"Spiegel-Online" bringt im Augenblick eine Umfrage mit einem sensationellen Ergebnis. Aber die Überschrift betrifft das an der Umfrage, was gerade nicht sensationell ist. Argumentiere ich hier
Dass Steinmeier vorn liegt, ist sicher keine Sensation. Aber "news" ist es auf jeden Fall, denke ich, denn im Gegensatz zu Fischer oder Genscher hat er bisher kein ausgeprägtes politisches oder persönliches Profil. Außenpolitische Erfolge werden bisher auch eher der Kanzlerin zugerechnet.
Wowereit ist eher persönlich beliebt, als dass man ihn wegen seiner Koalitionsabsichten wählen würde...wobei die rot-rote Koalition in Berlin alles andere als kommunistische Politik macht (zweifellos links, aber bei weitem nicht so links, wie es in Anbetracht der andauernden Schwäche der Konservativen möglich wäre - und das ist auch gut so ). Ich glaube, man traut ihm auch mehr als Beck zu, der Bundespolitik gewachsen zu sein. Da kommt viel aus dem Bauch raus, ähnlich wie bei Schröder, der ja deutlich mehr heiße Luft als echte Ideen verbreitet hat, aber er strahlte eben eine gewisse Mischung aus Kompetenz und Lässigkeit aus - kurz, er hatte "Format".
Wenn man sich die große Zahl der Beck-Skeptiker anschaut (Kritiker hat er relativ wenige) , spricht sein knapper Rückstand dann wirklich für einen Trend zu Wowereit oder gar zur "Volksfront"? Das fällt meiner Meinung nach auch unter "dog bites man".
Zitat von 20prozentDass Steinmeier vorn liegt, ist sicher keine Sensation. Aber "news" ist es auf jeden Fall, denke ich, denn im Gegensatz zu Fischer oder Genscher hat er bisher kein ausgeprägtes politisches oder persönliches Profil.
Das stimmt, lieber 20prozent, das hatte ich übersehen. Er ist ja mehr der Typ des effizienten Beamten. Als Wahlkämpfer wäre er vermutlich keine Rakete.
So wenig, wie die Kanzlerin. Ein Wahlkampf zwischen diesen beiden wäre vermutlich der Anständigste und Fairste seit Bestehen der Bundesrepublik.
In Antwort auf:wobei die rot-rote Koalition in Berlin alles andere als kommunistische Politik macht (zweifellos links, aber bei weitem nicht so links, wie es in Anbetracht der andauernden Schwäche der Konservativen möglich wäre - und das ist auch gut so ).
Was ist "kommunistische Politik"? Aus meiner Sicht besteht die Strategie der Kommunisten darin, Machtpositionen zu erobern und dafür jede Kröte zu schlucken. Sie machen notfalls Politik rechts von der SPD, wenn sie das nur in die Regierung bringt oder in ihr hält.
Übrigens ist das nicht nur in Deutschland so. Ich habe es schon einmal erwähnt - Mitterand hat in seiner Volksfront-Regierung einen Kommunisten zum Verkehrsminister gemacht. Damit war es Schluß mit den Streiks der Eisenbahner in der CGT, der kommunistischen Gewerkschaft.
Ich habe ja darüber gelegentlich schon etwas geschrieben und habe ich gefreut, als Günter Schabowski dann in einem Interview diese Beurteilung voll geteilt hat. Ein Mann, der es schließlich wissen muß.
In Antwort auf:Da kommt viel aus dem Bauch raus, ähnlich wie bei Schröder, der ja deutlich mehr heiße Luft als echte Ideen verbreitet hat, aber er strahlte eben eine gewisse Mischung aus Kompetenz und Lässigkeit aus - kurz, er hatte "Format".
Ja, das stimmt. Bei Wowereit sehe ich allerdings nur die Lässigkeit.
Herzlich, Zettel
str1977
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23.07.2007 21:38
#4 RE: Marginalie: SPD-Kanzlerkandidatur: Dog bites man, man bites dog
Was der Spiegel hier schreibt, mag nicht den Regeln des Jorrnalismus entsprechen ...
... ist aber dennoch richtig: Steinmeier (warum auch immer) liegt nun mal vorne.
Wollte der Spiegel Wowereit pushen, ja dann hätte er natürlich: Wowereit schlägt Beck schreiben müssen. Aber das wäre interessegeleitete Berichterstattung und wir sollten uns freuen, daß es wenigstens einmal nicht dazu kommt.
Das die "graue Effizienz" wohl nicht zum Wahlkämpfer und Kanzler taugt ist wohl wahr, aber mir wäre eine grauer Beamter immer noch lieber als ein bunter Verfassungsbrecher wie Wowereit.
str1977
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23.07.2007 21:44
#5 RE: Marginalie: SPD-Kanzlerkandidatur: Dog bites man, man bites dog
"Was ist "kommunistische Politik"? Aus meiner Sicht besteht die Strategie der Kommunisten darin, Machtpositionen zu erobern und dafür jede Kröte zu schlucken. Sie machen notfalls Politik rechts von der SPD, wenn sie das nur in die Regierung bringt oder in ihr hält."
Welch grandioser Zirkelschluß: wenn Kommunisten Politik machen ist es kommunistische Politik.
In gewisser Hinsicht versucht jede Partei Machtpositionen zu erobern und zu verteidigen. Und manche schlucken dabei auch Kröten.
Wobei das Krötenschlucken eben keine kommunistische Spezialität ist, wenn man sich die tatsächlich Entwicklung der Nachkriegszeit anschaut. Keineswegs haben die Kommunisten hier Kröten geschluckt. Vielmehr haben sie Begriffe (und Länder) besetzt und Nebel geworfen.
Und selbst wenn Ihre Analyse zuträfe (was nicht so ist), dann wäre diese Machterschleichungspolitik noch immer keine kommunistische Poltik. Von letzterer kann man erst sprechen, wenn Teil des kommunistsichen Programms umgesetzt werden.
Damit Sie nicht glauben ich wäre ganz blind: teilweise wird da ja umgesetzt, wenn man sich den Streit um den "Ethik"unterricht an Berliner Schulen anschaut (wobei hier die SPD genauso kommunistisch ist wie die PDS).
Zitat von str1977Und selbst wenn Ihre Analyse zuträfe (was nicht so ist), dann wäre diese Machterschleichungspolitik noch immer keine kommunistische Poltik. Von letzterer kann man erst sprechen, wenn Teil des kommunistsichen Programms umgesetzt werden.
Naja, das ist eine Definitionsfrage. Vielleileicht hätte ich präziser schreiben sollen: Marxistisch-leninistische Politik.
Und die funktioniert eben nicht wie die jeder anderen Partei. Haben Sie sich mal mit Lenin befaßt, mit seiner Einsicht, daß die Kommunisten nie eine Mehrheit bekommen werden, mit den Folgerungen, die er daraus gezogen hat?
Die Oktoberrevolution war ein geniales machiavellistisches Unternehmen. Eine kleine Minderheit (25 Prozent der Mandate) hat die Mehrheit in der Konstituante ausgespielt und die Macht an sich gerissen.
Nach diesem Rezept haben die Kommunisten zwischen 1945 und 1950 die Macht in einem Land Osteuropas nach dem anderen ergriffen, überall aus einer Minderheitsposition heraus. Kritisch war immer, daß man zuvor systematisch Machtpositionen erobert hatte.
Ein Musterbeispiel ist die Geschichte der SED, in der ja die Sozialdemokraten zunächst eine große Mehrheit hatten. In kürzester Zeit waren sie ausgespielt - entweder ausgeschlossen oder zu Mitläufern gemacht, wie Otto Grotewohl.
So war es nach 1961 in Cuba. Castro war anfangs keineswegs Kommunist, seine Bewegung des 26. Juli war es nicht. Die Kommunisten waren eine kleine Minderheit. Innerhalb einiger Jahre war Cuba kommunistisch geworden, und Castro selbst hatte sich angepaßt und zum Vorsitzenden der Kommunistischen Partei wählen lassen.
So findet es gegenwärtig in Venezuela statt, wo die Regierungsmehrheit keineswegs aus Kommunisten besteht, sondern um Sozialisten diverser Couleur. Ich gehe jede Wette ein, daß in zwei, drei Jahren die Kommunisten die Macht in Venezuela haben werden.
Nein, lieber str1977, das ist nicht die Art, wie demokratische Parteien nach Macht streben und Kröten schlucken.
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