Der Grund dafür, daß ich jetzt doch noch zu diesem Thema eine Marginalie geschrieben habe, ist eine genauere Inspektion des inkriminierten Hefts von Charlie Hebdo (gefunden nicht bei der WebSite der Zeitschrift, die noch immer blockiert ist).
Die Karikatur auf dem Titel ist das Gegenteil einer Verunglimpfung des Islam. Auch die Karikaturen auf der Rückseite (so scheint es jedenfalls; es könnte auch eine Montage mit einer Seite aus dem Heftinneren sein) beziehen sich, soweit ich sie entziffern konnte, auf den Film The innocence of muslisms, nicht aber auf Mohammed selbst oder den Islam als solchen.
Diese Karikaturen sind so geschmacklos, wie man das von Charlie Hebdo gewöhnt ist (der Vorläufer Hara-Kiri war nicht besser). Aber das ist eben das Konzept des Blattes. Man sieht zum Beispiel den Mohammed-Darsteller in dem Film, nackt auf dem Bauch liegend, von einem hinter ihm stehenden Kameramann gefilmt, den der Darsteller fragt "Et mes fesses, tu aimes mes fesses?" "Und mein Hintern, gefällt dir mein Hintern?" - eine Anspielung auf den Film Le mépris von Godard, in dem Brigitte Bardot diese Frage an Michel Piccoli stellt.
Nun ja. Aber sich über einen Mohammed-Darsteller oder einen Mohammed-Film lustig zu machen ist ja wohl keine Verunglimpfung des Islam. Abgesehen davon, daß auch eine solche keine Krawalle und Gewalttaten rechtfertigen würde, versteht sich.
Ich habe mich gestern mit einem Peruaner unterhalten, der mir erzählte, in Peru wäre der Islam per Gesetz verboten. "Hoppla!", dachte ich. So schlichte Lösungen bin ich gar nicht mehr gewohnt.
Der Link zur Rückseite von Charlie Hebdo wird bei mir nicht angezeigt. Gehe ich über einen US-proxy bekomme ich das Bild angezeigt. Was hat denn das zu bedeuten?
Ich kann für dieses angebliche Islamverbot in Peru allerdings keinen Beleg finden. Dafür hat Peru im Januar 2011 Palästina als Staat anerkannt. Na, wenn es sie glücklich macht. An den selbstzerstörerischen Tendenzen von PA und Hamas änder der Staatenstatus halt nix.
“Being right too soon is socially unacceptable.” ― Robert A. Heinlein
"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and those which are not." -Thomas Jefferson Quelle: The Public Domain, p. 21, http://www.thepublicdomain.org/download/
Auch dieser Artikel enthält eine Unschärfe, die sich offenbar immer weiter verbreitet und die mich zunehmend irritiert.
Zitat von ZettelGeschmackvoll sind sie nicht; witzig kann ich sie auch nicht finden, diese Karikaturen - aber gewiß beleidigen sie weder Mohammed, noch verunglimpfen sie den Islam.
Weder ein mythischer "Prophet", der, wenn er denn gelebt hat, seit bald anderthalb Jahrtausenden tot ist, noch "der Islam" als eine spezifische Weltanschauung - ein Komplex von Ideen - sind überhaupt geeignete Objekte von "Beleidigung" oder "Verunglimpfung".
Kann man denn etwa den Pharao Tut-Ench-Amun "beleidigen" im Jahre 2012, oder Karl den Großen? Aber den "Propheten Mohammed" schon? Kann man den Wissenschaftlichen Sozialismus oder den Darwinismus "verunglimpfen"? Aber den Islam schon?
Insbesondere letzteres stößt übel auf. Ideen sind Freiwild. Es ist das unveräußerliche Recht eines jeden freien Menschen, sie in jedweder Form mit geistigen Mitteln zu attackieren und, wenn sie schwächeln, gnadenlos zur Strecke zu bringen. Keine Idee kann in einer freien Gesellschaft jemals unberührbar sein.
Zitat von ZettelReligiöse Gefühle sind schutzwürdig
Nein, sind sie nicht.
Jedenfalls nicht in dem Sinne, daß eine Verletzung von "Gefühlen" staatliche Sanktionen rechtfertigen könnte. Auch die berüchtigten §§ 166, 167 StGB schützen nicht "Gefühle", sondern sollen den "öffentlichen Frieden" sichern. Ob sie dazu geeignet sind, wird mir zunehmend zweifelhaft. Möglicherweise wäre es zur Erreichung dieses Ziels sinnvoller, die Vorschriften abzuschaffen und stattdessen jegliche religiös motivierte Krawalltätigkeit rigoros zu unterbinden.
Zitat von cetede im Beitrag #3Der Link zur Rückseite von Charlie Hebdo wird bei mir nicht angezeigt. Gehe ich über einen US-proxy bekomme ich das Bild angezeigt. Was hat denn das zu bedeuten?
Seltsam. Bei mir (Windows 7, Chrome) wird die Seite nach wie vor angezeigt.
Nachtrag: Man kann die Rückseite in schlechterer Qualität auch hier sehen.
Die ritualisierten Bekundungen, man fände die Karikaturen "unsäglich", "geschmacklos", "hetzerisch", "absurd" etc. etc. erinnern mich an das zu anderen Zeiten mal angesagte reflexhafte Heben des rechten Arms, bevor man sein eigentliches Anliegen vorzutragen begann. Selbst wenn anschließend eine lauwarme Verteidigung der Meinungsfreiheit folgt, gilt es, zuvor die richtige Gesinnung zu bekunden. Irre, wie weit der Kontinent der Aufklärung bereits gesunken ist.
Der neueste Ausdruck schwerster geistiger Verwirrung ist dem aktuellen Interview mit nicht meinem, aber unserem Außenminister zu entnehmen:
"Schmähungen und Beschimpfungen des Glaubens sind auch bei uns nicht erlaubt, wenn der öffentliche Frieden gestört wird...Also: Das ist kein Kampf der Kulturen, das ist auch keine Konfrontation der Religionen. Es ist ein Kampf der Vernünftigen gegen die Fundamentalisten, ein Kampf der Friedlichen gegen die Gewalttäter. Etwas anderes sollten wir uns nicht einreden lassen..."
Eine eigenwillige Interpretation der hässlichen Realität islamisch geprägter Gesellschaften sowie deutscher Gesetze. Mit dieser Logik müsste Westerwelle sofort seine sexuelle Präferenz ändern, weil durch sie die religiösen Gefühle sehr vieler Muslime aufs äußerste verletzt werden. Ist doch nicht weiter schlimm...dient doch der Erhaltung des "öffentlichen Friedens"....eine Alternative wäre die Behandlung als transsexuelle Störung, das schützt Menschen wie Westerwelle selbst im Iran vor Strafe. Der Staat übernimmt dort sogar die Kosten zur Um-OP...soll einer sagen, islamische Theokratien seien "unvernünftig"...
Zitat von cetede im Beitrag #3Der Link zur Rückseite von Charlie Hebdo wird bei mir nicht angezeigt. Gehe ich über einen US-proxy bekomme ich das Bild angezeigt. Was hat denn das zu bedeuten?
Es hat vermutlich nichts mit ihrem Internetprovider zu tun. Der Anbieter, bei dem das Bild gehostet ist, erlaubt kein Hotlinking. D.h. das Bild kann nicht als Referenz von einer anderen Website verlinkt werden, sondern nur von Seiten innerhalb dieser Webdomain aufgerufen werden. Sie können die Fehlermeldung ganz einfach umgehen, in dem Sie die URL
direkt in ihre Browseradressleiste kopieren und Return drücken. Oder Sie klicken in dem Browser-Fenster mit der Fehlermeldung einfach in die Adresszeile Ihres Browser und drücken Return. Hat bei mir funktioniert (Firefox 15).
Das muß nicht gegen den Peruaner sprechen. Er wird in seiner Heimat so wenig einem Muselmann begegnet sein wie ein bodenständiger Westfale einem Baha'i & hat in ebenso morgenstern'scher wie lateinamerikanischer Tradition aus dem was-nicht-ist auf das was-nicht-sein-darf rückgeschlossen.
In Deutschland glauben unsere Atheisten, dass das Argument mit den öffentlichen Frieden nur vorgeschoben ist. Im Grunde ist es der selbe Fall wie Charlie damals in Frankreich. Nur mit dem Unterschied, dass die Provokation diesmal von politisch unsympathischen Zeitgenossen ausgeht und nicht von Satirikern.
14.04.2022: Steinmeier ist in Kiew nicht willkommen 16.04.: Twitter darf nicht von Elon Musk übernommen werden (to be continued)
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