Selbstverständlich ist nicht das gesamte deutsche Theater so. Es gibt überall ausgezeichnete Aufführungen, die sich am Werk orientieren und es nicht der Eitelkeit der RegisseurInnen opfern. Aber wer sich als aufstrebender junger Regisseur einen Namen machen will, der wird das im Allgemeinen besser und schneller erreichen, wenn er sich selbst mittels eines Werks inszeniert; statt seine eigenen Bemühungen in den Dienst des Werks zu stellen.
Zitat Wir lassen es uns gefallen. Das Kartell aus Regisseuren und Kritikern funktioniert.
Nö, lassen "wir" nicht. Das Deutsche Nationaltheater, obwohl keine fünf Minuten Fußweg entfernt, habe ich seit einer völlig indiskutablen "Faust"-Verwurstung nicht mehr betreten. Würden sich Kunst- und Kulturschaffende nicht mittels Waffengewalt finanzieren, sondern wären auf die Gunst ihres Publikums angewiesen, würde auch jenes Regietheater das Nischendasein fristen, welches ihm gebührt.
Grüße
~~~ Don't you know there ain't no devil? There's just God when he's drunk.
Nun, man kann hier sehr, sehr weit ausholen. Den wichtigsten Punkt hat Vogelfrei schon angesprochen: das Theater hat sich vom Publikum emanzipiert, zuallererst indem es als Staatstheater hauptsächlich von Subventionen lebt. Die Summen, die wir uns leisten (ohne gefragt zu werden), sind immens - jede Theaterkarte wird durchschnittlich mit 200 Euro subventioniert.
Das Pekuniäre ist aber doch nur vordergründig. "Theater" beansprucht ja diese Gelder und diese Hauptrolle, weil es sich als Träger der Kultur, als unverzichtbaren Gegenpol zur seichten Massenunterhaltung sieht und verkauft. Ohne unsere "Theaterlandschaft" müßte unsere gesamte Kultur schier untergehen, suggeriert man vonseiten des Kartells aus Theatermachern und Theaterbewertern (Presse/Kritik).
Es stellt sich also die Hauptfrage: was sind die wünschenswerten bzw. die traditionellen Inhalte unserer Kultur, was waren sie vielleicht einmal damals, als die Stücke und Opern geschrieben wurden - und was sind sie heute? Zu konstatieren ist ein radikaler Paradigmenwechsel, sozusagen ein weiterer und tiefgreifender Putsch: Sinn und Zweck von Kultur war es einst sicherlich, das Schöne, Gute UND Moralische zu befördern (neben dem Ruhm der Geldgeber). Heute dagegen sehen wir das Umgekehrte: was das Schöne, Gute und Moralische befördert, kann gar keine Kultur sein, das ist maximal "Kitsch". Kultur ist heute dann angesehen und bejubelt, wenn sie das Häßliche, das Niedrige, Gemeine und Unmoralische befördert. Dies ist das Credo der Kulturkritik.
Es läßt sich sehr leicht ein Bogen schlagen zu der anhaltenden Jubelarie über den Auftritt von "Pussy Riot". In Wirklichkeit sind dies ja nur Anarchisten, die bereits vorher anarchistische Events von abscheulichem Gepräge durchgeführt haben - immer auf der Spur des maximal Verdorbenen. DAS ist die "Kultur", die heute Preise bekommt.
Ich schlage den Bogen zurück zu unserem schönen Regietheater: dort ist ja "Pussy Riot" quasi Alltag. Das täglich Brot der Theaterschaffenden sind doch Nacktheit, Obszönität, Blut, Sex, Orgien, Fäkalien und dergleichen mehr! Es herrscht da ein Überbietungswettbewerb in Sachen "Versautheit". Verbrämt wird dies von der Kritik mit tiefschürfenden Interpretationen und ach so gesellschaftskritischen Anliegen. Je irrer ein Regisseur, desto beliebter. (Schlingensief, anyone?)
In Wirklichkeit haben wir im Theater einfach die Kultur mit der Kulturlosigkeit vertauscht - der Kaiser ist nackt.
Eine Frage aber bleibt rätselhaft: warum wird denn nicht in gleicher Weise die Musik angegriffen, wird Mozart nicht mit verstimmten Instrumenten, völlig außer Takt und von herumschreienden Sängern dargeboten?! Hier bleibt noch ein weites Feld für Anschläge und Putschversuche.
Zitat von Thanatos im Beitrag #3Es stellt sich also die Hauptfrage: was sind die wünschenswerten bzw. die traditionellen Inhalte unserer Kultur, was waren sie vielleicht einmal damals, als die Stücke und Opern geschrieben wurden - und was sind sie heute? Zu konstatieren ist ein radikaler Paradigmenwechsel, sozusagen ein weiterer und tiefgreifender Putsch: Sinn und Zweck von Kultur war es einst sicherlich, das Schöne, Gute UND Moralische zu befördern (neben dem Ruhm der Geldgeber). Heute dagegen sehen wir das Umgekehrte: was das Schöne, Gute und Moralische befördert, kann gar keine Kultur sein, das ist maximal "Kitsch". Kultur ist heute dann angesehen und bejubelt, wenn sie das Häßliche, das Niedrige, Gemeine und Unmoralische befördert. Dies ist das Credo der Kulturkritik.
Ich weiß nicht, ob man das so generell sagen kann, lieber Thanatos.
Ich habe jetzt einmal den Spielplan des Schauspielhauses Bochum herausgesucht, das zur Zeit Zadeks und Peymanns ausgezeichnete Aufführungen hatte; später dann das ebenfalls hervorragende Tanztheater von Reinhild Hoffmann, Wir haben kaum eine dieser Aufführungen versäumt. Jetzt wohnen wir weit weg von Bochum; aber wenn es uns einmal dorthin verschlägt, versuchen wir das immer mit einem Theaterbesuch zu verbinden.
Zu den Premieren und Wiederaufnahmen dieser Spielzeit und zum Repertoire gehören (ich kopiere das jetzt einfach):
KÖNIG RICHARD DER DRITTE von William Shakespeare Regie: Roger Vontobel
DER DIENER ZWEIER HERREN von Carlo Goldoni Regie: David Bösch
HEDDA GABLER von Henrik Ibsen Regie: Roger Vontobel
HAMLET von William Shakespeare Regie: Jan Klata
LILIOM Eine Vorstadtlegende in sieben Bildern und einem szenischen Prolog von Franz Molnár, für die deutsche Bühne bearbeitet von Alfred Polgar Regie: Christina Paulhofer
MEDEA in einer Bearbeitung nach Euripides von Jalila Baccar und Fadhel Jaibi Regie: Fadhel Jaibi
NATHAN DER WEISE von Gotthold Ephraim Lessing Regie: Lisa Nielebock
DIE DREIGROSCHENOPER von Bertolt Brecht mit Musik von Kurt Weill Regie: Christoph Frick
KLEINER MANN – WAS NUN? von Hans Fallada Regie: David Bösch
BUNBURY von Oscar Wilde Regie: Jan Neumann
DIE RÄUBER von Friedrich Schiller
DRAUSSEN VOR DER TÜR von Wolfgang Borchert Regie: David Bösch
VOR SONNENAUFGANG von Gerhart Hauptmann Regie: Anselm Weber
Das ist doch eine beträchtliche Menge an Klassikern, finden Sie nicht? Natürlich können darunter Inszenierungen gegen die Intention des Autors sein, wie ich sie in dem Artikel kritisiere. Es gibt im Spielraum auch Vieles, das mir nichts sagt; darunter mögen Stücke der Art sein, wie Sie sie charakterisieren. Aber generell würde ich das nicht so sehen.
Zitat von Zettel im Beitrag #4 DIE RÄUBER von Friedrich Schiller
Diese Inszenierung dürfte Deinen Geschmack treffen und sie trifft noch nicht einmal eine Oper*.
Zitat von Matthias HeineAus Schillers genial-geschwätzigem Jugendstück macht Klata eine Rockrevue mit viel Musikeinsprengseln und Videoprojektionen, in denen einmal das ganze Ensemble mit Kopfschüssen abgeknallt wird. Das Zentrum des Bühnenbilds bilden Neonröhren, an die sich die Räuber immer mal wieder lasziv schmiegen - wie Tabledancerinnen an ihre Tischstange. Man erlebt wieder einmal das ewige Paradox des deutschen Theaters: Je mehr geschrien wird, desto weniger versteht man.
Es gibt auch in der Musik Remix-Kunst oder Einbeziehen alter Stücke in neue Musik. Das passiert mehr durch Adaptionen in der sogenannten Populärmusik, die auch Klassiker von Lyrik bis klassischer Musik oder Liedgut integrieren. Dadurch, dass es aber Popmusik ist, fällt es nicht so sehr unter die Subventionsschiene der Theater. Auch wird dort nicht suggeriert, dass man das Original bekommt. Man bekommt quasi das erwartete. Ich hoffe bei der von anderen genannten Rocky Horror Schiller Show erwarten Sie nicht, dass die Aufführung traditionell und werkgetreu ist.
Bei alter Musik ist die normale Darbietung in heutiger perfekter Orchesterform sicher auch nicht authentisch und insofern modern verzerrrend. Das mag auch für Darstellungen im Theater gelten, wo Situation und Publikum vor über 100 Jahren sicher auch anders war. Es ist auch etwas die Frage, ob die Kunstsprache des Theaters, die man fürs laute Sprechen braucht, etwas wertvolles ist. Warum sollten Leute nicht normal sprechen, so wie es die Figuren eigentlich täten, wenn es nicht Theater wäre. Beim Film ist man den Schritt gegangen und heute sprechen außerhalb von Kunstfilmen alle Leute normal.
Zitat Ach was, Augenhöhe. Der Regisseur, der ja aus Gründen nicht selbst Theaterautor geworden ist, weil ihm nämlich dazu die künstlerische Potenz fehlt - dieser Putschist, dieser Usurpator nimmt das große Werk und assimiliert es seiner eigenen Kleinheit.
Das haben Sie sehr schön gesagt, lieber Zettel.
Zitat Michael Klonovsky:
Zitat Nachdem er in seiner neuesten Vernissage weder Fäkalien noch Müll zur Schau gestellt hatte, geriet der Künstler in den Ruch der Konzeptlosigkeit und des Konservatismus.
Selbstverständlich ist nicht das gesamte deutsche Theater so. Es gibt überall ausgezeichnete Aufführungen, die sich am Werk orientieren und es nicht der Eitelkeit der RegisseurInnen opfern. Aber wer sich als aufstrebender junger Regisseur einen Namen machen will, der wird das im Allgemeinen besser und schneller erreichen, wenn er sich selbst mittels eines Werks inszeniert; statt seine eigenen Bemühungen in den Dienst des Werks zu stellen.
Ich möchte Ihnen, lieber Zettel, allumfassend zustimmen. In Berlin gibt es jetzt eine wohltuende Ausnahme. Die Spielstätte erinnert an den Nachbau des Globe Theatre in London und das Hackesche Hoftheater Berlin kommt ohne Staatssubventionen aus, was sie nach jeder Aufführung auch kundtun. Meine Frau und ich haben uns dort "Candide" von Voltaire und "Was ihr wollt" von William Shakespeare angesehen und waren beeindruckt.
Selbstverständlich ist nicht das gesamte deutsche Theater so. Es gibt überall ausgezeichnete Aufführungen, die sich am Werk orientieren und es nicht der Eitelkeit der RegisseurInnen opfern. Aber wer sich als aufstrebender junger Regisseur einen Namen machen will, der wird das im Allgemeinen besser und schneller erreichen, wenn er sich selbst mittels eines Werks inszeniert; statt seine eigenen Bemühungen in den Dienst des Werks zu stellen.
Ich möchte Ihnen, lieber Zettel, allumfassend zustimmen. In Berlin gibt es jetzt eine wohltuende Ausnahme. Die Spielstätte erinnert an den Nachbau des Globe Theatre in London und das Hackesche Hoftheater Berlin kommt ohne Staatssubventionen aus, was sie nach jeder Aufführung auch kundtun. Meine Frau und ich haben uns dort "Candide" von Voltaire und "Was ihr wollt" von William Shakespeare angesehen und waren beeindruckt.
Zitat von Hackesches HoftheaterDas Theater wurde Anfang Januar 2006 geschlossen.
Grüße
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Zitat von Blub im Beitrag #6 Bei alter Musik ist die normale Darbietung in heutiger perfekter Orchesterform sicher auch nicht authentisch und insofern modern verzerrrend. Das mag auch für Darstellungen im Theater gelten, wo Situation und Publikum vor über 100 Jahren sicher auch anders war.
Gewiß, lieber Blub. Eine absolut authentische Aufführung anzustreben wird immer nur eine, eine vielleicht seltene Variante sein. Ich habe einmal eine Molière-Aufführung gesehen, den Bourgeois gentilhomme, die sich um Authentizität bemüht hat. Das war schon sehr eigenartig; beispielsweise alle diese tänzerischen intermèdes, die Zwischenspiele, die damals dem aristokratischen Publikum zum Plaudern dienten, zum Besuch in anderen Logen usw.
Ebenso gibt es ja Orchester, die sich um eine Barock-Instrumentierung bemühen, die das Metronom an das damalige Tempo anpassen usw.
Dem als einem generellen Aufführungsprinzip rede ich ja nicht das Wort. Es soll interpretiert werden; es soll schon ein Stück mit heutigem Blick gesehen werden.
Aber es sollte eben der Blick auf den Text sein. Der gute Regisseur wird in dem Stück neue Aspekte, neue Facetten entdecken; so, wie man einen Roman immer wieder neu interpretieren kann, wenn er dazu den künstlerischen Reichtum hat.
Was ich kritisiere, ist der Usus, sich gar nicht um das Stück und dessen Deutung zu bemühen, sondern den Text lediglich als eine Materialsammlung zu nehmen, die man nach Belieben benutzen kann, um etwas ganz Anderes zu fabrizieren, als der Text das hergibt.
Ich habe in dem Artikel eine Aufführung der "Iphigenie" erwähnt, die das Stück auf den Kopf stellt.
Goethe ging es bekanntlich um die beiden Figuren der Iphigenie und des Thoas, die beide die Konventionen ihrer jeweiligen Gesellschaft überwinden, die mit ihrem großherzigen Handeln das Unheil abwenden (ein, nebenbei, ja auch sehr politisches Thema).
In der betreffenden Aufführung hat der Regisseur ein anderes Narrativ buchstäblich an den Haaren herbeigezerrt, in dem sowohl Iphigenie als auch Thoas samt seinen Tauriern die armen Opfer der als Kolonialherren dargestellten Griechen werden; Iphigenie wird am Ende gewaltsam nach Griechenland zurückverfrachtet.
Eine Verhunzung des Stücks, keine Interpretation. Solch ein Regisseur läßt keinen Respekt vor dem Werk erkennen, sondern er behandelt es wie ein altes Gemälde, das ein Maler Klecksel nach Belieben mit seinen Farben überpinselt.
Zitat von Blub im Beitrag #6 Bei alter Musik ist die normale Darbietung in heutiger perfekter Orchesterform sicher auch nicht authentisch und insofern modern verzerrrend. Das mag auch für Darstellungen im Theater gelten, wo Situation und Publikum vor über 100 Jahren sicher auch anders war.
Gewiß, lieber Blub. Eine absolut authentische Aufführung anzustreben wird immer nur eine, eine vielleicht seltene Variante sein. (...) Eine Verhunzung des Stücks, keine Interpretation. Solch ein Regisseur läßt keinen Respekt vor dem Werk erkennen, sondern er behandelt es wie ein altes Gemälde, das ein Maler Klecksel nach Belieben mit seinen Farben überpinselt.
Herzlich, Zettel
Ganz richtig. Es geht ja gar nicht um eine (vermeintliche) Authentizität, sondern darum, das Werk zur Geltung zu bringen. Und da kann zuviel Regieoriginalität selbst beim besten Willen fatal sein.
Beispielsweise die Münchner Inszenierung von Roberto Devereux, "aktualisiert" durch Requisiten wie moderne Tageszeitungen und C&A-Anzüge. Das Problem dabei ist, daß die Geschichte von Elizabeth I und ihrem Lover eben nur dann einigermaßen interessant ist, wenn die Königin als historische Person kenntlich ist. Theater lebt nun einmal von der Illusion, die es mit ohnehin beschränkten Mitteln zu erzeugen versuchen kann; Desillusionierung à la Brecht funktioniert nur als Ausnahme von der Regel, aber wenn sie zur Regel wird, dann verliert das Theater seine Funktion. Donizettis Musik wäre ideal als gefällige Untermalung eines historischen Dramas, entsprechend der ursprünglichen Absicht; aber sie ist nicht substanzreich genug, um über eine absurde Bühnenaktion hinwegzutäuschen und eine solche Inszenierung zu überleben.
Das positive Gegenbeispiel hierzu war Anna Bolena aus Wien. Diese Aufführung wurde nicht nur durch Anna Netrebko und die in jeder Hinsicht überwältigende Elina Garanca zum unvergeßlichen Erlebnis, sondern eben weil hier (bei modern minimalistischem Bühnenbild) durch angemessene Kostümierung die Illusion, daß sich die Handlung tatsächlich im 16. Jhdt abspielt, lebendig gehalten wurde.
Zitat von Zettel im Beitrag #4 Ich weiß nicht, ob man das so generell sagen kann, lieber Thanatos.
Ich habe jetzt einmal den Spielplan des Schauspielhauses Bochum herausgesucht, das zur Zeit Zadeks und Peymanns ausgezeichnete Aufführungen hatte; später dann das ebenfalls hervorragende Tanztheater von Reinhild Hoffmann, Wir haben kaum eine dieser Aufführungen versäumt. Jetzt wohnen wir weit weg von Bochum; aber wenn es uns einmal dorthin verschlägt, versuchen wir das immer mit einem Theaterbesuch zu verbinden.
Zu den Premieren und Wiederaufnahmen dieser Spielzeit und zum Repertoire gehören (ich kopiere das jetzt einfach):
Nun, das scheint mir ein simples Mißverständnis zu sein. Ich bezog mich ja nicht auf das Repertoire an sich, sondern auf den Umgang des Regietheaters mit dem Text - was ja auch Thematik ihres Ausgangsartikels ist. Solange diese Klassiker textgerecht umgesetzt und/oder behutsam aktualisiert werden, beschwert sich ja gar niemand. Das Regietheater tut aber dem Text und dessen Intentionen (meist) Gewalt an, darüber dürfte ja Einigkeit bestehen. Wie nun konkret in Bochum inszeniert wird, weiß ich allerdings nicht; offensichtlich meist nicht im brachialen Umdeutungsstil - in einem Provinztheater wie Zwickau passiert dies ebenfalls nicht, hier wird (noch) "konservativ" im besten Sinne Theater gemacht.
Zitat von Thanatos im Beitrag #14Ich bezog mich ja nicht auf das Repertoire an sich, sondern auf den Umgang des Regietheaters mit dem Text - was ja auch Thematik ihres Ausgangsartikels ist. Solange diese Klassiker textgerecht umgesetzt und/oder behutsam aktualisiert werden, beschwert sich ja gar niemand.
Das Regietheater tut aber dem Text und dessen Intentionen (meist) Gewalt an, darüber dürfte ja Einigkeit bestehen. Wie nun konkret in Bochum inszeniert wird, weiß ich allerdings nicht; offensichtlich meist nicht im brachialen Umdeutungsstil - in einem Provinztheater wie Zwickau passiert dies ebenfalls nicht, hier wird (noch) "konservativ" im besten Sinne Theater gemacht.
Soweit ich es beurteilen kann, ist das die Situation an den meisten deutschen Bühnen. Die Stücke werden "modernisiert", was zB das Bühnenbild und die Kostüme angeht (was übrigens auch eine Frage des Etats ist; historische Kostüme sind teuer, und nicht alles ist im Fundus). Aber die Regisseure bemühen sich doch darum, den Autor zu interpretieren, statt den Text zu vergewaltigen.
Aber es gibt dieses Letztere eben auch; und in der Oper ist es nach meinem Eindruck besonders oft zu finden. Mein Text richtet sich gegen diese Fehlentwicklung; nicht gegen die heutige Theaterpraxis in toto.
Noch etwas zu der Frage, warum eigentlich die Dirigenten mit der Musik so viel behutsamer umgehen als manche Regisseure mit dem Text: Vielleicht hat es mit den Voraussetzungen und der Ausbildung zu tun.
Ein Dirigent muß ein erstklassiger Musiker sein. Er hat das Handwerk lernen müssen, hat sich dabei respektvoll mit den Werken der großen Meister vertraut gemacht. Regisseur kann man aber mit vergleichsweise geringer Mühe werden.
Gute Regisseure inszenieren vom Stück her und in der Gestaltung der Aufführung gewissermaßen von unten her. Sie überlegen sich Regieeinfälle, die sich aus Situationen ergeben; aus dem, was man mit den Requisiten machen kann. Sie achten auf die Details - wo welcher Schauspieler jeweils steht, wie sich die Darsteller bewegen. Das ist Choreographie, es ist manchmal auch Pantomime.
Solch eine Inszenierung ist mühsam und erfordert eben handwerkliches Können. Da hat es der genialische Regisseur à la Schlingensief einfacher, der ein paar extravagante Ideen hat und meint, damit sei die Inszenierung schon gelaufen.
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