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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 37 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

12.10.2012 19:57
Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Auf den ersten Blick erscheint, auch wenn die Kanzlerin sie eine "wunderbare Entscheidung" nennt, die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU doch eher als eine wunderliche Entscheidung.

Aber - argumentiere ich in dieser Marginalie - in gewisser Weise ist es eine kluge Entscheidung; klüger vielleicht, als es den Damen und Herren des Osloer Komitees vor Augen stand.

isildur Offline



Beiträge: 366

12.10.2012 20:15
#2 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat
Damit man die republikanische Verfassung nicht (wie gemeiniglich geschieht) mit der demokratischen verwechsele, muß Folgendes bemerkt [24/25] werden.
[...]
Unter den drey Staatsformen ist die der Demokratie, im eigentlichen Verstande des Worts, nothwendig ein Despotism, weil sie eine exekutive Gewalt gründet, da alle über und allenfalls auch wider Einen (der also nicht mit einstimmt), mithin Alle, die doch nicht Alle sind, beschließen; welches ein Widerspruch des allgemeinen Willens mit sich selbst und mit der Freyheit ist.


(Kant - Zum ewigen Frieden, Zweiter Abschnitt - Definitivartikel)


Kants Ausführungen sind natürlich deutlich komplexer, mir fiel die Verbindung von Kant und Demokratie nur auf. Zum Entscheidung selber bin ich zwiegespalten. Nach den Entscheidungen der letzten Jahre kann ich den Preis eh nicht mehr ernst nehmen und da stellt die diesjährige Wahl schon eine leichte Steigerung dar - wenngleich auf niedrigem Niveau.

Gruß,
Isildur

Llarian Offline



Beiträge: 7.117

12.10.2012 20:17
#3 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Naja, ich stelle dem mal eine These entgegen:

Keine einzelne Organisation hat mehr gegen den Frieden in Europa unternommen als die EU. Frieden und gute Beziehungen gab es schon vor der EU. Aber der Hass, den wir derzeit aufbauen, der ist eine brilliante Leistung der EU. Insofern ist sich das Nobelpreiskomitee durchaus treu: Die letzten Flachzangen haben die besten Chancen. Ein echter Negativpreis wenn man sich die Liste der letzten 20 Jahre so ansieht.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.425

12.10.2012 21:08
#4 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Kant hat den Nobelpreis aber nicht erhalten. Die EU hat - in ihrer gegenwärtigen Kondition & Laufrichtung. Da ist so, als hätte man Bob Dylan zu Zeiten seiner heftigsten Kuttenbrunzeranfälle, sagen wir nach Slow Train Coming, per Nobler Medaille zum töfftesten Musiker überhaupt akklamiert.
Und wie soll die Tendenz fortgesetzt werden? - indem man die Religion des Friedens bedenkt, weil sie am lautesten allerorten ihre Friedfertigkeit proklamiert? Oder das Weltklima, weil es so brav ist & den Thermostat nicht aufdreht?
Time Magazine hat da mit der "Person des Jahres" ja schon brauchbare Pionierarbeit geleistet (1966: "Baby Boomers", 1982: "The Computer", 1988: "The Endangered Earth", 2011: "The Protestor", 2006: "You") (die Personen von 1938, 1939, 1942 & 1979 übergehen wir wohl besser mit Schweigen). Bleibt nur die Frage, wer jetzt das Preisgeld einsteckt.

Aber ob da nicht doch eine handfestere Absicht dahinterhockt? Die EU west ja schon etwas länger um uns herum, & daß diese Auszeichnung gerade jetzt, und nicht etwa 1992 (nach dem Mauerfall) oder 2002 (nach der Integration der Ost-Peripherie) erfolgt... Wer immer jetzt in die Speichen des Brüsseler Räderwerks greifen möchte & den Rückbau auf solidere Verhältnisse im Auge hat, kann sich künftig nicht nur gleich die Etiketten 'Nationalist' & 'Sarrazinist' aufkleben, sondern auch noch 'Weltfriedensfeind'.

AldiOn Offline




Beiträge: 983

12.10.2012 21:10
#5 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Nun ist die EU ja überhaupt keine demokratische Institution und hat auch gar nicht das Zeug dazu eine zu werden. Wenn man sich ansieht was für Leute diesen Preis schon bekommen haben (Arafat, Henry Kissinger) ist die Erwartung nicht ganz falsch, daß im Namen der EU wir noch einige Blutbäder sehen werden.
Die Geschehnisse der Reise unserer Kanzlerin vor ein paar Tagen werden womöglich nur ein Vorgeschmack sein.

Diese Entscheidung ist irgendwo zwischen idiotisch und absurd einzuordnen.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

12.10.2012 21:31
#6 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #1
Auf den ersten Blick erscheint, auch wenn die Kanzlerin sie eine "wunderbare Entscheidung" nennt, die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU doch eher als eine wunderliche Entscheidung.

Aber - argumentiere ich in dieser Marginalie - in gewisser Weise ist es eine kluge Entscheidung; klüger vielleicht, als es den Damen und Herren des Osloer Komitees vor Augen stand.

Ich halte es da eher mit Margaret Thatcher (deren autobiographisches Werk "The Path to Power" ich gerade lese):

"The European Union [...] is a classic utopian project, a monument to the vanity of intellectuals, a programme whose inevitable destiny is failure."

Folgendes Zitat aus dem Telegraph:

Zitat
Today, Margaret Thatcher’s autobiography, first published in 1993, reads like a prophecy. It shows how deeply and with what extraordinary wisdom she had examined Delors’ proposals for the single currency. Her overriding objection was not ill-considered or xenophobic, as subsequent critics have repeatedly claimed.

They were economic. Right back in 1990, Mrs Thatcher foresaw with painful clarity the devastation it was bound to cause. Her autobiography records how she warned John Major, her euro-friendly chancellor of the exchequer, that the single currency could not accommodate both industrial powerhouses such as Germany and smaller countries such as Greece. Germany, forecast Thatcher, would be phobic about inflation, while the euro would prove fatal to the poorer countries because it would “devastate their inefficient economies”.



Link: http://blogs.telegraph.co.uk/news/petero...vastate-europe/

Es ist mir persönlich vollkommen unbegreiflich, wie man als Liberalkonservativer angesichts einer derart hochgebildeten, intelligenten und moralisch integren Premierministerin in Grossbritannien hierzulande jemanden wie Helmut Kohl für einen grossen Staatsmann halten kann.

FAB. Offline



Beiträge: 523

12.10.2012 21:35
#7 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Aus Brüssel bestellte Holzhammerpropaganda hart an der Grenze der Parodie.

Grad auf dem Heimweg ein Fernsehgeschäft; im Schaufenster, zwanzigfach stumm, ein öffentlichunrechtliches talkinghead vor der groß eingeblendeten Tageslosung: EUROPA BEDEUTET FRIEDEN.

Seriously? Augenrollen. Die Funktionäre müssen verzweifelt sein.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.425

12.10.2012 21:43
#8 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von FAB. im Beitrag #7
Aus Brüssel bestellte Holzhammerpropaganda hart an der Grenze der Parodie.

Grad auf dem Heimweg ein Fernsehgeschäft; im Schaufenster, zwanzigfach stumm, ein öffentlichunrechtliches talkinghead vor der groß eingeblendeten Tageslosung: EUROPA BEDEUTET FRIEDEN.

Seriously? Augenrollen. Die Funktionäre müssen verzweifelt sein.




http://3.bp.blogspot.com/-6zT-ljP46sY/TY...600/Pledge.jpg#

C. Offline




Beiträge: 2.639

12.10.2012 22:07
#9 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #1
Auf den ersten Blick erscheint, auch wenn die Kanzlerin sie eine "wunderbare Entscheidung" nennt, die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU doch eher als eine wunderliche Entscheidung.


Ich begrüße die Entscheidung der Norweger. Sie werden wissen, warum sie nicht zur EU gehören wollen und den Euro ablehnen. Aber die EU kann das Geld brauchen und ich begrüße eine symbolische Überweisung zur Rettung Griechenlands. Jede Krone zählt.

Bevor ich zu lästern beginne, warte ich die Reaktionen des Presseballkartells ab, bei meiner Lieblingsgazette ist Welterklärer Ludwig Greven schon ganz aus dem Häuschen.


Ich bin aber trotzedem etwas enttäuscht, da Kim Jong-un durch seine Hochzeit mit Minnie Mouse sehr viel zur Völkerverständigung beigetragen hat. Das hätten die noblen Norweger nicht übersehen dürfen.

Der Riesling gehört zu Deutschland.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

12.10.2012 23:03
#10 Kant, Demokratie, Republik Antworten

Zitat von isildur im Beitrag #2

Zitat
Damit man die republikanische Verfassung nicht (wie gemeiniglich geschieht) mit der demokratischen verwechsele, muß Folgendes bemerkt [24/25] werden.
[...]
Unter den drey Staatsformen ist die der Demokratie, im eigentlichen Verstande des Worts, nothwendig ein Despotism, weil sie eine exekutive Gewalt gründet, da alle über und allenfalls auch wider Einen (der also nicht mit einstimmt), mithin Alle, die doch nicht Alle sind, beschließen; welches ein Widerspruch des allgemeinen Willens mit sich selbst und mit der Freyheit ist.


(Kant - Zum ewigen Frieden, Zweiter Abschnitt - Definitivartikel)


Kants Ausführungen sind natürlich deutlich komplexer, mir fiel die Verbindung von Kant und Demokratie nur auf.


Die Schrift, lieber isildur, entstand 1795 unter dem Eindruck des Terrors in der Französischen Revolution. Darauf bezieht sich die Passage zur Demokratie, die Sie zitieren.

Bei der "republikanischen Verfassung" dürfte Kant die Verfassung der USA im Auge gehabt haben. Reinhold Jachmann, Kants Schüler und Biograph, schildert dessen Begeisterung für die Amerikanische Revolution.

In der Tat war ja diese, und nicht die Französische Revolution, angewandte politische Philosophie der Aufklärung.

Herzlich, Zettel

C. Offline




Beiträge: 2.639

12.10.2012 23:25
#11 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von FAB. im Beitrag #7
Aus Brüssel bestellte Holzhammerpropaganda hart an der Grenze der Parodie.

Grad auf dem Heimweg ein Fernsehgeschäft; im Schaufenster, zwanzigfach stumm, ein öffentlichunrechtliches talkinghead vor der groß eingeblendeten Tageslosung: EUROPA BEDEUTET FRIEDEN.

Seriously? Augenrollen. Die Funktionäre müssen verzweifelt sein.



Wer ist eigentlich diese ominöse EU, die da gerade zum Preisträger ausgerufen wurde?

Nachtrag: Kaum gibt es ein paar Kronen für die EU, wird schon gestritten, wer sie abholen darf. Sie sollen sich aber beeilen, sonst steht Steinbrück mit seiner Kavallerie vor den Toren Oslos um sich die Beute zu krallen.

Der Riesling gehört zu Deutschland.

Thanatos Offline



Beiträge: 232

12.10.2012 23:56
#12 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Ich möchte mit äußerstem Nachdruck den Kurzkommentar von Burkhard Müller-Ullrich empfehlen, der glänzend und völlig non-pc diesen Schildbürgerstreich auseinandernimmt. Und das im Staatsfunk, ich fasse es nicht!

"Der ideologische Rettungsschirm" Link:

http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradi...53_057da80e.mp3

Was soll man noch schreiben - es ist doch alles folgerichtig. Eine Absurdität zieht die nächste nach sich. Voran schon allein die Tatsache, daß Norwegen sich fein tüchtig aus dem Friedensprojekt EU raushält - das sind wohl verkappte Kriegstreiber, da?! Das Jubel-Getöse all' der sympathiebefreiten Funktionäre, es ist schon ein Grausen, ein Heulen und Zähneknirschen....

Mit entsetzten Grüßen

Thanatos

--

Unmögliches erledigen wir sofort.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.425

13.10.2012 01:39
#13 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von C. im Beitrag #9
Ich bin aber trotzedem etwas enttäuscht, da Kim Jong-un durch seine Hochzeit mit Minnie Mouse sehr viel zur Völkerverständigung beigetragen hat. Das hätten die noblen Norweger nicht übersehen dürfen.


Sie haben es sicher nicht übersehen, aber eine Entscheidung dafür hätte zu sehr nach einer Einmischung in einen laufenden Wahlkampf ausgesehen:

http://www.ocregister.com/opinion/obama-...r-security.html

Zitat Mark Steyn
___________
"The entire reason that this has become the political topic it is, is because of Mitt Romney and Paul Ryan."
Thus, Stephanie Cutter, President Obama's deputy campaign manager, speaking on CNN about an armed attack on the 9/11 anniversary that left a U.S. consulate a smoking ruin and killed four diplomatic staff, including the first American ambassador to be murdered in a third of a century. To discuss this event is apparently to "politicize" it and to distract from the real issues the American people are concerned about. For example, Obama spokesperson Jen Psaki, speaking on board Air Force One on Thursday: "There's only one candidate in this race who is going to continue to fight for Big Bird and Elmo, and he is riding on this plane."

She's right! The United States is the first nation in history whose democracy has evolved to the point where its leader is provided with a wide-body transatlantic jet in order to campaign on the vital issue of public funding for sock puppets.
___________

PS: Neben der Frage, wer das Preisgeld denn nun verjuxen darf, steht die, wer Urkunde & Kröten standesgemäß in Empfang nehmen sollte. Es geht ja um einprägsame Symbolpolitik. Mein Vorschlag: wie wäre es mit Francesco Schettino, dem das bleibende Verdienst zukommt, für das Unternehmen EU das prägendste Symbol des Jahres geliefert zu haben? Ich meine, wenn ich als Nobelpreisträger mich schon vertreten lassen muss, möchte ich wenigstens ein Vorschlagsrecht haben.

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.257

13.10.2012 02:46
#14 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat
wenn man will, kann man sie als eine Umsetzung dessen verstehen, was Immanuel Kant zum Frieden geschrieben hat



Ich hoffe das war ein Witz.

F.Alfonzo Offline



Beiträge: 2.257

13.10.2012 02:52
#15 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Vergangene Preistraeger: Arafat, Gore (Klimahysterie), EU. Ich lach mich kaputt.

Das KANN nur ein Witz sein.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.10.2012 03:07
#16 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #14

Zitat
wenn man will, kann man sie als eine Umsetzung dessen verstehen, was Immanuel Kant zum Frieden geschrieben hat

Ich hoffe das war ein Witz.


Nein, lieber F. Alfonzo. Lesen Sie, was Kant in dieser wegweisenden Schrift geschrieben hat (oder wenigstens meinen Artikel dazu ).

Er argumentiert, daß alle gutgemeinten Bestrebungen, den Krieg abzuschaffen, vergeblich sein werden, solange sich die Führer von Staaten Vorteile von einem Krieg versprechen. Ein ewiger Friede ist nur möglich, wenn (a) diese Führer vom Volk abhängig sind, das unter Kriegen leidet und sie in der Regel nicht will; also wenn es Republiken gibt.

Das ist aber nur eine notwendige und noch keine hinreichende Bedingung. Abschaffen kann man den Krieg zwischen Staaten nur, wenn diese sich (b) zu einer übergeordneten Gemeinschaft zusammenschließen. Erst dann gibt es gemeinsame Interessen, die Kriege unattraktiv machen.

Kant hatte vermutlich die USA vor Augen, deren Geburt damals ungefähr so weit zurücklag wie jetzt die deutsche Wiedervereinigung. Aber die EU ist auch ein Beispiel.

Nur wurde sie eben nicht aus Gründen des Friedens geschaffen. Als sie 1993 gegründet wurde, gab es diesen Frieden längst. Das ist meine Kritik an dieser Preisverleihung.

Herzlich, Zettel

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.425

13.10.2012 04:30
#17 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #16
Kant hatte vermutlich die USA vor Augen, deren Geburt damals ungefähr so weit zurücklag wie jetzt die deutsche Wiedervereinigung.


Und zu Kants Zeiten war es auch völlig unvorstellbar, daß es innerhalb der USA zu einem Bürgerkrieg komen könnte, um den Zusammenhalt der Nation zu wahren.
So wie es aus heutiger Sicht unvorstellbar ist, daß man in Europa wieder gegeneinander ins Feld ziehen könnte. Die klassischen Clausewitz'schen Antriebe entfallen: Landnahme oder vertraglich abgepreßtes Verfügungsrecht.
Andererseits: Wenn die Zusammenhalt der Union zur alles überdeckenden Richtschnur wird, mit immer eiserneren Bandagen festgeschnürt & zu einer umfassenden Entmündigung - sowohl auf Seiten der Empfänger (von Almosen & Befehlen) wie auch der Bestimmer, die sich selbst gebunden finden durch den Zwang, den Druck unablässig aufrechtzuerhalten - und dies möglicherweise über mehrere Dezennien hinweg: ließe sich dann ausschließen, daß sich ein 1861 - wahrscheinlicher aber ein 1991 - wiederholt?

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

13.10.2012 07:37
#18 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #16

Kant hatte vermutlich die USA vor Augen, deren Geburt damals ungefähr so weit zurücklag wie jetzt die deutsche Wiedervereinigung. Aber die EU ist auch ein Beispiel.

Nur wurde sie eben nicht aus Gründen des Friedens geschaffen. Als sie 1993 gegründet wurde, gab es diesen Frieden längst. Das ist meine Kritik an dieser Preisverleihung.



Lieber Zettel,

da die EU ja Rechtsnachfolgerin der mit dem Lissabon-Vertrag untergegangenen EG ist und diese wiederum 2002 die EGKS-Materien in sich integriert hat, kann ein Preis für den europäischen Einigungsprozess heute nur noch der EU verliehen werden (wenn man schon einer internationale Organisation diese Ehre zuteilwerden lassen möchte). Die EG und die EGKS genießen ja sozusagen den ewigen Frieden - man könnte ihnen das Preisgeld nur noch ins Grab nachwerfen.

Dass es (auch) Ziel der EU ist, den Frieden in Europa zu sichern, wird zumindest durch die Präambel des EU-Vertrages nahegelegt. Dort ist zwar nicht explizit von Friedenssicherung die Rede; bestimmte Punkte (z.B. Notwendigkeit der Schaffung fester Grundlagen eingedenk der Überwindung der Teilung des Kontinents) gehen aber eindeutig in diese Richtung.

Der Hautgout, der dieser Auszeichnung anhaftet, liegt - da teile ich die Meinung anderer - im Zeitpunkt der Preisverleihung. Denn es scheint so, als wolle man die EU gegen jegliche Kritik immunisieren und die jetzt wirklich notwendige Reflexion über die Archtitektur des Hauses Europa diskreditieren.

Lassen Sie es mich so formulieren: Der europäische Einigungsprozess hat m.E. durchaus einen Preis verdient; aber die EU in ihrer heutigen Form ist nicht alternativlos und sicher nicht die beste aller möglichen Unionen. Vielmehr sollte man sich fragen, ob die dynamisch-evolutive Methode, die in den 60 Jahren seit Inkrafttreten des EGKS-Vertrages bald schlecht, bald recht funktioniert hat, nicht durch ein anderes (auf stabile Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten bedachtes) Prinzip ersetzt werden sollte.

Herzliche Grüße aus dem arbeitsbedingten Off

Noricus

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.10.2012 10:47
#19 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #18
da die EU ja Rechtsnachfolgerin der mit dem Lissabon-Vertrag untergegangenen EG ist und diese wiederum 2002 die EGKS-Materien in sich integriert hat, kann ein Preis für den europäischen Einigungsprozess heute nur noch der EU verliehen werden (wenn man schon einer internationale Organisation diese Ehre zuteilwerden lassen möchte). Die EG und die EGKS genießen ja sozusagen den ewigen Frieden - man könnte ihnen das Preisgeld nur noch ins Grab nachwerfen. (...) Der Hautgout, der dieser Auszeichnung anhaftet, liegt - da teile ich die Meinung anderer - im Zeitpunkt der Preisverleihung. Denn es scheint so, als wolle man die EU gegen jegliche Kritik immunisieren und die jetzt wirklich notwendige Reflexion über die Archtitektur des Hauses Europa diskreditieren.

Ja, es ist, lieber Noricus, der Zeitpunkt, der verstimmt, weil man die Absicht merkt.

Man hätte mit guten Gründen der EWG nach den Verträgen von Rom den Preis verleihen können; denn damals standen wirklich noch Aussöhnung und Frieden neben den wirtschaftlichen Aspekten im Vordergrund. Man hätte - noch besser - den Preis Schuman, Adenauer und de Gasperi verleihen sollen.

Wenn man sich die Liste der Preisträger ansieht, dann ist eine zunehmende Ausweitung der Kriterien zu erkennen. In den ersten Jahrzehnten wurden Personen und (einige wenige) Institutionen geehrt, deren Arbeit unmittelbar auf den Frieden gerichtet war; so, wie es Nobel bestimmt hatte. Inzwischen kann jeder geehrt werden, dem man zuschreibt, irgendwie Gutes zu tun.

Ein Zusammenschluß von Staaten wie die EU hat auch - und deshalb mein Hinweis auf Kant - die Wirkung, Kriege in seinem Bereich unwahrscheinlich zu machen. Aber das ist ja nun nicht die zentrale Zielsetzung der EU.

Herzlich, Zettel

C. Offline




Beiträge: 2.639

13.10.2012 11:02
#20 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #19

Ein Zusammenschluß von Staaten wie die EU hat auch - und deshalb mein Hinweis auf Kant - die Wirkung, Kriege in seinem Bereich unwahrscheinlich zu machen. Aber das ist ja nun nicht die zentrale Zielsetzung der EU.



Wenn es um den Frieden, Demokratie und Freiheit in Europa wirklich gehen würde, dann wären die USA und die NATO die weitaus verdienteren Preisträger.

Der Riesling gehört zu Deutschland.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

13.10.2012 11:15
#21 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #1
Auf den ersten Blick erscheint, auch wenn die Kanzlerin sie eine "wunderbare Entscheidung" nennt, die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU doch eher als eine wunderliche Entscheidung.

Aber - argumentiere ich in dieser Marginalie - in gewisser Weise ist es eine kluge Entscheidung; klüger vielleicht, als es den Damen und Herren des Osloer Komitees vor Augen stand.


Zitat von http://www.bundeskanzlerin.de/Content/DE...s.html?nn=74388
Die Verleihung des Friedensnobelpreises an die EU sei "Ansporn und Verpflichtung zugleich, auch für mich ganz persönlich", sagte Merkel abschließend.


Das klingt wie eine hohle Phrase. Man hat sie einfach zu oft gehört. Wann immer ein bedeutender Preis überreicht wird, ist er Ansporn und Verpflichtung. Meist soll auf dem Pfad fortgeschritten werden den man gefunden und doch bitte nicht verlieren möchte.
Mir fällt an dieser Stelle eine Analogie zu der Verleihung an Barak Obama auf, der den Preis, als Präsident kaum ein Jahr im Amt, als Vorschusslorbeer erhielt.
Das Nobelpreiskomitee will offensichtlich auch ein wenig gestalten.
Im Fall der EU bedeutet dies eine Warnung. Zuviel hängt mittlerweile von der EU und ihrer Bewältigung der Finanzkrise für die gesamte Welt ab. Es geht nicht so sehr um den europäischen Frieden, sondern, wenn schon, um den der Welt. Wenn die europäische Krise zu einer Weltwirtschaftskrise führt, ist in der Tat der Weltfrieden in Gefahr.
Dieser Preis appelliert an die Politiker Europas zu bedenken, dass es nicht um die Verwirklichung von Visionen geht, sondern um die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung eines freieren Welthandels.
Der freie Handel nämlich ist der Garant für den Frieden, nicht nur innerhalb der EU.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Hias Offline



Beiträge: 138

13.10.2012 11:34
#22 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Ich bin der Meinung, es war eine gute Entscheidung, v.a. wenn man sich die Begründung dafür anschaut. Ja, die EU ist ein großer bürokratischer Apparat und hat momentan enorme Probleme. Ihre Vertreter haben auch Fehler gemacht und den Spruch vom europäischen Frieden für alles mögliche missbraucht. Aber dennoch hat die EU einiges erreicht und dafür ist sie auch zu Recht mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden:

"In the 1980s, Greece, Spain and Portugal joined the EU. The introduction of democracy was a condition for their membership."
(http://nobelpeaceprize.org/en_GB/laureat.../announce-2012/)

Griechenland, Spanien und Protugal waren noch zu Beginn der 1970er Jahre Militärdikaturen. Auch wenn es die Menschen in den jeweiligen Ländern waren, die den Weg zur Demokratie gegangen sind, so war die Hilfe der EG und die Aussicht, dort Mitglied zu werden ein wichtiger stabilisierender Faktor.

"The fall of the Berlin Wall made EU membership possible for several Central and Eastern European countries, thereby opening a new era in European history. The division between East and West has to a large extent been brought to an end; democracy has been strengthened; many ethnically-based national conflicts have been settled."
(http://nobelpeaceprize.org/en_GB/laureat.../announce-2012/)

Ebenfalls ein enormer Erfolg war die Demokratisierung der Ost- und Mittelosteuropäischen Staaten. Gerade wenn man den Vergleich zieht und sieht, wie der Zerfall der Sowjetunion zu ethnischen Konflikten in fast allen Randregionen des ehemaligen Imperiums geführt hat. Oder wenn man die stabilen Demokratien in Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, etc mit den autokratischen Regimen im Kaukasus und in Zentralasien vergleicht. Natürlich darf man hier nicht vergessen, dass die EU im jugoslawischen Bürgerkrieg versagt hat. Ohne die amerikanische Hilfe hätte man den Krieg wahrscheinlich nicht beenden können. Allerdings hat die EU und ihre Institutionen in den letzten Jahren auch gute Arbeit in Kroatien und Bosnien-Herzegowina geleistet und die Aussicht auf eine Mitgliedschaft hat die demokratischen Strukturen in diesen Ländern gestärkt:

"The admission of Croatia as a member next year, the opening of membership negotiations with Montenegro, and the granting of candidate status to Serbia all strengthen the process of reconciliation in the Balkans."
(http://nobelpeaceprize.org/en_GB/laureat.../announce-2012/)


Zitat
Als 1993 mit dem Vertrag von Maastricht die Europäische Union gegründet wurde, gab es in Europa aber längst keine Kriegsgefahr mehr; jedenfalls nicht im Bereich der Mitgliedsstaaten der EU.



Nun, es gab einige Politologen (bspw. Mearsheimer), die nach dem Fall der Berliner Mauer einen neuen kalten Krieg vorhergesagt hatten. Aber es stimmt, eine reale Kriegsgefahr gab es tatsächlich nicht mehr. Das war zum einen ein Verdienst der Amerikaner und der NATO, die den Frieden in Europa gesichert hatten und zum anderen auch ein Verdienst der europäischen Einigung, die erreicht hatten, dass ein Krieg für die Bürger Westeuropas undenkbar geworden ist.

Man muss mit der aktuellen Verfassung der EU nicht einverstanden sein. Sie ist nicht alternativlos. Aber das hat das Nobelpreiskomitee auch nicht gesagt. Sie haben einfach nur anerkannt, das die EU und ihre Vorgänger sich um Frieden und Demokratie in Europa verdient gemacht haben!

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

13.10.2012 12:35
#23 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von Hias im Beitrag #22
Man muss mit der aktuellen Verfassung der EU nicht einverstanden sein. Sie ist nicht alternativlos. Aber das hat das Nobelpreiskomitee auch nicht gesagt. Sie haben einfach nur anerkannt, das die EU und ihre Vorgänger sich um Frieden und Demokratie in Europa verdient gemacht haben!


Danke, lieber Hias, für diese Dokumentation der Kernsätze der Begründung!

Aus meiner Sicht gibt es zwei Fragen:

Erstens, welche Rolle hat die EU bei den von Ihnen genannten Prozessen gespielt? Soweit ich sehe, war die EU weder bei der Demokratisierung Spaniens noch bei der Portugals von entscheidender Bedeutung. Wichtig war bilaterale Hilfe, die beispielsweise aus Deutschland von der Konrad-Adenauer-Stiftung geleistet wurde. Auch die Nato-Mitgliedschaft beider Staaten hat eine entscheidende Rolle gespielt und war vermutlich einer der Faktoren, die in Portugal eine (nach dem Sturz des Regimes durchaus mögliche) kommunistische Machtübernahme verhindert haben.

Ebenso sehe ich bei den demokratischen Revolutionen in Ost- und Mitteleuropa keine zentrale Rolle der EU. Viel wichtiger war auch hier die Nato, die es vor allem Polen ermöglicht hat, einigermaßen sicher vor Rußland seinen Weg in die Demokratie zu gehen.

Zweitens: War in diesen Fällen der Frieden überhaupt bedroht? Ich kann auch das nicht sehen. Weder Spanien noch Portugal hatten und haben Gebietsansprüche an andere Staaten oder sonstige Kriegsgründe. Dasselbe gilt für Osteuropa mit Ausnahme von Ex-Jugoslawien; und just dort hat die EU versagt.

Herzlich, Zettel

ratloser ( gelöscht )
Beiträge:

13.10.2012 14:20
#24 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #16
Zitat von F.Alfonzo im Beitrag #14

Zitat
wenn man will, kann man sie als eine Umsetzung dessen verstehen, was Immanuel Kant zum Frieden geschrieben hat

Ich hoffe das war ein Witz.

Nein, lieber F. Alfonzo. Lesen Sie, was Kant in dieser wegweisenden Schrift geschrieben hat (oder wenigstens meinen Artikel dazu ).

Er argumentiert, daß alle gutgemeinten Bestrebungen, den Krieg abzuschaffen, vergeblich sein werden, solange sich die Führer von Staaten Vorteile von einem Krieg versprechen. Ein ewiger Friede ist nur möglich, wenn (a) diese Führer vom Volk abhängig sind, das unter Kriegen leidet und sie in der Regel nicht will; also wenn es Republiken gibt.

Das ist aber nur eine notwendige und noch keine hinreichende Bedingung. Abschaffen kann man den Krieg zwischen Staaten nur, wenn diese sich (b) zu einer übergeordneten Gemeinschaft zusammenschließen. Erst dann gibt es gemeinsame Interessen, die Kriege unattraktiv machen.

Kant hatte vermutlich die USA vor Augen, deren Geburt damals ungefähr so weit zurücklag wie jetzt die deutsche Wiedervereinigung. Aber die EU ist auch ein Beispiel.

Nur wurde sie eben nicht aus Gründen des Friedens geschaffen. Als sie 1993 gegründet wurde, gab es diesen Frieden längst. Das ist meine Kritik an dieser Preisverleihung.

Herzlich, Zettel





Lieber Zettel,

die Gegenüberstellung von kriegsgeilen Staatenführern und den kriegsfürchtenden Völkern erscheint mir etwas realitätsfern, sprich "kantisch" (den ich nach längerer Beschäftigung mit dem Problem des "freien Willens" skeptisch zu lesen lernte).

Gibt es keine zwischenstaatlichen Konflikte mehr, gibt es halt Bürgerkriege. Republik hin oder her.

"Man" kann durch guten Willen und politische Umstrukturierungen weder die individuell motivierte noch die tribal organisierte Gewalt aus der Welt schaffen, lediglich einhegen. Der EU den Friedensnobelpreis zuzusprechen (aus der Hand derer, die ihn verleihen, im Übrigen ehrenrührig), ist ein garstiger Witz, wie sich in den nächsten 10 Jahren erweisen wird.

C. Offline




Beiträge: 2.639

13.10.2012 14:47
#25 RE: Marginalie: Friedensnobelpreis für die EU Antworten

Zitat von ratloser im Beitrag #24
Der EU den Friedensnobelpreis zuzusprechen (aus der Hand derer, die ihn verleihen, im Übrigen ehrenrührig), ist ein garstiger Witz, wie sich in den nächsten 10 Jahren erweisen wird.


Das Rating des Friedensnobelpreises ist von hochspekulativ auf Sondermüll gefallen. Mein Topkandidaten für nächstes Jahr sind Murksi und Erdokhan.

Der Riesling gehört zu Deutschland.

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