Beitrag #8
In der Stuttgarter Zeitung von heute ist eine umfangreiche Reportage zu dieser Bluttat. Dort wird berichtet, daß der Schloßer versuchte, dem Täter die Waffe zu entreissen. Das wurde mit zwei Schüße in die Beine beantwortet.
Das hat alles gestern der stellvertretende Polizeipräsident Lay mitgeteilt.

Übrigens ein eindrucksvoller Mann. Er hatte alle Details im Kopf; formulierte druckreif. Seine Vorgesetzte, die Polizeipräsidentin Hildegard Gerecke, sagte nichts, sondern saß nur mit bedeutungsvoller Mine da.

Jedenfalls, solange Phoenix übertrug. Leider wurde die Übertragung beendet, bevor die Pressekonferenz abgeschlossen war.

Herzlich, Zettel

Hausmann Offline



Beiträge: 710

05.07.2012 18:30
#10 RE: Jäger und Verbrechen Antworten

Lieber Zettel!

Zitat
Anderes, was ich schreibe, ist eher belanglos und löst doch große Diskussionen aus. Die guten Artikel in ZR werden oft kaum gelesen und kommentiert; und an Belanglosigkeiten entzünden sich lange Dehbatten. Merkwürdig, nicht?


Nehmen Sie das als ein nichtlineares Phänomen. Man informiert tiefgründig über die, meinetwegen, Gelbe Gefahr - und heraus kommen irgendwelche Curry-Rezepte. Aber: Ganz nebenbei werden Ihre interessanten Analysen konsumiert! Von Intellektuellen halt.

Mit linearem Gruß!

Paul Offline




Beiträge: 1.285

05.07.2012 22:49
#11 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Zettel,
der Gegenstand meiner Bemerkung war nicht Literatur, auch nicht Märchen oder Kriminalromane, sondern die tägliche Tatsachenberichterstattung.
Nach meiner Empfindung nimmt der Umfang der täglichen "Schreckensnachrichten", z.B. im Fernsehen immer mehr zu. Wenn die Tatsachen, wie auch bei dieser grässlichen Starftat , nicht ausreichen, dann wird munter drauf los fabuliert. Nur um Sendezeit zu füllen? Am nächsten Tag kommen dann die "Interviews" der Nachbarn. Die auch nichts wissen, sich aber durch die Präsenz im Fernsehen wohl geehrt fühlen. Ach so, und dann werden Kerzen aufgestellt, wenn es passt auch noch Blumen und Plüschtiere. Tolle Art der Trauer: Die Angehörigen dann auch noch zumüllen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.07.2012 23:10
#12 Die Balance in ZR Antworten

Zitat von Hausmann im Beitrag #10
Ganz nebenbei werden Ihre interessanten Analysen konsumiert! Von Intellektuellen halt.
Schön wär's, lieber Hausmann.

Sie werden aber eben nur in geringer Zahl konsumiert.

Der Artikel "Faszination des Verbrechens" wurde von im Augenblick genau 600 Lesern aufgerufen. Er war gut; lesenswert. Ich habe mir damit Mühe gegeben und bin überzeugt, daß er einer meiner besseren ist.

Ein belangloser, wirklich schlichter Artikel, wie der über das Singen der Nationalhymne, wurde von 2.832 Leuten gelesen.

Da stimmt doch etwas nicht. Ich frage mich, ob ZR nicht vielleicht die falschen Leser hat.

Herzlich, Zettel

Paul Offline




Beiträge: 1.285

05.07.2012 23:24
#13 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #6


Diesen zum Beispiel halte ich für wichtig und auch ganz gut gelungen. Die Frage, wo eigentlich unsere Faszination am Verbrechen herkommt, obwohl wir es doch alle verabscheuen, finde ich spannend.

Die Resonanz ist minimal. Anderes, was ich schreibe, ist eher belanglos und löst doch große Diskussionen aus.

Die guten Artikel in ZR werden oft kaum gelesen und kommentiert; und an Belanglosigkeiten entzünden sich lange Dehbatten.

Merkwürdig, nicht?




Lieber Zettel,
auf anspruchsvolle Artikel muss man mit Sachkenntnis antworten. Bei anderen, nicht so anspruchsvollen Themen, lässt sich trefflich polemisieren.
Allerdings muss ich gestehen, dass ich in meinen Beiträgen auch nur polemisiert habe. Aber für mich ist das Thema ein Aufreger.
Diese auführliche Berichterstattung z.T in "Heute" und "Tagesschau", aber besonders auch bei "Brisant" regt mich schon seit einiger Zeit auf.
Ebenso die "Trauer" der Menschen. Da war der Tod von Lady Di für mich ein Schlüsselerlebnis. Berge von Blumen (das ist dann nur noch Müll) vor dem Buckinghampalast. Mit Bulldozern musste das weggeräumt werden. Das schöne Geld, welches dort "verbrannt" wurde. Wäre es nicht besser gewesen, die Menschen hätten in bereitgestellte Behälter Geld geworfen. Was hätte man damit Gutes tun können?
Soviel zum Hintergrund meines "Zorn's".

Ansonsten stehe ich fassungslos vor diesem Phänomen.
Warum strömen Menschen zu Unfallstellen und gaffen?
Es soll Leute geben, die zu einer spektakulären Unfallstelle, z.B. einem Großbrand, hinfahren. Ist das denn wirklich eine Touristenattraktion?
Vielleicht kann uns ein Psychologe sagen, warum Mensche das tun?
Ich stehe dem völlig verständnis- und ratlos gegenüber.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

05.07.2012 23:49
#14 RE: Die Balance in ZR Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #12


Da stimmt doch etwas nicht. Ich frage mich, ob ZR nicht vielleicht die falschen Leser hat.


ZR sollte doch mal über eine Zugangsvoraussetzung nachdenkem!

Jetzt mal im Ernst:

Sie haben hier den Bevölkerungsquerschnitt und die Artikelaufrufe sind ein Spiegelbild der Leserinteressen.
Das Bezahlfernsehen trägt dem Rechnung, indem es wegen der Einschaltquote, die wohl auch noch finanzielle Auswirkungen hat, die Sendeinhalte an den Interessen ausrichtet.
Herzlich bitte ich Sie, tun Sie das bitte nicht.
Jedenfalls war ich erschrocken, dass ich der Erste war, der zu diesem interessanten Artikel einen Kommentar geschrieben hat. Der Artikel stand schon einige Zeit hier und andere, später geschriebene Artikel, waren schon kommentiert. Da ich Neu hier bin, habe ich gedacht, dies sei ein Artikel, der nicht kommentiert werden kann oder darf.

Sie werden mit diesem Phänomen leben müssen. Schreiben Sie bitte weiter gute Artikel für die Wenigen.

Faber Offline




Beiträge: 142

06.07.2012 03:53
#15 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Zitat
Mich wundert es, daß die Grünen und die Kommunisten noch nicht nach einer Verschärfung des Waffenrechts rufen. Alle schon im Urlaub?



Vermutlich suchen sie noch nach angemessenen Formulierungen. Als der "Jäger" noch aktuell war, hat eine Kommentatorin des Tagesspiegels schon mal vorgelegt. So könnte es gelingen:

Zitat
Waffen, aber keine Miete -?!

Wenn der Mann als Jäger mehrere Waffen besessen hat, war er vermutlich eher nicht arm. Aber auch Armut entschuldigt keine Gewalt.

Wichtiger ist, dass mal wieder ein Waffennarr zum Mörder wurde.
Jeder Waffenbesitzer ist ein potenzieller Mörder.

Wieviele unschuldige Menschen müssen noch von "Sportschützen", "Jäger" und andere Menschen, die ihre Agressionen durch Schußwaffen ausleben, ermordet werden, bevor ein totales Waffenverbot in Deutschland erlassen wird?

Waffen gehören nicht in Privatbesitz. Aber die Waffennarren müssen wahrscheinlich erst halb Deutschland umbringen (oder vielleicht ein Kind eines einflussreichen Politiker -?), bevor diese Erkenntnis in der Polik zu Konsequenzen führt.

Die Opfer des "Jägers" sind vor allem Opfer der Politik, die sich den Waffenlobbyisten an der Nase herumführen lässt.

Und nicht zuletzt: Wer Tiere tötet oder quält (ob als Jäer oer sonstwie) tötet irgendwann auch Menschen.

Der kanadische Kannibale, der gerade in Berlin war, hat zuvor auch Tiere gequält und getötet.

Jäger sind eine Gefahr für die Gesellschaft. Nichts anderes.



http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/p...rt/6831966.html

1A-Argumentationskette, wenn auch etwas vorhersehbar.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

06.07.2012 10:08
#16 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Zitat von Faber im Beitrag #15
Als der "Jäger" noch aktuell war,


Laut einem aktuellen Artikel in der FAZ, meinen die Nachbarn der Täter sei Jäger gewesen. Da der Täter französischer Staatsbürger war, ist noch unklar ob er eventuell in Frankreich legal zu den Waffen kam.
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/...u-11811057.html

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

06.07.2012 16:40
#17 RE: Jäger und Verbrechen Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #6
Aber etwas Anderes: Ich merke oft, daß ich die Resonanz auf Artikel völlig falsch einschätze.

Diesen zum Beispiel halte ich für wichtig und auch ganz gut gelungen. Die Frage, wo eigentlich unsere Faszination am Verbrechen herkommt, obwohl wir es doch alle verabscheuen, finde ich spannend.

Die Resonanz ist minimal. Anderes, was ich schreibe, ist eher belanglos und löst doch große Diskussionen aus.

Die guten Artikel in ZR werden oft kaum gelesen und kommentiert; und an Belanglosigkeiten entzünden sich lange Dehbatten.

Merkwürdig, nicht?

So merkwürdig finde ich das nicht. Je ausgefeilter ein Artikel ist, desto weniger Diskussionsbedarf besteht. Einen Brockhauseintrag diskutiere ich ja auch nicht, während sich an der Wikipedia endlose Diskussionen entzünden können.

Was nun diesen speziellen Artikel angeht, so habe ich ihn jetzt sogar zum zweiten Mal gelesen. Nur geht mir halt jede "Faszination für das Verbrechen" komplett ab. Ich nehme es zur Kenntnis, finde aber meist, dass das öffentliche Interesse an Verbrechen irgendwie übertrieben ist. Motto: "Es wird alles immer schlimmer!", die Schlagzeilen immer größer. Meist geht das aber an mir vorbei, und verstehe weder die Neugier daran, noch sehe ich irgendeine Art der Katharsis.

Was ich allerdings irgendwo nachvollziehen kann, ist die Auswirkung auf die Hirnchemie.

Ich lese z.B. gerade die Tagebücher der Henker von Paris (auf dem Kindle). Das Verbrechen an sich ist dabei nicht so "erregend", wohl aber die geplanten Grausamkeiten, die Menschen anderen Menschen anzutun in der Lage sind. Da stellt sich dann allerdings ein "Schauder" ein, allerdings kein "wohliger". Trotzdem komme ich nicht umhin zu sagen, dass vom geplanten Quälen und Töten eine gewisse Faszination ausgeht. Da kriecht durchaus eine Gänsehaut über den Nacken und die Kehle schnürt sich zu. Wahrscheinlich fangen da die Spiegelneuronen an, erschreckt zu flattern.

Bei Verbrechen ist das (bei mir zumindest) kaum der Fall. Vielleicht liest das daran interessierte Publikum eher Bild-online, und kommt gar nicht auf die Idee sich zu den eventuellen Hintergründen des eigenen Interesses in ZR zu informieren?

Beste Grüße, Calimero

----------------------------------------------------
Calimeros Rumpelkammer - Ein Raum für freie Rede und Gedanken, mittendrin im Irrenhaus.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

06.07.2012 17:01
#18 RE: Jäger und Verbrechen Antworten

Zitat von Calimero im Beitrag #17
So merkwürdig finde ich das nicht. Je ausgefeilter ein Artikel ist, desto weniger Diskussionsbedarf besteht. Einen Brockhauseintrag diskutiere ich ja auch nicht, während sich an der Wikipedia endlose Diskussionen entzünden können.

Vielen Dank für diese Antwort!
Denn genau das dachte ich mir auch bei Lektüre von Zettels Beitrag, habe es aber nicht so schön auf den Punkt bringen können.

Es gibt einfach sehr viele sehr gute Artikel, die lese ich einfach, und stimme ihnen voll zu. Oder habe etwas gelernt und freue mich drüber. In beiden Fällen ohne jede Notwendigkeit, im Forum selber etwas dazu zu schreiben.
In Facebook würde ich den "Like"-Button drücken, der fehlt hier halt.

Und ich stimme auch im konkreten Fall zu: Mich fasziniert Verbrechen fast überhaupt nicht. Ich lese gerne mal einen guten Krimi - aber das ist etwas völlig Anderes, da geht es mir ums Rätsellösen.
Aber so eine sinnlose Bluttat wie in Karlsruhe? Will ich gar nicht genau wissen, so etwas überblättere ich auch in der Zeitung.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

06.07.2012 20:13
#19 RE: Die Balance in ZR Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #12
Zitat von Hausmann im Beitrag #10
Ganz nebenbei werden Ihre interessanten Analysen konsumiert! Von Intellektuellen halt.
Schön wär's, lieber Hausmann.

Sie werden aber eben nur in geringer Zahl konsumiert.

Der Artikel "Faszination des Verbrechens" wurde von im Augenblick genau 600 Lesern aufgerufen. Er war gut; lesenswert. Ich habe mir damit Mühe gegeben und bin überzeugt, daß er einer meiner besseren ist.

Ein belangloser, wirklich schlichter Artikel, wie der über das Singen der Nationalhymne, wurde von 2.832 Leuten gelesen.

Da stimmt doch etwas nicht. Ich frage mich, ob ZR nicht vielleicht die falschen Leser hat.

Herzlich, Zettel


Lieber Zettel,

Sie wollen doch nicht Ihre Leser entlassen und neue wählen?

Das Thema Faszination Verbrechen hat vielleicht zu wenig Aufregepotenzial. Es ist interessant, empört aber nicht. Beschneidung, Rauchen und Rauchverbote, Urheberrecht, Schuldenkrise und Hymnenverweigerung brennen einem konservativ-liberalen Publikum wohl mehr auf den Fingern.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

07.07.2012 09:55
#20 RE: Die Balance in ZR Antworten

Lieber Zettel,
habe mir gerade noch einmal die Kommentare zu Ihrem Artikel, der, für Sie enttäuschend, so wenig Aufmerksamkeit in der "Zettelgemeinde" gefunden hat.
Aufgefallen ist mir, dass die meisten Kommentare, mich eingeschlossen, sich nicht mit dem Anliegen Ihres Artikels befasst haben, sondern mit Randthemen.
Zum Einen scheint das Interesse am Thema nicht so groß zu sein. Zum anderne gab es auch sehr wenig Wortmeldungen.

Vermutlich geht es den Anderen genauso wie mir.
Über die Ursachen dieser Faszination tappe ich völlig im Dunkeln und halte deshalb Ihre Ausführungen für schlüssig. Zumindest fällt mir nichts anderes gescheites ein.
Falls jemand selber dieser Faszination erlegen ist, wäre er gezwungen über sich selber und die Ursachen nachzudenken.Möchte man darüber schreiben, zumal dieses Interesse vielleicht unterschwellig auch als zumindest Grenzwertig empfunden wird?
Wenn man aber diese Berichterstattung eher als nicht angebracht empfindet, was soll man dann über die Ursachen schreiben?

Das ist mir gerade zum "Thema" eingefallen. Nicht zu Ihrem Thema, Ihrem Anliegen, sondern zu meinem.

Inzwischen ist die "Karavane weiter gezogen".
Ich vermute mal Sinn und der Euro werden mehr Zuspruch finden?

Paul Offline




Beiträge: 1.285

07.07.2012 10:22
#21 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #3
Wie erklären Sie denn, lieber Paul, daß das Verbrechen ein Hauptthema der Mythologie ist? Waren auch diese alten Kulturen schon krank?



Lieber Zettel, habe noch einmal darüber nachgedacht.
Weil es alte Kulturen sind, müssen sie nicht zwangsläufig gesund gewesen sein.
Oder trifft es zu, dass, wenn Alle so sind, es nicht mehr krank, sondern normal also gesund ist?
Mein Eindruck, vielleicht war man früher insgesamt gewalttätitger als heute? War eher bereit Meinungsverschiedenheiten gewaltsam auszutragen? Obwohl, wenn ich es mir richtig überlege, ist es heute nicht viel anders.
Ist diese Bereitschaft gewalttätig zu sein Teil der menschlichen Natur? Geboren aus dem Überlebenskampf in Urzeiten und heute noch, wie auch andere Eigenschaften von Urzeiten her in unseren Genen fest verankert. Das Streben nach Eigennutz, neben dem Sexualtrieb, der stärkste Trieb des Menschen, kann auch die Ursache für die Faszination am Verbrechen sein?
Ein "rätselhaftes Faszinosium" wie es ein Bundestagspräsident, bezogen auf den Nationalsozialismus nannte und dafür heftitg gescholten wurde.
Auch das die gleiche Wurzel?

Ich weiß es nicht. Aber es lohnt sich schon, darüber nachzudenken.

Entweder sind die Menschen alle krank oder es ist gesund so zu handeln, weil es das Überleben sichert?

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

07.07.2012 11:49
#22 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Zitat von http://zettelsraum.blogspot.de/2012/07/f...s-wo-kommt.html
Am wissenschaftlich wackligsten ist die Katharsis-Erklärung. Daß unerwartete, seltene Ereignissen Neugier­verhalten als eine elementaren biologische Reaktion auslösen und daß auch Furcht und Schrecken mit der Ausschüttung von Endorphinen (und auch Adrenalin) einhergehen, ist hingegen gut belegt.


Die Kartharsis-Erklärung wird dennoch durch die zwei gut belegten Hypothesen gestützt.
Die Freisetzung von Glückshormonen bewirkt ja die Abfuhr des "eingeklemmten Affekts" der durch Angst festgehalten wird. Somit ist das Interesse für etwas was man nie erleben will, eine Art Probelauf, eine Vorbereitung auf das Eventuelle um einem Schock und der daraus folgenden Handlungsunfähigkeit vorzubeugen. Nebenbei bemerkt ist es auch meine Theorie für die Liebe zu Kriminalromanen, vor allem bei Frauen. Männer neigen wohl eher dazu, Dinge einfach auf sich zukommen zu lassen.
Die Neugier geht damit konform, denn sie verschafft uns erst den Zugang zu diesen Probeläufen. Ohne die Neugier hätten man gar nicht die Chance der gedanklichen Vorbereitung auf Situationen, mit welchen man im realen Leben nichts zu tun haben will.
Auch erlernt man u.U. noch rationale Reaktionen auf ungewollte Umstände und kann Affekthandlungen, welche im Nachhinein bitter bereut werden, vorbeugen, da man eine ähnliche Situation gedanklich bereits "erlebt" hatte. Das wäre dann die Reinigung.
Vielen Dank, lieber Zettel, für den Beitrag. Ohne die Neugier auf ihre Beiträge in ZR würde mir manche Erkenntnis verborgen bleiben.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.07.2012 12:41
#23 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #22
Die Neugier geht damit konform, denn sie verschafft uns erst den Zugang zu diesen Probeläufen. Ohne die Neugier hätten man gar nicht die Chance der gedanklichen Vorbereitung auf Situationen, mit welchen man im realen Leben nichts zu tun haben will.
Ein interessanter Gedanke, der auch evolutionsbiologisch Sinn machen würde.

Das Problem ist aus meiner Sicht, daß Angst und Erschrecken ja negative Affekte sind. Wir vermeiden sie in der Realität. Warum suchen wir sie in der Fiktion?

Auch bei Angst und Erschrecken in realen Situationen werden Endorphine und wird Adrenalin ausgeschüttet. Die Balance zwischen dem positiven und dem negativen Affekt scheint aber in den beiden Fällen verschieden zu sein.

Calimero hat in diesem Thread eine hübsche Formulierung gefunden: "Wahrscheinlich fangen da die Spiegelneuronen an, erschreckt zu flattern". Das sind Neuronen u.a. im prämotorischen Kortex, die eigentlich an der Bewegungssteuerung beteiligt sind, die aber auch feuern, wenn das Versuchstier die betreffende Bewegung nur sieht. Inzwischen weiß gibt es Hinweise, daß es solche Neuronen auch für Emotionen zuständigen Limbischen System gibt.

Solche Mechanismen, deren Erforschung noch in den Anfängen steckt, könnten die Grundlage dafür sein, daß wir beim Betrachten von Krimis usw. "mitgehen". Die Katharsis-Theprie besagt nun, daß dies zB Aggressionen vermindert, weil sie dabei zur "Abfuhr" gelangen. Das ist, soweit ich orientiert bin, kaum belegt.

Freud selbst hat übrigens die Theorie vom eingeklemmten Affekt (die eigentlich von Breuer entwickelt worden war) aus verschiedenen Gründen bald fallengelassen. In der Psychonalyse, so wie er sie später entwickelte, soll der Patient lernen, seine verdrängten Regungen zu beherrschen (sie unter die Kontrolle des Ich zu bringen), nicht sie zur "Abfuhr" bringen.

Über Freud habe ich in ZR imme einmal wieder geschrieben, manches "unvollendet". Siehe zum Beispiel hier und hier.

Herzliche Grüße,

Ihr Zettel

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

07.07.2012 14:35
#24 RE: Faszination Verbrechen Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #23

Das Problem ist aus meiner Sicht, daß Angst und Erschrecken ja negative Affekte sind. Wir vermeiden sie in der Realität. Warum suchen wir sie in der Fiktion?

Also nicht jeder meidet Erschrecken und Angst, gerade wegen des Erlebnisses der Ausschüttung von Endorphinen. Warum fährt man mit hoher Geschwindigkeit auf Skiern einen Abhang hinunter? Hat ein Freeclimber keine Angst vor dem Tod? Hat er, aber sie wird umgewandelt in Endorphine. Im Zusammenhang mit dem Flow Effekt habe ich mal gelesen, dass nach einer Situation in der man dem Tod von der Schippe sprang, die Bewältigung einer ähnlich gefährlichen Situation Endorphine freisetzt. Da ich auch Extremsportarten (z.B. Wrack-und Höhlentauchen, Skifahren) betreibe, kann ich diese Effekte aus eigenem Erleben bestätigen.
Zitat von Zettel im Beitrag #23
Auch bei Angst und Erschrecken in realen Situationen werden Endorphine und wird Adrenalin ausgeschüttet. Die Balance zwischen dem positiven und dem negativen Affekt scheint aber in den beiden Fällen verschieden zu sein.

Die Balance wird durch die Glückshormone m.E. erst geschaffen. Beim erstmaligen Erleben einer sehr gefährlichen Situation geht es nur darum, die sich anbahnende Panik und Irrationalität abzuwehren. Da ist erst mal nichts Positives. Hat man aber die Lage im Griff und sich selbst unter Kontrolle, beginnt man die Grenze auszuloten, weil jetzt bekannt ist wie sich die Grenze des eigenen Limits anfühlt.
Wenn man jung und risikofreudig genug ist, rast man dann auf einen Kicker zu und dreht Pirouetten in 15 Meter Höhe oder löst eine Schneelawine aus, um vor ihr davonzufahren.
Zitat von Zettel im Beitrag #23
Calimero hat in diesem Thread eine hübsche Formulierung gefunden: "Wahrscheinlich fangen da die Spiegelneuronen an, erschreckt zu flattern". Das sind Neuronen u.a. im prämotorischen Kortex, die eigentlich an der Bewegungssteuerung beteiligt sind, die aber auch feuern, wenn das Versuchstier die betreffende Bewegung nur sieht. Inzwischen weiß gibt es Hinweise, daß es solche Neuronen auch für Emotionen zuständigen Limbischen System gibt.

Als die ersten 3D Filme in den IMAX Kinos gezeigt wurden, war auch ein Achterbahnfilm darunter; nicht wenigen ist beim Anschauen dieses Films schlecht geworden.
Zitat von Zettel im Beitrag #23
Solche Mechanismen, deren Erforschung noch in den Anfängen steckt, könnten die Grundlage dafür sein, daß wir beim Betrachten von Krimis usw. "mitgehen". Die Katharsis-Theprie besagt nun, daß dies zB Aggressionen vermindert, weil sie dabei zur "Abfuhr" gelangen. Das ist, soweit ich orientiert bin, kaum belegt.

Ja so ist das eben mit Freud: Hört sich gut an, lässt sich sogar aus eigenem Erleben nachvollziehen - nur belegen kann man es nicht. Aber wer weiß...
Zitat von Zettel im Beitrag #23
Freud selbst hat übrigens die Theorie vom eingeklemmten Affekt (die eigentlich von Breuer entwickelt worden war) aus verschiedenen Gründen bald fallengelassen. In der Psychonalyse, so wie er sie später entwickelte, soll der Patient lernen, seine verdrängten Regungen zu beherrschen (sie unter die Kontrolle des Ich zu bringen), nicht sie zur "Abfuhr" bringen.

Genau, wie ich es oben versuchte zu beschreiben. Das Managen der aufkommenden Panik. Stoppen. Denken. Handeln. Alles nur graue Theorie, wenn man es nicht selbst einmal anwenden musste.
Und erfolgreich war.

Viele Grüße, Erling Plaethe

 Sprung  



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