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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 27 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.12.2012 20:41
Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Mit diesem Artikel möchte ich auf, wie mir scheint, interessante Vorschläge von Delors und Enderlein zur längerfristigen Lösung der Euro-Krise aufmerksam machen. Ich bin gespannt, wie die Ökonomen hier im Forum sie beurteilen.

Kubix Offline



Beiträge: 41

23.12.2012 21:01
#2 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Ohe je, zu den Vorschlägen wäre viel zu sagen.

Es fängt damit an, dass man die offensichtlichen Probleme des Euro nicht zum Anlass nimmt, zumindest die Zusammensetzung der Euro-Staaten zu überdenken, sondern dessen aktuelle Ausdehnung als Gottesgeschenk begreift, das mit allen Mitteln gewahrt bleiben soll.

Es geht weiter mit der Annahme, dass die Probleme in nicht übereinstimmenden Konjunkturzyklen bestehen. Dabei sind die noch das geringste Problem. Dann die Erwartung, staatliche Konjunkturpolitik könne in etwas anderem als stetig steigenden Schuldenbergen enden. Ob man die "Konjunkturstützung" nun in einen Fonds auslagert oder in den Staatshaushalten lässt - wenn man nicht doch den wohlmeinenden Diktator bzw. europäischen Superstaat einführen will, wird die Liste der konjunkturschwachen Länder stets sehr lang, die der mit "starker Konjunktur" aber eher sehr kurz sein, und wenn sich auf letzterer doch noch ein paar Staaten einsortieren lassen, wird es nicht an Gründen mangeln, warum diese gerade in einer speziellen Situation seien, die die jetzt eigentlich fällige Einzahlung - leider, leider - nicht angeraten sein lässt.

Und zum Schluss kommt er eben doch, der Superstaat, und zwar als Aufsicht über die Finanzpolitik einzelner Länder. Übrigens das, was da auch gerade versucht wird durchzuziehen, mit dem bekannten Ergebnis des Aufbrechens nationalistischer Klischees.

Alles in allem eine Kombination aus falscher Diagnose und einer sowohl empirisch wie theoretisch widerlegten Gläubigkeit an zentral gesteuerte wirtschaftspolitische Instrumente.

Horst Huber ( gelöscht )
Beiträge:

23.12.2012 21:23
#3 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Lieber Zettel,

zu Beginn möchte ich mich bei Ihnen für die Aufnahme in Ihre Forenwelt bedanken.

Ihr Beitrag ist sehr interessant. Allerdings scheint mir das Urteil ebenso eindeutig wie ernüchternd. Das ganze Flickwerk kann und wird nicht funktionieren. Mag sein, daß die klare und eindeutige Analyse und der daraus notwendig folgende Therapievorschlag von Prof. Sinn politisch nicht durchsetzbar ist. Der Markt allerdings wird das Notwendige durchsetzen. Der Euro ist von Beginn an eine Fehlkonstruktion und zum Scheitern verurteilt. Bereits heute zeigt sich, daß die Währung gegenüber dem klassisch inflationierten Dollar kaum noch Boden gut macht. Der Billigenergieboom in USA wird sogar in den kommenden Jahren deflatorische Effekte bringen und den Dollar daher stabilisieren/stärken, obwohl die Notenpresse auf Hochtouren läuft. Europa indes krankt an einem wesentlich nachhaltigeren und unauflösbareren Problem: Griechenland hat kein Geschäftsmodell. Auf dem derzeitigen Preisniveau gibt es dort außer Oliven und eingelegten Bohnen keine nennenswerten Exportartikel. Das Schlimmere aber ist, es wird sie auch in Zukunft nicht geben. Gut, Griechenland ist ökonomisch für die Eurozone nicht relevant. Peanuts, um im Jargon eines bekannten deutschen Bankers zu bleiben.
Das Problem der Eurozone heißt Italien. Und das Hauptproblem heißt Frankreich. Es handelt sich um klassische Weichwährungsländer und die Völker sind weit davon entfernt, sich freiwillig (und wie anders sollte es in einer Demokratie gehen?!) einer Austeritätspolitik zu unterziehen, wie dies von der deutschen Bevölkerung seit Beginn der schröderschen Agenda 2010 hingenommen wird?!
Alle Vorschläge, ob nun Eurobonds,Ausgleichsfonds oder andere Bonitätstransfers und Besserungsversprechen, sind denklogisch zum Scheitern verurteilt. Der einzige Weg würde über eine Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit gehen. Wenn man die Zahlen in Betracht zieht, ist klar: Italien leistete nur rund 80% des deutschen BIP/pro Kopf. So eine Gletscherspalte überwindet man selbst unter Führung eines Supermario Monti nicht so leicht. Sollte der italienische Wähler gar den Bungabunga-Sirenentönen des Cavaliere erliegen, erübrigen sich sowieso weitere Erörterungen. Soweit so schlecht. Hinter diesem großen Problem Italien steckt aber wie gesagt das größte Problem.

Dieses Problem ist unlösbar, denn es liegt direkt an der Wurzel des Euro. Das Problem heißt Frankreich.

Frankreichs Banken haben Italien mit rund einer halben Billion Euro finanziert und sind pleite, wenn die italienische Pizza verbrennt.

Es bleibt leider die harte aber unausweichliche Erkenntnis, daß der Euro nicht funktioniert hat und nicht funktionieren wird. Wir werden mit einer konstanten Inflation leben müssen und von einer Krise in die nächste stolpern, bis irgendwann der Euro final von den Märkten in die Knie gezwungen wird.

Je länger das dauert,desto größer wird der Schaden für Deutschland. Schlimm, daß selbst in der FDP keine Mehrheit für ein rasches Ende der Euroveranstaltung plädiert.

Mit weihnachtlichem Gruß

HH

Die Zensur ist die jüngere von zwei schändlichen Schwestern, die ältere heißt Inquisition. Nestroy

Der Glaube an eine größere und bessere Zukunft ist einer der mächtigsten Feinde gegenwärtiger Freiheit. Aldous Huxley

Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Erich Kästner

Horst Huber ( gelöscht )
Beiträge:

23.12.2012 21:28
#4 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Lieber Kubix, Sie haben Ihren Beitrag genau in der Zeit gepostet, die ich brauchte, meinen Text zu schreiben. Inhaltliche Überschneidungen bitte ich daher zu entschuldigen. Was Sie aufzeigen, ist das schlimmste Szenario, das uns Deutschen blühen könnte. Eine Wirtschafts-EUDSSR. Ich bin Optimist und glaube an die Kraft der Märkte. Die Angriffe gegen den Euro werden ungeachtet von Bazookas und unbegrenzten Kauf- und Rettungsversprechen immer weiter gehen und eines Tages sind die gesellschaftlichen Kosten der "Euroretterei" nicht mehr aufzubringen.

Gruß

HH

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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.12.2012 22:11
#5 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Zitat von Kubix im Beitrag #2
Alles in allem eine Kombination aus falscher Diagnose und einer sowohl empirisch wie theoretisch widerlegten Gläubigkeit an zentral gesteuerte wirtschaftspolitische Instrumente.

Kennen Sie, lieber Kubix, alternative Vorschläge, die eine Chance haben, politisch durchsetzbar zu sein?

uniquolol Offline




Beiträge: 254

23.12.2012 22:13
#6 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Oliver Marc Hartwich - "Vier Gründe, warum die Eurokrise noch nicht vorbei ist" - achgut
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/d...cht_vorbei_ist/

Horst Huber ( gelöscht )
Beiträge:

23.12.2012 22:26
#7 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Lieber Zettel, sind Sie der festen Überzeugung, daß eine Lösung politisch durchsetzbar sein m u ß? Halten sie es für ausgeschlossen, daß vielmehr die Lösung ökonomisch e r z w u n g e n wird?
Oder anders formuliert: Glauben Sie, daß Deutschland ähnliche Proteste "überleben" würde, wie wir sie seit geraumer Zeit in Athen oder Madrid beobachten?

Gruß

HH

Zusatz: Lieber uniquolol, der verlinkte Beitrag ist hervorragend. Ich kann das Wort für Wort unterschreiben, gehe in der Analyse absolut konform. Die Folgen freilich sehe ich bedeutend zwingender. Der Untergang des Euro wird kommen. Vielleicht steht das Wort noch auf unseren Banknoten. Aber eine stabile Währung werden wir s o nie mehr bekommen.

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Kubix Offline



Beiträge: 41

23.12.2012 23:12
#8 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #5
Kennen Sie, lieber Kubix, alternative Vorschläge, die eine Chance haben, politisch durchsetzbar zu sein?
Nein. "Politisch durchsetzbar" ist bislang anscheinend nur Unsinn. Aber das sollte niemanden davon abhalten, berechtigte Kritik auch laut zu äußern, statt sich das "politisch Durchsetzbare" schönzureden oder sich daraus das hoffentlich geringere Übel auszusuchen. Die Wahl der Hinrichtungsart wollen wir doch lieber den Hoffnungslosen überlassen. Und soweit ist es noch nicht, so lange noch die Möglichkeit zu Volksabstimmungen besteht, die erwiesenermaßen das angeblich allein "politisch Durchsetzbare" mal eben ganz schnell auf den Müllhaufen der Geschichte werfen können.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

23.12.2012 23:41
#9 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Zitat von Kubix im Beitrag #8
Zitat von Zettel im Beitrag #5
Kennen Sie, lieber Kubix, alternative Vorschläge, die eine Chance haben, politisch durchsetzbar zu sein?
Nein. "Politisch durchsetzbar" ist bislang anscheinend nur Unsinn. Aber das sollte niemanden davon abhalten, berechtigte Kritik auch laut zu äußern, statt sich das "politisch Durchsetzbare" schönzureden oder sich daraus das hoffentlich geringere Übel auszusuchen.

Hm, lieber Kubix.

Wie in meinem Artikel skizziert - die Diagnose ist ja weitgehend unbestritten (auch die beiden Gruppen von Ökonomen, die im Sommer mit Manifesten hervortraten, waren sich weitgehend einig in der Diagnose). Berechtigte Kritik ist dort geäußert worden, wird immer wieder geäußert.

Aber es muß ja nun auch gehandelt werden; und es geht dabei nicht zuletzt auch um unser Geld und unseren Wohlstand. Ich finde, da sind Überlegungen wie die in der Notre-Europe-Untersuchung notwendig.

Das Verheerende ist aus meiner Sicht, daß solche Fragen ideologisiert werden. Die einen wollen um Himmels willen nichts tun, was die "Idee Europa" beschädigen könnte; als wenn noch jemand Europa als eine Idee verstehen würde.

Und die anderen möchten am liebsten - jedenfalls kann man den Eindruck haben - große Teile des Prozesses der europäischen Einigung rückgängig machen. Was mir auch nicht viel rationaler vorkommt.

Herzlich, Zettel

Hermes Offline



Beiträge: 59

23.12.2012 23:47
#10 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Der Vorschlag sieht u.a. einen gemeinsamen Einlagensicherungsfonds für die europäischen Banken vor. Frankreich hat drei Großbanken vom Kaliber der Deutschen Bank, und alle drei sind nicht sehr gesund, sondern haben toxische Assets in Billionenhöhe in den Büchern. Ein gemeinsamer Sicherungsfonds würde dazu führen, dass die Kunden deutscher Sparkassen und genossenschaftlicher Banken für die Fehlspekulationen der französischen Institute einstehen müssten, indem z.B. bestehende Einlagensicherungsfonds übertragen würden und ihnen im Gegenzug fremde Spekulationsrisiken aufgebürdet würden.

Gleichzeitig ist ein konjunktureller Ausgleichsfonds hervorragend dazu geeignet, dass Länder, die eine intelligente Wirtschaftspolitik betreiben, künftig diejenigen alimentieren müssen, die dies unterlassen und damit auf Wachstum verzichten. Außerdem würden natürlich diejenigen, die über eine vorteilhafte (Human)Kapitalausstattung verfügen, diejenigen alimentieren müssen, die ihre Kapitalausstattung unvorteilhaft gewählt haben.

Das Szenario, das in der 'Zeit' geschildert wird, ist ansonsten unrealistisch. Deutschland hätte demnach aus Ländern wie Spanien Geld erhalten, als es Anfang der 2000er Jahre in der Wachstumskrise war. Spanien ist aber nicht wegen seiner gut aufgestellten Wirtschaft gewachsen, sondern weil die dortige Regierung kein Interesse daran zeigte, einen schuldenfinanzierten Boom zu bremsen. Bei dem aktuellen Schuldenstand der EU-Staaten wird so ein Szenario in den nächsten 50 Jahren nie mehr eintreten können. Einzahler werden darum künftig immer diejenigen Staaten sein, die in der Lage sind, Wirtschaftswachstum zu generieren, das nicht auf staatlichen oder privaten Schuldenexzessen fußt. Das dürften in erster Linie die Staaten des Nordens sein, weil die des Südens auf absehbare Zeit nicht die Voraussetzungen erfüllen können, um im Euro konkurrenzfähig zu sein und somit nachhaltig zu wachsen. Wir werden also auf diese Weise ein perpetuiertes Transfersystem bekommen, und alle Staaten, die sich dauerhaft der Schaffung eigener Konkurrenzfähigkeit entziehen, werden auch dauerhaft aus einem solchen System Transferzahlungen erhalten. Selbst für diejenigen, die konkurrenzfähig werden wollen, wird dies sehr schwierig, da sie an den Euro gekettet sind, also an eine Währung, die ihre Leistungsfähigkeit übersteigt (vergleichbar der Einführung der D-Mark in der DDR - zu D-Mark-Preisen war kein ostdeutsches Unternehmen konkurrenzfähig).

Horst Huber ( gelöscht )
Beiträge:

23.12.2012 23:54
#11 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Guten Abend lieber Hermes,

sehr richtig! ich finde es auch überhaupt nikcht ideologisch, vor diesem Hintergrund einen Austritt Deutschlands aus dem Euro zu fordern, wenn nicht die notorischen Schuldenmacherstaaten von sich aus die Konsequenzen ziehen und dazu gehört, vor allem nach der jüngsten Wahlentscheidung, auch Frankreich.

Deutsche Politiker sind zuerst dem Wohl des deutschen Volkes verpflichtet und wir haben aus Artikel 14 GG einen Anspruch auf Geldwertstabilität, auch wenn unser Bundesverfassungsgericht aus Angst vor der Verantwortung in der Frage mit schöner Regelmäßigkeit einknickt.

Gruß

HH

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Horst Huber ( gelöscht )
Beiträge:

24.12.2012 00:00
#12 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Zitat Zettel:
Und die anderen möchten am liebsten - jedenfalls kann man den Eindruck haben - große Teile des Prozesses der europäischen Einigung rückgängig machen. Was mir auch nicht viel rationaler vorkommt.
Zitat Ende




Lieber Zettel,

ich denke, Sie werden mit diesem Urteil den Kritikern des gegenwärtigen Europakurses unserer Regierung nicht ganz gerecht. Es ist ja nicht so,daß die Eurogegner den europäischen Einigungsprozeß rückgängig machen wollen. Vielmehr funktioniert der Einigungsprozeß nachweislich auch ohne gemeinsame Währung.

Beispiel und Beweis: Polen

Hier geht es einzig und alleine darum, die einseitige Ausplünderung der deutschen Arbeitnehmer, Rentner, Sparer und kleinen Leute durch einen Transferuninonsmechanismus nicht weiter zuzulassen.

Die Phyrrhussiege der deutschen Exportindustrie (Lieferung auf Pump ohne Aussicht, die Außenstände volkswirtschaftlich wirksam einzutreiben) sind doch nur lachhaft. So ein Geschäftsmodell kann nicht funktionieren und führt zwangsläufig betriebswirtschaftlich wie volkswirtschaftlich in den Konkurs.

Gruß

HH



EDIT: Trennlinie verbessert. [Kallias]

Die Zensur ist die jüngere von zwei schändlichen Schwestern, die ältere heißt Inquisition. Nestroy

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Kubix Offline



Beiträge: 41

24.12.2012 00:10
#13 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #9
Aber es muß ja nun auch gehandelt werden; und es geht dabei nicht zuletzt auch um unser Geld und unseren Wohlstand. Ich finde, da sind Überlegungen wie die in der Notre-Europe-Untersuchung notwendig.

Das Verheerende ist aus meiner Sicht, daß solche Fragen ideologisiert werden. Die einen wollen um Himmels willen nichts tun, was die "Idee Europa" beschädigen könnte; als wenn noch jemand Europa als eine Idee verstehen würde.

Und die anderen möchten am liebsten - jedenfalls kann man den Eindruck haben - große Teile des Prozesses der europäischen Einigung rückgängig machen. Was mir auch nicht viel rationaler vorkommt.

Handeln ist gut, aber doch nicht um des Handelns willen, sondern um ein wünschenswertes Ergebnis herbeizuführen. Das Problem mit solchen Vorschlägen wie dem von Ihnen hier vorgestellten ist aber, dass sie zwar das Problem nicht lösen werden, uns hinterher aber mit neuen, nicht mehr anzweifelbaren Institutionen zurücklassen, die fortan auf unser aller Leben Einfluss nehmen werden. Setzte sich Herr Delors mit seinen Ideen durch, hätten wir eben diesen seltsamen "Fonds", und wir hätten eine Durchgriffsmöglichkeit eines europäischen Oberaufsehers über nationale Budgets. Und wir hätten sie, ob sie etwas taugen oder nicht, weil ihre Abschaffung eben "einen Teil des Prozesses der europäischen Einigung rückgängig machen" würde.

Ist das überhaupt ein geeignetes Kriterium, der Grad des Fortschritts dieses Prozesses? Das kann man m.E. nur bejahen, wenn es einem vollkommen gleichgültig ist, welche Art von Europa dieser Prozess hervorbringen soll. Ist es einem nicht egal, dürfen auch bereits erfolgte Schritte nicht tabu sein, sondern müssen sich daran messen lassen, inwieweit sie tatsächlich dazu taugen, das erstrebte Ziel zu erreichen. Es konkurrieren für jeden sichtbar verschiedene Vorstellungen von Europa miteinander. Was für die einen die ideale Zentralmacht darstellt, die unerwünschte Auswüchse lokaler Art zu verhindern imstande ist, ist für die anderen ein Umfeld, in dem verschiedene Ansätze miteinander um die beste Lösung ringen können. Es dürfte bei einem Kommentator in Ihrem Forum nichts Überraschendes sein, wenn er sich in diesem Konflikt eher für die zweite Variante entscheidet, zudem noch mit der Meinung vieler Historiker und Ökonomen im Hinterkopf, dass es gerade die Vielfalt war, die der Region Europa ihre Rolle in der Welt überhaupt erst verschaffen konnte.

Die Verengung auf die Frage "mehr oder weniger Europa" ist aus meiner Sicht mehr Teil der Rhetorik der einen Seite, mit dem Ziel, die auf mehr Freiheit und Wettbewerb setzenden Gegenspieler als Nationalisten in die passende Ecke zu stellen, als korrektes Abbild der tatsächlichen zur Debatte stehenden Alternativen. Es ist klar, für welche Alternative das technokratische Herz eines Delors schlägt. Ihnen, werter Zettel, muss man dessen Herkunft und Ausbildung zuallerletzt vor Augen führen, das wissen Sie wahrscheinlich besser als jeder andere im Forum hier.

Noch gibt es die Hoffnung, dass bei Volksabstimmungen die europäischen Völker díe Träume der Technokraten beenden werden, so wie sie das in der jüngeren Vergangenheit geradezu verlässlich getan haben, sofern man es wagte oder nicht umhin kam, sie zu fragen. Dahinter einen nationalistischen Drive zu vermuten, hieße aber nur , auf die Rhetorik der zentralistischen Gestalter hereinzufallen oder sie gutzuheißen. Meiner Ansicht nach haben die Menschen Europas aber ein gutes Gefühl dafür, auf welche europäischen Schritte sie sich einlassen können und wollen, und auf welche nicht.

Horst Huber ( gelöscht )
Beiträge:

24.12.2012 00:20
#14 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Lieber Kubix,

da man ausgerechnet das größte und wirtschaftlich stärkste Volk in der Eurozone garantiert NICHT befragt, bleibt nach Ihrer Deutungsart nur die Hoffnung, daß sich die Schwachen irgendwann von selbst aus dem Euro verabschieden. Eigentlich ist dies einer deutschen Demokratie unwürdig. Daher setze ich eher auf den Zwang der Märkte. Sie werden auf Sicht einiger Jahre JEDEN Fond und JEDES Versprechen auf Stichhaltigkeit überprüfen und am Ende die Konsequenzen einfordern. Im Schlimmsten Fall ist dies dann eine Transferunion mit deutscher Zahlungsverpflichtung auf Jahrzehnte. Oder kurz gesagt: Versailles ohne Krieg.

kyrie eleison!

Gruß


HH

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Fritz ( gelöscht )
Beiträge:

24.12.2012 00:24
#15 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

"Und Hans-Werner Sinns Therapie, die wirtschaftlich die vernünftigste wäre, hat offenbar keinen Aussicht, politisch durchsetzbar zu sein."

Werter Zettel,
ebenso wie Sie schätze auch ich Herr Prof. Sinn sehr. Sie haben ihn letztens wunderbar charakterisiert. Ich möchte Ihrer Einschätzung noch einen Punkt hinzufügen: Ich halte ihn auch für einen lauteren Menschen.
Trotzdem beschleicht mich, wenn ich ihn höre oder etwas von ihm lese, immer die Frage, ob er uns alles sagt, was er denkt. Würden „radikalere“ Äußerungen nicht den Ausschluß aus dem Medienbetrieb bringen?

Seine ökonomische Argumente sind so überzeugend, daß man sich fragt, warum die Politik nicht entsprechend handelt.

Deshalb möchte ich hier einen Ökonomen zitieren, den ich – wenn auch aus anderen Gründen – noch mehr schätze als Prof. Sinn, nämlich Prof. Wilhelm Hankel. Er hat bereits in den 90er Jahren, als Sinn noch dem Euro positiv gegenüber stand, wie er in imponierender Offenheit unlängst „gestand“, das ganze heutige Desaster vorausgesagt. Und er hat die Motive auch gleich benannt:

„Der Hebel zur politischen Union soll die Währungsunion sein. Der Bundeskanzler und viele andere Politiker haben das immer wieder ausgesprochen. Nachdem der Weg von einer politischen Union und damit vor allem von einer Wirtschafts- und Sozialunion zur Währungsunion, den die Ökonomen als Krönungstheorie konzipieren, nicht durchsetzbar war, versucht die deutsche Politik den umgekehrten Weg zu gehen, nämlich den von der Währungsunion zur Wirtschafts- und Sozialunion, letztlich zur politischen Union. Der Hebel ist gut angesetzt; denn die Währungsunion erzwingt die Wirtschafts- und vor allem die Sozialunion. Sonst kann sie nur scheitern.“
Aus dem Buch: „Die Euro-Klage“

DLF über Schäuble: „Und deshalb, so Wolfgang Schäuble, müsse Europa enger zusammen rücken. Es müssten neue Formen gefunden werden, um der Verantwortung für die Zukunft gerecht zu werden.

"Das geht nicht mehr in den alten Gewohnheiten des Nationalstaats alleine. Die Jahrhunderte sind vorbei. Im 21. Jahrhundert brauchen wir andere Formen von Global Governance."“
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/wirts...schaft/1916662/

Warum hat man Griechenland in den Euro aufgenommen, obwohl unzählige Ökonomen öffentlich den Kopf geschüttelt haben? Warum Bulgarien und Rumänien in die EU? Warum demnächst Kroatien?

Warum will Schäuble uns einen EU-Präsidenten wählen lassen, denkt aber nicht daran, uns zu fragen, ob wir eine politsche Union überhaupt wollen?
http://www.faz.net/aktuell/politik/inlan...s-12002704.html

Von hinten durch die Brust ins Auge…

Gruß
Fritz

Horst Huber ( gelöscht )
Beiträge:

24.12.2012 00:35
#16 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Lieber Fritz,

man könnte es auch Staatsstreich oder Hochverrat nennen denn für diese undemokratische EU hat weder unsere Regierung noch die EZB noch eine andere europäische Institution ein Mandat. Dann aber haben wir als Demokraten Artikel 20 Absatz IV GG zu beachten und die Folgen daraus zu ziehen. Wenn Leute wie Prof. Hankel, Starbatty, Schachtschneider und Kollegen vor dem BVerfG abgeschmettert werden wie dumme Jungen, noch dazu mit der lakonischen Bemerkung, daß es nicht Aufgabe des BVerfG sei, die Richtigkeit "ökonomischer Theorien" zu prüfen (ja was denn sonst, wenn es um die Zukunft unserer Währung geht???), dann ist der Zeitpunkt bald erreicht, da niemand mehr das GG schützt und der Souverän selber seine freiheitlich demokratische Grundordnung verteidigen muß.

Gruß

HH

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Florian Offline



Beiträge: 3.136

24.12.2012 09:38
#17 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Zitat
"Nur so viel mehr Europa wie unbedingt nötig". (...) Kein europäischer Superstaat, sondern nur diejenigen Mechanismen der Integration, die "unabdingbar sind, damit der Euro funktionieren kann".



Das klingt ja erst einmal ganz subsidiär-symphatisch.

Allerdings:
Die konkrete Ausgestaltung der politischen Union muss so beschaffen sein, um den Euro retten zu können.
Es ist zwar erfrischend, dass dieses Primat der Euro-Rettung so deutlich ausgesprochen wird. Aber es ist natürlich schon eine Perversion aller politischen Prinzipien.


Zitat
Die Staaten sollen weiter in eigener Verantwortung Haushaltspolitik betreiben. Geraten sie aber in Zahlungs­schwierigkeiten, dann erhalten sie Hilfe nur, wenn sie Teile ihrer finanzpolitischen Souveränität auf Europa übertragen.



Und wenn sie das nicht tun?
Man sollte sich da keinen Illusionen hingeben: diese Mechanismen sind auch wieder nur Schön-Wetter-Mechanismen, die im Ernstfall nicht funktionieren werden.

Szenario:
Italien gerät in Zahlungsschwierigkeiten. Der EU-affine Premier M. verspricht einen Spar-Haushalt und erhält dafür EU-Kredite.
Nachdem etliche Milliarden geflossen sind (und die EU somit wie jeder Gläubiger erpressbar geworden ist), wird M. abgewählt und B. kommt an die Macht.
Dieser kündigt als erste Amtshandlung den Spar-Haushalt auf.
Was macht die EU dann?
Das Geld ist bereits geflossen, aber Italien hält sich nicht an die Spar-Zusagen. Sollen wir mit Soldaten einmarschieren um die Zusagen durchzusetzen?
Wird nicht passieren.
Sollen wir die bereits ausbezahlten Kredite abschreiben?
Könnte passieren, ist aber politisch nicht opportun.
Also wird die neue italienische Politik zähneknischrend geschluckt.


Ganz abgesehen davon:
Man sollte sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, was da gefordert wird:

Zitat
Geraten sie aber in Zahlungs­schwierigkeiten, dann erhalten sie Hilfe nur, wenn sie Teile ihrer finanzpolitischen Souveränität auf Europa übertragen.[/



Souveränität über die eigenen Finanzen ist DAS Merkmal von Souveränität schlechthin. Wenn ein Volk nicht mehr Herr über den eigenen Staatshaushalt ist, ist es nicht mehr souverän.
Stellen wir uns einmal vor, was in Deutschland los wäre, wenn der Bundestag (=Vertreter des Souveräns) einen Haushalt aufstellt und dieser dann von Brüssel (=nicht gewählte Bürokraten) nicht akzeptiert wird.
Ein Haushalt bedeutet ja immer auch Prioritätensetzung: was wollen wir uns leisten, was nicht?
Ein Federstrich aus Brüssel kann diese ganze nationale Prioritätensetzung zerstören. Uns besonders wichtige Ausgaben werden gestrichen, andere (uns vielleicht gar nicht so wichtige) bleiben erhalten.

Was wäre zum Beispiel los, wenn Brüssel den Franzosen die Force de Frappe streichen würde?
Eine solche Einmischung würde Frankrech - völlig zu Recht! - als indiskutabel empfinden.

C. Offline




Beiträge: 2.639

24.12.2012 10:00
#18 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #17
Stellen wir uns einmal vor, was in Deutschland los wäre, wenn der Bundestag (=Vertreter des Souveräns) einen Haushalt aufstellt und dieser dann von Brüssel (=nicht gewählte Bürokraten) nicht akzeptiert wird.



Ich habe es mir vorgestellt und bin zu dem Schluss gekommen, dass so gut wie nichts passieren würde, sondern Regierung und Koalition würden mit gewichtiger Miene vor die Kamera treten und die Einheit Europas beschwören und würden mit Lob in den Kommentaren überhäuft werden.

Der Riesling gehört zu Deutschland.

Horst Huber ( gelöscht )
Beiträge:

24.12.2012 11:32
#19 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Verehrter C.,

in der Konsequenz heißt das aber doch nur, daß Deutschland, egal was geschieht, zahlen wird bis zum Sankt Nimmerleinstag. Daher gibt es nur eine einzige verfassungskonforme und der Bevölkerung zumutbare Antwort auf das völlige Scheitern des Euro:

Deutschland muß raus aus diesem Selbstvernichtungsprogramm.

Es ist doch nur noch mit dem deutschen Selbsthass zu erklären, daß unsere gewählten Politiker permanent wider die Interessen der Bevölkerung handeln und ihnen jeder kriminelle griechische Steuerhinterzieher im Ergebnis näher steht als deutsche Arbeitnehmer, Rentner und Sparer.

Leider kann man da keine Partei ausnehmen, denn selbst in der FDP sind die eurokritischen Stimmen marginalisiert worden, auf welchem staatstragenden Altar, sei dahingestellt.

Weihnachtliche Grüße

HH

Die Zensur ist die jüngere von zwei schändlichen Schwestern, die ältere heißt Inquisition. Nestroy

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Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Erich Kästner

Eierkopp Offline



Beiträge: 221

24.12.2012 12:03
#20 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #17
Szenario:
Italien gerät in Zahlungsschwierigkeiten. Der EU-affine Premier M. verspricht einen Spar-Haushalt und erhält dafür EU-Kredite.

Wenn Sie in dem Beispiel Italien durch Frankreich ersetzen, wird es noch absurder. In bisher allen Programmländern wurden die Hilfsmaßnahmen als von Deutschland auzgezwungen verstanden. Diesen Eindruck zu erwecken, wäre im Fall Frankreichs undenkbar, also wird es keine Sparauflagen geben, von deren Umsetzung ganz zu schweigen.

Solange Staatsinsolvenz und/oder Austritt/Rauswurf keine Option ist, sind alle Bedingungen an Hilfszahlungen nur Show, da ein echtes Druckmittel fehlt. Das dürfte Delors/Enderlein klar sein, womit der vorgeschlagene Fonds nur die dritte Auflage eines Rettungsschirmes ist.

Dass diese nötig werden kann, liegt meiner Meinung nach gerade am in diesem Thread so geschmähten Bundesverfassungsgericht. Ziel der Rettungsschirme ist ja, bei (potentiellen) Gläubigern den Eindruck zu erwecken, dass Deutschland im Zweifel die Schulden übernimmt, ohne dass Parlament oder Bevölkerung das verhindern können. Nun ist schon durch das Urteil zum EFSF die parlamentarische Mitbestimmung so festgezogen worden, dass der ursprüngliche Entwurf zum ESM deutlich entschärft werden musste (Einzelfallprüfung der Parlamente). Damit ist die Klage zum ESM gescheitert, weil sie schon vorher gewonnen war. Auch Draghis OMT ist anders als frühere Anleihekäufe auf das deutsche Grundgesetz zugeschnitten (Parlamentsvorbehalt, kein Automatismus, Geldwertstabilität bleibt Priorität).

So ist der Delors/Enderlein Vorschlag nur eine weitere Nebelkerze, um Zeit zu gewinnen und Anlegern zu zeigen, dass die politischen Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft sind. Dabei würde selbst ein noch radikalerer Umbau der EU zum EUROpa mit Zentralregierung das Problem meiner Meinung nach nicht lösen. Italien hat genau das seit über 100 Jahren inklusive der Transferzahlungen, eine Konvergenz zwischen Norden und Süden hat sich nicht eingestellt. Wenn man das auch noch mit Sprachbarriere beobachten möchte, genügt ein Blick nach Belgien. Die Fliehkräfte in beiden Staaten sind offensichtlich.

Die Sorge um Italien, um auf die Herren M. und B. zurückzukommen, liegt meiner Meinung nach daran, dass Italien als einziges Mitglied der PFIIGS eine echte Ausstiegsoption hat und Berlusconi sich nicht scheut, diese zu benennen (Primärüberschuss, exportorientierte Wirtschaft). Außerdem sind die Rettungsaktionen für die italienische Bevölkerung besonders teuer, da es sich z.B. Geld zu 4.5% leihen muss, um es für 2% an Griechenland weiterzureichen. Einziges Problem ist, dass ein Austritt Italiens aus EURO und EU gepaart mit Schuldenschnitt und Abwertung der neuen Lira zur sofortigen Pleite fast (Finnland?) des gesamten EURO-Raumes führen würde. Da braucht man keine Panik bei Anlegern zu konstruieren, um den Dominoeffekt zu sehen.

Disclaimer: Ich bin eder Ökonom noch Jurist, habe also keine Ahnung vom Thema.

Horst Huber ( gelöscht )
Beiträge:

24.12.2012 12:19
#21 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Sehr geehrter "Eierkopp", dafür, daß sie weder Ökonom noch Jurist sind, haben sie aber die Dinge mit beachtlichem Sachverstand auf den Punkt gebracht. Betonen möchte ich noch einmal, daß Frankreich vor Italien das noch größere Problem darstellt, obschon bereits der "Brocken" Italien nicht mehr durch den deutschen Hals zu zwingen ist.

Fazit:

Raus aus dem Euro JETZT.

Weihnachtliche Grüße

HH

Die Zensur ist die jüngere von zwei schändlichen Schwestern, die ältere heißt Inquisition. Nestroy

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Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Erich Kästner

Schwarzhut Offline



Beiträge: 60

24.12.2012 14:23
#22 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Zitat:Raus aus dem Euro JETZT./quote]
Sehr geehrter Horst Huber,
ich kann Ihre Forderung gut verstehen und unterstütze sie auch prinzipiell. Sie löst aber nur ein Teilproblem.
Leider werden meiner Meinung nach, zwei Themen stets miteinander vermischt, die nur indirekt miteinander zu tun haben.
Das eine Thema und für mich das dominante, ist eine Schuldenkrise in fast allen Industriestaaten, ganz gleich, ob im Euro oder nicht. Diese Krise wurde nicht ausgelöst, sondern sichtbar, durch den Zusammenbruch der betrügerischen Machenschaften zwischen US-Regierung und -Banken in der sogenannten "Subprime" Krise. Ohne auf die näheren Umstände hier eingehen zu wollen, ist der Kern der Krise, der Wunsch, jetzt das Paradies zu haben und die Kosten auf später zu verlegen. Hindernisse auf diesem Weg, wurden systematisch durch das Zusammenspiel zwischen Politik und Banken aus dem Weg geräumt. Die passende Ideologie des ungehemmten Finanzmarktes als Ausdruck einer liberalen und modernen Wirtschaftsordnung, wurde jahrelang verbreitet und bis heute nicht grundlegend revidiert. Die Zukunft liegt in der Dienstleistung!( Wir schneiden und gegenseitig die Haare und werden reich dabei!) Auch die Rot-Grüne Bundesregierung, glaubte hier dem angloamerikanischen Trend hinterherlaufen zu müssen. Die erste Bad-Bank ( Hypo Real Estate) wurde gegründet, die Vorschriften für die Banken dereguliert. Das Ende ist bekannt.
Diese Katastrophe mit Ansage, war völlig unabhängig vom Euro und wird weltweit durch exzessive Geldmengenausweitung in Richtung Inflation manipuliert. Im Grunde eine gigantische Insolvenzverschleppung! Grund: Angst vor dem Zusammenbruch und der Druck der Banken und der Reichen, das Spiel so lange es geht, weiterlaufen zu lassen.

Ein Nebenthema unter diesem dominante Szenario ist die Eurokrise.
Provoziert durch die plötzliche Verunsicherung der "Märkte" im Zuge der Schuldenkrise, wurde ein Dogma erschüttert. Dieses lautete: Staatsanleihen sind so sicher, dass Banken keine Risikovorsorge bei ihrem Kauf treffen müssen!
Versicherungen und Pensionskassen waren gesetzlich verpflichtet in diese "mündelsicheren Wertpapiere" zu investieren. Somit sicherten sich die Staaten eine einfache Refinanzierung ihrer expansiven Haushalte, ohne bei den Bürgern die erforderlichen Steuern abschöpfen zu müssen. Durch die Vereinigung der Währungen im Euro, fiel das letzte Risiko für Investoren in den Weichwährungsländern, der Wechselkurs. Dies hat Herr Prof. Sinn in beispielhaft anschaulicher Weise erläutert und auch die weitere Entwicklung mit den Target-Salden aufgezeigt nachdem der Geldfluss über Staatsanleihen stockte.
Die Lösung des Euro-Problems ist eine rein technische Aufgabe, die für sich genommen wohl gelänge, wenn die vertraglich beschlossenen Rahmenbedingungen nur konsequent durchgezogen würden. Das politische Mantra, " Scheitert der Euro, scheitert Europa" ist völliger Unsinn und dient nur der Aufrechterhaltung des Status quo um jeden Preis. Es gibt zahlreiche Staaten in Europa ohne Euro und dort herrscht keinesfalls mehr Chaos, als in den südlichen Euroländern.
Das Problem der weltweiten Schuldenkrise hätte Deutschland auch ohne Euro getroffen. Die Landesbanken und zahlreiche Großbanken waren ja zunächst nur durch die faulen Schwindelpapiere, die in kriminell, betrügerischer Absicht, AAA geratet, in aller Welt verkauft wurden, in Schieflage geraten. Doch durch den Euro konnten die Probleme nicht auf diese Banken begrenzt werden. Dies hätte Deutschland zwar auch schwer getroffen, wäre aber wohl verkraftbar gewesen. Auch die anderen Staaten versuchten die Verluste ihrer Banken auszugleichen, konnten und wollten diese aber wirtschaftlich nicht alleine tragen. Also wurde per Beschluss die "No bailout" Klausel über Bord geworfen und Deutschland gezwungen, genau das zu machen, was das beim Eintritt in den Euro von deutscher Seite am meisten gefürchtet wurde, eine Haftungs- und Transferunion. ( Dies hat auch Herr Sarrazin in seinem Buch sehr klar erläutert)
Inzwischen hat man im Euro-Raum die Verschuldung durch expansive Geldpolitik der EZB, immer noch weiter getrieben und steuert nun im Verbund mit den großen Wirtschaftsnationen USA, Japan und Großbritannien auf eine gigantische Blase aus virtuellem Geld zu. Das Dilemma ist, dass selbst ein Austritt Deutschlands aus dem Euro, dieses Szenario nicht langfristig verhindern würde. Es dominiert inzwischen vielmehr die Angst, dass so ein Schritt diese Blase zum Platzen brächte, und Deutschland damit zum Sündenbock für ein weltweites Chaos würde. Dies ist wohl der Hauptgrund dafür, dass Frau Merkel ihre ursprünglich klaren Prinzipien, Stück für Stück über Bord wirft und rote Linien nur noch Gummibänder sind.
Wir alle wissen, dass der Druck im Kessel nicht unendlich ansteigen kann. Das "Sicherheitsventil" der Politiker heißt Inflation. Doch wir wissen aus unserer deutschen Erfahrung, dass dieses "Ventil" ganz plötzlich brechen kann und dann gibt es kein Halten mehr.
Gruß
Schwarzhut

Horst Huber ( gelöscht )
Beiträge:

24.12.2012 23:28
#23 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Lieber Schwarzhut,

guten Abend und vielen Dank für Ihren launigen Streifzug durch die jüngere Wirtschaftsgeschichte. Viele Ihrer Feststellungen treffen ohne Abstriche zu. Es gibt aber meines Erachtens einen sehr wesentlichen Punkt, den Sie bei Ihren Betrachtungen gar nicht erwähnt haben. Richtig ist, daß auch in den USA viel zu viele ungedeckte Greenbacks gedruckt werden. Der Nährboden für Inflation ist da.

Nun kommt aber eine Entwicklung, die all die vielen, ungedeckten Dollars plötzlich mit einer gigantischen Deckung unterlegt. Einstmals "wertlose" Ressourcen unter der Erde werden plötzlich zu schier unendlichen und wertvollen Bodenschätzen.

Ganz untechnisch und unaufgeregt gesprochen gelingt es den Amis wieder einmal, das Kunststück vorzuführen, wie sich die USA am eigenen Schopfe aus dem Sumpf ziehen.

Ich sage hier und heute voraus (und zwar ziemlich unabhängig davon, ob sich der neue Rohstoffboom in den USA letztlich wirklich mit geologischen Fakten untermauern läßt oder am Ende gar nicht so gewaltig ausfällt wie prognostiziert -die hälfte der Wirtschaft ist Psychologie!!!-), daß wir ein amerikanisches Wirtschaftswunder und damit verbunden ein Comeback des US-Dollar erleben werden.

WIR in Deutschland sind am Ende. WIR werden gemeinsam mit den zerrütteten Weichwährungsstaaten einschließlich Frankreich in die ökonomische und letztlich auch politische Gruft fahren. WIR zahlen den Preis.

Alles, was wir im Moment als wohltuende Entlastung an der Zapfsäule erleben, haben wir Amerika zu verdanken.

Von den Belastungen, die auf uns im Hinblick auf einen zu erwartenden, partiellen geostrategischen Rückzug Amerikas aus den heiß umkämpften klassischen Ölregionen zukommen werden, will ich an dieser Stelle gar nicht sprechen, das wäre ein eigener Thread, den ich mit eingeschränkten Schreibrechten derzeit nicht aufmachen kann.

An Heilig Abend soll und muß diese kurze Antwort auch alles bleiben.

Schöne Weihnachtsfeiertage.

H.H.

Die Zensur ist die jüngere von zwei schändlichen Schwestern, die ältere heißt Inquisition. Nestroy

Der Glaube an eine größere und bessere Zukunft ist einer der mächtigsten Feinde gegenwärtiger Freiheit. Aldous Huxley

Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Erich Kästner

Martin Offline



Beiträge: 4.129

25.12.2012 09:10
#24 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Zitat von C. im Beitrag #18
Zitat von Florian im Beitrag #17
Stellen wir uns einmal vor, was in Deutschland los wäre, wenn der Bundestag (=Vertreter des Souveräns) einen Haushalt aufstellt und dieser dann von Brüssel (=nicht gewählte Bürokraten) nicht akzeptiert wird.



Ich habe es mir vorgestellt und bin zu dem Schluss gekommen, dass so gut wie nichts passieren würde, sondern Regierung und Koalition würden mit gewichtiger Miene vor die Kamera treten und die Einheit Europas beschwören und würden mit Lob in den Kommentaren überhäuft werden.


Solange die Parlamentarier bei höherem Einkommen weniger Souveränität wahrnehmen sollen wird es von dort keinen Widerstand geben. Dieser schleichende Prozess führt schon heute dazu, dass die nationalen Interessen mehr oder weniger an der Garderobe abgegeben werden. Und wer sich solchermaßen qualifiziert, dem winkt gelegentlich ein noch größerer Honigtopf aus Brüssel.

Gruß, Martin

Schwarzhut Offline



Beiträge: 60

25.12.2012 10:10
#25 RE: Delors und Enderlein zur Eurokrise Antworten

Lieber Horst Huber,

Ihre düsteren Ahnungen, was die Zukunft Deutschlands angeht, teile ich mit Ihnen.
Jedoch glaube ich nicht, dass die USA allein mittels der vermuteten Energieresourcen, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen werden.
Energie kostet die USA derzeit auch nicht viel. Warum? Sie haben durch die Gelddruckmaschine bei der FED, die Möglichkeit, so viele Dollars wie sie wollen in Umlauf zu bringen. Mit der größten Armee, die die Welt je gesehen hat, können sie den Rest der Welt zwingen, Rohstoffe und Energie gegen dieses Papiergeld zu liefern.
Die Erdölförderstaaten im nahen Osten erleben seit Jahrzehnten anstrengungslosen Wohlstand, durch den Verkauf ihrer Rohstoffe, die zum Großteil von ausländischen Konzernen gefördert werden. Sie haben gigantische Reichtümer angehäuft; eine nennenswerte, eigene Industrie ist dort bisher nicht entstanden obwohl viele dieser Staaten verzweifelt nach Konzepten für den Zeitraum nach der Erschöpfung der Ölquellen suchen.
Sowohl Deutschland, als auch China gründen ihren Wohlstand nicht auf Rohstoffen und auch der wirtschaftliche Aufschwung der USA war nicht auf Rohstoffförderung gegründet.
Die Verschuldung der USA ist inzwischen so gigantisch, dass auch der Verkauf des (erst noch zu fördernden) Öls diese Verschuldung nicht decken könnte.
Es könnte allerdings sein, dass ein durch Ölförderung getriebenes Strohfeuer, die Zinsen wieder nach oben treibt. Das wäre dann das endgültige Ende.
Die künstlich nach unten manipulierten Zinsen, erleichtern derzeit die Lasten für die Staatshaushalte! Zinsen werden derzeit noch aus den laufenden Haushalten bedient, während die Schulden nur immer mit neuen Schulden umgeschuldet werden. Jeder Anstieg an der Zinsfront bringt das Kartenhaus zum Einsturz, denn sobald auch die Zinsen mit Schulden bedient werden müssen, steigen die Schulden völlig unkontrollierbar.
Nein, auch das sieht Herr Prof. Sinn völlig richtig, die Lösung kann nur ein Ausgleich zwischen Schuldnern und Gläubigern sein. Dies wird für viele, die heute Ansprüche zu haben glauben, ein böses Erwachen geben. Da dies vor allem Reiche und einflussreiche Kreise sind, wird dieser Zeitpunkt soweit wie möglich hinausgezögert.
Wirtschaftlicher Wohlstand kann dauerhaft nur durch Produktion von sinnvollen Gütern geschaffen werden, nicht durch Finanzmarktprodukte!

Schöne Feiertage

Schwarzhut

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