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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

07.01.2013 22:01
Syrien, Arabien Antworten

Als es mit dem "Arabischen Frühling" begann, gab es in Europa eine zweifache Naivität:

Erstens die Vorstellung, daß nach dem Sturz von "Diktatoren" (in Wahrheit dem Ende sozialistischer Systeme) Demokratien nach westlichem Vorbild entstehen würden. Zweitens, daß die bestehenden arabischen Staaten Nationalstaaten seien, die als solche Bestand haben können. Aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering; jedenfalls, was Syrien angeht.

Es geht in Syrien, wie in allen diesen Staaten, nicht um den Kampf von "Demokraten" gegen "Diktatoren". Sondern die ethnischen, religiösen, kulturellen Konflikte, die unter dem Sozialismus unterdrückt worden waren, brechen sich jetzt Bahn.

Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 186

10.01.2013 11:37
#2 RE: Syrien, Arabien Antworten

Ich gebe zu, besonders liberal sind meine Gedanken zum Nahen Osten nicht, und ganz gewiss nicht politisch korrekt...

Wäre es nicht angebracht, um das Blutvergiessen sowohl in Syrien als auch die anhaltenden Konflikte im Irak und teilweise auch im Libanon zu beenden, diesen geopolitischen Raum nach konfessionellen Kriterien aufzuteilen. Die syrischen Küstengebiete sind ja ohnehin Alawitenland, dort wird sich diese kämpferische Denomination auch halten können.

Würde man nun bspw. den südlichen Libanon samt einigen angrenzenden syrischen Gebieten - evtl. würden sich hier auch die Golanhöhen anbieten - den Drusen zuweisen; den restlichen Libanon, evtl. arrondiert um einige grenznahe Teile Syrien, als Heimstätte der nahöstlichen Christen, wobei diese sich weiß Gott auch nicht immer grün sind, bspw. Maroniten und Griechisch-Orthodoxe. Den Süden des Irak bis etwa kurz vor Bagdad könnte man den Schiiten zuweisen; die kurdischen Siedlungsgebiete Syriens und Iraks zu einem Staat zusammenlegen - ein Kurdenstaat in Irakisch-Kurdistan befindet sich ja eh schon lange im Entstehen, auch wenn es der Türkei misfällt. In den restlichen Gebieten Syriens und des Irak könnten die Sunniten friedlich unter sich leben; ein Sonderfall wäre ggf. noch der Zankapfel Mossul, mit seinem Ölreichtum und der äusserst gemischten Bevölkerung aus Arabern, Kurden, Turkmenen und Assyrern.

Gewiss, das alles würde enorme Bevölkerungstransfers erfordern, und dieses Wort ist ja mittlerweile mit reichlichen Tabus behaftet. Andererseits: man stelle sich vor, nach dem Griechisch-Türkischen Krieg zu Beginn der 1920er Jahre hätte es eben diese Bevölkerungstransfers nicht gegeben: Griechenland hätte heute eine beachtliche türkische Minderheit, in Kleinasien lebten umgekehrt Millionen Griechen als kompakte Minderheit in der Türkei. Wäre das wünschenswert?

Die andere Alternative wäre doch eine Fortsetzung der blutigen "Stammeskriege", verbunden mit der allmählichen Abwanderung der nahöstlichen Christen nach Amerika und Europa.

Nicht zu unterschätzen wäre m.E. auch der strategische Vorteil, den der Westen allgemein, und Europa im besonderen, aus der Existenz uns vermutlich eher freundlich gesonnener christlicher, drusischer, ggf. auch alawitischer und kurdischer Staaten gewinnen könnte.

AldiOn Offline




Beiträge: 983

10.01.2013 12:48
#3 RE: Syrien, Arabien Antworten

Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #2
Wäre es nicht angebracht, um das Blutvergiessen sowohl in Syrien als auch die anhaltenden Konflikte im Irak und teilweise auch im Libanon zu beenden, diesen geopolitischen Raum nach konfessionellen Kriterien aufzuteilen.
Das Beispiel Indien-Pakistan oder auch Griechenland-Türkei zeigt ja, daß solche Arrondierungen auch nicht ohne große Opfer zu haben sind und die Probleme keineswegs ein für allemal zu lösen in der Lage sind. Darüber hinaus hassen sich einige der Gruppen ja auch dann wenn sie physisch getrennt sind.
Darüber hinaus sind ja nicht alle Gebiete gleichwertig. Wenn Sie sich mal die Karte http://www.spiegel.de/pics/20/0,1020,1002120,00.jpg ansehen, könnte man den neu zu gründenden Kurdenstaat entlang der Pipepline Mosul Ceyhand durchaus bis an Mittelmmeer weiterführen.

Der Irak würde dann einfach - weit in syrisches Gebiet bis ans Mittelmeer- nach Westen verschoben (abzüglich Kurden- und Schiitengebiete) entlang der Pipeline nach Hims (=Homs?) und kriegt alle Sunnitengebiete (wo natürlich auch die Christen, Drusen und diverse andere leben). Dann hätte der Irak halt keinen Zugang zum persischen Golf sondern einen (viel besseren) zum Mittelmeer (eventuell müßte man schnell mal einen Hafen bauen).

Diese blöden Grenzen sind sowieso nach Maßstäben der Kolonialisten entstanden wie man an dieser Karte sieht:http://upload.wikimedia.org/wikipedia/co...oman_de.svg.png, die ich Vertrag von Sèvres (Osmanisches Reich) – Wikipedia entnommen habe.

Derartiges würde aber auch den kriegerischen Zerfall der (sowieso ja multiethnischen) Türkei bedeuten.

Könnte man alles machen.

Generell ist ihr Vorschlag nicht in erster Linie politisch inkorrekt sondern er macht einfach die Büchse der Pandora auf und entläßt ein irre Menge von ethnischen Kriegen und Säuberungen in die Welt. Möglicherweise wird das sogar sowieso passieren aber niemand möchte die Verantwortung für derartiges im Endergebnis millionenfaches Morden gegen das der mazedonisch-jugoslawische Salat wie ein Kindergeburtstag aussähe, übernehmen. Aktuell gibt es im Nahen Osten große Regionen wo es durchaus friedlich zugeht.

Ihr Vorschlag würde die ganze Region auf Jahrzehnte hin somalisieren.

Martin Offline



Beiträge: 4.129

10.01.2013 14:00
#4 RE: Syrien, Arabien Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #1
Als es mit dem "Arabischen Frühling" begann, gab es in Europa eine zweifache Naivität:

Erstens die Vorstellung, daß nach dem Sturz von "Diktatoren" (in Wahrheit dem Ende sozialistischer Systeme) Demokratien nach westlichem Vorbild entstehen würden. Zweitens, daß die bestehenden arabischen Staaten Nationalstaaten seien, die als solche Bestand haben können. Aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist gering; jedenfalls, was Syrien angeht.

Es geht in Syrien, wie in allen diesen Staaten, nicht um den Kampf von "Demokraten" gegen "Diktatoren". Sondern die ethnischen, religiösen, kulturellen Konflikte, die unter dem Sozialismus unterdrückt worden waren, brechen sich jetzt Bahn.


Ein Beitrag der asia times: http://www.atimes.com/atimes/Middle_East/OA11Ak01.html

Ich finde die etwas andere Sicht als die in unserer gängigen Medienlandschaft ganz erfrischend. Neu ist mir, dass die Hisbollah im Südlibanon 10.000 Blauhelme stellt.

Gruß, Martin

Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 186

11.01.2013 09:16
#5 RE: Syrien, Arabien Antworten

Zitat von AldiOn im Beitrag #3
Darüber hinaus hassen sich einige der Gruppen ja auch dann wenn sie physisch getrennt sind.


Stimmt - man muss sich nur mal mit (manchen) Griechen über Türken unterhalten oder umgekehrt. Dennoch führen Griechenland und die Türkei keinen Krieg gegeneinander. Staaten tendieren m.E. dazu, in diesen Fragen etwas rationaler zu sein als amorphe Massen, die sich in Krisenzeiten um Warlords versammeln. Sicherlich wären ein sunnitisches Kalifat Syrien und eine schiitische Islamische Republik Südirak keinesfalls enge Freunde, aber sie würden m.E. im Rahmen des Möglichen versuchen, einen Modus vivendi miteinander zu finden. Milizführer tun dies nicht, eher im Gegenteil - mehr Gewalt dient, solange die Territorien nicht abgesteckt sind, ihren Interessen.

Zitat von AldiOn im Beitrag #3
Der Irak würde dann einfach - weit in syrisches Gebiet bis ans Mittelmeer- nach Westen verschoben (abzüglich Kurden- und Schiitengebiete) entlang der Pipeline nach Hims (=Homs?) und kriegt alle Sunnitengebiete (wo natürlich auch die Christen, Drusen und diverse andere leben).


Ich glaube, da haben wir uns misverstanden. Der Irak - zumindest der Süden - hätte wie bislang bei Basra seinen Zugang zum Golf. Am Mittelmeer hätten wir dem Westen vermutlich eher freundlich gesonnene Staaten der Christen, der Alawiten und der Drusen. Ein sunnitisches "Großsyrien" - weite Teile Syriens und der (arabische) Nordirak - wäre ein Binnenstaat und somit auch eher geneigt, sich mit seinen Nachbarn am Mittelmeer und somit auch dem Westen gut zu stellen.

Zitat von AldiOn im Beitrag #3
Derartiges würde aber auch den kriegerischen Zerfall der (sowieso ja multiethnischen) Türkei bedeuten.

Das hinge ganz davon ab, wie sich Ankara auf die geänderte Situation einstellt. Falls die dortige Elite sowohl den türkischen Nationalismus gegenüber den Kurden als auch die zu beobachtenden sunnitischen Dominanzbestrebungen gegenüber den Aleviten einstellen, muss ein solches Szenario nicht eintreten. In jedem Fall würde die Türkei in ihrer heutigen Form geschwächt, und auch das wäre m.E. für den Westen nicht unbedingt von Nachteil.

Frank Offline




Beiträge: 187

12.01.2013 10:33
#6 RE: Syrien, Arabien Antworten

Tschechien und die Slowakei haben sich vor zehn Jahren getrennt...zum beiderseitigen Vorteil.

Jugoslawien war an einigen Stellen die "Büchse der Pandora", an anderen nicht: Slowenine, Montenegro.

Den Vorschlag von Herrn Dimhofen würde ich unterstützen, denn die unabhängigen kleinen neuen Staaten (libanesische Christen, Alawiten, Kurden, Drusen) würden sich prowestlich orientieren und wohl auch mit Israel verbünden.

Nur eine Gruppe will niemand haben:

http://www.n-tv.de/politik/Palaestinense...cle9933416.html

Aber die würden mit Ostpalästina (aka Jordanien) sowieso bald ihren eigenen Staat erhalten. Gaza kommt zu Ägypten. Dort heißen eh viele schon "El-Masri"



P.S.: Frieden in Belfast (gab es ein Jahrzehnt lang) auch nur durch 10 m hohe Mauern "peace lines".

>>>>
Sit intra te concordia et publica felicitas
>>>>

LD Offline



Beiträge: 13

12.01.2013 11:50
#7 RE: Syrien, Arabien Antworten

Lieber Zettel,

ich teile ihre Analyse weitestgehend. Nur zu den erwähnten Beispielen, dem Spanischen und Russischen Bürgerkrieg möchte ich noch gerne anmerken, dass es sehr leicht ist in der Nachschau die Komplexität dieser Kriege zu unterschätzen. Das liegt meines Erachtens daran, dass in beiden Fällen die jeweils am besten und einheitlichsten organisierten Parteien, in Russland die Bolschewiken und in Spanien Franco den Krieg gewonnen haben; und zwar sicherlich genau aus diesem Grund.

Dadurch fällt es leicht, sich diese Kriege als simple Konflikte zwischen Nationalisten und Republikaner bzw. Kommunisten und Monarchisten in Erinnerung zu rufen. Die Weiße Armee und die spanischen Republikaner umfassten weite Teile des politischen Spektrums, nur geeint dadurch, dass der „Feind meines Feindes […] mein Freund [ist]“.

Schließlich sind Spanien und Russland zudem ebenso Vielvölkerstaaten und auf der iberischen Halbinsel ist es auch eher dem Zufall und der frühneuzeitlichen Heiratspolitik der Monarchen zu verdanken, dass die Teilung gerade zwischen Spanien und Portugal und nicht an anderer Stelle verläuft. Dementsprechend sollte es einen auch nicht wundern, dass neben den Hauptkriegsparteien auch noch eigenständige separatistische und regionale Gruppierungen beteiligt waren; in Spanien beispielsweise Basken und Katalonier.

Generell denke ich, dass das ein fast allgemein gültiges Merkmal von Bürgerkriegen ist. Die ethnische und soziale Struktur eines Staates spielt natürlich auch eine erhebliche Rolle, aber der Zusammenbruch staatlicher Strukturen schafft überall auch Spielraum für gewalttätige Gruppen mit eigenen Partikularinteressen. Ausnahmen gibt es davon eigentlich nur, wenn sich in einem Bürgerkrieg substaatliche Gliederungen bzw. eine solche gegenüber dem Zentralstaat gegenüber stehen. Als Beispiel seien hier der Amerikanische Bürgerkrieg oder der Eritreische Unabhängikeitskrieg genannt. Solche Bürgerkriege ähneln dann aber auch viel mehr konventionellen zwischenstaatlichen Kriegen.

Ich halte es deswegen auch für einen großen Fehler, sowohl in Syrien als auch in Mali, erst dann militärisch einzugreifen, wenn die Lage schon völlig verfahren ist. Denn je länger sich ein solcher Krieg hinzieht, desto stärker wirkt er sich auf die Grundlagen des betroffenen Staates aus und desto schwieriger wird es, nach Ende des Krieges wieder belastbare staatliche Strukturen zu schaffen. Ich glaube, der Vergleich zwischen Libyen und Syrien demonstriert das sehr gut.

Viele Grüße,

LD

HansDampf ( gelöscht )
Beiträge:

12.01.2013 13:41
#8 RE: Syrien, Arabien Antworten

Zitat von LD im Beitrag #7
Ich halte es deswegen auch für einen großen Fehler, sowohl in Syrien als auch in Mali, erst dann militärisch einzugreifen, wenn die Lage schon völlig verfahren ist. Denn je länger sich ein solcher Krieg hinzieht, desto stärker wirkt er sich auf die Grundlagen des betroffenen Staates aus und desto schwieriger wird es, nach Ende des Krieges wieder belastbare staatliche Strukturen zu schaffen.
Ein interessanter Gedanke. Aber wie ist es gemeint, in praxi?
Hätten die Chinesen präventiv die Mongolen dezimieren sollen?
Oder hätte Frankreich vielleicht auf die Besetzung von Straßburg verzichten müssen?
Sollte Israel die Araber im israelischen Staatsterritorium ausmerzen, oder wenigstens internieren?
Wäre es vielleicht besser gewesen, vor 20 Jahren Zaire (Fläche 2.344.858qkm) durch EU-Truppen besetzen zu lassen, und Syrien gleich mit?

Vielleicht war es falsch, dass US-Army (und Hilftruppen) erst vor zehn Jahren im Irak und in Afghanistan eingerückt sind. Hätten die das schon vor 15 Jahren gemacht, würde das World Trade Center heute noch stehen. Sicherlich hätte die UNO (zumindest das IPCC, diese Hüterin des Vorsorgeprinzips) den Anträgen spontan zugestimmt, so wie Deutschland sich sofort (unter breiter Zustimmung der Bevölkerung) mit Truppenkontingenten beteiligt hätte.
Oder auch nicht.

uniquolol Offline




Beiträge: 254

28.01.2013 23:38
#9 RE: Syrien, Arabien Antworten

Hasnain Kazim - "Pakistanischer Atomphysiker: "Muslimische Gesellschaften sind kollektiv gescheitert"" - SPON
http://www.spiegel.de/politik/ausland/in...y-a-879319.html

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