Eigentlich ist dies ein Beitrag zur Serie "Anmerkungen zur Sprache". Aber weil er durch einen Artikel in der "Zeit" angeregt wurde und nur kurz ist, erscheint er als ein Zitat des Tages.
Also meine Assoziation ist nicht Kompetenz sondern, verzeihen Sie die saloppe Formulierung, "dummes Gelaber". Aber anscheinend ist das im Kreise der Leute, die solche Arbeiten bewerten anders. Schon in der Schule wird man ja dazu erzogen "zu labern". Wenn man alle möglichen Meinungen und Aspekte abgegrast hat sammelt man relativ sicher auch alle im Schema zu vergebenden Punkte ein, zumindest seit dem Zentralabitur. Früher spielte es wohl noch eine Rolle, ob man eine sinnvolle Argumentation vorlegt oder nicht. Wie das in den Universitäten heutzutage aussieht, kann ich nicht beurteilen, aber ich fürchte im Allgemeinen nicht viel besser.
Passend zu dem Artikel: "Ein Text ist nicht dann vollkommen, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann."(Antoine de Saint-Exupery)
Zitat von Christoph im Beitrag #3wie Wolf Schneider schon sagt: »Qualität kommt von Qual.« Entweder quäle sich der Leser, oder der Schreiber. Ich fürchte, manchmal quälen sich beide.
Oder der Schreiber quält den Leser.
Ein Autor kann die Beziehung zu seinem Leser ja sehr unterschiedlich sehen.
Es gibt zum Beispiel den Fall, daß der Autor sich nicht um den Leser zu bemühen braucht, weil er Macht über ihn hat. Das erklärt den miserablen Stil des "Neuen Deutschland" in der DDR; oder die Unverständlichkeit von Gebrauchsanweisungen - der DDR-Funktionär mußte, der Käufer eines Geräts muß das lesen, ob er will oder nicht. Hier drückt sich im schlechten Stil einfach ein Machtgefälle aus.
Dann gibt es den schlechten Stil als eine Art Komplicenschaft zwischen Autor und Leser. Adorno faßt einen schlichten Gedanken und drapiert ihn sprachlich so, daß er bedeutend erscheint. Der Leser, der etwas Bedeutendes lesen will, versteht den Gedanken in dieser Verkleidung zwar nicht, delektiert sich aber daran, den großen Phiolosophen zu lesen (und vor allem dann zu zitieren).
Um guten Stil bemüht sich, wer ein egoistisches Interesse daran hat, verstanden zu werden. Also zum Beispiel der Belletrist, dem an seinem Publikum etwas liegt; oder auch der Autor eines Lehrbuchs auf einem umkämpften Markt.
Deutsche Lehrbücher für Studenten waren früher oft miserabel geschrieben, weil sie meist Pflichtlektüre ohne Alternative waren. Auf dem amerikanischen Markt konkurrieren meist zahlreiche Lehrbücher, zwischen denen die Lehrenden und/oder die Studenten ihre Wahl treffen können. Der Markt sorgt dafür, daß diese Lehrbücher überwiegend vorzüglich geschrieben sind.
Zitat von ZettelNicht zufällig genießen Hegel, Fichte, Heidegger und Adorno in Deutschland ein fast ehrfurchtsvolles Ansehen; während ein glänzender Stilist wie Schopenhauer häufig unterschätzt wird. Wirft ein Student der Philosophie einmal einen Blick in die Werke von, sagen wir, Descartes, Locke oder Hume, dann ist er nicht selten verblüfft: Was, so einfach schreiben die? Und das soll große Philosophie sein?
Und was ist mit Kant? – Der ist m.E. nicht viel leichter zu verstehen als z.B. Fichte. Sollten da vielleicht auch andere Gründe mitspielen, dass nämlich in der jungen deutschsprachigen Wissenschaftskultur an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert einfach noch komplizierter formuliert wurde als später? Andererseits Heidegger: Ich halte es durchaus für legitim, über das Mittel der Sprache eine ungewöhnliche, neue Perspektive auf die Wirklichkeit zu entwerfen (wobei ich damit ausschließlich den frühen Heidegger von "Sein und Zeit" meine; die Texte des späten Heidegger sind auch für mich nur "Geschwurbel").
Trotzdem schönen Dank für den Beitrag!
Herzliche Grüße von meiner ausnahmsweise total verregneten Insel! Herr
Zitat von ZettelNicht zufällig genießen Hegel, Fichte, Heidegger und Adorno in Deutschland ein fast ehrfurchtsvolles Ansehen; während ein glänzender Stilist wie Schopenhauer häufig unterschätzt wird. Wirft ein Student der Philosophie einmal einen Blick in die Werke von, sagen wir, Descartes, Locke oder Hume, dann ist er nicht selten verblüfft: Was, so einfach schreiben die? Und das soll große Philosophie sein?
Und was ist mit Kant? –
Auf diesen Einwand habe ich gewartet, und ich glaube, ich bin bei einer früheren Diskussion schon darauf eingegangen.
Kant war noch stark geprägt von der Zeit, als Latein die Sprache der Wissenschaft gewesen war. Er hat auch anfangs zum Teil noch auf Latein publiziert. Sein Stil sind klassische lateinische Perioden; dem Deutschen tut das Gewalt an, während es im Lateinischen elegant ist.
Zum zweiten ist sein Stil - eben geschult am Lateinischen - zwar gewöhnungsbedürftig, aber kristallklar. Er definiert seine Begriffe. Die Sprache enthält keine Unklarheiten.
Das ist dann bei Hegelfichteschelling ganz anders. Deren Sprache ist nicht mehr am Lateinischen geschult, sondern es ist eine eigenwillige, mitunter nachgerade autistische Sprache.
Zu Hegel gab es hier im Forum einmal eine lange Diskussion, bei der ich die eine oder andere Passage aus der "Phänomenologie des Geistes" in normales Deutsch zu übersetzen versucht habe.
Zitat von Herr im Beitrag #5Andererseits Heidegger: Ich halte es durchaus für legitim, über das Mittel der Sprache eine ungewöhnliche, neue Perspektive auf die Wirklichkeit zu entwerfen (wobei ich damit ausschließlich den frühen Heidegger von "Sein und Zeit" meine; die Texte des späten Heidegger sind auch für mich nur "Geschwurbel").
Ich sehe da, lieber Herr, eine Entwicklung hin zu immer größerer Eigenbrödlerei. Heidegger schafft sich eine Welt aus Sprache; ein im Grunde mehr literarisches als philosophisches Unternehmen.
Solche Texte sind ein Gespinst von Begriffen und Gedanken, die einander gegenseitig tragen. Man kann sich darauf einlassen und spielt dann eben das Glasperlenspiel mit. Zur Realität sehe ich wenige Bezüge.
Herzlich, Zettel
Nachtrag: "Eigenbrödlerei" war a bisserl eigenbrötlerisch.
Zitat von Zettel im Beitrag #6Kant war noch stark geprägt von der Zeit, als Latein die Sprache der Wissenschaft gewesen war. Er hat auch anfangs zum Teil noch auf Latein publiziert. Sein Stil sind klassische lateinische Perioden; dem Deutschen tut das Gewalt an, während es im Lateinischen elegant ist.
Zum zweiten ist sein Stil - eben geschult am Lateinischen - zwar gewöhnungsbedürftig, aber kristallklar. Er definiert seine Begriffe. Die Sprache enthält keine Unklarheiten.
Danke für die Antwort!
Ich habe eben noch mal in den Anfang der Kritik der reinen Vernunft und in den der Grundlage der allgemeinen Wissenschaftslehre eingelesen. Den Anfang von Hegels Logik könnte man auch noch dazu nehmen ...
Zitat von Herr im Beitrag #7Ich habe eben noch mal in den Anfang der Kritik der reinen Vernunft und in den der Grundlage der allgemeinen Wissenschaftslehre eingelesen. Den Anfang von Hegels Logik könnte man auch noch dazu nehmen ...
Sie haben Recht.
Das freut mich, lieber Herr, daß wir das ähnlich sehen. Ich habe jetzt einmal nach der Diskussion zu Hegel gesucht, die ich erwähnt hatte; der Diskussionspartner war damals Gomez.
Meine kleinen Versuche, Hegel in normales Deutsch zu übersetzen, habe ich damals respektlos "Dehydrieren" genannt. Beispiele finden Sie hier.
Ja, ich erinnere mich noch an die Diskussion damals. Bei Kant wird ja auch gern der ostpreussische Satzbau bemüht, der für seinen schwierigen Stil verantwortlich sein soll. Ich halte aber eher den Punkt für wichtig, den Herr angesprochen hat. Gerade bei neuen und daher ungewohnten Perspektiven auf einen Sachverhalt ist es schwierig, verständlich zu bleiben. Die Alltagssprache kommt mit ihren Konventionen da nicht mehr mit.
So ist der vorkritische Kant leicht zu verstehen. Nach der "kopernikanischen Wende" sah das freilich anders aus. Dieselbe Schwerigkeit hatte Fichtes innovatives Projekt.
Hat sich die neue Perspektive aber fest etabliert, ist sie auch verständlicher. Die Arbeit, diese verständlich zu machen, wurde getan; es muß nicht mehr um Worte gerungen werden, sondern es existieren nun allgemein bekannte feste Begrifflichkeiten. Das kann man gerade bei Hegel sehen. Die Sachen, die er ins Unreine geschrieben hat, (Jenaer Systementwürfe, "System der Sittlichkeit"), sind nahezu unverständlich, allerdings ja auch nie für Publikum gedacht gewesen. Was danach kam - diese Diskussion will ich zwar nicht wieder aufwärmen - ist für denjenigen, der sich mit Hegel vertraut machen will, auch zu verstehen, auch wenn dies Mühe bereitet. Die überarbeitete Seinslogik von 1832 ist wiederum verständlicher als die von 1812. Es wäre also noch der Punkt zu nennen: Schwierigkeit und Neuheit des Themas mit einhergehender sprachlicher Überforderung. Das trifft übrigens auch auf angelsächsische Länder zu. Die bahnbrechenden Schriften zur sprachanalytischen Philosophie sind auch nicht gerade leicht zu lesen. Das trifft auch auf einen Philosophen zu, der trotz oder gerade wegen seines "leichten" Stils unverständlich ist: Wittgenstein.
Die anderen Punkte: Tarnung, Faulheit, Angeberei halte ich hingegen auch für bestimmend. Allerdings wird in den Instituten vermehrt darauf geachtet, das den Studenten auszutreiben. M.E. in den sozialwissenschaftlichen Fächern mehr als anderswo. Vielleicht ist es dort auch am nötigsten.
Zitat von Gomez im Beitrag #12Die bahnbrechenden Schriften zur sprachanalytischen Philosophie sind auch nicht gerade leicht zu lesen. Das trifft auch auf einen Philosophen zu, der trotz oder gerade wegen seines "leichten" Stils unverständlich ist: Wittgenstein.
Wenn Sie den Tractatus Logico Philosophicus meinen, so ist an ihm m.E. alles leicht verständlich wenn man ihn nicht allzu ernst nimmt. Ich denke, nur wer bereit ist, sich zum eigenen Versuchskaninchen zu machen "versteht" dieses Werk - und hat seinen Spaß. Eine gehörige Portion Selbstironie ist dazu zwingende Vorraussetzung.
Zitat von Gomez im Beitrag #12Ja, ich erinnere mich noch an die Diskussion damals.
Das freut mich, lieber Gomez, daß Sie sich zu Wort melden! Ich dachte, Sie seien dem Forum längst verlorengegangen; aber siehe da ...
Zitat von Gomez im Beitrag #12Gerade bei neuen und daher ungewohnten Perspektiven auf einen Sachverhalt ist es schwierig, verständlich zu bleiben. Die Alltagssprache kommt mit ihren Konventionen da nicht mehr mit.
Ein interessanter Gesichtspunkt; aber wie ist es mit Gegenbeispielen?
Descartes hat im Discours eine neue Perspektive eingenommen, nämlich die radikaler Subjektivität, und schreibt doch außerordentlich verständlich. Hume hat mit seinem skeptischen, probabilistischen Ansatz eine radikal neue Perspektive eingenommen und ist ein Muster an Verständlichkeit.
Gerade wenn man Neues denkt, kann man dann verständlich sein, wenn man den Leser am Gang der eigenen Überlegungen teilhaben läßt. Das machen Descartes und Hume.
Ein Stilmittel, das Verstehen zu erleichtern, ist auch der Dialog. Platon hat es bekanntlich ausgiebig genutzt; auch noch Galilei beispielsweise. Denn in solchen Dialogen gibt es gewissermaßen den Vertreter des Lesers, der dessen Verständnisschwierigkeiten artikuliert und dem Autor Gelegenheit zum Erklären gibt. Die Dialogpartner des Sokrates; bei Galilei der Sagredo im Dialogo.
Es gibt, wenn man so will, in der Geschichte der Philosophie die Erklärer und die Verkünder.
Die Erklärer - fast alle Philosophen des klassischen Altertums, die ja meist ihr Brot als Lehrer verdienten; die oben Genannten, auch Leibniz vor allem in seinen Briefen, Schopenhauer, Russell, Popper beispielsweise - wollen den Leser, der etwas lernt. Die Verkünder wollen Leser, die an sie glauben; die mindestens ihnen glauben.
Was ich einräume, ist die Schwierigkeit, für neu Gedachtes passende Termini zu finden. Das ist in der Geschichte der Naturwissenschaften nicht anders gewesen als in der Philosophie. Die Wissenschaft behilft sich mit Metaphern, die dann später zu Fachtermini werden - man denke an Begriffe wie "Kraft", "Widerstand" oder "Teilchen".
Zitat von Gomez im Beitrag #12 Es wäre also noch der Punkt zu nennen: Schwierigkeit und Neuheit des Themas mit einhergehender sprachlicher Überforderung. Das trifft übrigens auch auf angelsächsische Länder zu. Die bahnbrechenden Schriften zur sprachanalytischen Philosophie sind auch nicht gerade leicht zu lesen. Das trifft auch auf einen Philosophen zu, der trotz oder gerade wegen seines "leichten" Stils unverständlich ist: Wittgenstein.
Wittgenstein - nicht erst der "späte" - gehört aus meiner Sicht eindeutig zu den Verkündern. Ich habe mich als Student an der scheinbaren Klarheit und Durchsichtigkeit des Tractatus berauscht, bis ich dahintergekommen bin, daß das nur Mache ist. Scheinexaktheit, wie bei Spinoza.
Finden Sie nicht auch, lieber Gomez, daß bei der Analytischen Philosophie die Autoren des Wiener Kreises oft zu wenig gewürdigt werden? Carnap beispielsweise hat außerordentlich klar geschrieben; manches bei Wittgenstein habe ich erst verstanden, nachdem ich die verständlichere Formulierung desselben Gedankens bei Carnap gelesen hatte. Oder nehmen sie Russell, der auch bei schwierigen Themen außerordentlich verständlich ist.
Zitat von Zettel im Beitrag #4Es gibt zum Beispiel den Fall, daß der Autor sich nicht um den Leser zu bemühen braucht, weil er Macht über ihn hat. Das erklärt den miserablen Stil des "Neuen Deutschland" in der DDR; oder die Unverständlichkeit von Gebrauchsanweisungen - der DDR-Funktionär mußte, der Käufer eines Geräts muß das lesen, ob er will oder nicht. Hier drückt sich im schlechten Stil einfach ein Machtgefälle aus.
Ihren Andeutungen, lieber Zettel, kann ich leider nicht folgen: Insbesondere was seinerzeit Funktionäre (?) mit der Verständlichkeit technischer Gebrauchsanweisungen zu tun hatten - insbesondere im Vergleich mit den heutigen hundertseitigen maschinellen Übersetzungen chinesich-deutsch für jeden Klimperkram (99 Seiten davon zur ökologischen Entsorgung des neuerworbenen Gerätes).
Zitat von Zettel im Beitrag #4Es gibt zum Beispiel den Fall, daß der Autor sich nicht um den Leser zu bemühen braucht, weil er Macht über ihn hat. Das erklärt den miserablen Stil des "Neuen Deutschland" in der DDR; oder die Unverständlichkeit von Gebrauchsanweisungen - der DDR-Funktionär mußte, der Käufer eines Geräts muß das lesen, ob er will oder nicht. Hier drückt sich im schlechten Stil einfach ein Machtgefälle aus.
Ihren Andeutungen, lieber Zettel, kann ich leider nicht folgen: Insbesondere was seinerzeit Funktionäre (?) mit der Verständlichkeit technischer Gebrauchsanweisungen zu tun hatten - insbesondere im Vergleich mit den heutigen hundertseitigen maschinellen Übersetzungen chinesich-deutsch für jeden Klimperkram (99 Seiten davon zur ökologischen Entsorgung des neuerworbenen Gerätes).!
Da habe ich mich wahrscheinlich schlecht ausgedrückt, lieber Hausmann. Was ich meinte, war: Es gibt Texte, deren Autoren sich nicht um Verständlichkeit bemühen müssen, weil der Leser ohnehin faktisch gezwungen ist, sie zu lesen.
Die Autoren des "Neuen Deutschland" haben sich - wenn ich das richtig mitbekommen habe - in erster Linie an die Diener des Systems gewandt; "Funktionäre" war vielleicht ein zu enger Ausdruck. An alle, die wissen mußten, welches die aktuelle Linie ist, was man in der Agitation betonen sollte, was tabu ist; vor allem auch, welche Personen gerade auf- und welche absteigen (wie oft wird jemand erwähnt? wie sehr gelobt?). Und natürlich gehörte dazu das Zwischen-den-Zeilen-Lesen.
Jedenfalls habe ich mir das damals von Kollegen so erklären lassen, die als Reisekader in den Westen durften oder die geflohen waren. Die einhellige Ansicht war, daß die Lektüre des ND für jeden Pflicht war, der Karriere machen oder seine Position halten wollte. Er hat das ND nicht aus Neugier oder zum Vergnügen gelesen. Deshalb konnte die Zeitung langweilig sein und in schlechtem Deutsch geschrieben werden. Man mußte sie trotzdem lesen.
Und die Gebrauchsanweisung? Auch sie liest man nicht aus Neugier oder Vergnügen, sondern weil es sein muß, damit man das Gerät benutzen (oder den Ikea-Schrank aufbauen ) kann. Das sollte das tertium comparationis sein.
Aber ich gebe zu - so ganz gelungen war dieser Beitrag wohl nicht.
Zitat von Zettel im Beitrag #4Um guten Stil bemüht sich, wer ein egoistisches Interesse daran hat, verstanden zu werden. Also zum Beispiel der Belletrist, dem an seinem Publikum etwas liegt; oder auch der Autor eines Lehrbuchs auf einem umkämpften Markt.
Ich bezweifle, dass Lehrbuchmärkte wirklich umkämpft sind. Das Verfassen eines Lehrbuchs ist keine besonders attraktive Option. Ein Hochschullehrer (korrigieren Sie mich bitte, lieber Zettel, wenn ich mich irre) kann mit der Erstellung eines Gutachtens erheblich mehr verdienen als mit dem Verfassen eines Lehrbuchs. Und für ein Berufungsverfahren auf eine Professur sind Artikel in Fachzeitschriften wichtiger als Lehrbücher, die den Forschungsstand ja nur abbilden, aber nicht bereichern. An amerikanischen Universitäten mag das anders sein: Da wird derjenige Bewerber eingestellt, der die meisten Studenten anzulocken und die meisten Drittmittel einzuwerben verspricht. Und das sind dann wohl häufig die allseits bekannten Standardwerkautoren. Dies erklärt - neben dem Stilideal des plain English - vielleicht auch die höhere sprachliche Qualität amerikanischer Lehrbücher: Wenn sie sich bei Lehrenden und Studierenden etablieren, dienen sie ihrem Verfasser als Karrieresprungbrett.
Zitat Deutsche Lehrbücher für Studenten waren früher oft miserabel geschrieben, weil sie meist Pflichtlektüre ohne Alternative waren.
Heutzutage liegt ein Grund für die manchmal schon peinlich niedrige Qualität von Lehrbüchern auch darin, dass sich die Fachverlage jegliches Lektorat sparen. Da wimmelt es dann in den entsprechenden Produkten von Rechtschreib- und Interpunktionsfehlern; bisweilen finden sich auch unvollständige Sätze und dergleichen. Zum Teil grenzt es schon an Leserverachtung, was Studierenden für einen doch eher stolzen Preis so zugemutet wird.
Manche Professoren bewerben in ihren Lehrveranstaltungen ihre eigenen Lehrbücher ziemlich massiv. Da ist dann z.B. die Rede davon, dass die Lektüre des betreffenden Werks zwingende Voraussetzung für das Bestehen der Prüfung sei. Oft genug haben diese Bücher eine derartige Werbung bitter nötig; sie würden bei freier Wahlmöglichkeit der Studierenden hoffnungslose Ladenhüter bleiben.
Zitat von Noricus im Beitrag #17Ich bezweifle, dass Lehrbuchmärkte wirklich umkämpft sind. Das Verfassen eines Lehrbuchs ist keine besonders attraktive Option. Ein Hochschullehrer (korrigieren Sie mich bitte, lieber Zettel, wenn ich mich irre) kann mit der Erstellung eines Gutachtens erheblich mehr verdienen als mit dem Verfassen eines Lehrbuchs.
In den USA kann man mit einem einzigen Lehrbuch ein reicher Mann werden, lieber Noricus. Ich kannte einen Kollegen, der sich damit eine sehr schöne Villa an der kalifornischen Küste erschrieben hat.
An US-Unis wird bis zum B.A. sehr viel mit Lehrbüchern gearbeitet, die für einen Kurs vom Dozenten vorgeschrieben werden. (Man wird also auch großzügig mit kostenlosen Leseexemplaren versorgt. Ich bekam einmal aufgrund eines Computerfehlers wöchentlich immer wieder dasselbe Lehrbuch geschenkt. Erst kriegte jeder Mitarbeiter und Doktorand eines, der es wollte; schließlich habe ich um Beendigung gebeten. ).
Zitat von Noricus im Beitrag #17An amerikanischen Universitäten mag das anders sein: Da wird derjenige Bewerber eingestellt, der die meisten Studenten anzulocken und die meisten Drittmittel einzuwerben verspricht. Und das sind dann wohl häufig die allseits bekannten Standardwerkautoren. Dies erklärt - neben dem Stilideal des plain English - vielleicht auch die höhere sprachliche Qualität amerikanischer Lehrbücher: Wenn sie sich bei Lehrenden und Studierenden etablieren, dienen sie ihrem Verfasser als Karrieresprungbrett.
Und die Koryphäen sind sich eben auch nicht zu schade, ein Lehrbuch zu schreiben (bzw. jedenfalls ihren Namen darauf zu setzen).
Zitat Deutsche Lehrbücher für Studenten waren früher oft miserabel geschrieben, weil sie meist Pflichtlektüre ohne Alternative waren.
Heutzutage liegt ein Grund für die manchmal schon peinlich niedrige Qualität von Lehrbüchern auch darin, dass sich die Fachverlage jegliches Lektorat sparen. Da wimmelt es dann in den entsprechenden Produkten von Rechtschreib- und Interpunktionsfehlern; bisweilen finden sich auch unvollständige Sätze und dergleichen. Zum Teil grenzt es schon an Leserverachtung, was Studierenden für einen doch eher stolzen Preis so zugemutet wird.
Das Problem ist, daß der deutschsprachige Markt zu klein ist. Ich habe für meine Lehrveranstaltungen so gut wie ausschließlich amerikanische Lehrbücher verwendet. (Übersetzungen sind meist fürchterlich). In noch kleineren Ländern wie Holland oder Dänemark gibt es praktisch keine Lehrbücher in der Landessprache.
Weil der Markt so klein ist, müssen die Verlage sparen; von daher das schlechte Lektorat. Die Arbeit des Lektors überträgt man dem Verfasser; bis hin zur Erstellung des Stichwortverzeichnisses.
Zitat von Noricus im Beitrag #17Manche Professoren bewerben in ihren Lehrveranstaltungen ihre eigenen Lehrbücher ziemlich massiv. Da ist dann z.B. die Rede davon, dass die Lektüre des betreffenden Werks zwingende Voraussetzung für das Bestehen der Prüfung sei. Oft genug haben diese Bücher eine derartige Werbung bitter nötig; sie würden bei freier Wahlmöglichkeit der Studierenden hoffnungslose Ladenhüter bleiben.
Ja, das ist eine Unart. Mir haben Studenten von Kollegen erzählt, daß diese Vorlesungen im Wortsinn hielten - sie lasen aus ihrem eigenen Lehrbuch vor.
Zitat von Zettel im Beitrag #16Die Autoren des "Neuen Deutschland" haben sich - wenn ich das richtig mitbekommen habe - in erster Linie an die Diener des Systems gewandt; "Funktionäre" war vielleicht ein zu enger Ausdruck. An alle, die wissen mußten, welches die aktuelle Linie ist, was man in der Agitation betonen sollte, was tabu ist; vor allem auch, welche Personen gerade auf- und welche absteigen (wie oft wird jemand erwähnt? wie sehr gelobt?). Und natürlich gehörte dazu das Zwischen-den-Zeilen-Lesen.
99 %ige Zustimmung, lieber Zettel!
Und als extremes Beispiel die kilometerlangen, kryptischen Parteitagsreden.
Das eine Prozent spontan guter Erinnerung bezieht sich auf die Literaturbeilagen und ganz besonders auf den kompletten(!) Abdruck aller wichtigen Reden Gorbatschows Ende der 80er Jahre. Durch diese Bleiwüsten sind wir lustvoll gewandert. :)
Zitat von Noricus im Beitrag #17Manche Professoren bewerben in ihren Lehrveranstaltungen ihre eigenen Lehrbücher ziemlich massiv. Da ist dann z.B. die Rede davon, dass die Lektüre des betreffenden Werks zwingende Voraussetzung für das Bestehen der Prüfung sei. Oft genug haben diese Bücher eine derartige Werbung bitter nötig; sie würden bei freier Wahlmöglichkeit der Studierenden hoffnungslose Ladenhüter bleiben.
Oh ja, da kenne ich auch einen liebenswürdigen Professor, sein Lehrbuch, immerhin sowas wie die Bibel der ***, war ein Muss für die Prüfung. Kostenpunkt 300 Euronen, aber in elektronische Form über den Bibliothekszugang zu Springer gratis. Ansonsten hätte der Professor das pdf wohl auch so hergegeben, war ein ganz netter Kerl.
Zitat von Zettel im Beitrag #18In den USA kann man mit einem einzigen Lehrbuch ein reicher Mann werden, lieber Noricus.
Das leuchtet mir ein. Ein englischsprachiges Lehrbuch hat ja auch eine ganz andere Reichweite als ein deutsches und verbreitet sich im günstigsten Fall auf (mehr als) der halben Welt.
Zitat Und die Koryphäen sind sich eben auch nicht zu schade, ein Lehrbuch zu schreiben (bzw. jedenfalls ihren Namen darauf zu setzen).
Hängt das vielleicht damit zusammen, dass die Lehre im amerikanischen Uni-System einen höheren Stellenwert besitzt - weil sich das Ansehen eines Professors in der scientific community eben nicht nur nach seinen Forscherlorbeeren, sondern auch nach seiner Unterrichtsqualität bemisst?
Dass bei manchen Lehrbüchern der Name des Professors das Einzige ist, was wirklich von ihm selbst stammt, habe ich mir übrigens auch schon manchmal gedacht.
Zitat Weil der Markt so klein ist, müssen die Verlage sparen; von daher das schlechte Lektorat. Die Arbeit des Lektors überträgt man dem Verfasser; bis hin zur Erstellung des Stichwortverzeichnisses.
Auch das ist für mich nachvollziehbar. Der studentische Leser wird aber dann doch etwas verdrossen sein, wenn er eine dreistellige Summe für ein fehlerbehaftetes Werk hinblättern soll. (Ich erinnere mich etwa noch an ein leider alternativloses Lehrbuch mit etlichen sinnentstellenden Kommafehlern, das ich mir glücklicherweise in der Bibliothek ausleihen konnte.) Die (für Studenten via Uni-Account kostenlosen) Angebote etwa von Beck oder Springer (siehe den unmittelbar vorangehenden Beitrag von Xanopos) lösen aber nur einen Teil des Problems, nämlich den finanziellen. Die ggf. schlechte Qualität bleibt erhalten, weil es sich dabei ja nicht um "echte" Online-Versionen, sondern nur um die PDF-Vorlagen für die Druckausgaben handelt. Eine "reine" Digitalversion, die auf Leserkritik und bei entsprechenden Anlässen (z.B. bei juristischen Lehrbüchern: Gesetzesnovelle oder wichtiges höchstgerichtliches Urteil) ohne die Verzögerung durch eine Drucklegung zeitnah überarbeitet wird, könnte hier Abhilfe schaffen. Das Lehrbuch ... pardon ... Lehrdokument würde so zu einer Art work in progress; dafür würde der Student wohl durchaus auch angemessen in die eigene Tasche greifen.
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