Zitat von Zettel im Beitrag #25 Oder fürchten Sie umgekehrt, sich beim gemeinsamen Aufenthalt in derselben Stadt nicht in der Gewalt zu haben und vielleicht auf den Bösewicht, diese Satansbrut, loszugehen?
Nö. Ich bin 1 friedliches Getüm. Und "an sich" habe ich auch nichts dagegen, wenn sich irgendwelche Meisterdenker, besonders "Meister aus Deutschland", selbst bloßstellen (& glaube nicht, daß durch solches Gerede auch nur 1 Tüttelchen Schaden mehr in die Welt gesetzt oder die Jugend den Göttern abspenstig wird), maaße mir aber auch an, in einem solchen Fall recht laut "Blödsinn!" zu rufen. Aber Schmidt hat mit seiner, so muß man es sagen, Verhöhnung der Opfer vom Juni 1989 eine rote Linie überschritten, die ihn jenseits intellektueller Satisfaktionsfähigkeit stellt (dazu noch ohne die gängigen Ausreden: "ich hatte ja Befehle", "ich hatte ja keine Ahnung"; also in bester Intellektuellentradition).
An sich ist's ja Tradition, daß in so einer Situation Leute, die genau wissen, daß sie nie beim Wort genommen werden, ein Zitat von Voltaire in den Raum stellen. Aber ich stelle gerade fest, daß das entsprechende Wort gar nicht von ihm stammt:
Zitat Wikipedia ________ "I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it." Though these words are regularly attributed to Voltaire, they were first used by Evelyn Beatrice Hall, writing under the pseudonym of Stephen G Tallentyre in The Friends of Voltaire (1906), as a summation of Voltaire's beliefs on freedom of thought and expression.[11] - Another possible source for the quote was proposed by Norbert Guterman, editor of "A Book of French Quotations," who noted a letter to M. le Riche (February 6, 1770) in which Voltaire is quoted as saying: "Monsieur l'abbé, I detest what you write, but I would give my life to make it possible for you to continue to write" ("Monsieur l'abbé, je déteste ce que vous écrivez, mais je donnerai ma vie pour que vous puissiez continuer à écrire"). This remark, however, does not appear in the letter. ________ bzw. ________ Je ne suis pas d'accord avec ce que vous dites, mais je me battrai jusqu'au bout pour que vous puissiez le dire. Attribuée improprement à Voltaire par Evelyn Beatrice Hall dans une biographie de 1906. Elle l'avoue et s'en excuse en 1939. Voir la note 2 de l'article Tolérance. The Friends of Voltaire, Evelyn Beatrice Hall, éd. Smith Elder & co., 1906, p. 199 ________ und Fußnote 2 zu "Tolérance": ________ Pour clore l'histoire de cette fausse citation, Charles Wirz, conservateur de "l'Institut et Musée Voltaire" de Genève, rappelait en 1994, que Miss Evelyn Beatrice Hall, qui a placé, à tort, entre guillemets cette citation dans deux ouvrages qu'elle a consacrés à l'auteur de "Candide", a reconnu expressément que la citation en question n'en est pas une dans une lettre du 9 mai 1939, laquelle a été publiée en 1943 dans le tome LVIII sous le titre "Voltaire never said it" (pp. 534-535) de la revue "Modern language notes", the Johns Hopkins Press, 1943, Baltimore. Voici l'extrait de la lettre en anglais : "The phrase "I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it" which you have found in my book "Voltaire in His Letters" is my own expression and should not have been put in inverted commas. Please accept my apologies for having, quite unintentionally, misled you into thinking I was quoting a sentence used by Voltaire (or anyone else but myself)." Les mots "my own" ont été soulignés personnellement par Miss Hall dans son courrier. ________
Zitat von fedchan im Beitrag #23Verstehe ich Sie richtig, dass Sie meinen, der Völkermord in Ruanda sei nicht verhindert worden, weil es an einer Rechtsgrundlage für ein Eingreifen gefehlt habe? Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass man den Völkermord hätte stoppen können, wenn man es denn (politisch) gewollt hätte, egal ob mit R2P oder ohne.
Ja, ich habe das so in Erinnerung. Frankreich war ja stark involviert und wusste um die näheren Umstände. Ohne zu recherchieren, aus der Erinnerung heraus wurde immer wieder argumentiert eine Einmischung sei nicht möglich, weil die Nachbarländer, abgesehen von den Flüchtlingen, nicht betroffen waren. Es wäre eine afrikanische Angelegenheit.
Zitat von fedchan im Beitrag #23Ich möchte Ihnen ausdrücklich widersprechen: Wenn der Sicherheitsrat etwas wollen sollte, dann können die anderen UN-Mitglieder ruhig quaken, wie sie wollen; es würde passieren.
Dann haben wir unterschiedliche Ansichten. Der Sicherheitsrat verfügt selbst ja über keine militärische Macht, also muss sein Beschluss akzeptabel sein für diejenigen, welche sie letztlich einsetzen. Bundeskanzler Schröder zum Beispiel hätte sich auch einer positiven Sicherheitsratsentscheidung nicht gebeugt um sich an der Irak-Intervention zu beteiligen.
Zitat Helmut Schmidt ist gegen eine Einmischung, ohne Zusätze. Diese Haltung ist nicht mit der UN-Charta vereinbar, weil R2P eben genau einen solchen Zusatz darstellt. Ich halte es geradezu für notwendig die Menschenrechte als Naturrecht über das positive Recht zu stellen.
Zitat von fedchan im Beitrag #23Also Intervention ohne Sicherheitsratsmandat? Darauf läuft Ihre Position nämlich hinaus. Und genau das will die Charta nach meinem Verständnis verhindern, ebenso R2P.
Nein meine Position läuft nicht darauf hinaus. Menschenrechte sind Primärrecht/Naturrecht und positives Recht ist Sekundärrecht/gesetztes Recht. Die Menschenrechte sind auch völkerrechtlich universell, was aber keineswegs heißt sie auch universell durchzusetzen. Der Staatengemeinschaft eine bessere Handhabe zu geben, um gegen Völkermord vorgehen zu können, schon um bei den ständigen Sicherheitsratsmitgliedern ein Veto zu vermeiden, hat ja vordergründig mehr mit ethischen Überlegungen zu tun, als mit Menschenrechten. Ich bin dafür dem Sicherheitsrat einen vertraglich gesicherten und von den UN-Mitgliedern befürworteten Handlungsspielraum zu geben um solch barbarische Akte wie Völkermord deutlich zu erschweren.
Zitat von fedchan im Beitrag #23Ich habe das Gefühl, dass Sie sich ein bisschen in einen Selbstwiderspruch setzen: Einerseits sagen Sie, die Charta wolle Menschenrechte schützen; damit, so verstehe ich Sie, sei im positiven Recht der Schutz der Menschenrechte fixiert. Andererseits sagen Sie, dass es notwendig sei, die Menschenrechte als Naturrecht über das positive Recht zu stellen. Wie sind denn nun die Menschenrechte geschützt? Positiv oder überpositiv?
Lieber Zettel, nicht jeder der die R2P vertritt ist ein Heuchler. Jedenfalls halte ich mich nicht für einen, meine Beweggründe sind ehrlich gemeint. Mir wäre auch neu, dass Henry Kissinger ein Gegner der R2P wäre. Nachtrag: Jetzt nicht mehr. 21.06 Uhr
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #27 Lieber Zettel, nicht jeder der die R2P vertritt ist ein Heuchler. Jedenfalls halte ich mich nicht für einen, meine Beweggründe sind ehrlich gemeint. Mir wäre auch neu, dass Henry Kissinger ein Gegner der R2P wäre. Nachtrag: Jetzt nicht mehr. 21.06 Uhr
Ich habe jetzt den Artikel von Henry Kissinger gefunden in dem er sich zu der Problematik der Responsibility to Protect äußert. Und zwar in Bezug auf Syrien. Ich kann ihm nur zustimmen. Eine Gegnerschaft erkenne ich nicht, eher eine kritische Distanz einer Ausweitung des Begriffs "Humanitäre Intervention" gegenüber, welcher zu einer strategischen werden kann.
Zitat von http://www.4thmedia.org/2012/06/06/henry...he+4th+Media%29The diplomacy generated by the Arab Spring replaces Westphalian principles of equilibrium with a generalized doctrine of humanitarian intervention. In this context, civil conflicts are viewed internationally through prisms of democratic or sectarian concerns. Outside powers demand that the incumbent government negotiate with its opponents for the purpose of transferring power.
But because, for both sides, the issue is generally survival, these appeals usually fall on deaf ears. Where the parties are of comparable strength, some degree of outside intervention, including military force, is then invoked to break the deadlock.
This form of humanitarian intervention distinguishes itself from traditional foreign policy by eschewing appeals to national interest or balance of power — rejected as lacking a moral dimension. It justifies itself not by overcoming a strategic threat but by removing conditions deemed a violation of universal principles of governance.
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #28Lieber Zettel, nicht jeder der die R2P vertritt ist ein Heuchler. Jedenfalls halte ich mich nicht für einen, meine Beweggründe sind ehrlich gemeint.
Das will ich überhaupt nicht in Zweifel ziehen, lieber Erling Plaethe. Aber ich kenne keine einzige tatsächlich stattgehabte "humanitäre Intervention", hinter der nicht die nationalen Interessen der Intervenierenden gesteckt hätten. Wo solche Interessen fehlten, wie in Ruanda, intervenierte man eben nicht.
Zitat von Erling PlaetheIch habe jetzt den Artikel von Henry Kissinger gefunden in dem er sich zu der Problematik der Responsibility to Protect äußert.
Ich habe diesen Artikel zwei Tage nach seinem Erscheinen in ZR besprochen:
Ich kann Kissingers Artikel wenig Sympathie für humanitäre Interventionen entnehmen; lesen Sie vielleicht noch einmal den Schlußabschnitt, den ich zitiere?
Was Helmut Schmidt angeht, sollte man berücksichtigen, daß er einen hanseatisch-unterkühlten, oft schroff klingenden Stil pflegt. Das ist wohl ein bißchen eine Marotte von ihm. Er setzt sich damit, denke ich, auch bewußt von dem moralisierenden Gerede ab, das heute die Politik durchzieht.
Ich habe schon R.A. gefragt, was aus seiner Sicht an Schmidts Stellungnahme zum Tiananmen-Massaker zu beanstanden sei. Ich möchte Sie das auch fragen, lieber Erling Plaethe.
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #26Aber Schmidt hat mit seiner, so muß man es sagen, Verhöhnung der Opfer vom Juni 1989 eine rote Linie überschritten, die ihn jenseits intellektueller Satisfaktionsfähigkeit stellt (dazu noch ohne die gängigen Ausreden: "ich hatte ja Befehle", "ich hatte ja keine Ahnung"; also in bester Intellektuellentradition).
Ich kann jedemfalls in dem jetzigen Gespräch mit Giovanni di Lorenzo nichts von einer Verhöhnung erkennen, wirklich gar nichts. Was meinen Sie, lieber Ulrich Elkmann?
Zitat von Zettel im Beitrag #29 Aber ich kenne keine einzige tatsächlich stattgehabte "humanitäre Intervention", hinter der nicht die nationalen Interessen der Intervenierenden gesteckt hätten. Wo solche Interessen fehlten, wie in Ruanda, intervenierte man eben nicht.
Die R2P in Form der Sicherheitsratsresolution 1674 wird auch in der Resolution 1769 zum Darfur-Konflikt erwähnt. Die dortige Hybrid-Mission von Afrikanischer Union und der UN hat die Kapazitätsgrenzen ersterer gezeigt. Dennoch wurde dieser Einsatz geführt, gerade aus der Erfahrung aus dem Völkermord in Ruanda. Er hat Verhandlungsdruck aufbauen können gegenüber der Regierung in Khartum wie auch bei den gespaltenen Rebellen. Aber in erster Linie diente er dem Schutz der Zivilisten.
Zitat von Zettel im Beitrag #29 Ich habe diesen Artikel zwei Tage nach seinem Erscheinen in ZR besprochen:
Ich habe gestern Abend nach einer Haltung Henry Kissingers zur R2P gesucht und sah jede Menge Reaktionen auf seinen Artikel in der Washington Post. Wenn mir wieder in Erinnerung gekommen wäre, dass er sich politisch kaum noch äußert, hätte ich sicher in ZR noch einmal nachgeschaut.
Zitat von Zettel im Beitrag #29 Ich kann Kissingers Artikel wenig Sympathie für humanitäre Interventionen entnehmen; lesen Sie vielleicht noch einmal den Schlußabschnitt, den ich zitiere?
Man sollte die R2P nicht auf humanitäre Interventionen beschränken. Die Resolution 1674 richtet sich an die Regierungen ihre Verantwortung zum Schutz der Zivilbevölkerung wahrzunehmen, im Fall von militärischen Konflikten. Es geht m.E. um die Entwicklung von Vorraussetzungen welche zum Völkermord führen und die rechtzeitig durch die Regierungen zu unterbinden sind. Das ist eine Forderung und keine Bitte. Sie sollen aktiv werden, sollen in die Pflicht genommen werden, Verantwortung zu tragen. Tun sie dies nicht, sollen sie wissen, dass es zum Eingreifen der UN kommen kann. Es ist eine Erhöhung des Verantwortungsdruckes bei gleichzeitiger Achtung der Souveränität eines jeden Staates. Die Bedenken Kissingers hinsichtlich Libyen und Syrien teile ich, obgleich ich der Ansicht bin, dass Gaddafi zu einem Völkermord fähig und auch bereit gewesen sein könnte.
Zitat von Zettel im Beitrag #29 Ich habe schon R.A. gefragt, was aus seiner Sicht an Schmidts Stellungnahme zum Tiananmen-Massaker zu beanstanden sei. Ich möchte Sie das auch fragen, lieber Erling Plaethe.
Gestern Abend habe ich mich noch einmal mit dem Tiananmen-Massaker befasst, oder wie es Helmut Schmidt ausgedrückt hat, mit der Beendigung der Demonstration. Auch das Interview mit John Pomfret von der Washington Post las ich noch einmal. http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/...ws/pomfret.html Helmut Schmidt sagt in dem Interview mit di Lorenzo:
Zitat von Helmut Schmidt Der entscheidende Punkt ist, dass China damals keine kasernierte Polizei hatte. Das heißt: Der Regierung stand ausschließlich das Militär zur Verfügung, wenn sie eingreifen wollte. Und die Soldaten hatten nur gelernt zu schießen.
Ich denke nicht, dass dies der entscheidende Punkt war. Zunächst einmal war die Parteiführung gespalten in der Ansicht was die protestierenden Studenten repräsentieren, das Sahnehäuptchen der Nation oder gefährliche Konterrevolutionäre. Zhao Ziyang stand für die erstere Sicht und Li Peng und Deng Xiaoping für letztere. Die Studenten hatten breite Unterstützung in der Bevölkerung welche beständig wuchs und auch Arbeiter erfasste. Vier Armeeeinheiten waren um Peking stationiert, in denen auch die Studenten dienten. Die 38ste unter General Xu Qinxian weigerte sich Gewalt gegen die Studenten einzusetzen. 1000 Soldaten der Logistik-Abteilung zeigten offen ihre Unterstützung in dem sie mit den Protestierenden marschierten. Also wurden Einheiten aus anderen Regionen des Landes nach Peking gebracht, denen gesagt wurde, sie hätten einen Aufruhr niederzuschlagen. Wikipedia berichtet auch von Drogen die den Soldaten verabreicht wurden und Sprachbarrieren wegen der Dialekte welche die auswärtigen Einheiten sprachen. Und dann wurde der Platz "gereinigt". Auf Grund des Kriegsrechts durfte niemand auf die Strasse und wer doch draußen war, trug für die Folgen die Verantwortung, dies wurde ununterbrochen über die im Stadtgebiet verteilten Lautsprecher bekanntgegeben. Während dieser Säuberung wurde ständig scharf geschossen, vor allem von der 27. Einheit. Helmut Schmidt zeigt viel Verständnis für brutale Diktatoren aber wenig für das Kriegsrecht verletzende Protestierende.
Zitat von Helmut SchmidtSie haben zunächst ausgehalten, aber sie wurden mit Steinen und Molotowcocktails angegriffen und haben sich gewehrt – mit den Waffen, die sie hatten. Gleichzeitig fand, zum ersten Mal seit langer Zeit, der Besuch des Chefs der Sowjetunion in Peking statt. Gorbatschow musste die Große Halle des Volkes durch die Hintertür betreten, weil vor dem Haupteingang die Studenten demonstrierten. Für Deng war das ein enormer Gesichtsverlust.
Helmut Schmidt versteht das. Er hat auch Breschnew bewundert. Ihm fehlt die emotionale Distanz zu Diktatoren. Ein Führer der solche Riesenreiche wie China und Russland regiert, hat bei ihm schon allein deswegen Hochachtung verdient; ganz einfach weil er dazu fähig ist. Wie, steht auf einem anderen Blatt. Ich kann mich für solch eine Haltung nicht erwärmen, aber vermutlich ist sie unter Regierungschefs häufiger anzutreffen. Helmut Schmidt spitzt gerne zu und will provozieren, aber worum es ihm und Kissinger zu gehen scheint, nämlich Menschenrechte vs. Souveränität ist ein wichtiges Thema bei dem extreme Positionen das Leid der Betroffenen nur vergrößern.
Zitat von Zettel im Beitrag #24das wurde auch Zeit, daß wir wieder einmal eine Kontroverse austragen dürfen.
Genau, immer nur Einigkeit ist langweilig ;-) Allerdings hatte ich am Wochenende keine Gelegenheit direkt zu antworten.
Zitat Schmidt ist nun wahrlich nicht prinzipienlos.
Nun ja, dann hat er zumindestens wenige moralische Prinzipien.
Zitat Im Machtspiel der Politik mit friedlichen Mitteln das erreichen, was den eigenen Interessen dient.
Das ist auch Schröder ein Mann mit Prinzipien. Innerhalb der deutschen Politik ist er immer friedlich geblieben, und hat alles getan, was seinen eigenen Interessen gedient hat.
Zitat Was Sie vermutlich meinen, das ist Gesetzes- und Vertragstreue.
Ja. Und sicher ist das ein konservativer Wert (hatte ich ja auch geschrieben) - aber nicht mit oberster Priorität. Es gibt einen Punkt, wo gerade ein Konservativer das Gesetz brechen muß, um seinen Überzeugungen treu zu bleiben - siehe Stauffenberg.
Zitat Es geht in dem Gespräch ja wesentlich um die responsibility to protect, also das Recht auf eine humanitär motivierte gewaltsame Intervention in einem souveränen Land.
Die gewaltsame Intervention ist nur eine Variante. Es gibt viele Gründe, von dieser absehen zu müssen - was aber nicht daran hindern darf, Probleme auch korrekt zu benennen. Es besteht wohl allgemeiner Konsens, daß die Menschenrechts-Trauben in China zu hoch hängen, als daß der Westen sie erreichen könne. Deswegen muß man aber nicht wie Schmidt so tun, als wären die ohnehin sauer.
Zitat Ebenso könnte eine von islamischen Staaten dominierte UN sich anmaßen, überall dort militärisch zu intervenieren, wo der Islam beleidigt wird
Sicher wäre das so. Deswegen muß es unser Anliegen sein, daß machtpolitisch der Menschenrechtsansatz dominiert, nicht der islamistische. Da es gelungen ist, diesen Ansatz in der UN-Charta zu verankern, müssen wir das auch nutzen (wo möglich) und verteidigen.
Zitat Diejenigen, die diese famose responsibility to protect propagieren, sind aber natürlich Heuchler.
Das ist so pauschal formuliert falsch. Es gibt Heuchler und es gibt ehrliche Anhänger dieser Doktrin. Aber auch für die Ehrlichen gilt, daß sie sich an den Realitäten orientieren müssen.
Zitat Selbst als in Ruanda 1994 ein Massenmorden stattfand, dem zwischen einer halben und einer Million Menschen zum Opfer fielen, dachte niemand an eine responsibility to protect.
Gedacht wurde schon, auch gefordert - hat halt nicht geklappt. Da haben sich verschiedene Regierungen (insbesondere die französische) ziemlich peinlich verhalten. Was aber den Grundsatz nicht falsch macht.
Zitat Mir erscheint das, was er zu diesem Thema sagt, schlüssig. Was, lieber R.A., ist daran eine Beschönigung?
Aber lieber Zettel, wenn jemand einen Massenmord als "Beendigung einer Demonstration" bezeichnet, dann ist "Beschönigung" ja noch zurückhaltend. Und auch seine aktuelle Wortwahl "Tragödie" ist skandalös, weil damit die Täterschaft verwischt wird. Eine "Tragödie" ist eine Folge schicksalhafter Ereignisse, auf die Menschen nur begrenzt Einfluß haben. Ein kaltblütiger Massenmord ist etwas ganz Anderes.
Schmidt stellt die Ereignisse so dar, als wären unvorbereitete Soldaten von Demonstranten mit Steinwürfen etc. angegriffen worden und hätten sich dann zur Wehr setzen müssen. Das ist eine wirklich zynische Lüge.
Dazu noch seine Verharmlosung der Untaten Maos, das ist alles sehr widerlich.
Und das hat alles noch recht wenig mit realer Politik zu tun oder der Frage, ob der Westen da eingreifen könne, dürfe, müsse. Ein anständiger Mensch verharmlost solche Verbrecher nicht. Ein Churchill (ein echter Konservativer) hat mit Stalin kooperieren müssen, deswegen auch freundlichen Small Talk mit ihm gepflegt. Aber mir wäre neu, daß er nach dem Krieg Stalins Verbrechen so freundlich kommentiert hätte wie Schmidt das hier bei Mao und Deng tut.
Zitat 1. Heiratsfähige Männer und Frauen haben ohne jede Beschränkung auf Grund der Rasse, der Staatsangehörigkeit oder der Religion das Recht, zu heiraten und eine Familie zu gründen. Sie haben bei der Eheschließung, während der Ehe und bei deren Auflösung gleiche Rechte. 2. Eine Ehe darf nur bei freier und uneingeschränkter Willenseinigung der künftigen Ehegatten geschlossen werden. 3. Die Familie ist die natürliche Grundeinheit der Gesellschaft und hat Anspruch auf Schutz durch Gesellschaft und Staat.
Die "Ehefreiheit" kannte übrigens schon das Konzil von Trient (1569). Die Ehe sollte ein Sakrament sein, eine sakrale Angelegenheit, nicht eine Methode zum Erbschaftsgewinn. (Nebenbei bemerkt hatte Luther eine andere Auffassung davon.)
Was in so manchen Heimatfilmen der 50er-60er Jahre Thema ist, ist also ein Frevel am katholischen Glauben und ein Verstoß an den Menschenrechten.
Zitat Schmidt ist nun wahrlich nicht prinzipienlos.
Nun ja, dann hat er zumindestens wenige moralische Prinzipien.
Das kann ich, lieber R.A., eben überhaupt nicht sehen. Mao hat ihn ja nicht grundlos einen Kantianer genannt. Ich weiß nicht, ob Schmidt selbst sich einmal zu den Maximen geäußert hat, die sein Handeln als aktiver Politiker geleitet haben. Aus meiner Sicht hat er sich stets an den kategorischen Imperativ gehalten.
Er war ein Friedenspolitiker, der den Frieden nicht verantwortungslos predigte, sondern der verantwortlich für ihn arbeitete; sowohl durch die Nachrüstung für den äußeren Frieden als auch durch die kompromißlose Haltung gegenüber dem roten Terrorismus für den inneren.
Er war ein Politiker des Ausgleichs vor allem mit Frankreich. Er war ein ungewöhnlich ehrlicher Politiker. Ich kann mich an kein Beispiel dafür erinnern, daß er seine tatsächlichen Ziele verschleiert hätte. Er sagte, was er dachte, und er tat, was er sagte.
Freilich war er schneidend und verletzend; dafür ist im Alter wenig geblieben. Er hatte ja nicht umsonst den Beinamen "Schmidt-Schnauze". Ich erinnere mich noch gut an die "Elefantenrunde" vor den Wahlen 1980 mit Kohl, Strauß und Genscher. Schmidt begann damit, daß er etwas vorlas, gegen das Kohl sofort polemisierte. Dann sagte Schmidt, er habe gerade ein Zitat von Helmut Kohl vorgelesen. So habe ich es jedenfalls in Erinnerung.
Zimperlich war der aktive Politiker Schmidt nicht, aber nie unfair. Es ist ja kein Zufall, daß er weltweit Freunde unter bedeutenden Staatsmännern hatte und hat; freilich darunter nicht Jimmy Carter, den er sehr zu Recht verachtet hat.
Zitat von R.A. im Beitrag #32Zitat:Im Machtspiel der Politik mit friedlichen Mitteln das erreichen, was den eigenen Interessen dient.
Das ist auch Schröder ein Mann mit Prinzipien. Innerhalb der deutschen Politik ist er immer friedlich geblieben, und hat alles getan, was seinen eigenen Interessen gedient hat.
Da haben Sie mich mißverstanden, lieber R.A. Mit "eigenen Interessen" meinte ich die nationalen Interessen, nicht die persönlichen des Politikers. Das geht eigentlich auch aus dem Kontext hervor:
Zitat von ZettelSchmidt hat, soweit ich sehe, ähnliche Prinzipien, wie sie sein Freund Henry Kissinger immer wieder dargelegt hat: Im Machtspiel der Politik mit friedlichen Mitteln das erreichen, was den eigenen Interessen dient. Die Interessen der anderen verstehen und den Ausgleich mit ihnen suchen. Zu den eigenen Interessen von Demokraten gehören Frieden und eine Ausbreitung der Demokratie, weil allein demokratische Staaten von ihrem Wesen her friedliche Staaten sind.
Zitat Was Sie vermutlich meinen, das ist Gesetzes- und Vertragstreue.
Ja. Und sicher ist das ein konservativer Wert (hatte ich ja auch geschrieben) - aber nicht mit oberster Priorität. Es gibt einen Punkt, wo gerade ein Konservativer das Gesetz brechen muß, um seinen Überzeugungen treu zu bleiben - siehe Stauffenberg.
In einem Unrechtsstaat, gegen eine Diktatur. In der Diskussion di Lorenzo-Schmidt ging es aber darum, ob zur Durchsetzung der Menschenrechte in einem anderen, souveränen Staat das Völkerrecht gebrochen werden darf.
Man kann dieser Meinung mit guten Gründen sein. Schmidt ist mindestens ebenso guten Gründen der gegenteiligen Meinung. Ich respektiere das.
Zitat Ebenso könnte eine von islamischen Staaten dominierte UN sich anmaßen, überall dort militärisch zu intervenieren, wo der Islam beleidigt wird
Sicher wäre das so. Deswegen muß es unser Anliegen sein, daß machtpolitisch der Menschenrechtsansatz dominiert, nicht der islamistische. Da es gelungen ist, diesen Ansatz in der UN-Charta zu verankern, müssen wir das auch nutzen (wo möglich) und verteidigen.
Es geht, lieber R.A., bei dem, was Sie von mir zitieren, um militärische Intervention, eben das right to protect. Das ist etwas völlig anderes als eine Deklaration in der UN-Charta.
Zitat Diejenigen, die diese famose responsibility to protect propagieren, sind aber natürlich Heuchler.
Das ist so pauschal formuliert falsch. Es gibt Heuchler und es gibt ehrliche Anhänger dieser Doktrin. Aber auch für die Ehrlichen gilt, daß sie sich an den Realitäten orientieren müssen.
Ich bezog mich auf die Fälle, in denen bisher aufgrund dieses Prinzips militärisch interveniert wurde. Dort war es stets das Deckmäntelchen für eigene Interessen der Invasoren.
Übrigens bezweifle ich, daß irgendeine Regierung das Recht hat, das Leben und die Gesundheit ihrer Soldaten aufs Spiel zu setzen, wenn es überhaupt nicht um die Wahrung nationaler Interessen geht.
Der Amtseid des Kanzlers und der Minister lautet (alle Hervorhebungen von mir):
Zitat Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.
Vom Wohl anderer Völker ist nicht die Rede.
Der Fahneneid deutscher Soldaten lautet:
Zitat Ich schwöre, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen, so wahr mir Gott helfe.
Nicht die Menschenrechte der Libyer oder der Syrer.
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