Zitat von Noricus im Beitrag #25[quote="Zettel"|p84510] Frage an die Historiker: Ist es völlig verkehrt, in beiden Fällen einen massiven Modernisierungsschub nach langer Zeit der Rückständigkeit und des Stillstandes zu konstatieren (in Deutschland ab dem letzten Drittel des 19. Jhdt.; in Arabien seit dem Ende des Osmanischen Reichs), einen Modernisierungsschub, den viele Menschen nicht mitgehen konnten/wollten?
Rußland & China wären da auch noch in den Blick zu nehmen. Für Deutschland gilt: höchstens zum Teil. Zum einen ist die "Modernisierung" ja zum größten Teil technischer Art - & da ist die ganze Welt betroffen; außerdem war das 3. Reich ja durchaus technikversessen & verstand sich als Modernisierungbewegung. Bei der "Modernisierung der Institutionen" setzt der Umbruch zwischen 1840 - 60 ein: Universitäten, technische Hochschulen, Arbeiterwohlfahrt - etwa 50 Jahre gegenüber England versetzt.
Das "Unbehagen an der Moderne" (von Freud auf den ° gebracht) ist als Gradmesser für die Widerborstigkeit der Leut' gegenüber den Zumutungen der Neuzeit kaum tauglich: es gehört zum basso ostinato der Neuzeit seit Rousseau; die Romanciers & Blattlmacher leiden immer "an ihrer Zeit" (bzw. wer's nicht tut, findet sich in den Lesebüchern der Nachgeborenen nur als Beispiel für die Vernageltheit der Vorfahren wieder).
Zitat von Zettel im Beitrag #9 Deutschland Ende der dreißiger Jahre: Viele wählten die Nazis, weil sie sich von diesen weniger Arbeitslosigkeit versprachen, nicht wegen deren Ideologie. Da ging es bekanntlich anders aus.
Lieber Zettel, Sie meinen sicher Ende der 20er Jahre.
Ja, natürlich, danke. Das war eine Kontamination aus "Ende der zwanziger Jahre" und "Anfang der dreißiger Jahre".
Zitat von Zettel im Beitrag #1Die Moslembrüder wollen die Scharia und nicht die Demokratie. Ob sie am Ende in Ägypten erfolgreich sein werden, ist aber keineswegs ausgemacht. Die Mehrheit der Ägypter sind keine Islamisten.
Laut New York Times hat Morsi nach Gesprächen mit Vertretern der Justiz zurückgerudert und will seinen Erlaß so ändern, daß seine Entscheidungen wieder richterlich überprüfbar sein sollen.
Die jetzige Verfassungskommission soll aber durch die Justiz nicht aufgelöst werden können.
Zitat von Zettel im Beitrag #28Laut New York Times hat Morsi nach Gesprächen mit Vertretern der Justiz zurückgerudert und will seinen Erlaß so ändern, daß seine Entscheidungen wieder richterlich überprüfbar sein sollen.
Zitat von NYTMr. Morsi’s advisers emphasized on Monday that they had not altered the decree’s language, and they portrayed the agreement with the judges as merely an explanation of the president’s original intent, rather than any pullback.
Zitat von Nathan BrownThe distinction “has been a slippery legal concept, because authoritarian rulers have used it in the Arab world to get away with almost anything in the last half century,” he said.
Nein, ich bin nicht pessimistisch, mir ist es völlig egal ob Ägypten kommunistisch, nationalsozialistisch, piratisch oder schariatisch regiert wird. Ich mag es nur nicht, wenn ich veräppelt werde.
Zitat von NYTMr. Morsi’s advisers emphasized on Monday that they had not altered the decree’s language, and they portrayed the agreement with the judges as merely an explanation of the president’s original intent, rather than any pullback.
Und so lautete die Eilmeldung der NYT, die ich um 21.16 Uhr per Mail bekommen habe:
Zitat Egypt’s President Said to Limit Scope of Judicial Decree in Deal With Courts
President Mohamed Morsi agreed Monday to scale back a sweeping decree he had issued last week that raised his edicts above any judicial review, according to a report by a television network allied with his party.
The agreement, reached with top judicial authorities, would leave most of Mr. Morsi’s actions subject to review by the courts, but preserve a crucial power: protecting the constitutional council from being dissolved by the courts before it finishes its work.
Zitat Presidential spokesman Yasser Ali stated late on Monday that President Mohamed Morsi's recent controversial decree would not be subject to modification, noting that the decree may have been "misunderstood" by the public. (...)
The decree states that presidential decisions will enjoy temporary immunity from legal challenge. The decree also protects Egypt's Islamist-led Constituent Assembly, tasked with drafting a new constitution, and the Shura Council (the upper house of parliament) from dissolution by court order.
"The decree will only immunise the president's sovereign decisions [from legal challenges],” asserted Ali, stressing the measure's temporary nature.
The statement was issued following the president’s meeting with senior judicial figures.
Der Sprecher des Präsidenten sagte also, wie der Bericht in der NYT, daß die dieser Punkt des Erlasses nicht generell für alle Entscheidungen des Präsidenten gelte, sondern nur für bestimmte. Zweitens behauptet er, daß das keine Änderung dieses Erlassen bedeute.
Zitat von Noricus im Beitrag #25 Frage an die Historiker: Ist es völlig verkehrt, in beiden Fällen einen massiven Modernisierungsschub nach langer Zeit der Rückständigkeit und des Stillstandes zu konstatieren (in Deutschland ab dem letzten Drittel des 19. Jhdt.; in Arabien seit dem Ende des Osmanischen Reichs), einen Modernisierungsschub, den viele Menschen nicht mitgehen konnten/wollten?
Für Deutschland gilt: höchstens zum Teil. Zum einen ist die "Modernisierung" ja zum größten Teil technischer Art - & da ist die ganze Welt betroffen; außerdem war das 3. Reich ja durchaus technikversessen & verstand sich als Modernisierungbewegung.
Gab es ab ca. 1848 in Deutschland nicht auch einen politischen Aufbruch, nämlich des Bürgertums, das nicht länger unter Monarchien mit (versuchsweise) restauriertem Absolutismus leben wollte, sondern so etwas wie liberale Reformen forderte?
Das 3. Reich war sicher technikversessen. Aber dieser Fortschritt sollte dem gesellschaftlich-politischen Rückschritt dienen, letztlich einer auf rassisch definierte Individuen beschränkten sozialistischen Gesellschaft. Hitler meinte in einer seiner Reden, der Dienst in HJ, RAD usw. habe das Ziel, die deutsche Jugend von eventuellem Klassenhass zu befreien. Siehe auch die Volksgemeinschaftsideologie.
Zitat Das "Unbehagen an der Moderne" (von Freud auf den ° gebracht) ist als Gradmesser für die Widerborstigkeit der Leut' gegenüber den Zumutungen der Neuzeit kaum tauglich: es gehört zum basso ostinato der Neuzeit seit Rousseau; die Romanciers & Blattlmacher leiden immer "an ihrer Zeit" (bzw. wer's nicht tut, findet sich in den Lesebüchern der Nachgeborenen nur als Beispiel für die Vernageltheit der Vorfahren wieder).
Das ist schon richtig. Nur haben aufgeklärt-romantische Philosophen und weltgeschmerzte Blattlmacher nicht versucht, die Moderne mit den von ihr hervorgebrachten technischen Mitteln zu vernichten. Es fragt sich doch vielmehr, warum die Mehrheit des Volkes die Zivilisation beseitigt sehen wollte oder diesem Ansinnen zumindest indifferent gegenüberstand.
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