Als Ankündigung dieses Artikels hier Goethes "Zauberlehrling", geschrieben im Jahr 1797, in dem Goethe und Schiller einen kleinen Wettstreit austrugen, wer die schönsten Balladen schreibt:
Der Zauberlehrling
Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben! Und nun sollen seine Geister auch nach meinem Willen leben. Seine Wort und Werke merkt ich und den Brauch, und mit Geistesstärke tu ich Wunder auch.
Walle! walle Manche Strecke, daß, zum Zwecke, Wasser fließe und mit reichem, vollem Schwalle zu dem Bade sich ergieße.
Und nun komm, du alter Besen! Nimm die schlechten Lumpenhüllen; bist schon lange Knecht gewesen: nun erfülle meinen Willen! Auf zwei Beinen stehe, oben sei ein Kopf, eile nun und gehe mit dem Wassertopf!
Walle! walle manche Strecke, daß, zum Zwecke, Wasser fließe und mit reichem, vollem Schwalle zu dem Bade sich ergieße.
Seht, er läuft zum Ufer nieder, Wahrlich! ist schon an dem Flusse, und mit Blitzesschnelle wieder ist er hier mit raschem Gusse. Schon zum zweiten Male! Wie das Becken schwillt! Wie sich jede Schale voll mit Wasser füllt!
Stehe! stehe! denn wir haben deiner Gaben vollgemessen! - Ach, ich merk es! Wehe! wehe! Hab ich doch das Wort vergessen!
Ach, das Wort, worauf am Ende er das wird, was er gewesen. Ach, er läuft und bringt behende! Wärst du doch der alte Besen! Immer neue Güsse bringt er schnell herein, Ach! und hundert Flüsse stürzen auf mich ein.
Nein, nicht länger kann ichs lassen; will ihn fassen. Das ist Tücke! Ach! nun wird mir immer bänger! Welche Mine! welche Blicke!
O du Ausgeburt der Hölle! Soll das ganze Haus ersaufen? Seh ich über jede Schwelle doch schon Wasserströme laufen. Ein verruchter Besen, der nicht hören will! Stock, der du gewesen, steh doch wieder still!
Willst am Ende gar nicht lassen? Will dich fassen, will dich halten und das alte Holz behende mit dem scharfen Beile spalten.
Seht da kommt er schleppend wieder! Wie ich mich nur auf dich werfe, gleich, o Kobold, liegst du nieder; krachend trifft die glatte Schärfe. Wahrlich, brav getroffen! Seht, er ist entzwei! Und nun kann ich hoffen, und ich atme frei!
Wehe! wehe! Beide Teile stehn in Eile schon als Knechte völlig fertig in die Höhe! Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
Und sie laufen! Naß und nässer wirds im Saal und auf den Stufen. Welch entsetzliches Gewässer! Herr und Meister! hör mich rufen! - Ach, da kommt der Meister! Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.
"In die Ecke, Besen, Besen! Seids gewesen. Denn als Geister ruft euch nur zu diesem Zwecke, erst hervor der alte Meister."
Ich fand den Artikel von Sarrazin auch sehr lesenswert und kann den "Lese-Befehl" nur wiederholen.
Im Detail fand ich allerdings nicht jedes Detail überzeugend.
Zitat Den Nachweis, daß eine Einheitswährung nicht unbedingt Frieden bedeutet und daß getrennte Währungen selbstverständlich nicht Krieg bedeuten müssen. Daß das so ist, liegt auf der Hand.
Das ist sicher richtig und S. bringt gute historische Beispiele. Das bedeutet allerdings NICHT, dass eine Abschaffung des Euro nicht zu großen politischen Verwerfungen in Europa führen könnte. Irgendwo habe ich mal folgende Metapher gelesen: Der Euro ist wie eine Heirat. Ein Paar kann wunderbar auch ohne Heirat zusammenleben. Wenn es aber einmal geheiratet hat, dann kann es nicht mehr in den Vor-Ehe-Zustand zurück. Wenn es sich scheiden lässt, dann ist es nicht denkbar, dass es weiter genauso zusammen leben kann, als ob es nie geheiratet hätte.
Zitat Sechzig Prozent der Bürger Europas zahlen nicht mit dem Euro, und jene EU-Länder, die am Euro nicht teilnehmen, haben sich, gemessen an Wirtschaftswachstum und Beschäftigung, seit Beginn der gemeinsamen Währung durchschnittlich besser entwickelt als der Euroraum.
Das mag so sein. Allerdings ist es ein etwas unfairer Vergleich. Außerhalb des Euro-Raums ist ganz Osteuropa. Und dass die Wachstumsraten in dieser Region höher ist, ist erst einmal nicht verwunderlich (Stichworte: Nachholbedarf, Basiseffekt, "low hanging fruit").
Zumindest einmal kann man aber wohl dennoch sagen, dass der Euro kein besonderer Wachstumstreiber war. Und dass er das Potenzial hat, in Zukunft ein richtiger Wachstumsvernichter zu werden.
Zitat von Florian im Beitrag #2Irgendwo habe ich mal folgende Metapher gelesen: Der Euro ist wie eine Heirat. Ein Paar kann wunderbar auch ohne Heirat zusammenleben. Wenn es aber einmal geheiratet hat, dann kann es nicht mehr in den Vor-Ehe-Zustand zurück. Wenn es sich scheiden lässt, dann ist es nicht denkbar, dass es weiter genauso zusammen leben kann, als ob es nie geheiratet hätte.
Ich kenne Leute, die haben erst nach der Scheidung gemerkt, was sie (im positiven Sinne) aneinander hatten. Richtig ist, dass man die Ehe nicht ungeschehen machen kann. Aber wer vernünftig ist und sowieso weiterhin nebeneinander wohnen muss, kann auch nach einer Scheidung einen neuen Anfang machen. In welcher Weise auch immer …
Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Der Artikel von Sarrazin beschreibt die Lage richtig, formuliert aber auch nur das, was die liberale Blogosphäre schon seit über einem Jahr predigt. Inklusive der Gewissheit, dass ein echter Souveränitätsverzicht mit Frankreich nicht zu machen ist. Weswegen ja auch alles auf einen halben hinausläuft - nur da, wo sich Frankreich und seine Schutzbefohlenen Vorteile versprechen.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von Zettel im Beitrag #1 Seht da kommt er schleppend wieder! Wie ich mich nur auf dich werfe, gleich, o Kobold, liegst du nieder; krachend trifft die glatte Schärfe. Wahrlich, brav getroffen! Seht, er ist entzwei! Und nun kann ich hoffen, und ich atme frei!
Wehe! wehe! Beide Teile stehn in Eile schon als Knechte völlig fertig in die Höhe! Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!
Das ist sie, die Alternative Bundestaat. Die Dinge in Europa fürchte ich, werden eher durch unausweichliche ökonomische Realitäten vom Kopf auf die Füße gestellt. Mir gefällt der Artikel von Thilo Sarrazin sehr gut, nur frag ich mich: Wie soll denn solch ein europäischer Bundesstaat aussehen, ohne Förderalismus welchen Wolfgang Schäuble ablehnt? Und wie der Bund? Worin bestünde der Unterschied zwischen ihm und den Landesregierungen? Das ist ein Spiel mit dem Feuer, bei dem der Eine meint den Anderen in die Tasche stecken zu können. Genau das ging beim Euro schief - wie von Sarrazin beschrieben. Es gibt keine originär europäische Bundespolitik und kaum jemanden welcher sie vertreten könnte, weil jeder sein Land vertritt. Es gibt keinen europäischen Souverän der dem Bund die Legitimation geben könnte. Und es gibt keine Verfassung, ihr Entwurf wurde abgelehnt, von einem Souverän der kein europäischer sein will.
Wird es dennoch versucht, muss das nicht das Ende der Währungsunion sein, weil, wie bei ihrer Einführung, auch der Installierung eines Bundesstaates gelassen entgegengesehen werden kann. Neben Lippenbekenntnissen wird man Einigkeit erzielen genügend Türen offen zu halten, um es nicht zu übertreiben mit der Souveränitätsabgabe - Hauptsache es sieht so aus als ob, damit die Landesparlamente zustimmen. Eine Volksbefragung gibt es bestimmt kein zweites mal. Aus diesem "Fehler" wurden die Lehren gezogen. Auch die Verträge für einen europäischen Bundesstaat werden nicht mehr wert sein, als die von Maastricht.
Tatsache bliebt aber vorerst, daß wir uns in einem Rechtsraum bewegen, der die Scheidung (bzw. den Austritt aus dem Euro, die Auflösung von wahlweise Euro oder EU) nicht vorsieht - so wie es vor 1995 beispielsweise in Irland der Fall war.
Zitat _____ Ab den 1960ern stieg die Zahl der Trennungen massiv an, so dass 1986 die Regierung Scheidung legalisieren wollte – und prompt wurde dieser Plan in einem Volksentscheid zunichte gemacht. Zwar wurde 1989 das Trennungsrecht liberalisiert, eine Scheidung und Wiederheirat war dennoch unmöglich.
Erst im November 1995 gelang eine zweite Volksabstimmung zum Thema Scheidung. Mit 50,25% dafür und 49,75% dagegen wurde Scheidung in Irland endlich eingeführt. _____
Trennung von Tisch-&-Bett gab es natürlich stets, auch Kebsverhältnisse - aber Wiederverheiratung bleibt außen vor & Erbstreitigkeiten werden lustig. Nb. befallen die ecclesia catholica in diesem schattigen Bereich ja auch noch Bedenken. (Frei nach dem Motto "Die Ehe ist unauflöslich, damit die Betreffenden für die Dummheit bestraft werden, gerade einander geheiratet zu haben").
Zitat Trennung von Tisch-&-Bett gab es natürlich stets, auch Kebsverhältnisse - aber Wiederverheiratung bleibt außen vor
Mehr als ersteres will man ja auch nicht unbedingt - jedenfalls nicht in Sachen Euro. Und die Wiederheirat mit anderen(!) steht wohl auch nicht auf der Liste der Möglichkeiten. Die Schweiz wird uns nicht wollen
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #5[quote="Zettel"|p76070] Das ist sie, die Alternative Bundestaat.
Sarazin glaubt wohl nicht an diese Alternative, die Alternative ist aber die einzige Verhandlungsposition gegenüber Frankreich. Wenn sie nicht glaubwürdig vertreten und durchgestanden wird, ist Deutschland über den Tisch gezogen. Man kann nicht verhandeln, wenn man nicht wirklich entschlossen ist, Konsequenzen zu ziehen, und notfalls beispielsweise aus dem Euro auszutreten. Sonst macht Merkel den Seehofer.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #5Das ist sie, die Alternative Bundestaat.
Sarazin glaubt wohl nicht an diese Alternative, die Alternative ist aber die einzige Verhandlungsposition gegenüber Frankreich. Wenn sie nicht glaubwürdig vertreten und durchgestanden wird, ist Deutschland über den Tisch gezogen. Man kann nicht verhandeln, wenn man nicht wirklich entschlossen ist, Konsequenzen zu ziehen, und notfalls beispielsweise aus dem Euro auszutreten.
Das ist ja das Schlitzohrige an Sarrazins Vorschlag (den er nur besser der Kanzlerin im Vertrauen hätte darlegen sollen; sollte sie denn ein Ohr für ihn haben):
Die Logik, der ja Franzosen nicht völlig verschlossen sind, verlangt es, entweder nach vorn zu gehen mit dem Ziel eines Bundesstaats, oder zurück zu gehen und den Euro wieder aufzugeben.
Sarrazin rät nun der Regierung, diese Alternative in Brüssel auf den Tisch zu legen, zusammen mit einem ausgearbeiteten Plan für einen Bundesstaat. Frankreich wird das ablehnen; schon gar unter dem Nationalisten Hollande. Damit ist der Weg frei für das Zurück.
Dieses einfach zu fordern geht nicht. Kritiker können sich eine solche Forderung leisten, aber eine Regierung nicht.
Wer klug verhandelt, der fordert nicht das, was er erreichen will. Sondern er sorgt dafür, daß eine Situation entsteht, in der andere es fordern, weil es für sie keine bessere Alternative mehr gibt.
Würde Deutschland zugleich mit der Bereitschaft, einen Bundesstaat zu akzeptieren, weitere Transfers unter den jetzigen Bedingungen verweigern, dann wäre es in einer optimalen Verhandlungssituation.
Nur eben - so etwas schreibt man doch zuvor nicht in der Zeitung.
Zitat von Zettel im Beitrag #9 Nur eben - so etwas schreibt man doch zuvor nicht in der Zeitung.
Wie schon in diesem Forum konstatiert, ist "Sarrazin" das gegenwärtige "anathema sit". Wie könnte Frau Merkel da riskieren, daß ein Vorschlag bis zu ihm zurückverfolgt werden könnte? Das ist, als würde der Babst in den Untergeschossen des Vatikans schwarze Messen celebrieren.
P.S.: Zumal Sarrazin ihr in der Kombination aus Schachspiel & Pokern, die man "Diplomatie" heißt, nicht unbedingt die ELO-Punktzahl eines Großmeisters zuerkennen dürfte. http://de.wikipedia.org/wiki/Elo-Zahl
Ich habe mir den Film gerade zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder angeschaut und war wirklich beeindruckt. Mitten im 2. Weltkrieg produziert Disney da einen anspruchsvollen Trickfilm, basierend ausgerechnet auf einem deutschen Gedicht und mit wunderbarer abgestimmter Musikuntermalung. Wirklich hohe Kunst.
Zitat ________ Animation on The Sorcerer's Apprentice began on January 21, 1938 when James Algar, the director of the segment, assigned animator Preston Blair to work on the scene when Mickey Mouse wakes from his dream.[38] Each of the seven hundred members of staff at the time received a synopsis of the Goethe tale, and were encouraged to complete a twenty-question form that requested their ideas on what action might take place....Fishinger left the studio in apparent despair, before the segment was completed, in October 1939. ________ Kinostart in den USA: 16. November 1941 Kriegserklärung Deutschland an die USA: 11 Dezember 1941
Thomas Mann erwähnt übrigens einen Besuch bei den Dreharbeiten in seinem Tagebuch. Disney sei aus allen Wolken gefallen, als er, T.M., ihm offenbart habe, das beruhe auf einer ganz klassischen Ballade in der deutschen Literatur; womit T.M. mal wieder eine treffliche Bestätigung für die kulturelle Unbedarftheit der Amerikaner zuteil wurde.
Thomas Mann erwähnt übrigens einen Besuch bei den Dreharbeiten in seinem Tagebuch. Disney sei aus allen Wolken gefallen, als er, T.M., ihm offenbart habe, das beruhe auf einer ganz klassischen Ballade in der deutschen Literatur; womit T.M. mal wieder eine treffliche Bestätigung für die kulturelle Unbedarftheit der Amerikaner zuteil wurde.
Zeigt dies Unbedarftheit? Ist es nicht normal, sich mit seiner eigenen Kultur besser aus zu kennen als einer fremden Kultur? Muss man jedes klassische Werk aus Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Polen, Tschechien, den Niederlanden, u.s.w. kennen, auch wenn es in dem betroffenen Land tatsächlich relativ bekannt ist?
“Being right too soon is socially unacceptable.” ― Robert A. Heinlein
"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and those which are not."
Danke, ich weiß das Jungenfrauengeburt und Dogma der unbefleckten Empfängnis zwei grundverschiedene Dinge sind. Nur weil jemand einem Dogma nicht folgt, muss er es nicht unbedingt falsch verstanden haben, auch wenn es tatsächlich ein weit verbreitetes Missverständnis gibt.
Im Fall TM schon - aber eher seine: der war nun einmal in höchsteigener Person das inkarnierte Erbe der deutschen Literatur, und der franzöischen, der italienischen... des ganzen Kanons der Klassischen Bildung, und das ließ er alle, Leser besonders, am laufenden Band spüren (auch wenn da so Manches seitenweise aus dem Brockhaus abgeschrieben ist, wie die Cholerasymptome beim Senator Buddenbrooks; oder die Zwölftonelogen aus Adornos Briefen; ohne acknowledgement, und auch noch falsch, was Adorno besonders gefuchst hat), während die Amerikaner im Grunde in seinen Augen ungebildete Banausen waren; das zieht sich durchs Tagebuch, das taucht auch immer wieder in Berichten von Besuchern in Pacific Palisades auf (auch in dem der 14-jährigen Susan Sontag: Mann habe sich schlichtweg nicht vorstellen können, daß grüne college kids irgendwas mit dem Namen Balzac anfangen konnten): die Mischung aus Dünkel und Ahnungslosigkeit wird da stets sehr spitz vermerkt. Die Pointe A dabei ist, daß zu der Zeit an den Colleges und Unis der klassische Kanon noch flächendeckend galt; das wurde erst in den 60ern geschleift. Pointe B, daß Mann das in seinen besseren Momenten selbst bei sich sehr genau registiert (nicht nur im Tagebuch; viele seiner Gestalten verkörpern in unterschiedlichem Grad; da hat er ihnen viel von sich verliehen).
Zitat von Zettel im Beitrag #9 Nur eben - so etwas schreibt man doch zuvor nicht in der Zeitung.
Warum nicht? Was ändert das an der Sachlage? Kann Frankreich, wenn es denn dazu käme, sagen "Das hat der Sarrazin aber schonmal gesagt, bäh, alter Vorschlag, her mit der Bartwickelmaschine!"
Kann es nicht. Am Ende ist das die Alternative, für die sich jede Regierung entscheiden muss.
Zitat von Zettel Es ist eine Geschichte vom Primat der Politik über die Ökonomie und über das Recht.
Mit anderen Worten, die Welt als Wille und Vorstellung. Oder: Wenn ich Dich nicht sehe, siehst Du mich auch nicht. Oder: Die Theorie stimmt mit der Realität nicht überein. Umso schlimmer für die Realität.
Zitat Ja, und weiß Sarrazin denn einen Ausweg aus diesem Dilemma? In der Tat: Er nennt einen Ausweg; einen schlitzohrigen.
Aber in dem FAZ-Artikel stand ja „nur“ dies:
Zitat […] Alternativ könnte die Bundesregierung in Brüssel den Verfassungsentwurf für einen europäischen Bundesstaat auf den Tisch legen und diesen zur Voraussetzung für alle weiteren finanziellen Bindungen im Rahmen der Währungsunion machen. Damit würde die Debatte wieder vom Kopf auf die Füße gestellt […]. Vor die Wahl gestellt, entweder die nationale Souveränität oder den Euro aufzugeben, würde Frankreich sich ohne Zögern für das Letztere entscheiden.[…]
Da Herr Sarrazin mit seinem Vergleich des Zauberlehrlings schon das Thema „Überirdische Mächte“ vorgegeben hat, würde ich als weitere, vielleicht bessere Analogie an ein altes englisches Sprichwort erinnern wollen:
Zitat He who sups with the devil should have a long spoon.
Denn es gab schon einmal ein europäisches Staatenbündnis, indem es ein französisches Département Mont-Tonnerre, ein Rhin-et-Moselle oder ein Ems-Supérieur gegeben hat… Die Franzosen hätten also Anknüpfungspunkte… Wie gesagt, es ist ein altes englisches Sprichwort. Und die Engländer kennen die Welt. Und vor allem kennen sie auch die Franzosen. Aber was weiß der Deutsche Michel..? Übrigens:
Zitat Es ist eine Geschichte vom Primat der Politik über die Ökonomie und über das Recht.
Das ist eben das Prinzip der Weltgeschichte. Leider.
Es geht in diesem Thread ja auch um Vorschläge und um etwas neues, dass noch nicht durch die Blogossphäre abgehandelt wurde. Kann sein mir ist es entgangen und er ist nicht neu, aber dieser Vorschlag von Jürgen Koppelin kommt ganz ohne Erpressung und über-den-Tisch-ziehen aus. Er kehrt zurück zum Wettbewerb der Währungen und trennt Währung und das Streben nach einer Politischen Union.
Zitat von Welt OnlineJürgen Koppelin, FDP-Obmann im Haushaltsausschuss des Bundestages, will die D-Mark wieder einführen – und den Euro als Exportwährung behalten. Auch die Griechen könnten ihre Drachme zurückbekommen.
Zitat von Krischan im Beitrag #16Die Theorie stimmt mit der Realität nicht überein. Umso schlimmer für die Realität.
Dieses Zitat hatte ich bisher Einstein zugeordnet, wo irgendwelche Messungen (scheinbar) der Relativitätstheorie widersprachen. Wissen Sie genaueres? mfG
nein, bis eben wusste ich das auch nicht. Aber die Wunder des weltweiten Netzes weisen den Weg…
Zitat >>[…] Hegels im Frühjahr und Sommer 1801 ausgearbeitete Dissertation, die im Oktober 1801 eingereicht wurde, gehört zu den philosophischen Arbeiten, die zu Missverständnissen zwischen Philosophen und Astronomen geführt hatten. Besonders eine knappe aussage am Schluss der Arbeit hatte unter Astronomen einen Sturm der Entrüstung ausgelösst und den sogenannten "Hegelschen Dialog" initiiert, „der aus der Sicht der Astronomen die Problematik umreißt: ‚Es gibt nur sieben Planeten.‘ ‚Dem widersprechen die Tatsachen.‘ ‚Um so schlimmer für die Tatsachen.‘“ [223] <<
Aus: Petra Werner, 2004: „Himmel und Erde: Alexander von Humboldt und sein Kosmos“, S.149. Die Quelle [223] ist: Dieter B. Herrmann, 1992: „Hegels Dissertation und die Siebenzahl der Planeten.", S.688-691.
Da müßte man das Zitat dann finden. Der alte Hegel war’s also. Der Schlawiner...
EDIT: Ich sehe gerade in der "threaded"-Ansicht, dass die Frage ja gar nicht an mich gerichtet war... Das hat man nun davon, wenn man sich solch einen "sprechenden" Nickname aussucht... Ich bitte um Entschuldigung!
Zum Thema "Primat der Politik über die Ökonomie" empfiehlt sich auch diese aktuelle Rede des tschechischen Staatspräsidenten und klassischen Liberalen Vaclav Klaus bei einer Konferenz in Stresa:
Klaus argumentiert hier im wahrsten Sinne des Wortes revolutionär (oder auf neudeutsch vielleicht: ultra-sarrazinesk )
Zitat The way of thinking (of EU decision makers) was evidently based on an almost communist type of reasoning: economic laws do not exist, politics may dictate economics. Some of us have been very sensitive to this for a very long time. People like me were raised in an era when such a mode of thinking was dominant in our countries of Central and Eastern Europe. Some of us dared to express our disagreement with it already in the past. We were considered enemies then, we are considered enemies now.
Europe should forget it, because there is time for a fundamental decision: should we continue believing in the dogma that politics can dictate economics and continue defending the common currency at whatever costs or should we finally accept that we have to return to economic rationality?
The answer to such a question given by the overwhelming majority of European politicians has been until now YES, we should continue. Our task is to tell them that the consequences of such a policy will be higher and higher costs for all of us. At one moment, these costs will become intolerable and unbearable.
We should say NO. The European politicians should be forced to admit that we find ourselves in a blind alley and that in such a case the only possible way out is the way back.
Such a decision can’t be made at one EU summit or another. It asks for a fundamental transformation of our thinking and of our behaviour. Europe has to undertake a systemic change, something we did 20 years ago in our part of Europe. Coming to such a decision needs a genuine political process, not the approval of a document prepared behind closed doors by a group of EU bureaucrats.
Aus deutscher Konsenssicht ist die ganze Rede eine Aneinanderreihung von politischen Blasphemien. Für viele Deutsche dürfte es eine schockierende Information sein, dass es derartiges Denken in Europa überhaupt gibt.
Zitat von Juno im Beitrag #22Zum Thema "Primat der Politik über die Ökonomie" empfiehlt sich auch diese aktuelle Rede des tschechischen Staatspräsidenten und klassischen Liberalen Vaclav Klaus bei einer Konferenz in Stresa:
Klaus argumentiert hier im wahrsten Sinne des Wortes revolutionär (oder auf neudeutsch vielleicht: ultra-sarrazinesk )
Zitat The way of thinking (of EU decision makers) was evidently based on an almost communist type of reasoning: economic laws do not exist, politics may dictate economics. Some of us have been very sensitive to this for a very long time. People like me were raised in an era when such a mode of thinking was dominant in our countries of Central and Eastern Europe. Some of us dared to express our disagreement with it already in the past. We were considered enemies then, we are considered enemies now.
Europe should forget it, because there is time for a fundamental decision: should we continue believing in the dogma that politics can dictate economics and continue defending the common currency at whatever costs or should we finally accept that we have to return to economic rationality?
The answer to such a question given by the overwhelming majority of European politicians has been until now YES, we should continue. Our task is to tell them that the consequences of such a policy will be higher and higher costs for all of us. At one moment, these costs will become intolerable and unbearable.
We should say NO. The European politicians should be forced to admit that we find ourselves in a blind alley and that in such a case the only possible way out is the way back.
Such a decision can’t be made at one EU summit or another. It asks for a fundamental transformation of our thinking and of our behaviour. Europe has to undertake a systemic change, something we did 20 years ago in our part of Europe. Coming to such a decision needs a genuine political process, not the approval of a document prepared behind closed doors by a group of EU bureaucrats.
Aus deutscher Konsenssicht ist die ganze Rede eine Aneinanderreihung von politischen Blasphemien. Für viele Deutsche dürfte es eine schockierende Information sein, dass es derartiges Denken in Europa überhaupt gibt.
Legendär auch Klaus' Auftritt im Europaparlament vor 3 Jahren, in dem die Sozialisten aller Parteien ihre hässlichen Fratzen durchschimmern liessen:
Zitat von Juno im Beitrag #22 Aus deutscher Konsenssicht ist die ganze Rede eine Aneinanderreihung von politischen Blasphemien. Für viele Deutsche dürfte es eine schockierende Information sein, dass es derartiges Denken in Europa überhaupt gibt.
Nimmt man noch hinzu, daß für Klaus die "grüne Denke" die größte Bedrohung der Freiheit in unsrer Zeit darstellt - -, dann haben unsere ökolinken Torwächter ihre Aufsichtspflicht arg vernachlässigt, daß man das Publikum nicht dringend vor diesem Abgesandten der Gehenna gewarnt hat.
Zitat ______ "The largest threat to freedom, democracy, the market economy, and prosperity at the end of the 20th and at the beginning of the 21st century is no longer socialism," writes Klaus. "It is, instead, the ambitious, arrogant, unscrupulous ideology of environmentalism." ______
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #5 Wie soll denn solch ein europäischer Bundesstaat aussehen, ohne Förderalismus welchen Wolfgang Schäuble ablehnt? Und wie der Bund? Worin bestünde der Unterschied zwischen ihm und den Landesregierungen?
Lieber Erling Plaethe,
für mich ist ein europäischer Staat ohne Föderalismus nicht vorstellbar. Das hat mehrere Gründe: einen subjektiven und zwei objektive. Meine Erfahrungen als Rechtsunterworfener in Deutschland haben zu einer Allergie gegenüber Zentral-, d.h. in concreto Bundesverwaltungsbehörden geführt. Außerdem wirkt die föderale Organisation gewaltenteilend (weil sie die drei Staatsgewalten gleichsam dupliziert); und sie wird eventuellen regionalen Besonderheiten besser gerecht als ein zentralistischer Staat.
Ich habe im Kirchhof-Thread geschrieben, dass die Transformation der EU in einen Bundesstaat weitreichende Änderungen im institutionell-prozeduralen Bereich erfordern würde. Lassen Sie mich das näher ausführen: Das Weitreichende an diesen Änderungen würde wohl weniger im Institutionenbestand liegen. Mit den vorhandenen Organen und Einrichtungen der EU ließe sich wohl ein Staat machen, jedenfalls dann, wenn man den Grundsatz des mitgliedstaatlichen Vollzugs von Unionsrecht beibehält. Freilich müssten die Beziehungen der Institutionen zueinander, die Modalitäten der Organwalterbestellung und die innere Struktur der Organe angepasst werden. Aber dies stieße wohl kaum auf in der Sache liegende Hindernisse. Die Hürden dräuen - und darin liegt das Weitreichende der betreffenden Modifikationen - in der voluntativen Komponente. Denn wenn die EU von einer internationalen Organisation zum Bundesstaat werden sollte, dann müsste wohl die Alldominanz der Machtbalance zwischen den Mitgliedstaaten, welche die Organisation der Institutionen beherrscht, beseitigt werden.
Gewiss, der Rat der EU wäre nach wie vor dazu berufen, die mitgliedstaatlichen Interessen zu wahren. Seine Zusammensetzung und Abstimmungsverfahren würden weiterhin als Spagat zwischen dem Postulat der Gleichheit der Länder und deren unabweislichen Unterschieden hinsichtlich der demographischen, politischen und wirtschaftlichen Macht konstruiert sein. Welche Kompetenzen dem Rat zukämen, würde sich danach richten, wie prononciert die föderale Note des Bundesstaats sein soll.
Fraglich wäre, ob der Europäische Rat in einem Bundesstaat noch eine raison d'être hätte. Die derzeitige Trennung der politischen Leitfunktion (Europäischer Rat) von der Funktion als oberste Verwaltungsbehörde (Kommission, die ja z.B. das Wettbewerbs- und das Beihilfenrecht vollzieht) ist zumindest im deutschen Rechtskreis unüblich. Und es ist auch fraglich, ob diese Differenzierung sinnvoll ist. Derzeit lässt sich die Existenz des ER allenfalls noch damit rechtfertigen, dass es neben den supranationalen Unionspolitiken (mit der Kommission als Initiativmonopolist im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren) ja noch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gibt, die nach wie vor intergouvernemental, also nach klassischem Völkerrecht funktioniert (dementsprechend ist die Rolle der Kommission in der GASP schwach). Der ER ist somit das zur Sicherung der Kohärenz zwischen den beiden Bereichen berufene Gremium. Die Gretchenfrage wäre nun, ob die GASP auch in einem europäischen Bundesstaat eine Sonderrolle behalten soll oder nicht. Wenn ja, dann wäre das natürlich eine extreme Akzentuierung des Föderalismus; denn auch Bundesstaaten mit einer eher schwachen Bundesebene übertragen dieser zumindest die Sorge für die Außenpolitik und die Landesverteidigung. Wenn nein, dann würde sich die hier im Zimmer bereits auf den Tisch gebrachte Frage stellen, ob FR und UK bereit wären, einem "Ausländer" den Oberbefehl über "ihre" Atomwaffen zu überantworten.
Kommt man überein, dass der ER abzuschaffen ist, dann wäre es naheliegend, die Kommission zum politischen Leitgremium und zur obersten Verwaltungsbehörde zu machen, also zu einer Regierung nach deutschem Verständnis. Diese Bundesregierung sollte dann aber auch exklusiv den Bundesinteressen verpflichtet sein. (Auch jetzt schon sollte die Kommission nach den Verträgen exklusiv den Unionsinteressen verpflichtet sein). Das Ausschusswesen ("Komitologie"), über das die Mitgliedstaaten Einfluss auf die Kommission nehmen, und der Länderproporz bei der Kommissarnominierung vertragen sich damit schlecht. Die Zahl der Kommissare müsste sinnvollerweise verringert und die Möglichkeit geschaffen werden, dass auch zwei oder mehr Kommissare aus demselben Land stammen. Dass die Mitgliedstaaten die - ich wiederhole: de iure nur den Unionsinteressen verpflichtete - Kommission aber nach wie vor als Vehikel ihrer eigenen Interessen betrachten, belegt der Deal, den Irland mit dem ER als Gegenleistung für die irische Zustimmung zum Lissabon-Vertrag geschlossen hat: Der ER hat versprochen, von seiner ihm durch den Liss-V verliehenen Ermächtigung zur Festsetzung der Zahl der Kommissare Gebrauch zu machen und die an und für sich vereinbarte Reduktion der Anzahl der Kommissare rückgängig zu machen. D.h. blifft allns bin Ollen: 1 Land, 1 Kommissar.
Was das Parlament betrifft, so wäre aus Erwägungen des Demokratieprinzips wohl zu fordern, dass das Parlament im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren das Initiativrecht bekommt und in den besonderen GGV (so diese beibehalten werden sollen) dem Rat zumindest gleichgestellt wird. Aber der eigentliche Knackpunkt liegt darin, dass das Parlament nach derzeitigem Stand nicht in gleicher Wahl gekürt wird. Aufgrund des Prinzips der degressiven Proportionalität (also der länderweisen Sitzzuteilung, welche die Unterschiede in der Bevölkerungsstärke nicht maßstabsgetreu abbildet) hat die Stimme eines in Deutschland Wahlberechtigten eine viel geringere Erfolgschance als eine maltesische Stimme. Dies mag in einer internationalen Organisation gerade noch tragbar sein; in einem Bundesstaat ist es das sicher nicht.
Es geht mir hier nicht darum, einen fertigen Entwurf für einen europäischen Bundesstaat anzudenken. Dies wäre nicht nur vermessen, sondern ginge auch an der Sache vorbei. Denn wir müssen uns jetzt erst einmal überlegen, ob wir überhaupt einen europäischen Bundesstaat haben wollen; und wenn ja, wie viel Macht die Länder behalten sollen, wie viel dem Bund überantwortet wird. Ob diese Föderation ein Staat mit allen identitätsstiftenden Symbolen werden soll oder eher ein Zweckverband. Mit "wir" sind nicht (nur) die Schäubles und Junckers dieser Welt, sondern alle potenziellen Bürger dieses hypothetischen Staats gemeint. Denn, um Heine zu modifizitieren [sic!]: "Europa, das sind wir selber."
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