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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 92 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.05.2012 13:06
Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Die Wahlergebnisse in Frankreich und Griechenland dürften eine Bedeutung haben, die noch nicht durchweg erkannt wird: Es gibt die reale Möglichkeit eines sozialistischen, also eines verarmenden Europa.

Seit ich ZR schreibe, wundere mich mich über die naive Vorstellung, der Sozialismus sei tot.

Der Wunsch, auf Kosten anderer zu leben, wird nicht totzukriegen sein. Die naive Vorstellung, es könne Reichtum für alle geben, ohne daß irgendwer noch die Chance hat, reich zu werden, dürfte nicht aus den Köpfen zu bekommen sein.

Ob Deutschland sich einem neuen, sozialistischen Europa wird verweigern können, wird man sehen. Jedenfalls erscheint es mir sicher, daß man der Merkel-Zeit als einer goldenen Zeit Deutschlands nachtrauern wird.

Zazaz Offline



Beiträge: 52

25.05.2012 13:10
#2 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Prognosen sind immer schwer, besonders weil sie die Zukunft betreffen.

Ich wage mal die Prognose, dass wir noch 3-10 gute Jahre haben (stark abhängig von der nächsten BT-Wahl, bei rot/grün geht´s schneller).

Danach wirds bitter.

Wohl dem, der genügend Vermögen im Ausland hat um davon zu leben.Ich fange damit an in Asien, Ozeaninen und Kanada zu investieren. Wahrscheinlich zu spät, aber besser jetzt als nie.

Eierkopp Offline



Beiträge: 226

25.05.2012 13:50
#3 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat von Zazaz
Prognosen sind immer schwer, besonders weil sie die Zukunft betreffen.



Argentinien hat gerade die lokale Repsol-Tochter verstaatlicht.

Wäre es eine Kupfermine gewesen, wäre diese Prognose noch besser gewesen.

Marl Offline



Beiträge: 23

25.05.2012 13:50
#4 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Eigentlich gibt es nur einen Sonderfall, in dem eine Übereinstimmung von Gerechtigkeit mit Gleichheit gleichzusetzen ist:
Bei "unverursachten und unbeeinflußten" Schäden oder Gewinnen, bei denen die Partizipierenden weder an dem Schaden/Gewinn noch in irgendeiner Form an dessen Distribution beteiligt sind.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.425

25.05.2012 13:57
#5 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat von Zazaz


Prognosen sind immer schwer, besonders weil sie die Zukunft betreffen.




Die gängige Variante dieses Naturgesetzes, meistens Mark Twain zugeschrieben, lautet aber: "besonders wenn sie die Zukunft betreffen" ("especially if they concern the future").
Retroaktive Prognosen haben gewöhnlicherweise eine höhere Trefferquote aufzuweisen.
Die realsozialistische Variante der Frage an Radio Eriwan (stimmt es, daß die Zukunft im Sozialismus genauer zu bestimmen ist als im Kapitalismus?) lautete dann: "die Zukunft steht fest - es ist nur die Vergangenheit, die sich ändert".

Am_Rande Offline




Beiträge: 196

25.05.2012 15:06
#6 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Sehr geehrter Zettel,

Zitat
Eurobonds bedeuten, dass diejenigen, die schlecht wirtschaften, dies mit dem Geld derer finanzieren können, die gut wirtschaften.


D’accord! Natürlich.
Aber ist die Denkhaltung, die hinter den Eurobonds steht, nicht auch die, die zum Länderfinanzausgleich geführt hat? Auf nationaler Ebene.
Oder zu den Strukturhilfefonds der EU? Oder zu der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU? Auf europäischer Ebene.
Und was ist mit dem IWF? Oder der Weltbank?
Kurz:

Zitat
Ein sozialistisches Europa - das schien vor wenigen Jahren noch ein Traum der Sozialisten zu sein. Es könnte der Alptraum der Europäer werden.


Könnte werden?
Wer A gesagt hat zum Interventionsstaat, muss auch B sagen zum Sozialismus.

john j Offline




Beiträge: 591

25.05.2012 15:31
#7 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

"Oder zu den Strukturhilfefonds der EU? Oder zu der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU? Auf europäischer Ebene"

Oder zur EU, zur Waehrungsunion, zur EZB etc. Und es aergert mich etwas wenn Zettel hier "sozialistische Agitprop" als Ursache ausmacht - es war die konservativ-europaseelige Agitprop der 16 Kohl-Jahre die die BRD und die EU in die Misere gefuehrt haben in der man sich heute befindet. Die EU war spaetestens ab Anfang der 80er Jahre ganz auf Ausgleich und fianzielle Nivellierung der Mitglieder fixiert, ob es sich nun um Landwirtschaft, Infrastruktur, regionale Foerderung etc handelte. Und all dies wurde von Konservativen angetrieben, vertieft, verankert und ausgebaut - jetzt "haltet den Dieb" rufen ist ein bisschen...nun ja sagen wir mal schlechter Stil.

Im Endeffekt macht es wahrscheinlich kaum einen Unterschied ob Eurobonds nun kommen oder nicht - durch das EFSM und die neue Rolle der EZB ist die Funktion der Eurobonds praktisch bereits da sobald die EZB oder das EFSM in eine neue Krise wie die Griechenlands eingreifen muessen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.05.2012 15:35
#8 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat von Am_Rande

Zitat
Eurobonds bedeuten, dass diejenigen, die schlecht wirtschaften, dies mit dem Geld derer finanzieren können, die gut wirtschaften.


D’accord! Natürlich.
Aber ist die Denkhaltung, die hinter den Eurobonds steht, nicht auch die, die zum Länderfinanzausgleich geführt hat?


Ja. Ausdrücklich ja.

Und damit sind wir beim Knackpunkt. Gibt es eine gemeinsame Identität, die es rechtfertigt, auch denen zu helfen, die aus eigener Schuld schlecht dastehen?

Sollten beispielsweise Eltern zu ihrem Sohn auch dann noch stehen, wenn dieser, wie man heute gern sagt, "Mist gebaut" hat?

Innerhalb einer Nation gibt es eine solche Verpflichtung, wie innerhalb einer Familie.

Innerhalb von Europa gibt es sie augenscheinlich nicht - weil es eben keine europäische Identität gibt. Das ist es, was diese Krise enthüllt.



Es gab einmal Ansätze zu einer europäischen Identität. Ich war zur Adenauerzeit ein begeisterter Europäer. Hätte man es bei den Sechs belassen, dann könnte diese EU heute eine Schweiz sein - mit ihren (gar nicht so vielen, nämlich vier) Sprachen, die alle beherrschen; mit einem Nationalbewußtsein als Europäer.

Mit allem, was zu einer Nation gehört - einer gemeinsamen Geschichte, Literatur, Philosophie. Mit einem gemeinsaemen Nationalstolz; dem Gründungsmythos von 800.

Das wollte man aber nicht. Das heutige Europa hat keine Identität, es kennt keine Solidarität. Warum sollte jemand mit seinem Vermögen für einen anderen aufkommen, mit dem ihn nichts verbindet?

Herzllch, Zettel

Am_Rande Offline




Beiträge: 196

25.05.2012 15:55
#9 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Sehr geehrter Zettel,

Zitat
Und damit sind wir beim Knackpunkt. Gibt es eine gemeinsame Identität, die es rechtfertigt, auch denen zu helfen, die aus eigener Schuld schlecht dastehen?


Das ist nicht der Knackpunkt.
Der wirkliche Knackpunkt ist dieser: Will man, dass der Staat in das wirtschaftliche Handeln seiner Bürger eingreift, um wahrgenommene Ungerechtigkeiten auszugleichen, oder nicht?
Sagt man dazu ja, wird sich immer ein „Grund“ für dieses Eingreifen finden lassen.
In diesem Fall wäre es wohl das "Gemeinsame judäo-christliche Erbe Europas", das "uns" zur "Solidarität auffordert".
Oder wollen Sie dieses Erbe etwa verleugnen?

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

25.05.2012 16:23
#10 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat von Zettel
Das ist das Wesen des Sozialismus, und auch sein Fluch, sein Widersinn: Der Grundgedanke ist, die Erfolgreichen für die Erfolglosen zahlen zu lassen. Aber wenn dieser Gedanke realisiert wird, dann gibt es bald keine Erfolgreichen mehr.


So sehr ich im Prinzip Ihnen zustimme, geehrter Zettel, an dieser Stelle möchte ich wiedersprechen.
Was Sie im Zitat als Wesen des Sozialismus bezeichnen, ist m.E. das der sozialen Marktwirtschaft. So wie sie schon immer von konservativ bis sozialdemokratisch erklärt wurde. Es ist der dritte Weg, welcher Kapitalismus und Sozialismus gleichermaßen ablehnt und bei einer Art Korporatismus landet.

Das Wesen des Sozialismus aber, und der Grund weshalb es in ihm keinen privat erwirtschafteten Erfolg mehr gibt, ist nicht nur die Abwesenheit von privatwirtschaftlichem Eigentum und einem enteignenden Steuersystem. Es ist die Manifestierung dieser totalitären und antiliberalen Verhältnisse.
So lange Regierungen abgewählt werden können, ist eine Rückkehr zu liberaleren Rahmenbedingungen immer möglich.

Hollande wird auch wieder gehen und Deutschland wird m.E. nicht sozialistisch weil Sigmar Gabriel Bundeskanzler ist. Wenn es denn so käme, würde aber die Oppositionsarbeit für Angela Merkel schwierig werden. Sie hat in ihrer Kanzlerschaft die größten Steuer- und Abgabenerhöhungen zu verantworten, dazu essentielle linke Forderungen wie Mindestlohn, Reichensteuer und Atomausstieg mit Energiewende umgesetzt, dass es ihr schwer fallen dürfte, sozialdemokratische Politik von der Oppositionsbank her argumentativ zu bekämpfen.

Der Weg in eine immer sozialere Marktwirtschaft und zu immer weniger Eigenverantwortung der Bürger, wird und wurde auch von der Union gepflastert.
Ebenso wie der Weg den Europa mit ESM, Finanztransaktionssteuer und immer weiterer Zentralisierung geht.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

25.05.2012 17:02
#11 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat von john j

Im Endeffekt macht es wahrscheinlich kaum einen Unterschied ob Eurobonds nun kommen oder nicht - durch das EFSM und die neue Rolle der EZB ist die Funktion der Eurobonds praktisch bereits da sobald die EZB oder das EFSM in eine neue Krise wie die Griechenlands eingreifen muessen.


Genau. Und deshalb versteht in Europa kaum einer, dass Deutschland zwar "a" sagt, aber nicht "b" sagen möchte. Der Euro als Mittel und Zweck zur Etablierung der politischen Union ist doch keine Idee Griechenlands, Portugals oder Spaniens gewesen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

john j Offline




Beiträge: 591

25.05.2012 18:43
#12 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

"Und deshalb versteht in Europa kaum einer, dass Deutschland zwar "a" sagt, aber nicht "b" sagen möchte. Der Euro als Mittel und Zweck zur Etablierung der politischen Union ist doch keine Idee Griechenlands, Portugals oder Spaniens gewesen."

So ist es. Der Euro war was seine wirtschaftlich/finanzielle Komponente betrifft eine zutiefst sozialistische (in Zettel's Sinne) Idee. Staaten mit traditionell weichen Waehrungen (und daher hohen Zinsen am Kapitalmarkt) bekamen mit dem Euro die Vorteile der Staaten mit traditionell harten Waehrungen - ohne dafuer selber irgendetwas tun zu muessen. Die Ironie ist dass diese sozialistische Idee massgeblich von konservativen Regierungen (vor allem was die BRD betrifft) kreiert und in die Tat umgesetzt wurde.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

25.05.2012 19:36
#13 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat von john j
Die Ironie ist dass diese sozialistische Idee massgeblich von konservativen Regierungen (vor allem was die BRD betrifft) kreiert und in die Tat umgesetzt wurde.


Oh ja. Und nicht einmal mehr ironisch, bedenkt man, dass es die Kathedersozialisten waren, welche Anfang des 20. Jh. die sozialreformerische Meinungsbildung an den Hochschulen und in der Bürokratie anstrebten und durchsetzten. Nationalökonomie war danach Staatsökonomie, Wirtschaftsliberalismus (Manchestertum) eine geistige Verirrung und Adam Smith - unwissenschaftlich.
Mit Sozialdemokraten hatten diese dem Verein für Sozialpolitik nahestehenden Vertreter einer ethischen Ökonomie, gar nichts am Hut. Dafür um so mehr mit der Erweiterung der Grenzen der Staatsgewalt.

Viele Grüße, Erling Plaethe

notquite Offline



Beiträge: 506

25.05.2012 20:32
#14 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Ich bin leider kein Ökonom, habe aber mit Blick auf Charts wie diesen den starken Verdacht, dass es implizite Eurobonds über die Zinskonvergenz in europäischen Staatsanleihen in den Jahren 2003ff schon gegeben hat, nicht zuletzt begründet durch die von Marktteilnehmern angenommene deutsche de facto Garantie für diese Anleihen. Ohne diese Zinskonvergenz hätte sich Griechenland - südländische Mentalität hin oder her - sicher nicht derart verschulden können. Ist das mehr als ökonomisches Halbwissen? Ist es damit verbunden nicht der Gipfel der Infamie, dass dieses Instrument, gerade durch die bundesdeutsche Linke, nun als Lösung aller Probleme - und nicht deren URSACHE - angepriesen wird?

http://oecafe.files.wordpress.com/2012/0...-12-29-blcv.jpg

Florian Offline



Beiträge: 3.171

25.05.2012 20:47
#15 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat
habe aber mit Blick auf Charts wie diesen den starken Verdacht, dass es implizite Eurobonds über die Zinskonvergenz in europäischen Staatsanleihen in den Jahren 2003ff schon gegeben hat, nicht zuletzt begründet durch die von Marktteilnehmern angenommene deutsche de facto Garantie für diese Anleihen.




Es gibt verschiedene Gründe für unterschiedliche nationale Zinssätze.

Ein Grund ist unterschiedliche Bonität.

Es gibt aber auch andere Gründe. Zum Beispiel die Erwartung der Marktteilnehmer, wie sich die Wechselkurse entwickeln werden.
Auch ein staatlicher Schuldner mit AAA-Rating muss daher womöglich höhere Zinsen zahlen, wenn die Anleger vermuten, dass dessen Währung in Zukunft abwerten wird.

Die Zinskonvergenz im Euro-Raum ist eine Summe beider Effekte:

Zum einen gab es kein Währungsrisiko mehr.
Zum anderen gab es aber wohl schon auch die von Ihnen vermutete "implizite Garantie" Deutschlands für die Schulden im Euro-Raum, die die Anleger unterstellt haben.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

25.05.2012 22:36
#16 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat von Zettel

Innerhalb einer Nation gibt es eine solche Verpflichtung, wie innerhalb einer Familie.



Das scheint die belgische Nation anders zu sehen. Letztlich liegt dem intraregionalen Konflikt in jenem Land ein Wirtschaftsgefälle zugrunde und der Unwille, für den ärmeren Bruder finanziell aufzukommen. Sezessions- bzw. Dismembrationsbestrebungen werden dort freilich durch historische Wunden und eine unterschiedliche Sprache verstärkt.

Zitat von Zettel

Hätte man es bei den Sechs belassen, dann könnte diese EU heute eine Schweiz sein - mit ihren (gar nicht so vielen, nämlich vier) Sprachen, die alle beherrschen; mit einem Nationalbewußtsein als Europäer.

Mit allem, was zu einer Nation gehört - einer gemeinsamen Geschichte, Literatur, Philosophie. Mit einem gemeinsaemen Nationalstolz; dem Gründungsmythos von 800.

Das wollte man aber nicht.



Und man (?) will es nach wie vor nicht. Es erstaunt mich immer wieder, dass in diesem liberalen Zimmer von nicht wenigen Barden das Loblied des Nationalstaats gesungen wird, sobald es um die EU geht. Dabei liegt Europas Problem genau darin, dass die Integration schon zu weit fortgeschritten ist, als dass noch eine schmerzfreie Trennung möglich wäre; dass die Integration andererseits noch nicht so weit fortgeschritten ist, als dass die Wasch-mir-den-Pelz-aber-mach-mich-nicht-nass-Mentalität der Mitgliedstaaten keine Wirkungen mehr entfalten könnte.

Ansonsten: Ja, die Union hätte in einem kleineren Rahmen verbleiben sollen. Und nein, die 6 sind mir persönlich jedenfalls um 1 zu wenig; denn da fehlt noch ein für mich sehr wichtiger Staat Ach ja, es wären dann wohl 5 Sprachen der 6 Gründerstaaten (weil sich in einem derart kleinen Rahmen die Luxemburger - nach der Emanzipation ihrer Nationalsprache - sonst wohl brüskiert fühlten). Die meisten Bewohner der 6 Gründerstaaten wären heute ebensowenig vier- oder fünfsprachig, wie der durchschnittliche Schweizer eine andere Landessprache (wirklich gut) kann. Man würde halt auf Englisch kommunizieren, so wie viele Deutsch- und Welschschweizer dies im gegenseitigen Verkehr auch tun.

Gorgasal Offline




Beiträge: 4.082

25.05.2012 22:46
#17 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat von Noricus

Zitat von Zettel

Innerhalb einer Nation gibt es eine solche Verpflichtung, wie innerhalb einer Familie.



Das scheint die belgische Nation anders zu sehen.



Gibt es eine belgische Nation denn?

--
Defender la civilización consiste, ante todo, en protegerla del entusiasmo del hombre. - Nicolás Gómez Dávila, Escolios a un Texto Implícito

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.05.2012 23:34
#18 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat von Noricus

Zitat von Zettel
Innerhalb einer Nation gibt es eine solche Verpflichtung, wie innerhalb einer Familie.

Das scheint die belgische Nation anders zu sehen. Letztlich liegt dem intraregionalen Konflikt in jenem Land ein Wirtschaftsgefälle zugrunde und der Unwille, für den ärmeren Bruder finanziell aufzukommen. Sezessions- bzw. Dismembrationsbestrebungen werden dort freilich durch historische Wunden und eine unterschiedliche Sprache verstärkt.


Das ist eben der Punkt, lieber Noricus.

Der Lackmusest für die gemeinsame Identität ist, ob man bereit ist, für die Anderen Opfer zu bringen. Die Westdeutschen haben das nach der Wiedervereinigung getan. Lafontaine war damals eine Randfigur. Fast alle waren bereit, die Kosten für die Wiedervereinigung zu zahlen. Diese gemeinsame Identität gibt es - siehe den Beitrag von Gorgasal - in Belgien vermutlich nicht. Es ist auch fraglich, ob sich ein deutschsprachiger Bozener mit den Problemen von Neapel identifiziert.

Zitat von Noricus

Zitat von Zettel
Hätte man es bei den Sechs belassen, dann könnte diese EU heute eine Schweiz sein - mit ihren (gar nicht so vielen, nämlich vier) Sprachen, die alle beherrschen; mit einem Nationalbewußtsein als Europäer.

Mit allem, was zu einer Nation gehört - einer gemeinsamen Geschichte, Literatur, Philosophie. Mit einem gemeinsaemen Nationalstolz; dem Gründungsmythos von 800.

Das wollte man aber nicht.

Und man (?) will es nach wie vor nicht. Es erstaunt mich immer wieder, dass in diesem liberalen Zimmer von nicht wenigen Barden das Loblied des Nationalstaats gesungen wird, sobald es um die EU geht. Dabei liegt Europas Problem genau darin, dass die Integration schon zu weit fortgeschritten ist, als dass noch eine schmerzfreie Trennung möglich wäre; dass die Integration andererseits noch nicht so weit fortgeschritten ist, als dass die Wasch-mir-den-Pelz-aber-mach-mich-nicht-nass-Mentalität der Mitgliedstaaten keine Wirkungen mehr entfalten könnte.


Das sehe ich auch so, lieber Noricus. Das genau ist das Dilemma.

Aber warum sollte sie fortschreiten, die Integration? Wie soll das denn gehen, daß ein Bewohner Narviks und einer aus Saloniki eine gemeinsame nationale Identität entwickeln? Daß den Norweger ein Gefühl des Stolzes überkommt, wenn der Grieche eine Medaille gewonnen hat? Es kann doch nicht funktionieren.

Zitat von Noricus
Ansonsten: Ja, die Union hätte in einem kleineren Rahmen verbleiben sollen. Und nein, die 6 sind mir persönlich jedenfalls um 1 zu wenig; denn da fehlt noch ein für mich sehr wichtiger Staat

Ähäm?

Zitat von Noricus
Die meisten Bewohner der 6 Gründerstaaten wären heute ebensowenig vier- oder fünfsprachig, wie der durchschnittliche Schweizer eine andere Landessprache (wirklich gut) kann.

Das kann ich, was die Schweiz angeht, nicht beurteilen. Als ich als Austauschschüler im Wallis war, waren die meisten frankophon, konnten alle aber auch Deutsch.

Warum sollte jeder Bürger eines Klein-Europa - nennen wir es Karolingien - nicht einigermaßen die Sprachen der anderen beherrschen? Wenn das wirklich ein Nationalstaat geworden wäre - eine Vorstellung, die mir sehr gefällt -, dann wäre es eben auch normal, daß ein Deutscher in Paris studiert und dann in Holland arbeitet.

Oder gern auch in Luxemburg. Mit Deutsch und Französisch würde er dort wohl durchkommen, ohne Letzebuergesch zu können.

Herzlich, Zettel

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

25.05.2012 23:45
#19 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat
Ist es damit verbunden nicht der Gipfel der Infamie, dass dieses Instrument, gerade durch die bundesdeutsche Linke, nun als Lösung aller Probleme - und nicht deren URSACHE - angepriesen wird?

Exaktamente. Mehr braucht man dazu gar nicht zu sagen.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

26.05.2012 10:55
#20 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Noricus

Zitat von Zettel
Innerhalb einer Nation gibt es eine solche Verpflichtung, wie innerhalb einer Familie.

Das scheint die belgische Nation anders zu sehen. Letztlich liegt dem intraregionalen Konflikt in jenem Land ein Wirtschaftsgefälle zugrunde und der Unwille, für den ärmeren Bruder finanziell aufzukommen. Sezessions- bzw. Dismembrationsbestrebungen werden dort freilich durch historische Wunden und eine unterschiedliche Sprache verstärkt.


Das ist eben der Punkt, lieber Noricus.

Der Lackmusest für die gemeinsame Identität ist, ob man bereit ist, für die Anderen Opfer zu bringen. Die Westdeutschen haben das nach der Wiedervereinigung getan. Lafontaine war damals eine Randfigur. Fast alle waren bereit, die Kosten für die Wiedervereinigung zu zahlen. Diese gemeinsame Identität gibt es - siehe den Beitrag von Gorgasal - in Belgien vermutlich nicht. Es ist auch fraglich, ob sich ein deutschsprachiger Bozener mit den Problemen von Neapel identifiziert.

Zitat von Noricus

Zitat von Zettel
Hätte man es bei den Sechs belassen, dann könnte diese EU heute eine Schweiz sein - mit ihren (gar nicht so vielen, nämlich vier) Sprachen, die alle beherrschen; mit einem Nationalbewußtsein als Europäer.

Mit allem, was zu einer Nation gehört - einer gemeinsamen Geschichte, Literatur, Philosophie. Mit einem gemeinsaemen Nationalstolz; dem Gründungsmythos von 800.

Das wollte man aber nicht.

Und man (?) will es nach wie vor nicht. Es erstaunt mich immer wieder, dass in diesem liberalen Zimmer von nicht wenigen Barden das Loblied des Nationalstaats gesungen wird, sobald es um die EU geht. Dabei liegt Europas Problem genau darin, dass die Integration schon zu weit fortgeschritten ist, als dass noch eine schmerzfreie Trennung möglich wäre; dass die Integration andererseits noch nicht so weit fortgeschritten ist, als dass die Wasch-mir-den-Pelz-aber-mach-mich-nicht-nass-Mentalität der Mitgliedstaaten keine Wirkungen mehr entfalten könnte.


Das sehe ich auch so, lieber Noricus. Das genau ist das Dilemma.

Aber warum sollte sie fortschreiten, die Integration? Wie soll das denn gehen, daß ein Bewohner Narviks und einer aus Saloniki eine gemeinsame nationale Identität entwickeln? Daß den Norweger ein Gefühl des Stolzes überkommt, wenn der Grieche eine Medaille gewonnen hat? Es kann doch nicht funktionieren.

Zitat von Noricus
Ansonsten: Ja, die Union hätte in einem kleineren Rahmen verbleiben sollen. Und nein, die 6 sind mir persönlich jedenfalls um 1 zu wenig; denn da fehlt noch ein für mich sehr wichtiger Staat

Ähäm?

Zitat von Noricus
Die meisten Bewohner der 6 Gründerstaaten wären heute ebensowenig vier- oder fünfsprachig, wie der durchschnittliche Schweizer eine andere Landessprache (wirklich gut) kann.

Das kann ich, was die Schweiz angeht, nicht beurteilen. Als ich als Austauschschüler im Wallis war, waren die meisten frankophon, konnten alle aber auch Deutsch.

Warum sollte jeder Bürger eines Klein-Europa - nennen wir es Karolingien - nicht einigermaßen die Sprachen der anderen beherrschen? Wenn das wirklich ein Nationalstaat geworden wäre - eine Vorstellung, die mir sehr gefällt -, dann wäre es eben auch normal, daß ein Deutscher in Paris studiert und dann in Holland arbeitet.

Oder gern auch in Luxemburg. Mit Deutsch und Französisch würde er dort wohl durchkommen, ohne Letzebuergesch zu können.

Herzlich, Zettel




Die Frage ist, so verlockend die Idee auch mir erscheint: Was wäre der Beitrag der französischen Mentalität zu dieser neuen Nation gewesen? Jede Nation hätte ja ihre Kultur und Mentalität als Beitrag in den gemeinsamen Kulturschatz und die neue Identität der neuen Übernation eingebracht.

Hätte die französische Mentalität die Wirtschaftskraft der Gesamtstaates dann nicht auch - mit Verlaub - herunterziehen können?

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein


"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for
the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the
things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and
those which are not."

-Thomas Jefferson

Quelle: The Public Domain, p. 21, http://www.thepublicdomain.org/download/

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

26.05.2012 11:06
#21 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat von Zettel

Zitat von Noricus
Ansonsten: Ja, die Union hätte in einem kleineren Rahmen verbleiben sollen. Und nein, die 6 sind mir persönlich jedenfalls um 1 zu wenig; denn da fehlt noch ein für mich sehr wichtiger Staat

Ähäm?


Ösi-Land? Die durften ja damals wegen ihrer "Immerwährenden Neutralität" nicht mitspielen.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

26.05.2012 13:05
#22 Mentalitäten und Traditionen Antworten

Zitat von Techniknörgler

Zitat von Zettel
Warum sollte jeder Bürger eines Klein-Europa - nennen wir es Karolingien - nicht einigermaßen die Sprachen der anderen beherrschen? Wenn das wirklich ein Nationalstaat geworden wäre - eine Vorstellung, die mir sehr gefällt -, dann wäre es eben auch normal, daß ein Deutscher in Paris studiert und dann in Holland arbeitet.

Oder gern auch in Luxemburg. Mit Deutsch und Französisch würde er dort wohl durchkommen, ohne Letzebuergesch zu können.

Die Frage ist, so verlockend die Idee auch mir erscheint: Was wäre der Beitrag der französischen Mentalität zu dieser neuen Nation gewesen? Jede Nation hätte ja ihre Kultur und Mentalität als Beitrag in den gemeinsamen Kulturschatz und die neue Identität der neuen Übernation eingebracht.

Hätte die französische Mentalität die Wirtschaftskraft der Gesamtstaates dann nicht auch - mit Verlaub - herunterziehen können?


Man hätte sich zusammenraufen müssen und können.

Wenn Sie mir erlauben, lieber Techniknörgler, einmal ein wenig das "große Panorama" aufzumachen: Der historisch einmalige Erfolg Europas, das ja immer noch das Vorbild der Welt ist, basiert auf der Verschmelzung der Mittelmeerkulturen - der griechischen, der römischen, der jüdischen - mit den keltisch-germanischen Kulturen.

Es hat da immer ein Spannungsverhältnis gegeben - römischer Etatismus gegen germanische Thing-Demokratie, germanischer Pragmatismus gegen römischen Rigorismus, Katholizismus gegen Protestantismus usw.

Das verteilt sich nicht sauber auf die Staaten. Es gibt in Frankreich das Erbe der Römer, aber ja auch das der Gallier und vor allem der Franken. Es gibt das katholisch-süddeutsche und das protestantisch-nord/ostdeutsche Deutschland.



Wenn man sich die Philosophie ansieht, dann findet man - ich vereinfache jetzt arg - eine Tradition der Strenge des Denkens und eine Tradition der Kritik und des Zweifelns; auch der pragmatischen Antworten. Aus diesem einmaligen Spannungsfeld ist die abendländische Wissenschaft hervorgegangen, und aus dieser unsere moderne Welt.

Descartes wird gern als "Zweifler" porträtiert; aber für ihn war der Zweifel ja nur eine Denkfigur, ein methodischer Trick im Grunde. Der wirkliche Zweifler war Hume. Kant hatte etwas von beiden.

Wenn Sie heute auf einen wissenschaftlichen Kongreß gehen, dann finden Sie das noch beides: Die Franzosen werden meist bestens ausgearbeitete Theorie vorlegen, sie werden von preuves sprechen, von Beweisen. Die Angelsachsen werden sagen: Maybe you're right. Maybe not.

Die Deutschen waren früher mehr wie die Franzosen. Inzwischen haben sie sich den Angelsachsen genähert; so, wie Kant im Grunde eher ein systematisch denkender Hume war als ein kritisch denkender Leibniz.

Herzlich, Zettel

Juno Offline



Beiträge: 332

26.05.2012 17:20
#23 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Ich wage mal eine Prognose: Deutschland wird sich nicht verweigern - weil alle Parteien dazu im Ernst gar nicht die Absicht haben. Alle wollen "die Politische Union Europas". Und wenn sie von den Partnern etwas bekommen, was sich als halbwegs wichtiger Schritt dorthin verkaufen lässt, dann werden sie auch Eurobonds zustimmen. Schwarz-Gelb genauso wie Rot-Grün.

Wenn man die jüngste europäische Debatte über die Eurobonds anschaut - ein guter Überblick zum Beispiel hier: http://bruxelles.blogs.liberation.fr/cou...e-la-dette.html - dann wiederholt sich jetzt exakt das Muster, das schon zum Einstieg in die Währungsunion führte: Frankreich (und in seinem Schlepptau etliche andere Länder) drängt auf das Instrument Eurobonds als Grundstein eines vereinten Europa. Deutschland lehnt das ab und sieht darin einen Schlussstein, der erst dann gesetzt werden kann, wenn auch die Politische Union erreicht ist. Frankreich schlägt daraufhin vor, wenigstens einen Fahrplan zu erarbeiten, der auf das Ziel hinführt.

Zitat
Pour la France, c’est un « point de départ », pour l’Allemagne, c’est un « aboutissement », a-t-il (F. Hollande) conclu. « La chancelière estime que la première brique qui va créer de la confiance entre les États est le traité d’union budgétaire et l’instauration des règles d’or », explique un diplomate français. « Si le Président est d’accord avec cette approche, il veut que l’on identifie dès maintenant les autres briques afin de donner une visibilité sur ce que nous sommes en train de construire ». D’où la volonté française d’obtenir une « feuille de route », sorte d’équivalent du « plan Delors » qui, en 1988, a tracé les étapes menant à la monnaie unique.


Auch die Währungsunion war viele Jahre lange aus französischer Sicht der Grundstein und aus deutscher Sicht der Schlussstein der europäischen Einheit. Der Delors-Plan von 1988 schuf dann die Eigendynamik für den Euro, der sich die Regierung Kohl gerne anschloss.

Die Merkel/Schäuble-Strategie besteht jetzt offenbar darin, den Partnern die Zustimmung zum Fiskalpakt abzuringen, dabei aber schon erkennen zu lassen, dass Deutschland am Ende als Gegenleistung auch Euro-Bonds zustimmen wird. Das ist vielleicht geschickter als die rot-grüne Strategie, Eurobonds (oder Ähnliches unter anderem Namen) gleich ohne weitere Vorbedingungen einzuführen. Aber das Ergebnis wird dasselbe sein.

Wer ernsthaft glaubt, die Haftungsrisiken der Eurobonds ließen sich durch strenge Regeln eines Fiskalpakts dauerhaft ausschließen, der sollte sich vielleicht noch einmal die Geschichte des Stabilitätspakts zu Gemüte führen.

uniquolol Offline




Beiträge: 254

26.05.2012 22:52
#24 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Unbedingt lesen!
Ein kluge Zusammenfassung zum Thema Europa/Euro von Reinhard Mohr aus Welt-Online:

“Verirrt, Europa?”
http://www.welt.de/print/die_welt/litera...rrt-Europa.html

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

27.05.2012 08:53
#25 RE: Zitat des Tages: Eurobonds Antworten

Zitat von uniquolol
Unbedingt lesen!
Ein kluge Zusammenfassung zum Thema Europa/Euro von Reinhard Mohr aus Welt-Online:

“Verirrt, Europa?”
http://www.welt.de/print/die_welt/litera...rrt-Europa.html


Das ist eine Zusammenfassung dessen, was in Zettels Raum und Zettels kleinem Zimmer geschrieben wurde.

Viele Grüße, Erling Plaethe

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