Die Moslembrüder wollen die Scharia und nicht die Demokratie. Ob sie am Ende in Ägypten erfolgreich sein werden, ist aber keineswegs ausgemacht. Die Mehrheit der Ägypter sind keine Islamisten.
Der Herr W.-von-der-F.D.P. ist eben ein notorischer Optimist; eine Spielart, die in der deutschen Politik seit N. Blüm sehr vermißt wird. Demnächst wird er sicherlich Anstandsbesuche in Jugoslawien und der Tschechoslowakei machen, um den Sozialismus mit menschlichem Antlitz zu fördern.
Die Moslembrüder wollen die Scharia und nicht die Demokratie. Ob sie am Ende in Ägypten erfolgreich sein werden, ist aber keineswegs ausgemacht. Die Mehrheit der Ägypter sind keine Islamisten.
Lieber Zettel,
laut Umfrage von Pew im Mai 2012 spricht sich die Mehrheit der Ägypter für eine Verfassung aus, die eng an den Koran angelehnt ist und steht der Muslimbruderschaft positiv gegenüber
Zitat von CNSAmong other findings:
--On the role of religion in government, 61 percent chose Saudi Arabia as the preferred model. (Turkey came in at 17 percent).
--Asked whether Egypt’s laws should strictly adhere to the Qur’an, 60 percent said yes while 32 percent said it should follow the values and principles of Islam and only six percent said laws should not be influenced by the teachings of the Qur’an.
-- Seventy percent of respondents viewed the Muslim Brotherhood favorably, down from 75 percent in 2011. The Muslim Brotherhood’s political wing, the Freedom and Justice Party, also received the highest support rating among political parties, 56 percent.
Deshalb müssen sie nicht Islamisten sein, trotzdem sind die Muslimbruderschaft zusammen mit den Anhänger der Partei des Lichts die Organisationen mit dem größten Rückhalt in der Bevölkerung. Mursi war eine Verlegenheitslösung, weil Khairat El-Shater nicht zur Wahl zugelassen wurde. Die Fäden ziehen andere als Mursi, er ist jederzeit austauschbar.
Niemand weiß inwieweit Militär und Polizei mittlerweile von der Muslimbruderschaft unterwandert ist und wie sie sich bei weiteren Zusammenstößen verhalten werden. Ich glaube nicht dass die Opposition mehr gewaltbereite Demonstranten mobilisieren kann als Muslimbruderschaft und Salafisten, die sich mittlerweile wieder enger zusammengeschlossen haben und am Dienstag gemeinsam auf die Straße gehen.
Wer ist Westerwelle? Ich weiß nicht, wofür der Mann steht. Er scheint konform zu sein, doch wozu, selbst das fällt mir schwer zu identifizieren. Der Mann bringt sein Amt zu Ende und verschwindet in der Versenkung, das wars.
--On the role of religion in government, 61 percent chose Saudi Arabia as the preferred model. (Turkey came in at 17 percent).
--Asked whether Egypt’s laws should strictly adhere to the Qur’an, 60 percent said yes while 32 percent said it should follow the values and principles of Islam and only six percent said laws should not be influenced by the teachings of the Qur’an.
-- Seventy percent of respondents viewed the Muslim Brotherhood favorably, down from 75 percent in 2011. The Muslim Brotherhood’s political wing, the Freedom and Justice Party, also received the highest support rating among political parties, 56 percent.
Das sind allerdings erschreckende Zahlen, dear C. Aber in mehrfacher Hinsicht merkwürdig:
-- 61 Prozent nennen Saudi-Arabien als Vorbild - aber 60 Prozent nennen free speech als besonders wichtiges Thema und 41 Prozen fordern gleiche Rechte für Frauen und Männer. Wenn nur die Türkei und Saudi-Arabien zur Auswahl standen, könnten viele Saudi-Arabien einfach deshalb gewählt haben, weil es ein arabisches Land ist. In Ägypten waren die türkischen Herren zur Zeit der Osmanen sehr unbeliebt.
-- Eine positive Meinung von der Moslem-Bruderschaft muß noch nicht bedeuten, daß man sie auch wählt. Die Moslembrüder waren im Widerstand gegen Mubarak, schon deswegen werden sie positiv gesehen.
-- In dem Artikel werden Fotouh und Moussa als die beiden führenden Kandidaten genannt. Tatsächlich wurde Fotouh Vierter und Moussa Fünfter. Das spricht nicht für die Validität dieser Umfrage.
-- Auch wenn man Fotouh, der weiter in der Mitte steht als Morsi, zu den Islamisten rechnet, kamen diese (Stimmen für die beiden zusammen) nur auf 42 Prozent.
Wo steckt eigentlich das Militär in der aktuellen Situation? Ich habe in der Berichterstattung(auch der der BBC) bislang nichts dazu gehört. Traut sich das Militär sich im Moment nicht sich offen gegen die Muslimbrüder zu stellen, weil sie Angst vor einem Bürgerkrieg haben?
Zitat von Zettel im Beitrag #6 -- 61 Prozent nennen Saudi-Arabien als Vorbild - aber 60 Prozent nennen free speech als besonders wichtiges Thema und 41 Prozen fordern gleiche Rechte für Frauen und Männer.
Aus der Sicht von Islamisten bedeutet Meinungsfreiheit, das sie ihre Meinung äußern können und andere dann, wenn sie mit dem Koran in Einklang steht. Ähnlich sieht es mit den gleichen Rechten von Mann und Frau aus.
Zitat von Zettel-- Eine positive Meinung von der Moslem-Bruderschaft muß noch nicht bedeuten, daß man sie auch wählt. Die Moslembrüder waren im Widerstand gegen Mubarak, schon deswegen werden sie positiv gesehen.
Zumindest wurden sie gewählt als sie zur Wahl standen. Allerdings haben sich auch noch Wähler für die noch islamischer ausgerichtete Partei des Lichts entschieden. Zur Präsidentenwahl ist anzumerken, dass die Muslimbruderschaft nicht mit eigenen Kandidaten angetreten ist, auch wenn das als Augenwischerei erscheint.
Zitat
-- In dem Artikel werden Fotouh und Moussa als die beiden führenden Kandidaten genannt. Tatsächlich wurde Fotouh Vierter und Moussa Fünfter. Das spricht nicht für die Validität dieser Umfrage.
Zitat -- Auch wenn man Fotouh, der weiter in der Mitte steht als Morsi, zu den Islamisten rechnet, kamen diese (Stimmen für die beiden zusammen) nur auf 42 Prozent.
Ich finde das nicht so verwunderlich, da die ursprünglichen Kandidaten nicht zugelassen wurden und Muslimbruderschaft und Partei des Lichts sowieso über eine starke parlamentarische Mehrheit verfügten. da lässt der Ehrgeiz etwas nach. Die jetzige Situation wird zu starker Polarisierung führen, wobei ich keine Prognose wage. Nachdem es jetzt die ersten Toten gab, wird sich die angespannte Stimmung nicht so schnell auflösen lassen. Allerdings bin ich mir sicher, das die Muslimbruderschaft den längeren Atem hat, da kommt es auf fünf Jahre nicht an. Erst gilt es möglichst viel Wirtschaftsförderung vom Westen abzugreifen wie es Erdogan vormacht und nach und nach die Macht zu zementieren.
Zitat von Zettel im Beitrag #6 -- 61 Prozent nennen Saudi-Arabien als Vorbild - aber 60 Prozent nennen free speech als besonders wichtiges Thema und 41 Prozen fordern gleiche Rechte für Frauen und Männer.
Aus der Sicht von Islamisten bedeutet Meinungsfreiheit, das sie ihre Meinung äußern können und andere dann, wenn sie mit dem Koran in Einklang steht. Ähnlich sieht es mit den gleichen Rechten von Mann und Frau aus.
Das ist, dear C., eine mögliche Interpretation - plausibel aber nur dann, wenn man schon voraussetzt, daß die große Mehrheit der Ägypter Islamisten sind. Ich sehe dafür keine Indizien. Die Islamisten haben Morsi im ersten Wahlgang gewählt - ein Viertel. Wenn Leute sagen, sie wollen Meinungsfreiheit, dann gehe ich bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, daß sie auch wirklich Meinungsfreiheit wollen.
Zitat von C. im Beitrag #8Zur Präsidentenwahl ist anzumerken, dass die Muslimbruderschaft nicht mit eigenen Kandidaten angetreten ist, auch wenn das als Augenwischerei erscheint.
Morsi war der offizielle Kandidat der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei, des politischen Arms der Moslembrüder. Diese wollten erst gar keinen Kandidaten aufstellen; das gehörte zu ihrer Politik der vorsichtigen Machteroberung à la Kommunisten. Sie wollten sich mit dem Parlament begnügen und dem SCAF das Präsidentenamt überlassen. Dann wollten sie Shater nominieren, nachdem sie sich mit dem SCAF abgesprochen hatten. Dieser wurde aber wegen seiner Vorstrafe nicht zur Kandidatur zugelassen, obwohl ihn das SCAF eigens nachträglich begnadigt hatte. Als Ersatzkandidaten nominierten die Moslembrüder dann Morsi, ihren Vorsitzenden.
Zitat -- In dem Artikel werden Fotouh und Moussa als die beiden führenden Kandidaten genannt. Tatsächlich wurde Fotouh Vierter und Moussa Fünfter. Das spricht nicht für die Validität dieser Umfrage.
Zitat -- Auch wenn man Fotouh, der weiter in der Mitte steht als Morsi, zu den Islamisten rechnet, kamen diese (Stimmen für die beiden zusammen) nur auf 42 Prozent.
Ich finde das nicht so verwunderlich, da die ursprünglichen Kandidaten nicht zugelassen wurden und Muslimbruderschaft und Partei des Lichts sowieso über eine starke parlamentarische Mehrheit verfügten. da lässt der Ehrgeiz etwas nach.
Siehe oben. Morsi verkörperte als ihr Vorsitzender die Moslembruderschaft ebenso gut wie ihr Vize Shater. Kein Anhänger der Moslembrüder hätte einen Grund gehabt, Moris nicht zu wählen, weil er statt Shater kandidierte.
Nach dem großen Wahlsieg der Moslembrüder bei den Parlamentswahlen hatten viele erwartet, daß auch ihr Präsidentschaftskandidat mit großer Mehrheit gewählt werden würde. Aber seit den Wahlen sind viele Ägypter ernüchtert, was die Moslembrüder angeht. Ich habe die Zahlen jetzt nicht parat, erinnere mich aber, daß ihre Umfragewerte nach den Wahlen sanken.
Es ist vielleicht ganz gut, dear C., wenn wir beide die Lage verschieden beurteilen. Wie sind ja allesamt auf Vermutungen angewiesen, und da kann es nicht schaden, daß diese divergieren.
Ich sehe Ägypten nicht als ein islamistisches Land; so wenig wie übrigens Tunesien. Die Islamisten sind jeweils eine starke und gut organisierte Minderheit; sie standen jeweils im Widerstand; sie versprechen soziale Reformen. Deshalb wählen sie viele, ohne deshalb einen Scharia-Staat zu wollen.
Man kann das mit zwei Situationen vergleichen: Portugal nach der Nelkenrevolution 1974 und Deutschland Ende der dreißiger Jahre.
In Portugal waren damals die Kommunisten die am besten organisierte Kraft, die Erneuerung versprach. Viele wählten sie, ohne deshalb Kommunisten zu sein. Deren Machtergreifung fand am Ende nicht statt.
Deutschland Ende der dreißiger Jahre: Viele wählten die Nazis, weil sie sich von diesen weniger Arbeitslosigkeit versprachen, nicht wegen deren Ideologie. Da ging es bekanntlich anders aus.
Ob es in Ägypten jetzt sein wird wie damals in Portugal oder wie damals in Deutschland, ist aus meiner Sicht offen.
In Portugal schafften damals die Kommunisten die Machtübernahme nicht, weil die demokratischen Parteien kräftig Hilfe aus dem Ausland bekamen; vor allem aus Deutschland. Auch jetzt sollte Deutschland den Demokraten in Ägypten und Tunesien helfen, statt in Westerwelle'scher Verblendung die Islamisten auch noch fördern zu wollen.
Allerdings steht offenbar auch die Obama-Administration auf der Seite der Moslembrüder; und wie in diesem Thread Marriex schon geschrieben hat: Das ist wichtiger als Westerwelle.
Zitat von Zettel im Beitrag #1Die Moslembrüder wollen die Scharia und nicht die Demokratie. Ob sie am Ende in Ägypten erfolgreich sein werden, ist aber keineswegs ausgemacht. Die Mehrheit der Ägypter sind keine Islamisten.
Das waren (und sind) die Iraner auch nicht. Dort kam das Unglück, weil die säkulare Opposition sich im Kampf gegen den Schah mit Khomeini verbündet hat. Carter, Schmidt und Giscard d'Estaing waren damals wohlwollender und naiver als Westerwelle. Natürlich ist es dümmer, einen Fehler zu wiederholen. Westerwelle muß man aber zugutehalten, daß das Ausland jetzt ohnehin nicht so viel machen kann wie damals mit dem Iran.
ratloser
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26.11.2012 13:26
#11 RE: Zitate des Tages: ElBaradei vs. Westerwelle
Zitat von C. im Beitrag #3[quote="CNS"]Among other findings:
-Das sind allerdings erschreckende Zahlen, dear C. Aber in mehrfacher Hinsicht merkwürdig:
-- 61 Prozent nennen Saudi-Arabien als Vorbild - aber 60 Prozent nennen free speech als besonders wichtiges Thema und 41 Prozen fordern gleiche Rechte für Frauen und Männer. Wenn nur die Türkei und Saudi-Arabien zur Auswahl standen, könnten viele Saudi-Arabien einfach deshalb gewählt haben, weil es ein arabisches Land ist. In Ägypten waren die türkischen Herren zur Zeit der Osmanen sehr unbeliebt.
-- Eine positive Meinung von der Moslem-Bruderschaft muß noch nicht bedeuten, daß man sie auch wählt. Die Moslembrüder waren im Widerstand gegen Mubarak, schon deswegen werden sie positiv gesehen.
-- In dem Artikel werden Fotouh und Moussa als die beiden führenden Kandidaten genannt. Tatsächlich wurde Fotouh Vierter und Moussa Fünfter. Das spricht nicht für die Validität dieser Umfrage.
-- Auch wenn man Fotouh, der weiter in der Mitte steht als Morsi, zu den Islamisten rechnet, kamen diese (Stimmen für die beiden zusammen) nur auf 42 Prozent.
Herzlich, Zettel
Lieber Zettel,
die Intensität und Kreativität, mit der Sie islamisch dominierten Gesellschaften wie Ägypten einen Pluralismus, einen bedeutenden Anteil islamisch nicht ideologisierter Einwohner zusprechen möchten, erinnert mich an Westerwelles und Obamas Bemühen, in der Muslimbruderschaft Vertreter des "gemäßigten" Islam zu phantasieren.
Sie wunderten sich vor ein paar Tagen, dass der Protest gegen die Machtübernahme der MB nicht größer ausfiel, weil sie die Folgen der islamischen Indoktrination bei nicht offensichtlich orthodoxen (= rechtgläubigen) Muslimen unterschätzen.
Der Islam fordert absolute Loyalität. Der Islam beschenkt seine Anhänger nicht nur mit kultureller und wirtschaftlicher Armut, Unfreiheit und Ungleichheit sondern auch gleich mit der emotionalen Kompensation all dieser Phänomene. Ein muslimisch hirngewaschener Mensch verortet die Ursache aller Probleme im Einfluß der Ungläubigen. Die islamische Ideologie befreit von Selbstzweifeln und Konfrontation mit unangenehmen Wahrheiten. Das ist ein Hauptfaktor für die islamische Misere.
Ein muslimisch hirngewaschener Mensch findet seelische Erleichterung in den ganz klaren Feindbildern, auf die er all seinen Verdruß und Hass projezieren kann: Die Ungläubigen im Allgemeinen und die USA sowie Israel im Speziellen.
Sie perzipieren die "Islamisten" als eine von mehreren gesellschaftlichen Gruppen. Sie stellen den "Islamisten" einen großen Block demokratieaffiner, "aufgeklärter" und nur spirituell muslimischer Menschen gegenüber.
So funktioniert das aber im Islam nicht. Es gibt keine Emanzipation im Islam. Nur eine Entfremdung. Die aufgeklärte, säkularisierte "bürgerliche" Schicht Ägyptens ist hauchdünn, die Proteste gegen Morsi werden vor allem von den Salafisten und der Linken getragen.
Sie können sich dem Ausmaß der islamischen Ideologisierung der ägyptischen Bevölkerung nicht durch die Stimmenverteilung der Präsidentenstichwahl nähern.
Eine "säkulare Tradition" hat es in Ägypten nie gegeben. Nasser hat nach frustranen Versuchen, dem Land eine sozialistisch-nationalistische Ausrichtung zu geben, relativ schnell die islamisch-ideologische Karte gespielt. Der Beginn der zunehmenden Einflußnahme der orthodoxen islamischen Gruppierungen fällt mit der zweiten Hälfte der Amtszeit Nassers zusammen. Nasser war kein Atatürk...und selbst dessen säkulares Erbe stellt sich als flüchtig heraus.
Den Anteil orthodox gläubiger Muslime (und damit demokratiefeindlicher, shariawünschender und antichristlicher sowie antisemitischer Muslime)an den 27,8 % anzulehnen, die Mursi im ersten Wahlgang erhalten hatte (bei unter 44 % Wahlbeteiligung und diversen ebenfalls shariaphiler Mitkandidaten), erscheint mir realitätsfern.
Der islamischen Grundierung der nach Ihrer Definition 70% Nicht"islamisten" kommen wir mit den 92% Ägyptern, die eine korankonforme Gesetzgebung fordern, schon näher. Von den restlichen 8 % die verbleiben, muß man noch die Zahl der Kopten abziehen...bleiben ca. 2 %... ;-)
Zitat: --Asked whether Egypt’s laws should strictly adhere to the Qur’an, 60 percent said yes while 32 percent said it should follow the values and principles of Islam and only six percent said laws should not be influenced by the teachings of the Qur’an.
Mich verwundert das unbedingte Festhalten an dem Traum eines gesellschaftlichen Pluralismus in islamisch dominierten Gesellschaften, der Hoffnungsträger für eine "Demokratisierung" sein soll - gegen jede Erfahrung, die in der Geschichte des Islam mit einmal islamisch dominierten Ländern gemacht werden musste
Eine "Befreiung" von der islamischen Verfasstheit gelingt nur mit Gewalt. Ein Selbstbefreiung größerer Gesellschaftsgruppen im Sinne einer Aufklärung kann es aufgrund der profunden psychosozialen Dressureffekte durch die islamische Ideologie nicht geben.
Endet aber die Repression durch z.B. das Militär, bahnt sich die über viele Generationen engrammierte islamische Prägung wieder ihren Weg in das gesellschaftliche Sein.
Was unterscheidet den Islam von anderen Ideologien mit umfassendem Zugriffsanspruch auf den Einzelnen und die Gesellschaft, zum Beispiel Kommunismus? Genauer, warum sind so viele historischen Großideologien (zb Christentum oder Kommunismus) wandelbar, nur der Islam Ihrer Meinung nach nicht? Obwohl es Muslime gibt, die sich als gute Muslime empfinden und gegen einzelne Regeln verstoßen (Alkoholkonsum z.B.)? Warum gibt es liberale Muslime, die den Koran nicht wörtlich nehmen? Warum wirkt die Ideologie bei ihnen nicht? Und warum steht trotzdem für einen genügend großen Teil Restes auf alle Ewigkeit fest, dass sie oder ihre Nachkommen nicht liberaler werden?
Zitat von ratloser im Beitrag #11die Intensität und Kreativität, mit der Sie islamisch dominierten Gesellschaften wie Ägypten einen Pluralismus, einen bedeutenden Anteil islamisch nicht ideologisierter Einwohner zusprechen möchten, erinnert mich an Westerwelles und Obamas Bemühen, in der Muslimbruderschaft Vertreter des "gemäßigten" Islam zu phantasieren.
Wenn Sie meine Artikel lesen, werden Sie feststellen, daß ich das Gegenteil geschrieben habe.
ratloser
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26.11.2012 14:10
#14 RE: Zitate des Tages: ElBaradei vs. Westerwelle
Zitat von ratloser im Beitrag #11die Intensität und Kreativität, mit der Sie islamisch dominierten Gesellschaften wie Ägypten einen Pluralismus, einen bedeutenden Anteil islamisch nicht ideologisierter Einwohner zusprechen möchten, erinnert mich an Westerwelles und Obamas Bemühen, in der Muslimbruderschaft Vertreter des "gemäßigten" Islam zu phantasieren.
Wenn Sie meine Artikel lesen, werden Sie feststellen, daß ich das Gegenteil geschrieben habe.
Dann habe ich Sie völlig falsch verstanden. Verzeihen Sie!
Ich glaubte, aus Ihren Zeilen herauszulesen, sie würden den prinzipiell orthodox islamischen Charakter der ägyptischen Mehrheitsgesellschaft in Abrede stellen, aus der Tatsache, dass Morsi nur 24,8 % Stimmen in der ersten Wahlrunde bekommen hatte, auf eine säkulare, demokratiewillige Bevölkerungsmehrheit schließen und überhaupt eine Säkularisierung der islamischen Massen für möglich halten.
Das wäre mir gleichermaßen hoffnungsfroh wie realitätsfern erschienen.
So kam ich drauf...
Aber ich täuschte mich ja offensichtlich!
ratloser
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26.11.2012 14:11
#15 RE: Zitate des Tages: ElBaradei vs. Westerwelle
Zitat von C.K. im Beitrag #12Was unterscheidet den Islam von anderen Ideologien mit umfassendem Zugriffsanspruch auf den Einzelnen und die Gesellschaft, zum Beispiel Kommunismus? Genauer, warum sind so viele historischen Großideologien (zb Christentum oder Kommunismus) wandelbar, nur der Islam Ihrer Meinung nach nicht? Obwohl es Muslime gibt, die sich als gute Muslime empfinden und gegen einzelne Regeln verstoßen (Alkoholkonsum z.B.)? Warum gibt es liberale Muslime, die den Koran nicht wörtlich nehmen? Warum wirkt die Ideologie bei ihnen nicht? Und warum steht trotzdem für einen genügend großen Teil Restes auf alle Ewigkeit fest, dass sie oder ihre Nachkommen nicht liberaler werden?
Mit freundlichen Grüßen C.K.
Das hat was mit Psychopathologie zu tun....epigenetische Phänomene spielen auch eine fatale Rolle...vermute ich.
Zitat von C.K. im Beitrag #12Genauer, warum sind so viele historischen Großideologien (zb Christentum oder Kommunismus) wandelbar, nur der Islam Ihrer Meinung nach nicht?
Wen sprechen Sie an, lieber C.K.? Mich? Ich bin der Überzeugung, daß der Islam wie jede Religion Wandlungen unterworfen ist (und übrigens auch jede totalitäre Ideologie. Der Kommunismus der Sowjets war ein anderer als heute der Castros, Kims oder der Chinesen).
Man kann das, was Menschen glauben und was sie tun, nur sehr eingeschränkt auf das zurückführen, was Glaubensgründer oder Ideologen geschrieben haben, was in Heiligen Schriften steht oder auch was die Lehre einer Kirche oder, im Fall des Islam, von angesehenen Gelehrten ist.
Das steht da geschrieben, das sagen die Betreffenden. Wer sich nur damit befaßt ("dem" Islam, "dem" Christentum, "dem Kommunismus"), der weiß damit noch wenig über die Gesellschaft oder gar die aktuelle politische Entwicklung in den jeweiligen Ländern; die eben trivialerweise von vielen Faktoren abhängt, und nicht nur von den Lehren einer Religion.
Leider gibt es diese Neigung - man findet sie auch hier im Forum -, nicht die tatsächliche Entwicklung zu analysieren; sich nicht auf die Fakten im einzelnen zu stützen, sondern aus dem "Wesen" beispielsweise des Islam ableiten zu wollen, wie sich die Entwicklung in den Ländern des Arabischen Frühling vollziehen wird.
Mich erinnert das ein wenig an die Szene in Brechts Galilei, in der die Gelehrten sich weigern, durch Galileis Fernrohr zu sehen, um sich von der Existenz der Jupitermonde zu überzeugen. Denn sie wissen ja, daß es diese gar nicht geben kann.
mein Fehler, ich sprach "Ratloser". Er hat ja auch schon in für mich befriedigender Weise geantwortet. Aber da Sie sich angesprochen fühlten, haben Sie nun quasi meine Replik vorweggenommen
Lieber Zettel, nicht alle hier - ich am wenigsten - verfügen über Ihre Sicht durch das galileisch/Friedmannsche Fernrohr...deswegen lassen Sie Nachsicht walten.
Die Wandlung des Islam vollzieht sich im Gegensatz zu dem anderer Religionen derart bradytroph, dass man eine ideologische Kontinuität und Reformresistenz wahrzunehmen glaubt, obwohl sich Vernunft und Freiheit in islamischen Gesellschaften unaufhaltsam ihren Weg bahnen mögen....über viele Jahrtausende...zukünftig...eventuell.
Ich bevorzuge übrigens durchaus (auch) einen empirischen Zugang zum Islam. Dieser ist sehr erhellend und bereichernd, erkenne ich doch in islamisch dominierten Ländern auf allen betroffenen Kontinenten ganz eigenartige Parallelen...dieser Umstand in Verbindung mit meiner Beschäftigung mit den theoretischen Grundlagen dieser Religionsideologie lässt mich die Evolutionsfähigkeit des Islam etwas negativer einschätzen, als Ihr galileisch/Friedmannsches Fernrohr.
Aber ich muß gestehen, dass mich neben meiner Kurzsichtigkeit seit einigen Jahren auch eine zunehmende Altersweitsichtigkeit plagt...von daher.
Zitat von Zettel im Beitrag #9[quote="C."|p84507]. Dann wollten sie Shater nominieren, nachdem sie sich mit dem SCAF abgesprochen hatten. Dieser wurde aber wegen seiner Vorstrafe nicht zur Kandidatur zugelassen, obwohl ihn das SCAF eigens nachträglich begnadigt hatte. Als Ersatzkandidaten nominierten die Moslembrüder dann Morsi, ihren Vorsitzenden.
Nein, der Vorsitzende der MB ist seit 2010 Mohammed Badie. Morsi wurde 2011 mal schnell zum Vorsitzenden der neugegründeten FJP gemacht, einer Partei, die es nach Meinung der Muslimbrüder eigentlich gar nicht geben dürfte, aber die MB hat keine Probleme dabei Prinzipien aufzugeben, wenn dem Erringen der Macht nutzt.
Der Riesling gehört zu Deutschland.
ratloser
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26.11.2012 15:04
#21 RE: Zitate des Tages: ElBaradei vs. Westerwelle
Seit einigen Jahre erlebt ja in gewisser Weise die Phantasmorgie Trofim Denissowitsch Lyssenko´s durch die zunehmenden Kenntnisse epigenetischer Phänomene eine (natürlich nur scheinbare) Rehabilitation.
Primär durch Umwelteinflüsse enstandene physische und psychische Prägungen können prinzipiell zur genetischen Fixierung und damit Erblichkeit führen.
Ein sehr spannendes Gebiet...wie die Erforschung regionaler und/oder ethnischer Mentalitätsunterschiede auch.
Eine Sekte in zwanzigster Generation wird rigidere und tiefergreifende Prägungen bei ihren Kindern hervorrufen, als eine Sekte in der zweiten Generation.
Zur Psychopathologie: entsprechend ihres ursprünglichen Entstehungszwecks ist die ideologische Agenda des Islam mit psychomanipulativen Kniffen ausgestattet, die eine innere Distanzierung, äußere Befreiung, Illoyalität gegenüber Glaubensbrüdern, die sich im Konflikt mit Ungläubigen befinden, eine Emanzipation innerhalb des Rahmens dieser Ideologie wesentlich schwieriger gestalten, als es z.B. im Kommunismus, Nationalsozialismus oder dem Katholizismus der Fall war.
Das repressive und konformitätserzwingende Moment äußerer Gewalt besteht auch, wirksam sind im Islam insbesondere aber die internalisierten Zwänge und Ängste.
Handelte es sich nur um eine kleine irrelevante Sekte, wäre das Prinzip des Islam aus der Sicht psychosozialer Forschung ein Geschenk...so aber handelt es sich um einen Fluch.
Zitat von Zettel im Beitrag #9[quote="C."|p84507]. Dann wollten sie Shater nominieren, nachdem sie sich mit dem SCAF abgesprochen hatten. Dieser wurde aber wegen seiner Vorstrafe nicht zur Kandidatur zugelassen, obwohl ihn das SCAF eigens nachträglich begnadigt hatte. Als Ersatzkandidaten nominierten die Moslembrüder dann Morsi, ihren Vorsitzenden.
Nein, der Vorsitzende der MB ist seit 2010 Mohammed Badie. Morsi wurde 2011 mal schnell zum Vorsitzenden der neugegründeten FJP gemacht, einer Partei, die es nach Meinung der Muslimbrüder eigentlich gar nicht geben dürfte, aber die MB hat keine Probleme dabei Prinzipien aufzugeben, wenn dem Erringen der Macht nutzt.
Stimmt, da hatte ich schlampig formuliert. Morsi war Vorsitzender der politischen Organisation der Moslembrüder, der Freiheits- und Gerechtigkeitspartei. Das ändert aber nichts daran, daß es für die Anhänger der Moslembrüder keinen Grund gab, ihn nicht zu wählen; so, wie sie Shater gewählt hätten.
Schaumama, wie das weitergeht, dear C. Ich bin ja auch nicht optimistisch; nur offenbar nicht ganz so pessimistisch wie du.
Zitat von ratloser im Beitrag #19Lieber Zettel, nicht alle hier…
Nichts für ungut lieber ratloser, aber ich möchte nicht Teil Ihrer Meinungsverschiedenheit mit dem Hausherren und Gastgeber sein. Nicht einmal dann, wenn ich Ihnen zustimmen würde. Und Nachsicht kann ich schon gar nicht brauchen!
Zitat von Zettel im Beitrag #6 -- 61 Prozent nennen Saudi-Arabien als Vorbild - aber 60 Prozent nennen free speech als besonders wichtiges Thema und 41 Prozen fordern gleiche Rechte für Frauen und Männer.
Aus der Sicht von Islamisten bedeutet Meinungsfreiheit, das sie ihre Meinung äußern können und andere dann, wenn sie mit dem Koran in Einklang steht. Ähnlich sieht es mit den gleichen Rechten von Mann und Frau aus.
Das ist, dear C., eine mögliche Interpretation - plausibel aber nur dann, wenn man schon voraussetzt, daß die große Mehrheit der Ägypter Islamisten sind. Ich sehe dafür keine Indizien. Die Islamisten haben Morsi im ersten Wahlgang gewählt - ein Viertel. Wenn Leute sagen, sie wollen Meinungsfreiheit, dann gehe ich bis zum Beweis des Gegenteils davon aus, daß sie auch wirklich Meinungsfreiheit wollen.
Davon ausgehend, dass sich die Ansichten darüber, was nun genau unter Meinungsfreiheit zu verstehen ist, auch in westlichen Ländern deutlich unterscheiden, wäre ich mit dieser Annahme vorsichtig. Wenn man sich mit einem US-Bürger unterhält und die Rede auf das Thema kommt, dann ist der mitunter auch erstaunt, was hier so alles an Äußerungen u.dgl. verboten ist. Insofern würde es mich nicht wundern, wenn sich ein wenigstens ähnlich großer Unterschied auch zwischen Ihrem Verständnis von Meinungsfreiheit und dem der Ägypter finden würde. Dessen unbenommen kann ich natürlich auch nicht sagen, wie die Mehrheit der Ägypter nun tatsächlich zu dem Thema steht.
Zitat von Zettel im Beitrag #9 Deutschland Ende der dreißiger Jahre: Viele wählten die Nazis, weil sie sich von diesen weniger Arbeitslosigkeit versprachen, nicht wegen deren Ideologie. Da ging es bekanntlich anders aus.
Lieber Zettel, Sie meinen sicher Ende der 20er Jahre. Denn ab dem Sommer 1933 stand in Deutschland bekanntlich nur noch die NSDAP auf dem Wahlzettel. Ich habe mich schon manchmal gefragt, ob man die Situation Deutschlands in den 1920ern mit derjenigen der arabischen Welt seit etwa 30 Jahren vergleichen kann. Frage an die Historiker: Ist es völlig verkehrt, in beiden Fällen einen massiven Modernisierungsschub nach langer Zeit der Rückständigkeit und des Stillstandes zu konstatieren (in Deutschland ab dem letzten Drittel des 19. Jhdt.; in Arabien seit dem Ende des Osmanischen Reichs), einen Modernisierungsschub, den viele Menschen nicht mitgehen konnten/wollten?
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