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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 51 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Gansguoter Offline



Beiträge: 988

17.10.2012 23:17
#26 RE: Marginalie: Plagiatorin Schavan? Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #7
Das ist gefährlich, denn diese Autoren können sich geirrt haben. Erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit muß reproduzierbar sein. Ist sie es nicht, dürfen ihre Ergebnisse nicht als richtig weiterverbreitet werden. Deswegen ist es unabdingbar, daß zumindest die bedeutenden und jüngeren Quellen direkt verifiziert werden.


Soweit ich - flüchtig - ins Schavanplag-Blog geschaut habe, geht es v.a. um Stellen, in denen Schavan referiert, welche Vorstellungen Freud, Alfred Adler, Luhmann ... zum Verhältnis von Person und Gewissen (oder in dieser Richtung, ist hier auch nebensächlich) entwickelt haben. Dabei verweist sie für die Kernaussagen jeweils auf die Fundstelle bei Freud etc., klebt aber in der zusammenfassenden Wiedergabe eng an irgendeiner Sekundärliteratur, wo jemand offenbar schon einmal die Position dieser Leute wiedergegeben hat.

Das, was ich gesehen habe, sind keine weltbewegenden Dinge, es betrifft nicht den zentralen eigenen Gedankengang von Schavan, sondern es liegt auf dem Niveau, dass sich jemand zur knappen Wiedergabe der "Buddenbrooks" Thomas Manns eben erkennbar an Kindlers Literaturlexikon oder woran auch immer orientiert.

Ob Frau Schavan gleichzeitig auch den Freud, Adler, Luhmann auf dem Schreibtisch liegen hatte oder nicht, kann man daraus schlicht nicht ableiten. Es ist auch denkbar, dass sie bei ihrer eigenen Lektüre dieser Autoren eben zur Orientierung auch die Sekundärliteratur vorliegen hatte.

Das ist nicht sauber - es hätte nichts gekostet, eine Fußnote zu machen "Zur Zusammenfassung der Ansichten von ... vgl. XY" oder "Zusammenfassung der Positionen von XY mit Orientierung an XY, der dies schon geleistet hat" -, aber es handelt sich nach meiner Auffassung an den Stellen, die ich gesehen habe (ich habe nur einige mir angesehen), um kein Plagiat.

Gerade in geisteswissenschaftlichen Arbeiten ist üblich und oft notwendig, zunächst einen FOrschungsüberblick zu geben, den vielleicht auch schon sieben andere gegeben haben, oder bestimmte Texte dem Inhalt nach zu referieren. Da ist es nicht zu vermeiden, dass man, wenn man das, was schon sieben Mal gesagt worden ist, ein achtes MAl sagt, ähnlich sagt wie andere, möglicherweise auch unbewusst.

In der Vor-Computer-Zeit mag es auch leichter passiert sein, dass man irgendetwas exzerpipert, das Buch dann wieder abgegeben hat und dann seine Notizen, die eng am Text exzerpiert sind, in das eigene Werk verwurstet.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.10.2012 07:35
#27 Zitat des Tages: Guttenberg und Schavan Antworten

Zu diesem Zitat des Tages ein Kommentar zur aktuellen Entwicklung des Falls, der eine "Affäre" allenfalls der Heinrich-Heine-Universität ist.

Mark Mallokent Offline




Beiträge: 44

18.10.2012 09:15
#28 RE: Marginalie: Plagiatorin Schavan? Antworten

Zu den historischen Umständen, in denen Schavans Arbeit entstanden ist, kann ich aus eigener Erfahrung etwas nachtragen. 1980, als sie promovierte, habe ich selbst gerade angefangen, in Düsseldorf zu studieren, und bei ihrem Doktorvater, Prof. Wehle, habe ich noch eine Vorlesung gehört.
Sie hat ja in Pädagogik promoviert, und die Pädagogen der Uni Düsseldorf entstammten fast alle der Pädagogischen Hochschule Neuß, die seinerzeit in die Uni Düsseldorf integriert worden ist. Die PHs waren die Nachfolger der alten Lehrerseminare, in denen die Volksschullehrer ausgebildet wurden; man legte da großen Wert auf Praxisbezug, weniger auf - na sagen wir mal - theoretische Brillianz. Unter den Düsseldorfer Studis war es seinerzeit kein Geheimnis, daß eine Promotion in Pädagogik ziemlich einfach war und keinen großen intellektuellen Aufwand erforderte.
Gut, das sagt nun nichts Spezielles über Schavans Arbeit aus (die ich nicht kenne), noch über die Qualität des Gutachtens von Prof. Rohrbacher (das ich auch nicht kenne), immerhin dürfte aber die Latte für erfolgreiche Promotionen in dem Fach von Rohrbacher, dem Gutachter, erheblich höher hängen, als seinerzeit in Pädagogik.

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

18.10.2012 10:56
#29 Plagiator Einstein? Antworten

Tja ... Einstein hat in seiner 1905-Arbeit zur Relativitätstheorie, die ihm (vermutlich) bekannten mathematischen Arbeiten von Lorentz nicht zitiert... Skandal - Rücktritt - Albertplug!!!

Die Diskussion hat doch 2 Dimensionen: Einmal die politische, bei der man konservativen Politikern eines ihrer Lieblingsspielzeuge wegnimmt. Leider sehr erfolgreich. Und - auch das kommt nur am Rande hoch - keinesfalls durch rechtliche Grundsätze wie etwas Verjährung gedeckt. Eine Kommission einer Fakultät entscheidet über die Karriere eines Ministers.
Wo gibts denn sowas?

Dann die wissenschaftliche: Fast niemand (Albert Einsteins allgemeine Relativitätstheorie ausgenommen) erarbeitet eine Dissertation im luftleeren Raum des Elfenbeinturms. Die genutzten Quellen stehen alle am Ende der Diss im Literaturverzeichnis. Wir diskutieren darüber, ob auf jeder Seite jeder Satz, der von irgendwem irgendwo irgendwann eventuell gedacht wurde, neu gekennzeichnet wird?

Sorry, that is stamp collection [Nach Rutherford].

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

18.10.2012 11:01
#30 RE: Zitat des Tages: Guttenberg und Schavan Antworten

Zitat von Zettel
Würde der Doktortitel aberkannt, müsse Frau Schavan "spätestens dann" zurücktreten.

Daß die wissenschaftliche Sauberkeit für die Leitung des BMBF wichtiger ist als bei der Leitung des BMVg oder gar der Ausübung eines Abgeordnetenmandates ist, sollte doch einleuchten. Die Folgerung von Butterwegge ist somit ein sauberer Schluß a minore aus den Fällen Guttenberg und Koch-Mehrin, wo wesentlich schwerwiegendere Rücktritte (nämlich nicht nur vom Ministersessel sondern auch vom Abgeordnetenmandat, was ich wegen der herausragenden Stellung des MdB in unserer Verfassung für gefählich übertrieben halte) Zettels Ablehnung nicht gefunden haben.

xanopos ( gelöscht )
Beiträge:

18.10.2012 11:12
#31 RE: Plagiator Einstein? Antworten

Zitat von Dagny im Beitrag #29
Tja ... Einstein hat in seiner 1905-Arbeit zur Relativitätstheorie, die ihm (vermutlich) bekannten mathematischen Arbeiten von Lorentz nicht zitiert... Skandal - Rücktritt - Albertplug!!!


War das seine Diss?

ratloser ( gelöscht )
Beiträge:

18.10.2012 11:57
#32 RE: Zitat des Tages: Guttenberg und Schavan Antworten

Butterwegge ist kein Wissenschaftler, sondern ein linker Auftragsagitator, der einschlägige Kreise mit "Gutachten" über die angeblich bevorstehende Übernahme Deutschlands durch Nazis, den grassierenden Rassismus der autochthonen Deutschen, die sogenannte "Islamophobie", das drohende Verhungern weiter Bevölkerungskreise und die Drangsalierung durch das gierige Kapital versorgt.

Butterwegge ist ein Paradebeispiel für die totale Politisierung und damit intellektuelle Verarmung weiter Teile der Geisteswissenschaften in Deutschland, insbesondere der Sozialwissenschaften.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

18.10.2012 12:51
#33 RE: Marginalie: Plagiatorin Schavan? Antworten

Zitat von Gansguoter im Beitrag #26
Das, was ich gesehen habe, sind keine weltbewegenden Dinge, es betrifft nicht den zentralen eigenen Gedankengang von Schavan,
Da kann ich nicht mitreden, weil mir die Arbeit nicht zugänglich ist. Ich halte allerdings Ihr Urteil für Plausibel, denn wer wollte 1980 schon eine Schlußfolgerungen auf Freud aufbauen lassen, der damals schon nicht mehr den aktuellen Stand der psychologischen Forschung repräsentiert hatte? Allerdings frage ich mich dann, warum solche Betrachtungen in die Diss aufgenommen wurden. Die Qualität bemißt sich ja nicht an der Seitenzahl (siehe unten).

Zitat von Gansguoter im Beitrag #26
Das ist nicht sauber - es hätte nichts gekostet, eine Fußnote zu machen "Zur Zusammenfassung der Ansichten von ... vgl. XY" oder "Zusammenfassung der Positionen von XY mit Orientierung an XY, der dies schon geleistet hat" -, aber es handelt sich nach meiner Auffassung an den Stellen, die ich gesehen habe (ich habe nur einige mir angesehen), um kein Plagiat.
Dann interessiert mich, was Sie als Plagiat bezeichnen würden.

Zitat von Gansguoter im Beitrag #26
Gerade in geisteswissenschaftlichen Arbeiten ist üblich und oft notwendig, zunächst einen FOrschungsüberblick zu geben, den vielleicht auch schon sieben andere gegeben haben, oder bestimmte Texte dem Inhalt nach zu referieren. Da ist es nicht zu vermeiden, dass man, wenn man das, was schon sieben Mal gesagt worden ist, ein achtes MAl sagt, ähnlich sagt wie andere, möglicherweise auch unbewusst.
Das eine ist in allen Disziplinen so. Eingereichte Paper bekommt man (in den exakten Wissenschaften) vom Gutachter für "minor changes" zurück, wenn ihm auffällt, daß eine Arbeit nicht erwähnt wird, die auf dem Gebiet relevant ist. Unbewußt die Inhalte von anderen wiederzugeben, ist nur vertretbar, wenn man unabhängig von ihnen zum selben Ergebnis gekommen ist und --was dann normalerweise der Fall ist-- einen etwas anderen Weg gewählt hat. Dissertationen müssen immer eine neue Erkenntnis bringen.

Zitat von Gansguoter im Beitrag #26
In der Vor-Computer-Zeit mag es auch leichter passiert sein, dass man irgendetwas exzerpipert, das Buch dann wieder abgegeben hat und dann seine Notizen, die eng am Text exzerpiert sind, in das eigene Werk verwurstet.
Das möchte ich bestreiten, denn der Computer macht es gerade attraktiver, nicht stichwortartige Zusammenfassungen sondern gleich fertige Textschnipsel auszubewahren. Die kann man elektronisch durchsuchen und per Copy-Paste in die endgültige Fassung einfügen.
Hat man nur eine Schreibmaschine, lohnt sich das wörtliche Formulieren von Notizen nicht, weil man es in die Arbeit sowieso nochmal von Hand eintippen muß. Außerdem ist das Durchsuchen einfacher, wenn man mit Karteikarten stichwortgeordnet die Gedanken sortieren kann.
Umgekehrt sind Plagiate aus der Schavan-Zeit schlechter auffindbar als aus der Guttenberg-Zeit. Die 144-seitige Habilarbeit von Antoni Jozafat Novak OFM, bei der sich Schavan mutmaßlich bedient hat, um in den Originalartikeln nicht lesen zu müssen, ist z.B. bislang nicht digitalisiert. Viele Zeitungsartikel oder Predigttexte, die Schavan aufgenommen haben könnte, ebenfalls nicht. Insofern war man bei Koch-Mehrin, Guttenberg und Co. strenger.

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

18.10.2012 13:59
#34 RE: Marginalie: Plagiatorin Schavan? Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #33
Allerdings frage ich mich dann, warum solche Betrachtungen in die Diss aufgenommen wurden. Die Qualität bemißt sich ja nicht an der Seitenzahl (siehe unten).


Das erklärt der von Zettel verlinkte Artikel:

Zitat
"Der Teil 2 rekapituliert tatsächlich nur vorliegende, von anderen Autoren formulierte "Theorien über das Gewissen", noch ohne eigenen theoretischen Anspruch, zudem in so großer Zahl, dass gar nicht erwartbar ist, dass die Autorin anders als im Vertrauen auf und in der Nutzung von Sekundärliteratur, die sie dann ja auch reichlich zu Rate zieht, überhaupt ihre Arbeit bewältigen kann.

Das ist aber keine Täuschung, gar in der Absicht, eigene Schwächen zu kaschieren, sondern gehört zur Typik dieser Arbeiten. Sie waren zu der Zeit in der Erziehungswissenschaft immer noch weit verbreitet (und auch anderswo in den Geisteswissenschaften), fundiert in der Annahme, dass durch ein "Aufarbeiten", sprich: das Sammeln und Referieren der vorliegenden Diskursgeschichte zu einem Thema dem Kern des eigenen Forschungsproblems nicht nur auf die Spur zu kommen sei, sondern auch noch zum Erkenntnisfortschritt beigetragen werden könnte."

aus: http://www.zeit.de/studium/hochschule/20...komplettansicht



Zitat von Emulgator im Beitrag #33
Dann interessiert mich, was Sie als Plagiat bezeichnen würden.


Die nicht gekennzeichnete Übernahme einer fremden geistigen Leistung und das Ausgeben derselben als eigener Leistung. Der Satz "Karl der Große regierte von 768 bis 814." ist vermutlich in ungefähr 500 Büchern zum Mittelalter zu finden. Wenn ich ihn schreibe ohne Quellennachweis, halte ich das trotzdem für kein Plagiat.

Zitat von Emulgator im Beitrag #33
Unbewußt die Inhalte von anderen wiederzugeben, ist nur vertretbar, wenn man unabhängig von ihnen zum selben Ergebnis gekommen ist und --was dann normalerweise der Fall ist-- einen etwas anderen Weg gewählt hat.


Bei einer kurzen Darstellung dessen, was Alfred Adler oder Sigmund Freud über das Gewissen sagt, sollte im Rahmen einer einfachen Textwiedergabe jeder zum gleichen Ergebnis kommen.

Zitat von Emulgator im Beitrag #33
Dissertationen müssen immer eine neue Erkenntnis bringen.


Ja, Dissertation. Aber nicht jeder Absatz innerhalb der Dissertation.

Zitat von Emulgator im Beitrag #33
Das möchte ich bestreiten, denn der Computer macht es gerade attraktiver, nicht stichwortartige Zusammenfassungen sondern gleich fertige Textschnipsel auszubewahren. Die kann man elektronisch durchsuchen und per Copy-Paste in die endgültige Fassung einfügen.


Das schließt aber nicht aus, dass in der Vor-Computer-Zeit jemand fast wörtlich exzerpiert. Ob das jetzt geschickt oder sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Jemand, der mit 24 oder 25 eine Dissertation verfasst, ohne vorher je eine andere Examensarbeit angefertigt zu haben - wie Frau Sch. -, hat möglicherweise auch schlicht weniger Übung und Erfahrung. Nicht ganz zu Unrecht wurde ja irgendwann die Möglichkeit abgeschafft zu promovieren ohne vorherigen anderen Abschluss.

Zitat von Emulgator im Beitrag #33
Hat man nur eine Schreibmaschine, lohnt sich das wörtliche Formulieren von Notizen nicht, weil man es in die Arbeit sowieso nochmal von Hand eintippen muß. Außerdem ist das Durchsuchen einfacher, wenn man mit Karteikarten stichwortgeordnet die Gedanken sortieren kann.


Das mag alles sein, ist aber jetzt ein rein theoretische Annahme. Ich habe in der Vor-Laptop-Zeit in meinen SChreibblock exzerpiert, nicht auf Karteikarten.

Zitat von Emulgator im Beitrag #33
Viele Zeitungsartikel oder Predigttexte, die Schavan aufgenommen haben könnte, ebenfalls nicht. Insofern war man bei Koch-Mehrin, Guttenberg und Co. strenger.


Bei Schavans Thema bieten sich Zeitungsartikel wohl weniger an, anders als bei politikwissenschaftlichen Arbeiten.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.10.2012 14:58
#35 RE: Zitat des Tages: Guttenberg und Schavan Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #30

Zitat von Zettel
Würde der Doktortitel aberkannt, müsse Frau Schavan "spätestens dann" zurücktreten.
Daß die wissenschaftliche Sauberkeit für die Leitung des BMBF wichtiger ist als bei der Leitung des BMVg oder gar der Ausübung eines Abgeordnetenmandates ist, sollte doch einleuchten. Die Folgerung von Butterwegge ist somit ein sauberer Schluß a minore aus den Fällen Guttenberg und Koch-Mehrin, wo wesentlich schwerwiegendere Rücktritte (nämlich nicht nur vom Ministersessel sondern auch vom Abgeordnetenmandat, was ich wegen der herausragenden Stellung des MdB in unserer Verfassung für gefählich übertrieben halte) Zettels Ablehnung nicht gefunden haben.


Kritisierte habe ich, daß Reuters einen Armutsforscher, der sich (jedenfalls soweit publiziert) nie mit dem Thema der Arbeit oder mit der Problematik des Plagiats befragt hat, zu einem Interview zu diesem Thema bittet. Was soll das - wenn nicht einem Linken einen Auftritt ermöglichen?

Was nun die Frage des Rücktritts angeht, hat Butterwegge dazu keine besser begründete Meinung als die Marktfrau, die heute Vormittag ihr Obst verkauft hat. Man kann das logischerweise so und so sehen.

Allerdings: Wieso sollte es vom Ressort abhängen, ob eine akademische Verfehlung zum Rücktritt eines Ministers führt? Ich kann das überhaupt nicht sehen. Bei einem solchen Rücktritt geht es darum, daß das persönliche Ansehen so beschädigt wird, daß der Minister seinen Hut nimmt. Welches Ressort-Etikett auf diesem Hut klebt, ist egal.



Warum hätte ich, lieber Emulgator, die Rücktritte Koch-Mehrins und Guttenbergs "ablehnen" sollen? Sie waren ja begründet. Vermutlich würde auch Frau Schavan zurücktreten müssen, wenn ihr der Doktorgrad aberkannt wird; denn ob das zu Recht oder zu Unrecht geschehen wäre, dürfte dann schwerlich eine Rolle spielen.

Herzlich, Zettel

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

18.10.2012 15:17
#36 RE: Marginalie: Plagiatorin Schavan? Antworten

Zitat von Gansguoter im Beitrag #34
Die nicht gekennzeichnete Übernahme einer fremden geistigen Leistung und das Ausgeben derselben als eigener Leistung. Der Satz "Karl der Große regierte von 768 bis 814." ist vermutlich in ungefähr 500 Büchern zum Mittelalter zu finden. Wenn ich ihn schreibe ohne Quellennachweis, halte ich das trotzdem für kein Plagiat.
Ja, weil das schon lange erforscht und erprobt ist, so daß es in der Folge als Allgemeinbildung gelehrt wird. Aber wie ist das mit der Aussage, daß für Caruso das Gewissen die gelebte, wenn auch manchmal nicht bewußte Sicherheit einer Transzendenz und eine Qualität des Menschseins sei? Kann man diese recht tüchtig aufs Wesentliche reduzierende Inhaltsangabe als erprobte Einsicht bezeichnen, die man ohne Nennung von Novak als Urheber von ihm fast wörtlich übenehmen kann, ohne sich ein Plagiats zu verantworten zu haben?

Zitat von Gansguoter im Beitrag #34
Das schließt aber nicht aus, dass in der Vor-Computer-Zeit jemand fast wörtlich exzerpiert. Ob das jetzt geschickt oder sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Jemand, der mit 24 oder 25 eine Dissertation verfasst, ohne vorher je eine andere Examensarbeit angefertigt zu haben - wie Frau Sch. -, hat möglicherweise auch schlicht weniger Übung und Erfahrung.
Dafür muß man gerade in den Geisteswissenschaften viele und umfangreiche Seminararbeiten machen. Nur so kann man ja die eigenständige Arbeit mit Texten üben. Wer da bis zum Studienende nicht gemerkt hat, daß wörtliches exzerpieren Zeitverschwendung ist, ist schon dumm. Noch dümmer, wenn dieser um die Problematik von Plagiaten weiß und --gebildet in kath. Theologie-- von der Problematik weiß, sich selber in Versuchung zu führen. Für die moralische Qualität mag es einen Unterschied machen, für die akademische macht es keinen so großen, ob ein Werk aus Dummheit oder böser Absicht schlecht ist.

Zitat von Gansguoter im Beitrag #34
Bei Schavans Thema bieten sich Zeitungsartikel wohl weniger an, anders als bei politikwissenschaftlichen Arbeiten.
Speziell im christlich-katholischen Bereich gibt es eine reiche Publizisitik, die sich mit entsprechenden Dingen intellektuell, aber doch für ein breites Publikum beschäftigt. Als vorhaltungswürdige akademische Quelle wird das von kaum einem Bibliothekar betrachtet.

DrNick Offline




Beiträge: 809

18.10.2012 16:00
#37 RE: Zitat des Tages: Guttenberg und Schavan Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #35

Allerdings: Wieso sollte es vom Ressort abhängen, ob eine akademische Verfehlung zum Rücktritt eines Ministers führt? Ich kann das überhaupt nicht sehen. Bei einem solchen Rücktritt geht es darum, daß das persönliche Ansehen so beschädigt wird, daß der Minister seinen Hut nimmt. Welches Ressort-Etikett auf diesem Hut klebt, ist egal.



Als Angela Merkel zu Guttenberg zu verteidigen versuchte, indem sie sagte, sie habe einen Verteidigungsminister eingestellt - und nicht etwa einen wissenschaftlichen Assistenten, gab es in der Debatte mehrfach den vieleicht etwas spitzfindigen, aber nicht völlig abwegigen Hinweis, daß der Verteidigungsminister eben auch für die Universitäten der Bundeswehr zuständig ist.

Wenn man als Politiker in irgendeiner Weise für wissenschaftliche Einrichtungen zuständig ist, dann scheint mir wissenschaftliches Fehlverhalten ein größeres Problem darzustellen als bei einem Politiker, der es z.B. mit Frauen und Gedöns zu tun hat.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

18.10.2012 16:02
#38 RE: Zitat des Tages: Guttenberg und Schavan Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #35
Kritisierte habe ich, daß Reuters einen Armutsforscher, der sich (jedenfalls soweit publiziert) nie mit dem Thema der Arbeit oder mit der Problematik des Plagiats befragt hat, zu einem Interview zu diesem Thema bittet. Was soll das - wenn nicht einem Linken einen Auftritt ermöglichen?
Ein Interview kommt zustande, wenn es beiden Seiten nutzt; so auch hier. Reuters, damit sie mit Gewinn Zeilen verkaufen kann, Butterwegge, damit er seine Meinung verbreiten kann, die ja langfristig zur Abschaffung des bösen Kapitalismus führt. Journalistische Unausgewogenheit folgt direkt aus Marktprinzipien. Deswegen habe ich meinen Frieden damit gemacht.

Zitat von Zettel im Beitrag #35
Allerdings: Wieso sollte es vom Ressort abhängen, ob eine akademische Verfehlung zum Rücktritt eines Ministers führt? Ich kann das überhaupt nicht sehen.
Wenn man sich die Liste der ehemaligen Minister ansieht, hat sich bei der Ressortbesetzung schon eine Art Gewohnheitsrecht hinsichtlich der Qualifizierungsmerkmale herausgebildet. Beim BMFSFJ ist es das Geschlecht (alles Frauen, bis auf die ersten beiden Minister). Beim BMBF wiederum waren ausnahmslos alle Minister Akademiker, bis auf 2/23 waren sogar alle Promovierte oder Pauker. Da die Forschungslandschaft sehr auf dem "akademischen Ruf" der Personen beruht (irgendwann betrachten ja viele Gutachter ehr den Namen als die Arbeit), könnte eine Ministerin ohne abgeschlossenes Studium ebenso neu wie problematisch sein.

Zitat von Zettel im Beitrag #35
Bei einem solchen Rücktritt geht es darum, daß das persönliche Ansehen so beschädigt wird, daß der Minister seinen Hut nimmt.
So ist Ihnen das persönliche Ansehen wichtiger als das fachliche?

Zitat von Zettel im Beitrag #35
Warum hätte ich, lieber Emulgator, die Rücktritte Koch-Mehrins und Guttenbergs "ablehnen" sollen?
Weil es nicht Rücktritte vom Ministerposten, sondern vom Abgeordnetenmandat waren. Bei Guttenberg war das besonders verheerend. Als Gewinner des Direktmandats (übrigens bundesweit bestes Erststimmenergebnis) konnte für ihn keiner nachrücken. Sein Wahlkreis verlor deswegen die politische Repräsentation im Bundestag; man kann sagen, daß ab diesem Zeitpunkt die Wahlkreisbürger von der demokratischen Teilhabe an allen drei Gewalten ausgeschlossen waren. Was ist dann noch die freiheitlich-demokratische Grundordnung noch wert?

Zitat von Zettel im Beitrag #35
Vermutlich würde auch Frau Schavan zurücktreten müssen, wenn ihr der Doktorgrad aberkannt wird; denn ob das zu Recht oder zu Unrecht geschehen wäre, dürfte dann schwerlich eine Rolle spielen.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

18.10.2012 16:05
#39 RE: Zitat des Tages: Guttenberg und Schavan Antworten

Zitat von DrNick im Beitrag #37
Wenn man als Politiker in irgendeiner Weise für wissenschaftliche Einrichtungen zuständig ist, dann scheint mir wissenschaftliches Fehlverhalten ein größeres Problem darzustellen als bei einem Politiker, der es z.B. mit Frauen und Gedöns zu tun hat.
Habe das erst jetzt gelesen. Richtig: Wenn Frau Schröder sich geschlechtsumwandeln läßt, muß sie von ihrem Miniterinnenposten zurücktreten. Mutter darf sie dann noch bleiben.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

18.10.2012 16:30
#40 RE: Zitat des Tages: Guttenberg und Schavan Antworten

Zitat von DrNick im Beitrag #37
Zitat von Zettel im Beitrag #35

Allerdings: Wieso sollte es vom Ressort abhängen, ob eine akademische Verfehlung zum Rücktritt eines Ministers führt? Ich kann das überhaupt nicht sehen. Bei einem solchen Rücktritt geht es darum, daß das persönliche Ansehen so beschädigt wird, daß der Minister seinen Hut nimmt. Welches Ressort-Etikett auf diesem Hut klebt, ist egal.



Als Angela Merkel zu Guttenberg zu verteidigen versuchte, indem sie sagte, sie habe einen Verteidigungsminister eingestellt - und nicht etwa einen wissenschaftlichen Assistenten, gab es in der Debatte mehrfach den vieleicht etwas spitzfindigen, aber nicht völlig abwegigen Hinweis, daß der Verteidigungsminister eben auch für die Universitäten der Bundeswehr zuständig ist.

Wenn man als Politiker in irgendeiner Weise für wissenschaftliche Einrichtungen zuständig ist, dann scheint mir wissenschaftliches Fehlverhalten ein größeres Problem darzustellen als bei einem Politiker, der es z.B. mit Frauen und Gedöns zu tun hat.

Aus meiner Sicht ist, lieber DrNick, wie gesagt das beschädigte Ansehen der entscheidende Punkt. Das ist nicht eine Frage des Ressorts.

Guttenberg war oberster Dienstherr der Universitäten der Bundeswehr. Es ist damals argumentiert worden, daß er nicht gut seine Untergebenen anweisen könne, Mogelei bei Prüfungen streng zu ahnden, wenn er selbst massiver Mogelei überführt worden sei.

Das war ein Sonderfall. Schavan ist für Wissenschaft und Forschung zuständig; nicht für den Umgang von Universitäten mit Mogelei oder Plagiaten.

Herzlich, Zettel

Hausmann Offline



Beiträge: 710

18.10.2012 17:51
#41 RE: Plagiator Einstein? Antworten

Zitat von xanopos im Beitrag #31
Zitat von Dagny im Beitrag #29
Tja ... Einstein hat in seiner 1905-Arbeit zur Relativitätstheorie, die ihm (vermutlich) bekannten mathematischen Arbeiten von Lorentz nicht zitiert... Skandal - Rücktritt - Albertplug!!!


War das seine Diss?

Dissertation A.E.
Ansonsten möchte ich betonen, daß es hier um eine wissenschaftliche Arbeit handelt.
mfG

Gansguoter Offline



Beiträge: 988

18.10.2012 20:29
#42 RE: Marginalie: Plagiatorin Schavan? Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #36
Aber wie ist das mit der Aussage, daß für Caruso das Gewissen die gelebte, wenn auch manchmal nicht bewußte Sicherheit einer Transzendenz und eine Qualität des Menschseins sei? Kann man diese recht tüchtig aufs Wesentliche reduzierende Inhaltsangabe als erprobte Einsicht bezeichnen, die man ohne Nennung von Novak als Urheber von ihm fast wörtlich übenehmen kann, ohne sich ein Plagiats zu verantworten zu haben?


Wenn Frau Schavan eben jene Aussage, das Gewissen sei die gelebte, wenn auch usw., als ihre eigene Erkenntnis ausgegeben hätte, dann wäre das ein Plagiat. Dass sie an der fraglichen Stelle nicht auch auf Novak verweist (den sie grundsätzlich ja anführt), ist ein Fehler, aber von anderer Qualität.

Ich bin gehe jede Wette ein, dass man in einer Vielzahl von Dissertation in Fächern wie Pädagogik und Germanistik aus den 1970er und 1980er Jahren, in denen viele Seiten lang erst einmal nur zusammengefasst wird, was in der Vergangenheit schon alles über das Problem oder Thema X geschrieben und gesagt worden ist, vergleichbare Ungenauigkeiten und Fehler finden wird, indem auch dort bei der Wiedergabe von Inhalten eine große Nähe zu vergleichbaren Zusammenfassungen Dritter besteht.

Man kann sich über Sinn und Unsinn solcher Arbeiten und deren wissenschaftlichen Mehrwert sicher streiten (in meinem Bereich habe ich Dissertation aus den 70er und 80er Jahren [gerne solche aus dem Lang-Verlag] unter "Bücher, die die Welt nicht braucht" subsumiert); nur muss man natürlich eine solche Arbeitsweise und solche Arbeiten an den Maßstäben ihrer Entstehungszeit messen. Was man heute für in der Zitierweise für fehlerhaft und/oder unwissenschaftlich hält, was man heute - denke ich - gar nicht als Dissertationsthema vergeben würde, weil zu schwammig und unkonkret, ist damals offenbar anders bewertet worden. Es kommt hinzu, dass der Doktorvater, wie hier jemand schrieb, von einer der aufgelösten PHs stammt, wo ohnehin andere Maßstäbe galten. Das sollte man bei einem Urteil ex post m.E. schon auch berücksichtigen.

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

18.10.2012 23:57
#43 RE: Marginalie: Plagiatorin Schavan? Antworten

Zitat von Gansguoter im Beitrag #42
Wenn Frau Schavan eben jene Aussage, das Gewissen sei die gelebte, wenn auch usw., als ihre eigene Erkenntnis ausgegeben hätte, dann wäre das ein Plagiat.
Sie hat als Erkenntnis ausgegeben, daß Caruso das Gewissen als ... gesehen hat. Damit hat sie sich mit einer interpretatorischen Leistung geschmückt, die sie selbst nicht vollbracht hat: Ein Plagiat. Man kann auch im Abschnitt mit dem Literaturvergleich Plagiate machen.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

19.10.2012 07:35
#44 RE: Marginalie: Plagiatorin Schavan? Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #36
Ja, weil das schon lange erforscht und erprobt ist, so daß es in der Folge als Allgemeinbildung gelehrt wird. Aber wie ist das mit der Aussage, daß für Caruso das Gewissen die gelebte, wenn auch manchmal nicht bewußte Sicherheit einer Transzendenz und eine Qualität des Menschseins sei? Kann man diese recht tüchtig aufs Wesentliche reduzierende Inhaltsangabe als erprobte Einsicht bezeichnen, die man ohne Nennung von Novak als Urheber von ihm fast wörtlich übenehmen kann, ohne sich ein Plagiats zu verantworten zu haben?


Ich habe in meinem Leben einige Menschen kennengelernt, die gehörte oder gelesene Texte jedweder Komplexität ganz einfach in sich aufgesaugt haben wie Kinder, die Sprache und Argumentationslinien erst einfach übernehmen, bevor sie dann eigene entwickeln. Das Gehirn markiert aber in der Regel nicht die Quelle, und kann nicht immer unterscheiden, was originäre eigene Gedankengänge sind, und was als schlüssig und gut formuliert mal 'abgespeichert' wurde, und zur Weiterverwendung jederzeit wieder reaktiviert werden kann.

Diese Gehirnleistung scheint angeboren zu sein, wird aber möglicherweise durch entsprechende Übung verstärkt: Rezitieren gelernter Texte ist oft auch Bestandteil religiöser Erziehung, und wer intensiv an Diskussionen teil hat, fällt immer wieder auf gleiche Argumentationslinien zurück.

Ich will damit feststellen, dass man die Diskussion um Plagiate nicht losgelöst von der Informationsverarbeitung des menschlichen Gehirns führen kann, mit Beispielen, die der Durchschnittsmensch mangels persönlicher Nachvollziehbarkeit halt abnickt. Hexenverbrennungen werden heute auch etwas anders beurteilt als zu mittelalterlichen Zeiten.

Ich will Schavans Dissertation nicht bewerten, aber irgendwo verhakt sich diese Diskussion mit persönlicher Lebenserfahrung, weil sie ignoriert, dass es eben Dinge geben kann, die man aus welchen Gründen auch immer nicht berücksichtigen will. Sonst könnten ja scheinbar objektive Beurteilungskriterien schnell in sich zusammenfallen.

In jedem Fall halte ich es für naiv zu glauben, dass einige hundert Seiten wissenschaftliche Arbeit völlig isoliert vom wissenschaftlichen Umfeld geschrieben werden können, ohne immer wieder unbewusst in die Nähe von bereits Angelesenem zu kommen, und ich nehme mal an, dass das zu dieser Zeit auch nicht die Ansprüche waren. Wenn die Ansprüche, und die Hilfsmittel dafür heute anders sind, schön. Aber eine rückwärtige Beurteilung macht nur Sinn, wenn damalige Maßstäbe angelegt werden. Dafür scheint aber die menschliche Natur besonders schlecht ausgestattet zu sein.

Gruß, Martin

Hausmann Offline



Beiträge: 710

19.10.2012 09:42
#45 RE: Marginalie: Plagiatorin Schavan? Antworten

Wieviel Zitieraufwand wird eigentlich heute in harten = wissenschaftlichen Dissertationen getrieben, bei Mathematik oder Theoretischer Physik meinetwegen? Man wird wohl die wichtigsten Ideengeber erwähnen; die Ideen selber sind bekannt.

mfG

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

19.10.2012 11:17
#46 RE: Marginalie: Plagiatorin Schavan? Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #44

Ich habe in meinem Leben einige Menschen kennengelernt, die gehörte oder gelesene Texte jedweder Komplexität ganz einfach in sich aufgesaugt haben wie Kinder, die Sprache und Argumentationslinien erst einfach übernehmen, bevor sie dann eigene entwickeln. Das Gehirn markiert aber in der Regel nicht die Quelle, und kann nicht immer unterscheiden, was originäre eigene Gedankengänge sind, und was als schlüssig und gut formuliert mal 'abgespeichert' wurde, und zur Weiterverwendung jederzeit wieder reaktiviert werden kann.

Diese Gehirnleistung scheint angeboren zu sein, wird aber möglicherweise durch entsprechende Übung verstärkt: Rezitieren gelernter Texte ist oft auch Bestandteil religiöser Erziehung, und wer intensiv an Diskussionen teil hat, fällt immer wieder auf gleiche Argumentationslinien zurück.

Ich will damit feststellen, dass man die Diskussion um Plagiate nicht losgelöst von der Informationsverarbeitung des menschlichen Gehirns führen kann, mit Beispielen, die der Durchschnittsmensch mangels persönlicher Nachvollziehbarkeit halt abnickt. Hexenverbrennungen werden heute auch etwas anders beurteilt als zu mittelalterlichen Zeiten.

Ich will Schavans Dissertation nicht bewerten, aber irgendwo verhakt sich diese Diskussion mit persönlicher Lebenserfahrung, weil sie ignoriert, dass es eben Dinge geben kann, die man aus welchen Gründen auch immer nicht berücksichtigen will. Sonst könnten ja scheinbar objektive Beurteilungskriterien schnell in sich zusammenfallen.

In jedem Fall halte ich es für naiv zu glauben, dass einige hundert Seiten wissenschaftliche Arbeit völlig isoliert vom wissenschaftlichen Umfeld geschrieben werden können, ohne immer wieder unbewusst in die Nähe von bereits Angelesenem zu kommen, und ich nehme mal an, dass das zu dieser Zeit auch nicht die Ansprüche waren. Wenn die Ansprüche, und die Hilfsmittel dafür heute anders sind, schön. Aber eine rückwärtige Beurteilung macht nur Sinn, wenn damalige Maßstäbe angelegt werden. Dafür scheint aber die menschliche Natur besonders schlecht ausgestattet zu sein.

Ich stimme Ihnen vollkommen zu, sehr guter Beitrag, finde ich. Vielen Dank, lieber Martin.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

19.10.2012 13:35
#47 RE: Zitat des Tages: Guttenberg und Schavan Antworten

Zitat von Hausmann im Beitrag #45
Wieviel Zitieraufwand wird eigentlich heute in harten = wissenschaftlichen Dissertationen getrieben, bei Mathematik oder Theoretischer Physik meinetwegen? Man wird wohl die wichtigsten Ideengeber erwähnen; die Ideen selber sind bekannt.
Die Gebräuche und Ansprüche sind ganz anders, weil die Ideen nicht der Forschungsgegenstand sind, sondern die Modelle und Theoreme. Deswegen sind solche Arbeiten vom Seitenumfang ja auch viel kürzer.
Fußnoten sind am aussterben, Literaturverweise werden im Fließtext neuerer Publikationen in Klammern fortlaufend numeriert. Die Literaturverzeichnisse sind selten länger als vier Seiten und die Literatur ist viel übersichtlicher. Man kann eben ein bestimmtes Modell oder ein Problem nicht unter so viel Gesichtspunkten untersuchen wie "Das steinerne Herz" vom Arno Schmidt.

Lemmata anderer muß man zitieren, wenn man sie benutzt und sie nicht schon in vielen Lehrbüchern stehen. In jedem Fall haftet man für die Richtigkeit aller benutzten Resultate, denn wo das Lemma/Theorem in der Urfassung steht, da muß auch der Beweis für alle nachvollziehbar stehen (oder ein Zauberspruch wie "The proof is straightforward and thus left to the reader." ), sei es Lehrbuch oder Paper. Ein Lemma aus einer Publikation zu zitieren, die ihrerseits das Lemma nur zitiert, ist verpönt.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.425

21.10.2012 20:16
#48 RE: Zitat des Tages: Guttenberg und Schavan Antworten

Auf der Achse heute Alexander Gutzmer zur causa Schavan:

"Das Ende des Konservativen"

Zitat Dr. Alexander Gutzmer
_________
"Mit der akademischen Bildung steht hier ein Grundgut bürgerlicher Identitätsbildung zur Debatte. Die CDU hätte die Gelegenheit, vorzuführen, wie eine sich auch kulturell definierende Bürgerlichkeit dieses Gut hochhält. Sie könnte in uneingeschränktem Glauben an das wissenschaftliche System, das sie ja selbst mit geprägt hat, abwarten, was die Untersuchung der Düsseldorfer Uni ergibt, und danach wohl überlegt und ohne parteitaktische Mätzchen Konsequenzen ziehen. [...] Doch Leute wie Volker Kauder oder Baden-Württembergs CDU-Landeschef Strobl haben zum akademischen System und zu akademischen Werten keine andere als eine taktische Beziehung. Die Wissensgesellschaft ist ihnen als strategisches Endziel völlig egal."
_________

Gibt es eigentlich die Verbalinjurie "Turbokonservatismus"?

Emulgator Offline



Beiträge: 2.875

05.02.2013 23:41
#49 RE: Zitat des Tages: Guttenberg und Schavan Antworten

Hier die Presseerklärung des Fakultätsrates der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

05.02.2013 23:46
#50 RE: Zitat des Tages: Guttenberg und Schavan Antworten

Zitat von Emulgator im Beitrag #49
Hier die Presseerklärung des Fakultätsrates der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Es wird dazu einen Artikel in ZR geben.

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