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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 13 Antworten
und wurde 3.020 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.01.2013 10:06
Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Am Donnerstag wird Lance Armstrong also gestehen. Aus diesem Anlaß habe ich für diesen Artikel einen Beitrag in ZR aus dem Jahr 2007 umgearbeitet und aktualisiert.

stuffi Offline



Beiträge: 27

15.01.2013 10:34
#2 RE: Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Die Analyse ist prinzipiell richtig, auch wenn beim klassischen Gefangenendilemma der Einzelne sein Ergebnis durch Nichtkooperation verbessern kann (wenn beide schweigen, werden beide zu einer vergleichsweise geringen Strafe für die nachweisbaren Delikte verurteilt).

Ich glaube allerdings, daß die möglichen Kontrollen in keinem Fall ausreichen können, um das notwendige Vertrauensniveau zu erreichen - aus diesem Grund halte ich eine Freigabe des Dopings für den besseren Weg.

Die Position der Stakeholder in diesem Fall:
- Fahrer: leichte Verschlechterung (Gesundheitsgefahren durch Doping, fairerer Wettkampf)
- Zuseher: Verbesserung (fairerer Wettkampf)
- Teams: in etwa gleich, eventuell etwas geringere Kosten, weil die Illegalität nicht eingepreist werden muß
- Mafia: starke Verschlechterung - erfahrene Ärzte könnten auch weiter in der Branche arbeiten, aber keine zusätzlichen Gewinne durch Illegalität mehr

LG
Stuffi

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.01.2013 10:36
#3 RE: Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Nur halb OT: Was für den Sportler das Doping ist, ist für den Wissenschaftler das Plagiat. Es gibt jetzt einen neuen(?) Ansatz zum Verhindern von Plagiaten und zum Fördern ordentlicher wissenschaftlicher Arbeiten: Die Autorinnen und Autoren laden ihre Texte auf eine Plattform, wo sie auf Plagiate untersucht werden. Damit wird transparent, wer sich den Tests gestellt hat und wessen Arbeit schon untersucht wurde. Was halten Sie (haltet Ihr) davon?

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.01.2013 10:42
#4 RE: Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Zitat von stuffi im Beitrag #2
Ich glaube allerdings, daß die möglichen Kontrollen in keinem Fall ausreichen können, um das notwendige Vertrauensniveau zu erreichen - aus diesem Grund halte ich eine Freigabe des Dopings für den besseren Weg.

Die Position der Stakeholder in diesem Fall:
- Fahrer: leichte Verschlechterung (Gesundheitsgefahren durch Doping, fairerer Wettkampf)
- Zuseher: Verbesserung (fairerer Wettkampf)
- Teams: in etwa gleich, eventuell etwas geringere Kosten, weil die Illegalität nicht eingepreist werden muß
- Mafia: starke Verschlechterung - erfahrene Ärzte könnten auch weiter in der Branche arbeiten, aber keine zusätzlichen Gewinne durch Illegalität mehr

LG
Stuffi


Ich denke, dass sich für die Sportler die Situation eher stark verschlechtert: Die vergleichsweise harmlosen und noch kontrollierbaren Methoden werden nicht ausreichend sein, um einen Spitzenplatz zu erreichen. Also wird es ein Doping-Wettrüsten geben, was zu mehr schweren Krankheiten und Todesfällen führen wird.

Skipper ( gelöscht )
Beiträge:

15.01.2013 10:52
#5 RE: Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Da es sich beim Doping im schlimmsten Fall um die eigenverantwortliche Selbstgefährdung oder Selbstschädigung hochbezahlter Profis handelt, halte ich eine völlige Freigabe für die beste Lösung. Wenn man schon der Meinung ist, dass der Schutz der Gesundheit der Sportler Sache des Staates ist (und nicht die ureigenste Angelegenheit der Sportler selber)könnte man dem dadurch Rechnung tragen, dass man bei akuten Gesundheitsschäden oder Todesfällen die Mannschaftsärzte verstärkt in die straf,- oder zivilrechtliche Haftung nimmt.

Das Argument, dass sich Doper unfaire Vorteile verschaffen, wäre damit erledigt. Bei Profiradrennen war es m.E. noch nie valide, nachdem da bekanntlich seit hundert Jahren so ziemlich jeder Teilnehmer gedopt ist.

Man muss sich vielleicht von der Vorstellung (oder besser dem Gefühl) verabschieden, dass Sport auf dieser Ebene etwas mit Gesundheit zu tun hat. Hat es nicht. Das sind Veranstaltungen, die der medial vermittelten Unterhaltung des Publikums dienen, nicht dem Wohlbefinden der Beteiligten.

Leistungssteigerung durch die Einnahme diverser Substanzen ist doch auch in anderen Berufsfeldern nicht selten. So soll ja mancher Kreative seiner schöpferischen Phantasie mit dem einen oder anderen Näschen Koks aufhelfen ohne dass z.B. in Werbeagenturen regelmäßige Dopingkontrollen stattfinden. In dem Beispiel ist zwar die konkrete Substanz verboten, ihr Gebrauch ist aber (zu Recht) kein Gegenstand allgemeinen Interesses.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.554

15.01.2013 11:02
#6 RE: Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #3
Nur halb OT: Was für den Sportler das Doping ist, ist für den Wissenschaftler das Plagiat. Es gibt jetzt einen neuen(?) Ansatz zum Verhindern von Plagiaten und zum Fördern ordentlicher wissenschaftlicher Arbeiten: Die Autorinnen und Autoren laden ihre Texte auf eine Plattform, wo sie auf Plagiate untersucht werden. Damit wird transparent, wer sich den Tests gestellt hat und wessen Arbeit schon untersucht wurde. Was halten Sie (haltet Ihr) davon?



Das klingt zunächst 1x fein - da spart man sich den nachträglichen Guttenplag - dürfte sich aber mgw. als unproduktiv erweisen. Das Problem, was den Fortschritt in der Forschung betrifft (ich setze, finster simplfizierend, einmal voraus, daß es sich dabei nicht um eine Chimäre handelt) liegt ja weniger in den Plagiaten - ob ich 3x erzählt bekomme, daß der Nordpol eiert oder 4x - sondern an handfesten & hoffentlich irgendwann* falsifizierbaren Aussagen: eiert er wirklich? Deswegen sind die wirklichen Skandale hier auch nicht Abkupfereien, sondern handfeste Fälschungen wie die von Jan Hendrik Schön oder Hwang Woo-suk.
Und hier kommen, sagen wir, patentrechtliche Aspekte ins Spiel. Firmen, auch Universitäten haben eine Interesse an Patentschutz für neue Meßverfahren oder technische Lösungen -völlig zu Recht. Solche Aspekte, gewissermaßen die Quellcodes, werden also in solchen "preliminary drafts" ausgespart werden: die Erstveröffentlichung ist ja für Patente & Nobelpreise entscheidend. In der Physik ist das Verfahren, solche Rohentwürfe auf akademischen Servern dem Fachpublikum vorzustellen, ja seit dem 90er Jahren üblich; in den Geisterwissenschaften erfüllen die Fachkonferenzen diesen Zweck; da gilt dann ein "vorgezogenes Publikationsrecht": nicht der Abdruck, sondern der Vortrag sichert die Priorität.

* Gerade in der Astronomie bzw. Kosmologie ist die Falsifizierbarkeit einer Theorie ad hoc selten gegeben; wenn man aber 50-100 Jahre wartet, stellt sie sich durch den zwischenzeitlichen Verfahrensfortschritt erstaunlich häufig ein.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.01.2013 11:59
#7 RE: Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Zitat von stuffi im Beitrag #2
Die Analyse ist prinzipiell richtig, auch wenn beim klassischen Gefangenendilemma der Einzelne sein Ergebnis durch Nichtkooperation verbessern kann (wenn beide schweigen, werden beide zu einer vergleichsweise geringen Strafe für die nachweisbaren Delikte verurteilt).

Lieber Stuffi, der Begriff cooperate, der sich leider nun einmal in diesem Zusammenhang eingebürgert hat, ist doppeldeutig (ich habe an dieser Stelle deshalb schon den alten Text geändert, um Mißverständnissen vorzubeugen).

Gemeint ist mit "kooperieren", daß die beiden Gefangenen zusammenarbeiten, nicht etwa einer oder beide mit den Strafverfolgern.

Beide können sich ihr Schweigen nur durch Kooperation leisten; nicht durch Nichtkooperation. Solange sich jeder der Kooperation des anderen nicht sicher sein kann, muß er reden.

Wenn beide schweigen, werden sie übrigens freigesprochen. Zu einer geringen Strafe veruteilt wird A, wenn er gesteht und B schweigt, wenn er damit also B verrät.

Herzlich, Zettel

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.554

15.01.2013 12:46
#8 RE: Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Zum "iterierten" Gefangenendilemma auch noch die Arbeit von William H. Press und Freeman J. Dyson, "Iterated Prisoner’s Dilemma contains strategies that dominate any evolutionary opponent" (PNAS, 2012):

http://www.pnas.org/content/early/2012/0...569109.full.pdf

Dazu auch hier:

Zitat Scientific Clearing House
____
"The game theory world was stunned recently when Bill Press and Freeman Dyson found a new strategy to the iterated prisoner’s dilemma (IPD) game. They show how you can extort an opponent such that the only way they can maximize their payoff is to give you an even higher payoff. ... Press and Dyson now show that you can win by being nasty. Their analysis considers the IPD to be a probabilistic Markov chain, where the probability for a player to cooperate is determined by what was played by both players in the previous round. They also proved that having a long memory doesn’t help so you don’t need to keep track of what happened prior to the last round to play their strategy."
_____

( Freeman Dyson ist übrigens im Dezember 89 geworden. Wo sind eigentlich die Zeiten hin, als man als Spitzenwissenschaftler mit 35 den verdienten Ruhestand als Dekan & Doktorvater antreten konnte? )

Dagny Offline



Beiträge: 1.096

15.01.2013 13:45
#9 RE: Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Warum nicht doping frei geben, solange es von den Atleten dokumentiert und transparent gemacht wird?

Loki Offline



Beiträge: 128

15.01.2013 18:15
#10 RE: Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #7
Zitat von stuffi im Beitrag #2
Die Analyse ist prinzipiell richtig, auch wenn beim klassischen Gefangenendilemma der Einzelne sein Ergebnis durch Nichtkooperation verbessern kann (wenn beide schweigen, werden beide zu einer vergleichsweise geringen Strafe für die nachweisbaren Delikte verurteilt).

Lieber Stuffi, der Begriff cooperate, der sich leider nun einmal in diesem Zusammenhang eingebürgert hat, ist doppeldeutig (ich habe an dieser Stelle deshalb schon den alten Text geändert, um Mißverständnissen vorzubeugen).

Gemeint ist mit "kooperieren", daß die beiden Gefangenen zusammenarbeiten, nicht etwa einer oder beide mit den Strafverfolgern.


Richtig, und so hat Stuffi das auch gemeint.

Beim klassischen Gefangenendilemma führt, für jede gesetzte Strategie des Gegners, Nichtkooperation zu einer besseren Situation als Kooperation. In Ihrer Variante ist aber, sofern B kooperiert, die Situation von A bei Nichtkooperation (niedrige Strafe) schlechter als seine Situation bei Kooperation (Freiheit).

Llarian Offline



Beiträge: 6.919

15.01.2013 20:08
#11 RE: Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Das Beispiel hinkt leider. Denn durch das Weglassen des Doping ergibt sich eben nicht, dass alle ungefähr um das selbe Leistungsniveau herunterfallen und sich dadurch nichts an der Reihenfolge ändert.

Im Falle des Nichtdopings gewinnt der, der am schnellsten fahren kann, also der, der am meisten Kraftreserven hat, am schmerzunemfindlichsten ist, die beste Strategie fährt, etc. Wird jedoch gedopt, so gewinnt der, der am besten Dopen kann und es ist keinesfalls allzu sicher (sondern eher unwahrscheinlich), dass der auch mit dem besten Fahrer identisch ist. So ist Blutdoping bekannertermaßen gefährlich und die Risikoschwelle muss nicht unbedingt bei dem am ausgeprägtesten sein, der auch zufällig der beste Fahrer ist. Von Epo-Lance weiss man heute, dass er vor allem eins gut konnte: Gut Dopen. Er hatte mit seinem Team ein nahezu perfektes System entworfen und wenn man in den Bericht der amerikanischen Komission, die den Fall untersucht hat, reinschaut, dann sieht man die maximale Professionalität (und kriminelle Energie) mit der dort gearbeitet wurde.

Ob er freilich auch der beste Fahrer gewesen wäre, wenn nicht gedopt worden wäre, ist dann doch eher unwahrscheinlich. Er war ein Betrüger. Nichts weiter.

Hausmann Offline



Beiträge: 710

15.01.2013 21:07
#12 RE: Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Frage am Rande: Was halten Sie überhaupt von staatlichen Handlungen in sportlichen Angelegenheiten?

jh Offline



Beiträge: 17

15.01.2013 23:48
#13 RE: Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Leicht OT:

Wer gerne seine spieltheoretischen Kenntnisse aufbessern möchte, kann aktuell einen kostenfreien Online-Kurs von Stanford "besuchen": https://www.coursera.org/course/gametheory

Habe mich dort kürzlich angemeldet um mein Pokerspiel auf festere Beine zu stellen, und es scheint mir doch gut zu diesem Artikel zu passen.

Beste Grüße, jh

Christoph Offline




Beiträge: 241

16.01.2013 01:14
#14 RE: Armstrong und das Gefangenendilemma Antworten

Ich sehe es anders. Die Leistung des Sportlers verbessert sich durch das Doping ja tatsächlich. Er kommt schneller ans Ziel,
und darum geht es schließlich. Dagegen erlangt der Plagiator wohl Ruhm und Anerkennung – diese sind jedoch für die
Wissenschaft vollkommen ohne Belang, denn das Wissen und die Wohlfahrt der Menschheit werden nicht dadurch gemehrt, dass deutsche Minister
das Recht erlangen, vor ihren Namen ein paar Buchstaben zu setzen.

Richtig betriebene Wissenschaft ist für fast jeden Menschen von Nutzen, während Ein Plagiat nicht mehr ist als
lästige Zeitverschwendung für eine handvoll von Menschen.

Dagegen ist der Sport ohnehin sinnlos. Ob der Sportler nun dopt oder nicht – kaum jemand zieht einen Nutzen daraus,
dass ein bestimmter Mensch ein paar Hunderstel Sekunden schneller durch Frankreich radeln kann, als alle anderen.

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