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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 15 Antworten
und wurde 1.503 mal aufgerufen
 Zeitgeschichte und Politik
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.07.2007 09:27
Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten

Kein europäisches Land ist laut einer neuen Umfrage so antiamerikanisch wie Deutschland; überhaupt keines außer einer Reihe von islamischen Ländern und Argentinien. Warum?

Ein paar Gedanken dazu in diesem Beitrag.

Turbofee Offline



Beiträge: 329

24.07.2007 09:31
#2 RE: Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten
x
M.Schneider Offline



Beiträge: 672

24.07.2007 09:56
#3 RE: Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten

Lieber Zettel

Ich bin der Meinung, Deutschland ist in den letzten 35 Jahren immer weiter nach links gerutscht. Das linke Denken ist nicht nur in Studentenkreisen vorhanden, das schien unverständlicherweise ja schon immer zum guten Ton zu gehören, sondern es geht durch die gesamte Bevölkerung. Dieses linke Denken ist der eine Grund für den Antiamerikanismus.

Der zweite Grund ist der ewige Schuldkomplexes in der deutschen Bevölkerung wegen der zwei mutmaßlich verursachten Weltkriege. Dies hat zu einer völligen Lethargie in Sachen Selbstbewusstsein, nationalem Stolz aber auch zur völligen Unfähigkeit, Freiheit Land und Kultur zu verteidigen geführt.

Da Amerika immer seine Kultur und seine Freiheit verteidigt hat, es auch für seine Bündnispartner tut, dies natürlich logischerweise mit Waffengewalt, weil es anders gar nicht geht, wird Amerika in den Köpfen dieser Illusionisten wie ein Aggressor wahrgenommen, weil sie in dem Wahn leben, man könne alle Angriffe auf Freiheit und abendländische Kultur mit Reden abwehren.
Ein im Zweifelsfall tödlicher Irrtum.

Dabei die ganzen Hilfen die Deutschland von Amerika erfahren hat zu vergessen, ist in meinen Augen eine Schande, aber auch der Begriff der Ehre ist in diesem Land längst ein Fremdwort geworden.
Nur noch Spinner wie Sie und ich machen sich überhaupt darüber Gedanken.

Es ist wirklich jämmerlich.

Herzlich M. Schneider

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

24.07.2007 12:37
#4 RE: Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten

> Deutschland ist andererseits ein Land, das immer wieder von der
> Großzügigkeit, von der Freundschaft der USA profitiert hat.
Das könnte eine Ursache sein: Man erträgt es nicht leicht, dankbar sein zu müssen.
Und am schwersten ertragen es die linken Journalisten, die in den Medien dominieren - ihr Weltbild erfordert es, über den Dingen stehen zu können, am deutschen Wesen die Welt zu beurteilen.
Für sie ist es ein beständiges Ärgernis, daß die USA den Krieg gewonnen und die Demokratie eingeführt haben, und noch dazu eine Marktwirtschaft.

Die antiamerikanischen und antisemitischen Traditionsstränge sind in Deutschland immer noch unterbewußt vorhanden, damit kann man Auflage machen.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.07.2007 18:00
#5 RE: Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten

Lieber R.A

ich stimme Ihnen zu.

Zitat von R.A.
Die antiamerikanischen und antisemitischen Traditionsstränge sind in Deutschland immer noch unterbewußt vorhanden, damit kann man Auflage machen.

Das fürchte ich auch. Der Antisemitismus ist ja keineswegs ein rechtes Phänomen, sondern es gibt ihn links ebenso wie rechts; am wenigsten sicher bei Liberalen.

Wenn ich mit Bekannten über Amerika spreche, dann fällt mir auch bei intelligenten und sympathischen Menschen immer wieder genau das Gemisch auf, das auch den Antisemitismus kennzeichnet: Eine Mischung aus Minderwertigkeitsgefühlen und Arroganz bis Aggressivität.

Man kann nicht umhin, die Leistung der Juden, die Leistung der Amerikaner anzuerkennen. Aber das wird dann durch Herabsetzung und Verunglimpfung kompensiert.

In beiden Fällen steht übrigens der Vorwurf der "Kulturlosigkeit" im Vordergrund. In beiden Fällen absurd - von der jüdischen, von der amerikanischen Kultur könnten wir uns manche Scheibe abschneiden.

Bei den USA kommt dann noch der Vorwurf der Aggressivität hinzu - Cowboy-Mentalität, Wolfsgesellschaft usw.

Und wenn er das glaubt, der kleine linke Student in Deutschland, der an Kultur den meisten US Graduates unterlegen sein dürfte, dann fühlt er sich halt besser.

Diese Kompensation von Unterlegenheitsgefühl durch Herabsetzung ist ja auch der Mechanismus des Rassismus. Hassen tut man immer nur den, den man auch beneidet.

Herzlich, Zettel

Sparrowhawk ( Gast )
Beiträge:

24.07.2007 19:48
#6 RE: Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten

Naja, in Sachen Irak kann man ja wohl auch von Cowboy-Mentalität sprechen... und von Pinocchio-Diplomatie.

Ansonsten noch Anmerkungen zu deinem Artikel, lieber Zettel:

"Nach 1945 wurde in der US-Zone nicht demontiert, sondern es gab Hilfe für hungernde Kinder (sogenannte "Schulspeisung", ich habe sie jahrelang gegessen), es gab die Amerika- Häuser. Es gab schließlich vor allem den Marshall- Plan. Es gab die Luftbrücke, die das blockierte Berlin rettete."

Die USA hatten kaum eine andere Wahl, zumal sich ja schon sehr früh das Ende mit der Zweck-Allianz mit Stalin abzeichnete. Deutschland wurde noch gebraucht, undzwar als Vorposten gegen den Komunismus, als Mauer für die amerikanische Containment-Strategie. Dazu allerdings wäre ein schwaches, demontiertes, ausgemergeltes Deutschland völlig ungeeignet gewesen. Wollte man nicht ganz Deutschland an den Kommunismus verlieren, musste anders gehandelt werden.
Ich kann mir vorstellen, daß Frankreich und England nicht gerade begeistert davon waren, aber gerade aus französischer Sicht dürfte die Kröte "Wiederaufbau Deutschland" zwar schwer, aber dennoch leichter zu schlucken gewesen sein als die Aussicht, einen kommunistischen Staat zum Nachbarn zu haben. Und auch England dürfte der Gedanke, den Kommunismus dermaßen nah an der eigenen Pforte zu haben, eher Unbehagen bereitet haben.

"Die USA haben auch später die Freiheit Westberlins verteidigt und sind dabei bis an den Rand eines Kriegs gegangen."

Ob sie wirklich dermaßen hoch gepokert haben, ist die Frage. Stalin hätte nicht die Order gegeben, die amerikanischen Flugzeuge abzuschießen, denn dann hätte es gekracht, und ob eine ausgemergelte Sowjetunion sich gegen eine frischere (wenn auch blutende) USA auf Dauer hätte durchsetzen können dürfte wohl auch Stalin zu bezweifeln gewagt haben.
Im Fall West-Berlins ging es um die Symbolik; die "Island in the Red Sea" durfte nicht verlorengehen, sonst wären die FOlgen unabsehbar gewesen.


Übrigens: wirklich antiamerikanisch war der damalige Umweltminister Trittin, als der nach dem Hurricane Katrina meinte, die USA wären selbst daran schuld. Das war Antiamerikanismus und Menschenverachtung. Daß Schröder den nicht gefeuert hat, ist ebenso skandalös.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

24.07.2007 20:09
#7 Aktuelle Ergänzung Antworten

Der Artikel im aktuellen "Spiegel", den ich in dem Beitrag zitiere, ist jetzt in "Spiegel-Online" zu lesen.

Die dort abgedruckte Grafik ist allerdings nur ein Auszug aus der entspechenden Grafik des Pew Research Institute.

Libero Offline



Beiträge: 393

24.07.2007 20:16
#8 RE: Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten

Sehr geehrter Herr Zettel

bei Ihren Ausführungen übersehen oder unterschätzen Sie eine Quelle des Mißverständnis, die zumindest bei mir eine gewichtige Rolle spielte. Man lernt Englisch. Was kann man dann, wenn man nie in England oder den USA war. Man kann sich auf Englisch mit Deutschen oder englischsprechigen Ausländern unterhalten. Kann man sich mit Amerikaner oder Engländer unterhalten?

Bedingt.

Engländer und Amerikaner verhalten sich anders als Deutsche. Das genau lernt man nicht im Englischunterricht. Wie sehr sich in den Auffassungen die Nationen unterscheiden und wie sehr das in das Alltagsleben hineinspielt. Das Blog USAerklaert leistet da oft Aufklärungsarbeit.

Gerade die Kenntnis nur der Sprache Englisch verführt dazu, zu glauben, daß man unmißverständlich verstanden wird. Dem ist nicht so. Das was ein Deutscher einem Amerikaner auf Englisch sagt, wird amerikanisch interpretiert. Der Deutsche sprach zwar Englisch, interpretiert aber in Deutsch. Ein deutscher Austauschschüler ist nicht mal 24 h im Land und schon hat er den feinsten Fetttöpfchenslalom hingelegt. Gegenseitig denkt man, was für ein Idiot. Das würde ein Amerikaner nie sagen, dazu ist er zu höflich. Während der Deutsche die Amerikaner für doof hält, weil sie selten direkt etwas Negatives sagen.

Bleibt man längere Zeit in den USA baut man eine Bilingua der Sitten und Gebräuche auf, so das die Mißverständnisse abnehmen. Das reicht nicht, wir brauchen auch und gerade für die USA ein interkulturelles Training.

Die Amerikaner brauchen das zum Beispiel auch. Wer im Fernsehen als Politiker auftritt und sich zum Beispiel an die arabische Welt wendet, sollte es vermeiden, seine Schuhsohlen zu zeigen. Das gilt als Mißachtung. Ich selbst bin Latino-Deutscher und kann Latinos verstehen, die Amerikaner ablehnen. Sie verhalten sich gegen die Sitten und Gebräuche, verletzen Tabus. Natürlich ohne Absicht, nur leider kommt es so an.

Das tun Deutsche natürlich auch. Ein Kollege von meinem Vater ist mal nur knapp dem Messer entronnen. Aber wir haben den Schutzengel von Humboldt und einige andere in Deutschland völlig unbekannte Deutsche und sind nicht direkt Nachbarn. Ein Latino ist doch recht leicht für einen einzunehmen. Sie ehren als Gast seine Muttersprache, in dem sie wenigstens die üblichen Formel der Höflichkeit aussprechen können. Auch die Ansprache ist wichtig. Wenn Sie gebildete Perser oder Araber für sich einehmen wollen, ist es anzuraten, ein Freund der Dichtkunst zu sein und wenigstens einige der im west-östlichen Diwan Genannten zu können. Auch der Name Rückert, hier als Übersetzer, sollte bekannt sein. Da ich Lyrik liebe, habe ich immer eine gemeinsame Ebene mit einem Perser, wie unlängst wieder in Düsseldorf.

Es ist so einfach, Tabus zu verletzten und es ist so schwer, diesen Eindruck wieder zu korrigieren. Von den Tabuverletzungen gegenüber Japaner und Chinesen will ich gar nicht reden. Ein Studienkollege wollte in Japan Produkte verkaufen. Er scheiterte und war enttäuscht. Dabei hatte er in nur einem Tag so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte.

Es wäre generell notwendig, daß alle Nationen interkulturelles Training absolvieren, wenn sie ins Ausland fahren. Die Japaner kriegen ein Benimmheft von ihrem Außenministerium, was nicht immer hilft, aber immerhin. Wir sind in einem fremden Land im Gast und das bedeutet, ich muß mich Mühen, Sitten und Gebräuche nicht zu verletzten. Das sind wirklich Mühen. Als mein Vater vor 40 Jahren dim Außendienst durch die Welt zog, mußte er höllisch aufpassen, sich nicht in die Nessel zu setzen. Das Beherrschen einer Umgangssprache reicht bei weitem nicht aus.

Herr Zettel, Sie sind bei ihrer Wertung davon ausgegangen, daß alle Antwortenden ehrlich waren. Ist ihnen noch nie aufgefallen, daß es wenig Nationen gibt, wo auch untereinander eine harsche Kritik, ein rüder Umgangston wie in Deutschland herrscht. Paßt mir das Kleid? Zieh es aus, du siehst darin unmöglich aus. Das sagt man in Deutschland und wo noch?

Ich glaube nicht, daß die Daten 1:1 bewertet werden dürfen. Sowohl in die eine Richtung, wie in die Andere. Wenn ein Amerikaner wenig Negatives über Deutschland sagt, kann das auch daran liegen, daß er das Negative durch die Blume sagt und dann natürlich nicht öffentlich antwortete, das er Deutsche ablehnt. So krass würde das ein Amerikaner nie sagen, während ein Deutscher bei "eher ablehnen" recht leichtfertig zustmmt.

Herr Zettel, sie sind doch Naturwissenschaftler. Da müssen Sie doch immer fragen, inwieweit kann ich den Daten trauen? Erlauben Sie die Aussagen, die ich ausspreche?. Sie sollten auch außerhalb der naturwissenschaftlichen Themen dieses kritische Herangehen an eine Bewertung beibehalten. Auch wenn Sie über politische oder allgemeine Themen schreiben, sollten Sie es mit dem Geist eines Naturwissenschaftler tun.

Herzlichst
Libero

Libero Offline



Beiträge: 393

24.07.2007 20:37
#9 RE: Aktuelle Ergänzung Antworten

Lieber Herr Zettel,

Ich lehne es für mich persönlich ab, aufgrund von Pressemitteilungen oder Sekundärquellen zu urteilen.

Ich verweise auf den vollständigen Bericht
http://pewglobal.org/reports/pdf/256.pdf
und habe die entscheidenden Fragen zusammengestellt

Q 16a auf p 92 hier China
Q 16b auf p 93 hier vor allem die negativen Bewertungen
Q 23 auf p 103 Sehen Sie sich die Werte von not to much an
Q 24 auf p 104 hier achten Sie auf die Werte von lessen the gap
Q 26 auf p 104 GB und CDN
Q 27 auf p 105 Sehr interessante Zahlen vor allem GB und CDN!!!!
Q 28 auf p 106 Bemerkenswert ist hier die Selbsteinschätzung, bitte auch bei den anderen Q beachten
Q 29 auf p 107 hier wundert mich der niedrige Wert von Indien
Q 30 auf p 108

Damit eine bessere Diskussionsgrundlage vorhanden ist

Herzlichst
Libero
Q 31 auf p 109
Q 32 auf p 110
Q 56a auf p 111

Ungelt ( gelöscht )
Beiträge:

24.07.2007 21:49
#10 RE: Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten

Ich möchte ohne Einschränkung zustimmen, auch den allermeisten Anmerkungen in den anderen Beiträgen. Und ohne hier meinen tschechischen und polnischen Senf noch einmal aufwärmen zu wollen: so wird es wohl auch mehrheitlich in diesen Ländern gesehen. Sie wollen sich nach meiner Einschätzung nicht auf eine europäische Sicherheitspolitik verlassen, die irgendwann von den USA abgekoppelt sein könnte.



Zettel Offline




Beiträge: 20.200

25.07.2007 04:33
#11 RE: Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten
Lieber Libero,

was Sie zu interkulturellen Mißverständnissen sagen, kann ich nur unterstreichen. Und ich danke Ihnen für die erhellenden Beispiele.

Ich habe einmal einen Vortrag einer Wissenschaftlerin gehört, deren Forschungsgebiet interkulturelle Kommunikation war. (Sie arbeitete hauptsächlich in Asien und hat zB untersucht, welche Mißverständnisse es zwischen Europäern und Asiaten gibt, die in demselben Betrieb zusammenarbeiten).

Zu Deutschland und den USA gab sie dieses Beispiel (ich weiß nicht mehr, ob real passiert oder ausgedacht):

Es geht um einen Fehler, der in einem Satellitensystem aufgetreten ist. Die deutschen Ingenieure schlagen vor, zunächst einmal das Problem ausführlich zu analysieren, seine Hintergründe zu erforschen usw. Die Amis werden immer ungeduldiger und sagen: "Let's find a quick fix".

Ich habe dergleichen auf zahlreichen internationalen Konferenzen erlebt. Die Deutschen - vor allem die Älteren - waren weitschweifig, gingen erst einmal ins Grundsätzliche und tendierten andererseits dazu, ihre Meinung mehr oder weniger dogmatisch zu vertreten. Die Amis fragten sich, was denn aus einer Theorie folgt, und waren viel mehr bereit, auch die Meinung anderer gelten zu lassen.

Ich erinnere mich an eine Konferenz Anfang der achtziger Jahre, als ein deutscher Professor X mal wieder ex kathedra verkündete, wie es ist.

Da meldete sich ein britischer Kollege, ein sehr angesehener Mann, zu Wort und sagte lächelnd: "When X says "there is proof", then he means "there is some evidence". And when he says "there is some evidence", then he means "I know nothing at all about it"."

Heute ist das jedenfalls in den Naturwissenschaft weitgehend vorbei. Fast alle Jüngeren haben einmal in den USA gearbeitet, und der angelsächsische Stil hat sich auch in Deutschland weitgehend durchgesetzt.

Herzlich, Zettel
R.A. Offline



Beiträge: 8.171

25.07.2007 12:36
#12 RE: Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten

@Libero:
Das sind sehr wichtige und bedenkenswerte Aspekte.

Wobei ich glaube, daß die Bereitschaft der Deutschen, auch in Umfragen negative Meinungen offener anzugeben, den Trend nur etwas verstärkt - an der Existenz dieses Anti-Amerikanismus selber gibt es wohl wenig Zweifel.

Zu den interkulturellen Mißverständnissen fallen mir zwei Sachen ein.

Zum ersten ist es wirklich relevant, daß die Deutschen sich nicht bewußt sind, wie groß die Unterschiede zu den Anglo-Amerikanern sind. Daß ein Chinese oder Araber sich anders verhält - das weiß und erwartet man, entsprechend ist man bereit, merkwürdige oder als beleidigend empfundene Verhaltensweise oder Aussagen zu tolerieren.
Das gilt auch umgekehrt - wenn sich Europäer oder Amis sich in so fremden Ländern "daneben" benehmen, wird das zu einem guten Teil akzeptiert, weil die Leute sich bewußt sind, daß das Unwissen ist und nicht unbedingt gewollte Unhöflichkeit.
Beim Umgang mit Amis dagegen fällt dieser Effekt fast komplett weg. Die sehen aus wie wir, leben oberflächlich betrachtet wie wie, sprechen Englisch wie wir (so jedenfalls die deutsche Eigeneinschätzung) - und dann gibt es überhaupt keinen "Rabatt", wenn es zu Mißverständnissen kommt, das wird dann gleich als bewußte Arroganz o. ä. interpretiert.

Zum Zweiten wirken interkulturelle Mißverständnisse von oben nach unten viel stärker als umgekehrt.
Wobei ich mit "oben" die Nationen meine, die reicher, mächtiger oder größer sind, sich selber so fühlen und von anderen so gesehen werden.

Wenn sich der Angehörige eines kleinen oder armen Staates "merkwürdig" benimmt, so nimmt das einer der "Großen" nicht so übel. Sind halt ein bißchen drollig, zurückgeblieben, nicht ernst zu nehmen, diese Typen.
Umgekehrt wird jedes "Fehlverhalten" eines "Großen" sehr stark empfunden, eben weil man sich schon unterlegen fühlt und sensibel ist, sich oft nicht ernst genommen fühlt.

Da die Amis nun mal mit großem Abstand "top dog" unter allen Ländern dieser Welt sind, bekommen sie auch den größten Teil dieses Effekts negativ ab.

Den Deutschen als größter Staat Europas geht das ähnlich.
Und sie mögen vielleicht in einigen Details besser über ihre Nachbarn Bescheid wissen als mancher US-Teenie, der nur vage Vorstellungen von der Existenz anderer Länder hat.
Aber dafür sind die Deutschen oft wirklich arrogant und verächtlich gegenüber ihren kleineren Nachbarstaaten - unter Schröder war Verachtung und Ignoranz gegenüber Polen oder Tschechien ja fast offizielle Regierungspolitik, und wurde von den Medien kritiklos mitgetragen.

Libero Offline



Beiträge: 393

25.07.2007 13:53
#13 RE: Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten

Hallo R.A.

ich finde Diskussionen am fruchtbarsten, in denen Gedanken aufgenommen werden. Sie haben völlig recht, bei allen anderen wissen wir, das sie anders sind als wir. Ihre Sprachen sind nicht Allgemeingut.

Bei Amerikaner und Engländer gehen wir von weitgehender Überstimmung aus. Wir sprechen ja ihre Sprache. Aber wir BENUTZEN sie weiterhin wie Deutsche und verhalten uns natürlich auch wie Deutsche. Umgekehrt interpretieren wir das Verhalten anderer wie deutsches Verhalten.

Wenn wir eine Sprache beherrschen, ist das nur der Schlüssel zum Verständnis des anderen, dessen Sprache wir beherrschen. Ob wir mit diesem Schlüssel das Schloß zu der Welt der anderen Kultur öffnen können, das ist eine ganz andere Frage.

Wenn ich rekapituliere, wie ich über Amerikaner dachte, dann habe ich sie als Deutsche bewertet. Das kann, wenn keine Bilingua der Sitten und Gebräuche und Tabus sind entwickelt, zu tiefgreifenden Mißverständnissen führen. Das ist ja umgekehrt auch der Fall. Wie freuen Sie sich über ein Geschenk und wie empfindet ein Amerikaner ihre Freude. Er wird tief verstört sein. Der Blogger von USA erklaert ist ein Amerikaner, der mit seinen Eltern in Deutschland aufwuchs und mit einer Deutschen verheiratet ist. Alleine dadurch erschließt sich ihm ein vertiefter Einblick in die Abgründe der mißverständlichen Verständigung.

Oder kennen Sie den Gesprächssalsa mit Arabern. Er kommt näher, Sie weichen zurück, er kommt näher usw usw. Schwierig.

Oder nehmen wir das deutsch israelische Verhältnis. Ein Israeli begreift Schuld ganz anders als ein Deutscher. Logisch, das da Zwist entsteht. Zu den Sitten und Gebräuchen gehört also auch wie wir zentrale Begriffe des menschlichen Zusammenlebens definieren.

Übereinstimmend?

Nein, eben nicht

Wir müssen uns klar sein, daß das Lernen von Sprache mehr ist als nur Wörter und Grammatik. Das genau wird in unserer schulischen Bildung nicht oder zu wenig vermittelt.

Überhaupt ist Schule in Deutschland nicht das, was es sein soll, weil man unter Bildung vor allem Wissen versteht. Dabei ist Bildung viel mehr als bloßes Wissen. Wissen, das ist wie Wasser, im flüssigen formlos. Erst die Vase oder ein anderes Hohlgefäß gibt ihm Form und Rückhalt. Das kommt in der Schule viel zu kurz.

Herzlichst
Libero

Libero Offline



Beiträge: 393

25.07.2007 13:57
#14 RE: Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten

Hallo R.A,

oft wirklich arrogant und verächtlich gegenüber ihren kleineren Nachbarstaaten

Portifiro Diaz, bandito y el presidente de Estados Unidos de Mexico wird der Ausspruch zugeschrieben
Armes Mexiko, so weit von Gott und so nahe an den USA.
Die Mexikaner sind extrem empfindlich gegenüber dem Verhalten von Amerikanern, die sicherlich völlig überrascht wären, wie ihr Verhalten manchmal gewertetet wird.

Libero Offline



Beiträge: 393

27.07.2007 09:15
#15 RE: Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten

Nachtrag

vieles was ich über die typischen Konfliktpunkte durch schieres Unverständnis zwischen Amerikanern und Deutschen weiss, habe ich von dem blogger von USAerklaert. Er, Amerikaner, ist mit einer Deutschen verheiratet, die seine Leser als die schönste Germanin kennen. Seine Frau hat einen Relocation-Service aufgebaut, der es Amerikaner in Deutschland und Deutschen in America ermöglicht, die typischen Konfliktpunkte durch schieres Unverständnis durch schieres Verständnis zu ersetzen.

Ich bleibe dabei, das gegenwärtige deutsche Empfinden gegenüber Amerikaner geht bei der Mehrzahl der Menschen auf das geglaubte Verständnis aber in Wirklichkeit schiere Unverständnis zurück. Wir Deutschen wachsen mit der englischen Sprache und amerikanischen Serien heran und glauben, wir sind uns ähnlich. Sind wir aber nicht, das Verständnis füreinander müssen wir erwerben, in dem wir eine Bilingua der Sitten, Gebräuche und Tabus aufbauen. Vielleicht wäre es anders, wenn man auf die Synchronisierung verzichten würde.

Libero

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

27.07.2007 10:56
#16 RE: Der seltsame deutsche Antiamerikanismus Antworten

Hallo Libero,

Ihrem Beitrag stimme ich komplett zu.
"USA erklärt" ist eines der besten Blogs, daß ich je gelesen habe - ich empfehle es auch dringend allen Leuten weiter.

> Überhaupt ist Schule in Deutschland nicht das, was es sein soll, ...
Ja - aber in diesem Kontext ist die Frage, ob Schule da viel mehr leisten kann.
Am sinnvollsten erscheinen mir da die Schüleraustauschprogramme, bei denen die Schüler eine gewisse Zeit in US-Familien leben. Da kriegt man mehr mit als mit der besten Theorie möglich.
Gute Schulen zeichnen sich u. a. durch umfangreiche Austauschprogramme aus.

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