Ich frage mich, ob diese Meinung letztlich eine Unterwefung liberaler Gedanken unter rotgrünen Zeitgeist zum Ziel hat, oder als Anlaß genommen werden kann, liberale Gedanken in einem veränderten globalen Umfeld wieder zu Wahlerfolgen zu führen. Also wieder einmal: Ideologie vs. Pragmatismus...
Zitat von Doeding im Beitrag #1 Ich frage mich, ob diese Meinung letztlich eine Unterwefung liberaler Gedanken unter rotgrünen Zeitgeist zum Ziel hat, oder als Anlaß genommen werden kann, liberale Gedanken in einem veränderten globalen Umfeld wieder zu Wahlerfolgen zu führen. Also wieder einmal: Ideologie vs. Pragmatismus…
Nee, Klassischer Liberalismus gegen Neoliberalismus. Oder Österreichische Schule gegen Freiburger Schule.
Zitat von Doeding im Beitrag #3Danke für die Info, lieber Erling Plaethe. Was denken Sie über Straubhaars Ansatz?
Wenn ich die ersten beiden Sätze lese, denke ich: Was soll das? Seit wann steht die Linke für Gerechtigkeit? Und warum sagt er nicht, was er unter Gerechtigkeit versteht, statt einen Begriff zu benutzen der so uneindeutig ist wie kaum ein zweiter. Er hält den Leser zum Narren wenn er suggeriert den Gerechtigkeitsbegriff der Linken zu teilen.
Natürlich gibt es eine Linksbewegung, aber vor allem gibt es eine etatistische Bewegung. Diese ist es, welche Straubhaar m.E. meint. Das ist seine Gerechtigkeit. Die (Selbst-) Gerechtigkeit des Staates.
Er macht das Eigeninteresse für die internationale Finanzkrise verantwortlich. Die faulen Kredite wurden aber von amerikanischen Sparkassen vergeben - auf Grund politischen Drucks. Diese Banken handelten im Interesse des Staates. Eigeninteresse ist die Essenz der industriellen Revolution und allen Wohlstands auf der Welt. Mitunter schlägt es um in Gier. Altruismus ist eine ehrenwerte Eigenschaft, aber er bringt keinen Wohlstand. Und mitunter ist er nur ein Quantum Trost für das gleiche Laster.
Diese Finanzkrise ist nicht die erste und es wird Sicherheit auch nicht die letzte der Menschheitsgeschichte sein. Krisen gehören zum Leben und sie gehören zu dem, was Straubhaar Kapitalismus nennt. Zu meinen, Krisen für immer mit Regeln verhindern zu können, nannte Friedrich August von Hayek eine Anmaßung von Wissen.
Nach der Verhegelung der Gerechtigkeit kommt der Autor dann endlich auf den Punkt: Verteilung. Zusammengesetzt: Verteilungsgerechtigkeit. Der ganze Artikel soll die Liberalen in Deutschland aufrufen, ihren Widerstand gegen Steuererhöhungen aufzugeben. Es muss mehr umverteilt werden. Von den Einkommen der Bürger in die europäischen Rettungsmechanismen. Was ich denke? Ich denke dieser Artikel ist zu wenig für den Chef eines WeltWirtschaftsInstituts.
Zitat von Erling PlaetheDer ganze Artikel soll die Liberalen in Deutschland aufrufen, ihren Widerstand gegen Steuererhöhungen aufzugeben. Es muss mehr umverteilt werden. Von den Einkommen der Bürger in die europäischen Rettungsmechanismen.
So lese ich das nicht. Straubhaar macht in dem Artikel zwar viel Wind, schlägt letztlich aber nur einen Änderung im Marketing vor: Es soll herausgestellt werden, dass liberale Lösungsansätze auch der Gerechtigkeit dienen.
Was hier so verwirrt ist, dass der erste Teil des Artikels mit dem zweiten eigentlich nichts zu tun hat. Wie du richtig bemerkst, beschreibt er im ersten Teil die wachsende Popularität kollektivistischer und etatistischer Ideen. Nur durch den Kunstgriff, für diese auch den Begriff "Gerechtigkeit" zu verwenden, lassen sich die beiden Artikelteile überhaupt erst oberflächlich verbinden.
Eins hat mich aber wirklich sehr enttäuscht. Spätestens die mit seinem Tod wieder ins Gespräch gekommenen Ideen Buchanans sollten es einem Ökonomen eigentlich verbieten, Absätze wie diesen zu formulieren:
Zitat von StraubhaarSie hat aller Welt offenbart, dass in der Realität Herdenverhalten, Eigendynamik vor allem aber Eigeninteressen und mikroökonomisches Gewinnstreben von Anlegern, Händlern, Ratingagenturen und Finanzinstituten zu gesamtwirtschaftlicher Ineffizienz und schlimmstenfalls zu makroökonomischen Krisen führen können. Da erfolgt der Ruf nach einer Re-Regulierung der Finanzmärkte zwangsläufig und folgerichtig.
"Zwangsläufig" mag den Gesetzen der Politik entsprechend richtig sein, aber zu "folgerichtig" bedarf es die Akzeptanz einer weiteren Annahme, nämlich dass eine (Re-)Regulierung tatsächlich zu besseren Ergebnissen führt. Das tut sie aber regelmäßig nur in der Rückschau oder mit einem Staat als "deus ex machina".
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat Die Finanzmarktkrise war und ist für die Marktwirtschaft und den Kapitalismus eine Zäsur. Nicht nur, dass sie die in der Ökonomik dominante Überzeugung empirisch widerlegt hat, dass auf Finanzmärkten Effizienz die Regel und Marktversagen die Ausnahme sei.
Lieber Erling Plaethe, lieber Rayson, Würden Sie der obigen Aussage zustimmen? Ich finde diese Aussage relativ zentral, quasi axiomatisch, für die weitere Argumentation Straubhaars in dem Artikel. Stellt das nicht ein ganz wichtiges Prinzip liberaler Theorie der Ökonomie in Frage? Und sie entspricht in verblüffenden Maße der gängigen Kommentarlage in SZ, ZEIT usw. Ich verstehe leider nicht genug von Ökonomie, um das beurteilen zu können. Und, falls ja, was wäre Ihre Meinung, was man daraus folgern sollte?
Noch eine persönliche Frage: können Sie mir ein im Umfang begrenztes und gut verständliches Einführungswerk in die "Theorie des Liberalismus" empfehlen? Wie Ihnen nicht verborgen geblieben sein dürfte, beschäftige ich mich mit diesen Fragen intensiver erst seit ich in diesem Forum bin, zwar interessiert (deshalb quatsche ich auch immer dazwischen ;), aber auf unzulänglicher Bildungsbasis. Würde ich gerne ändern. Danke und viele Grüße, Andreas Döding
Zitat von Erling PlaetheDer ganze Artikel soll die Liberalen in Deutschland aufrufen, ihren Widerstand gegen Steuererhöhungen aufzugeben. Es muss mehr umverteilt werden. Von den Einkommen der Bürger in die europäischen Rettungsmechanismen.
So lese ich das nicht. Straubhaar macht in dem Artikel zwar viel Wind, schlägt letztlich aber nur einen Änderung im Marketing vor: Es soll herausgestellt werden, dass liberale Lösungsansätze auch der Gerechtigkeit dienen.
Ich frage mich, welcher Gerechtigkeit? Und diese Frage wird ja nach viel Lametta am Schluss auch beantwortet:
Zitat von Thomas StraubhaarZu einer Modernisierung des Liberalismus gehört die Akzeptanz, dass Gerechtigkeit und Verteilung in einer globalisierten Weltwirtschaft ganz oben auf der politischen und gesellschaftlichen Agenda zu stehen haben.
Wenn die Liberalen mehr Gerechtigkeit wagen sollen, wie sich Herr Straubhaar ausdrückt, dann ist meine Schlussfolgerung die logische Konsequenz. Natürlich wird das alles nett verpackt, aber wer mehr wagen soll, hat im Umkehrschluss ein Defizit. Der deutsche Liberalismus ist also nicht gerecht genug. Wo könnten die Ungerechtigkeiten denn liegen?
Zitat von Thomas StraubhaarDas Verständnis eines "gerechten" Liberalismus muss sich vom Motto leiten lassen, das liberal ist, was gut bezahlte, nachhaltig sichere Arbeitsplätze schafft und – wichtiger noch – was Menschen ermächtigt, zu arbeiten.
Diesen Text, nicht nur dieses Zitat soll übersetzt werden. Wahrscheinlich will der Autor "Denkanstöße" geben. Dies hier übersetze ich mit der Forderung nach Mindestlöhnen. Wozu werden die gebraucht? Für mehr Steuereinnahmen. Und was "ermächtigt" Menschen zu arbeiten?
Zitat von Thomas StraubhaarDenn Wissen und berufliches Können sind für die meisten Deutschen das größte Vermögen und der Arbeitslohn ist bei weitem das wichtigste Einkommen. Deshalb kommt beim "gerechten" Liberalismus der Bildungs- und der Gesundheitspolitik höchste Priorität zu.
Für mich heißt das nichts anderes als Ausgabenerhöhungen und die haben immer Steuererhöhungen zur Folge. Ob dieses Geld dann für mehr Ganztagsschulen gebraucht wird, oder Kindergartenplätze, das ist beliebig. Es soll verteilt werden. Vielleicht meint er auch noch die Eingliederung der PKV in die gesetzliche Krankenversicherung, wer weiß, er sagt es nicht. Und was bleibt anderes, als zu spekulieren? Solche Artikel, die konkrete Aussagen scheuen wie der Teufel das Weihwasser, dienen der Erbauung des Schreibers. Ich entnehme dem ein hohes Maß an Anmaßung, welches mit viel Sendungsbewusstsein vorgetragen wird, was mich zu der Annahme führt, dass es sich nur um Profanes handeln kann. Was bleibt ist Gerechtigkeit und Verteilung welche ganz oben auf der Agenda stehen. Da standen sie für die Umverteiler schon immer. Meiner Ansicht nach geht es um Steuererhöhungen für den Mittelstand und die Reichen, also für die Mehrzahl der Deutschen.
Zitat von DoedingWürden Sie der obigen Aussage zustimmen?
Nein, weil ich schon die angeblich "dominante Überzeugung" in Frage stellen würde. Mir scheint, dass mittlerweile die Kritiker diejenigen sind, die Modellnahmen mit Feststellungen über die Realität verwechseln, und nicht die von ihnen Kritisierten. Auch, was mit "Marktversagen" gemeint ist, bedarf einer Präzisierung. Und nicht zuletzt ist natürlich ein "Markt", bei dem Angebot und Preis maßgeblich durch eine staatliche Institution beeinflusst werden, völlig ungeeignet für eine apodiktische, generelle Kritik an freien Märkten.
Zitat von DoedingStellt das nicht ein ganz wichtiges Prinzip liberaler Theorie der Ökonomie in Frage?
Es gibt keine "liberale Theorie der Ökonomie". Es gibt z.B. klassische, neoklassische, keynesianische, postkeynesianische, neokeynesianische, moneteristische und auch marxistische und "österreichische" Modelle. Bis auf die marxistischen und die "österreichischen" Modelle kann man m.E. mit allen hier genannten mehr oder weniger liberale und nicht-liberale Politik befürworten.Und gerade die Theorierichtung, die radikal für freie Märkte plädiert, nämlich die "österreichische", ist von "vollkommenen" und immer "effizienten" Märkten so weit entfernt wie nur sonstwas.
Zitat von DoedingUnd sie entspricht in verblüffenden Maße der gängigen Kommentarlage in SZ, ZEIT usw.
Was ja eigentlich eher dafür spricht, sie für falsch zu halten...
Zitat von DoedingUnd, falls ja, was wäre Ihre Meinung, was man daraus folgern sollte?
Da die Bedingung nicht zutrifft, muss ich ja nicht antworten. Aber ich tue es trotzdem, mal abgesehen davon, dass die Finanzmärkte unserer Tage ein wirklich unpassendes Beispiel für "freie" Märkte sind, sondern eher den Zustand des "crony capitalism" abbilden. Und zwar mit einem Zitat:
Zitat von Arnold KlingAt the University of Chicago, economists lean to the right of the economics profession. They are known for saying, in effect, “Markets work well. Use the market.” At MIT and other bastions of mainstream economics, most economists are to the left of center but to the right of the academic community as a whole. These economists are known for saying, in effect, “Markets fail. Use government.” Masonomics says, “Markets fail. Use markets.”
(Zur Erklärung: "Masonomics" für die an der George Mason University vorherrschende, liberale Richtung, wie sie z.B. in den Blogs "Marginal Revolution" und Econlog vertreten wird.)
Zitat von Doedingkönnen Sie mir ein im Umfang begrenztes und gut verständliches Einführungswerk in die "Theorie des Liberalismus" empfehlen?
Leider nein. Ich fürchte auch, *den* Liberalismus gibt es nicht. Aber ich würde vielleicht mit Milton Friedmans "Kapitalismus und Freiheit" anfangen. Und wenn es dann Richtung "österreichische" Theorie und Staatskritik gehen soll, Henry Hazlitts "Economics!". Beide Bücher sind vor allem für Nichtökonomen geschrieben und haben schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel, sind aber immer noch auf faszinierende Weise aktuell.Beiden Werken und der ökonomischen Analyse der Politik (Schumpeter, Downs, Buchanan etc.) habe ich jedenfalls den liberalen Virus zu verdanken. Von Friedman gibt es auf Youtube auch großartige Clips, in denen er jeweils zu einem brisanten Thema Stellung bezieht, auf eine unnachahmlich einnehmende und verständliche Art und Weise. Darüber hinaus ist das Netz voll von Anlaufstellen, allerdings vorwiegend englischsprachigen.
Ich bin ansonsten eher ein "Rückenmarksliberaler", wie Statler das in einem Blogbeitrag mal so schön formuliert hat: Weniger aus theoretischen Erwägungen, denn aus einer grundsätzlichen Lebenseinstellung heraus. Interessanter- und bezeichnenderweise dachte ich lange Zeit, ich wäre damit so ziemlich allein auf weiter Flur (bis auf Mitblogger Boche...). Aber das Blog "Statler & Waldorf", das es leider nicht mehr gibt, öffnete mir die Augen, und ich habe liberale und libertäre Theorie dann sozusagen "nachgeholt", aus Neugier. Wesentlich beeinflusst hat mich davon aber nur noch Hayeks Ansatz (Entdeckungsverfahren, Anmaßung von Wissen).
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat Die Finanzmarktkrise war und ist für die Marktwirtschaft und den Kapitalismus eine Zäsur. Nicht nur, dass sie die in der Ökonomik dominante Überzeugung empirisch widerlegt hat, dass auf Finanzmärkten Effizienz die Regel und Marktversagen die Ausnahme sei.
Lieber Erling Plaethe, lieber Rayson, Würden Sie der obigen Aussage zustimmen? Ich finde diese Aussage relativ zentral, quasi axiomatisch, für die weitere Argumentation Straubhaars in dem Artikel. Stellt das nicht ein ganz wichtiges Prinzip liberaler Theorie der Ökonomie in Frage? Und sie entspricht in verblüffenden Maße der gängigen Kommentarlage in SZ, ZEIT usw. Ich verstehe leider nicht genug von Ökonomie, um das beurteilen zu können. Und, falls ja, was wäre Ihre Meinung, was man daraus folgern sollte?
Mein Verständnis von Ökonomie ist laienhaft, aber das Thema interessiert mich, schliesslich betrifft es mich ja auch. Nein, ich stimme der Aussage nicht zu. Und ich bin einigermaßen verwundert über die Trennung von Marktwirtschaft und Kapitalismus, wie auch darüber, dass eine Krise eine Zäsur darstellen soll. Thomas Straubhaar stellt nicht weniger als die freie Marktwirtschaft in Frage. Eine Krise hat empirisch widerlegenden Charakter? Auf Finanzmärkten, also alle, ist Effizienz nicht die Regel und Marktversagen nicht die Ausnahme? Also sind die Finanzmärkte ineffizient und Marktversagen die Regel, wegen einer Krise, und das schon immer, hat bisher nur keiner mitbekommen, aber jetzt ist es empirisch belegt. Oder wie? Und die in der Ökonomik dominante Überzeugung, wahrscheinlich die der effizienten Finanzmärkte und die Tendenz von Märkten Angebot und Nachfrage in ein Gleichgewicht zu bringen, kann man vergessen. Seit Jahrhunderten sind die einer Chimäre gefolgt. Ein Markt funktioniert nur, wenn er von einer Aufsicht reguliert wird, sonst versagt er. Vielleicht teilt Herr Straubhaar das mal den Floh- und Schwarzmärkten dieser Welt mit. So viel Arroganz ist schwer zu ertragen.
Zitat von Doeding im Beitrag #7Noch eine persönliche Frage: können Sie mir ein im Umfang begrenztes und gut verständliches Einführungswerk in die "Theorie des Liberalismus" empfehlen? Wie Ihnen nicht verborgen geblieben sein dürfte, beschäftige ich mich mit diesen Fragen intensiver erst seit ich in diesem Forum bin, zwar interessiert (deshalb quatsche ich auch immer dazwischen ;), aber auf unzulänglicher Bildungsbasis. Würde ich gerne ändern.
"Die Partei der Freiheit" von Ralph Raico ist ein Buch über die Geschichte des Liberalismus und ist sehr klar und ohne Umschweife geschrieben. Es behandelt natürlich auch die verschiedenen Bindestrich-Liberalismen. http://docs.mises.de/Raico/die_partei_der_freiheit_raico.pdf Mich hat noch Friedrich August von Hayeks "Der Weg in die Knechtschaft" sehr beeindruckt. Wenn es philosophischer sein soll: Karl Popper "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde". Und was Rayson empfielt, ist m.E. immer lesenswert.
Zitat von Erling PlaetheWenn die Liberalen mehr Gerechtigkeit wagen sollen, wie sich Herr Straubhaar ausdrückt, dann ist meine Schlussfolgerung die logische Konsequenz.
Nur für jemanden, der in linken Kategorien denkt
Woran machst du denn fest, dass Liberale für eine ungerechte Gesellschaft mit äußerst ungleicher Verteilung eintreten? Ich zumindest tue das nicht. Im Gegenteil, ich halte sowohl das Streben nach Gerechtigkeit für wünschenswert wie auch eine breite Partizipation am Erwirtschafteten.Die liberale Gretchenfrage ist nur: Wieviel Staat soll es denn sein? Aus der Forderung, Gesundheits- und Bildungspolitik sollten Priorität besitzen, kann man m.E. logisch nicht eine Forderung nach Mehrausgaben ableiten.Ich z.B. teile Straubhaars Prioritätensetzung durchaus. In der Bildungspolitik ist aus meiner Sicht eine radikale Dezentralisierung der Leistungserbringung unbedingt erforderlich ("Bildungsgutscheine"). Warum die FDP dies bisher nicht zu ihrer offiziellen Politik gemacht hat, obwohl sie dies längst intern diskutiert, ist mir völlig schleierhaft (oder eigentlich doch nicht...). Und "Priorität" bedeutet aus meiner Sicht immer: dies mehr und anderes weniger.
Natürlich ist in einer Volkswirtschaft, in der der Beitrag von Kapital statt Arbeit immer wichtiger (und besser entlohnt) wird, auch die Frage der Verteilung zu stellen, wenn nur sehr wenige Menschen über Kapital verfügen und sich dies durch Vererbung immer weiter konzentriert. Um eine extreme Ungleichverteilung in damit auch einen Rückfall in Feudalzeiten zu verhindern, müssen möglichst viele Menschen möglichst viel Kapital erwerben. Ein Weg dahin besteht in Investitionen in Humankapital, also Bildung. Dann gäbe es noch den Weg über Investivlöhne. Und vielleicht wird man irgendwann auch den großen Fehler der umlagefinanzierten Rente beseitigen können. Gäbe es die nicht, wären viel mehr Deutsche heute Kapitalisten. Auch wenn das soziale Netz zu großzügig ist und damit keine Anreize zur Kapitalbildung bietet, trägt dies zur Ungleichverteilung bei. Also ich sehe in dieser Aufzählung lauter Ansätze für liberale Politik, die eben nicht in Mehrausgaben endet.
Man muss der linken Rhetorik, wonach Gerechtigkeits- und Verteilungsfragen für sie reserviert seien, wirklich nicht folgen. Bedenklich wird es erst, wenn z.B. bei der Gerechtigkeit das Wieselwort "sozial" ins Spiel kommt, denn dies verändert die Bedeutung in "Ergebnisgleichheit", und die ist, wie wir wissen, alles andere als liberal.
Und zur angeblichen Mindestlohnforderung (so groß können die Zeilenabstände gar nicht sein, dass man dies herauslesen muss ): Das "aber nachhaltig sicher" spricht dagegen. Der Schlüssel liegt auch hier in der Bildungspolitik, denn die führt zu höherer Produktivität, und diese wiederum ist unter allen Umständen die Voraussetzung für das zu erreichende Ziel.
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Zitat von Erling PlaetheMich hat noch Friedrich August von Hayeks "Der Weg in die Knechtschaft" sehr beeindruckt.
Stimmt, das ist auch recht knackig geschrieben. Zwar vor allem eine Sozialismus-Kritik, aus der man aber liberale Ansätze ableiten kann. Und angesichts "moderner" Umweltpolitik auch unvermittelt wieder ziemlich aktuell.Und das deutsche Werk von Raico kannte ich bisher gar nicht. Danke für den Tipp!
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Erling PlaetheWenn die Liberalen mehr Gerechtigkeit wagen sollen, wie sich Herr Straubhaar ausdrückt, dann ist meine Schlussfolgerung die logische Konsequenz.
Nur für jemanden, der in linken Kategorien denkt
Woran machst du denn fest, dass Liberale für eine ungerechte Gesellschaft mit äußerst ungleicher Verteilung eintreten?
Wieso ich?
Zitat von Rayson im Beitrag #11Im Gegenteil, ich halte sowohl das Streben nach Gerechtigkeit für wünschenswert wie auch eine breite Partizipation am Erwirtschafteten.Die liberale Gretchenfrage ist nur: Wieviel Staat soll es denn sein? Aus der Forderung, Gesundheits- und Bildungspolitik sollten Priorität besitzen, kann man m.E. logisch nicht eine Forderung nach Mehrausgaben ableiten.Ich z.B. teile Straubhaars Prioritätensetzung durchaus. In der Bildungspolitik ist aus meiner Sicht eine radikale Dezentralisierung der Leistungserbringung unbedingt erforderlich ("Bildungsgutscheine"). Warum die FDP dies bisher nicht zu ihrer offiziellen Politik gemacht hat, obwohl sie dies längst intern diskutiert, ist mir völlig schleierhaft (oder eigentlich doch nicht...). Und "Priorität" bedeutet aus meiner Sicht immer: dies mehr und anderes weniger.
Ich gehe mit dem Begriff Gerechtigkeit äußerst vorsichtig um und habe mir angewöhnt an seiner statt auszudrücken was ich darunter verstehe ohne ihn zu benutzen. Und mit Verlaub: Meine Schlussfolgerung halte ich der Logik näherstehender als die, Thomas Straubhaar setze sich für eine radikale(!) Dezentralisierung der Leistungserbringung als ein Baustein eines dieser empirisch widerlegten Modelle ein. Und ich traue der FDP zwar solche Diskussionen zu, halte aber die Umsetzung für illusorisch.
Zitat von Rayson im Beitrag #11 Natürlich ist in einer Volkswirtschaft, in der der Beitrag von Kapital statt Arbeit immer wichtiger (und besser entlohnt) wird, auch die Frage der Verteilung zu stellen, wenn nur sehr wenige Menschen über Kapital verfügen und sich dies durch Vererbung immer weiter konzentriert. Um eine extreme Ungleichverteilung in damit auch einen Rückfall in Feudalzeiten zu verhindern, müssen möglichst viele Menschen möglichst viel Kapital erwerben. Ein Weg dahin besteht in Investitionen in Humankapital, also Bildung. Dann gäbe es noch den Weg über Investivlöhne. Und vielleicht wird man irgendwann auch den großen Fehler der umlagefinanzierten Rente beseitigen können. Gäbe es die nicht, wären viel mehr Deutsche heute Kapitalisten. Auch wenn das soziale Netz zu großzügig ist und damit keine Anreize zur Kapitalbildung bietet, trägt dies zur Ungleichverteilung bei. Also ich sehe in dieser Aufzählung lauter Ansätze für liberale Politik, die eben nicht in Mehrausgaben endet.
Es gibt Menschen welche das Erbe ihrer Vorfahren aufbrauchen und es gibt welche die beginnen es neu aufzubauen. Da gibt es keine historische Gesetzmäßigkeit (keine Unterstellung, nur eine Interpretation). Ja, man sollte in sein eigenes Humankapital investieren, das lohnt sich fast immer. Aber auch hier beschleichen mich Zweifel, ob Herr Straubhaar dies gemeint hat. Investivlöhne gehen da bestimmt schon eher in seine Richtung; nur warum ich mein Geld nicht selbst anlegen kann, sehe ich einfach nicht ein. Kapitalisten braucht Deutschland nicht mehr, weil es für den Kapitalismus jetzt eine Zäsur gibt, sagt Herr Straubhaar (nicht ich). Und ihm geht es auch nicht um "alte Dogmen", wie Kapitalbildung, von den "Stammvätern der liberalen Ideologie" oder andere "wirklichkeitsferne Theorien". Um in Deutschland Kapital zu bilden brauche ich keine Anreize, mir würde schon genügen, würde es, so wie es sichtbar wird weniger Begehrlichkeiten auf Seiten des Staates wecken.
Zitat von Rayson im Beitrag #11 Man muss der linken Rhetorik, wonach Gerechtigkeits- und Verteilungsfragen für sie reserviert seien, wirklich nicht folgen. Bedenklich wird es erst, wenn z.B. bei der Gerechtigkeit das Wieselwort "sozial" ins Spiel kommt, denn dies verändert die Bedeutung in "Ergebnisgleichheit", und die ist, wie wir wissen, alles andere als liberal.
Da hast Du recht. Das muss man nicht. Aber ich nehme für mich zur Kenntnis, dass die beiden Begriffe "Gerechtigkeit" und "Verteilung" verloren sind für eine liberale Politik. Vielleicht ist das falsch, aber Du hast mich mit Deinen, wie immer, interessanten und zweifellos liberalen Ansätzen nicht vom Gegenteil überzeugen können - und von Straubhaars möglichen Affinitäten zu ihnen schon gar nicht.
Zitat von Rayson im Beitrag #11Und zur angeblichen Mindestlohnforderung (so groß können die Zeilenabstände gar nicht sein, dass man dies herauslesen muss ): Das "aber nachhaltig sicher" spricht dagegen. Der Schlüssel liegt auch hier in der Bildungspolitik, denn die führt zu höherer Produktivität, und diese wiederum ist unter allen Umständen die Voraussetzung für das zu erreichende Ziel.
"Nachhaltig sicher" ist das Gegenteil von flexibel und deutet auf Arbeitsplätze, welche so nachhaltig sind, wie subventionierte nur sein können. Die fallen dann keinen Mindestlöhnen zum Opfer, die werden gerettet.
Ich stelle fest, lieber Erling Plaethe, dass man auch mit unterschiedlichen Begriffen von Logik und diametral entgegengesetztem Textverständnis zur selben liberalen Einstellung kommen kann Aber eins sei mir noch gegönnt:
Zitat von Erling Plaethe"Nachhaltig sicher" ist das Gegenteil von flexibel und deutet auf Arbeitsplätze, welche so nachhaltig sind, wie subventionierte nur sein können. Die fallen dann keinen Mindestlöhnen zum Opfer, die werden gerettet.
"Gerettete" Arbeitsplätze gibt es so wenig wie "gerettete" Leben.Eins wie das andere ergibt bestenfalls eine Verlängerung, und das meist auch noch eine teure... Daher nochmal: "nachhaltig sicher" ist alles, was eine hohe Produktivität aufweist. Ich kenne keinen ernsthaften Ökonomen, der das anders sieht.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Erling Plaethe"Nachhaltig sicher" ist das Gegenteil von flexibel und deutet auf Arbeitsplätze, welche so nachhaltig sind, wie subventionierte nur sein können. Die fallen dann keinen Mindestlöhnen zum Opfer, die werden gerettet.
"Gerettete" Arbeitsplätze gibt es so wenig wie "gerettete" Leben.Eins wie das andere ergibt bestenfalls eine Verlängerung, und das meist auch noch eine teure... Daher nochmal: "nachhaltig sicher" ist alles, was eine hohe Produktivität aufweist. Ich kenne keinen ernsthaften Ökonomen, der das anders sieht.
Liberal soll nach Thomas Straubhaar sein, was nachhaltig sichere Arbeitsplätze schafft. Ein Arbeisplatz wie ein Baum. Eine Firma wie ein Wald. Bestehend aus Arbeitsplätzen. Fällt mal ein Arbeitsplatz, wächst ein neuer nach. In diesem Wald gibt es keine Stürme, keine Käfer und keine Feuer die ihn lichten oder zerstören, auf das an der gleichen Stelle ein neuer Wald wächst.. Es ist eine heile Welt, die des perfekten Gleichgewichts. Solch ein Gleichgewicht ist nicht real, es muss "geschaffen" werden und behütet. Geschützt vor Gefahren wie Feuer, Stürmen und Käfern. Und wenn dann trotz aller Vorsichtsmaßnahmen eintritt, was eigentlich gar nicht eintreten darf, und auf nicht intensiv genug durchgeführte Vorsorge zurückzuführen sein muss, weil es nicht anders sein kann, dann - wird gerettet. Und ja, es wird vor allem verlängert, am Leben erhalten. Nachhaltigkeit schließt Krisen aus. Sie werden am Schreibtisch von Ökonomen wie Thomas Straubhaar für beendet erklärt, ganz einfach weil das harmonischer ist. Geordneter.
Nicht die Krise ist naturgegeben, sondern die Bewirtschaftung. Und diese erfolgt durch den Staat. Die Politik sorgt für die Schaffung von Arbeitsplätzen, um sie bewirtschaften zu können. Das ist die Nachhaltigkeit von welcher m.E. bei Thomas Straubhaar die Rede ist. Ich gebe zu, lieber Rayson, letztlich ist es die Unschärfe dieses Artikels, die mich zu Interpretationen bringt, für deren Herleitung Logik nicht passend ist. Mir erscheint es nur so.
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