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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 68 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.01.2013 13:46
KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Um diese Nominierung ganz würdigen zu können, muß man wissen, wie das Grimme-Institut diesen Preis selbst beschreibt:

Zitat
Mit einem Grimme-Preis werden Fernsehsendungen und -leistungen ausgezeichnet, die für die Programmpraxis vorbildlich und modellhaft sind. (...)

Zu den Hauptmerkmalen des Grimme-Preises gehören die Breite seiner Programmbeobachtung, die Professionalität bei den Nominierungen, die Sorgfalt der Juryarbeit, weiter die Unabhängigkeit der Entscheidungen und, nicht zuletzt, das Prinzip einer umfassenden Öffentlichkeit und einer weitgehenden Begründung und Transparenz aller Entscheidungen.


Da würde ich mir wünschen, daß das "Dschungelcamp" the winner wird. Auf die Begründung der Jury freue ich mich.

DavidHarnasch Offline



Beiträge: 24

29.01.2013 14:46
#2 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

"Infantiles TV also, gezielt auf die polymorph-perversen infantilen Wünsche der Zuschauer." Auch. Aber nicht nur.

Die Prämisse der Sendung ist zunächst, dass die Friseuse und der Bankkaufmann sich selbst zu "Stars" erklären, die sie in Wirklichkeit nicht sind. Der aktuelle Gewinner Heindle absolvierte lt. Wikipedia "eine Ausbildung zum Beikoch. Die weitere Ausbildung zum Koch musste er wegen einer Handverletzung abbrechen. Im Spätsommer 2011 nahm er am Casting für die neunte Staffel von 'Deutschland sucht den Superstar' teil, wo ihm der Sprung in die Top 10 gelang und er schließlich im Frühjahr 2012 den fünften Platz erreichte. Seine erste Single 'Die ganze Welt dreht sich um dich' erreichte im Oktober 2012 Platz 94 der deutschen Singlecharts."

Dies ist die eine Kategorie Teilnehmer - und Zuschauer. Wer die Ausbildung zum Koch erfolgreich absolviert hat, amüsiert sich als Zuschauer über Heindle, der dazu nicht das Zeug hatte, aber um den Preis des Kakaerlakenverspeisens im Rampenlicht stehen will. Die meisten dieser Nicht-Stars dienen dem Publikum tatsächlich zur Abgrenzung nach unten und verschwinden nach der Show auch von der Bühne.

Interessant ist, dass Heindle sein Ziel erreicht haben dürfte. Er war als Trottel besetzt, aber die Zuschauer fanden ihn in seiner sehr einfachen und notgedrungen direkten Art so sympathisch, dass sie ihn zum Sieger wählten. Er wird, wenn er nicht furchtbar schlecht vertreten wird, im kommenden halben Jahr mehr Geld verdienen, als er das sonst in seinem ganzen Leben gekonnt hätte. Er wurde erst durch den Dschungel - naja, nicht zum "Star". Aber für einen Stammplatz in den diversen Panel-Shows des Privatfernsehens wird es locker reichen.

Dann gibt es die wirklichen früheren Stars, in dieser Staffel Helmut Berger. Im Idealfall können sie ein kleines Comeback erreichen. (John Travolta hatte dafür das Vehikel "Pulp Fiction". Heute sind es "Reality Shows".) Im Normalfall reicht es nur für Hohn und Spott, aber immerhin eine hohe Garantiegage.

Und es gibt jene Fernsehgesichter, die ihre dümpelnde "Karriere" mittels Teilnahme verlängern oder ihr neuen Schub geben. Desiree Nick war so eine, der Transvestit Olivia Jones in der aktuellen Staffel dürfte seine abrufbaren Abendgagen ebenfalls mindestens vervierfacht haben. Das Busenstarlet aus der letzten Staffel hat, wie ich von einem Veranstaltungsunternehmer erfahren habe, ihre DJ-Gage von zuvor ca. 1.000 auf derzeit 6.000 Euro abendlich verbessern können.

Was das Grimme-Institut aber bewogen haben dürfte die Show zu nominieren, ist etwas anderes: Die Moderationen sind vollgepackt mit Brancheninsiderwitzen für Fernsehschaffende und -Kritiker. Und Brancheninsider und TV-Kritiker sitzen nunmal beim Grimme-Institut in der Jury. So wie eine Folge der "Simpsons" mit ihren literarischen und filmgeschichtlichen Anspielungen Eltern und ihre Kinder aus ganz unterschiedlichen Gründen gleichermaßen amüsiert, so amüsiert das Dschungelcamp den Normalzuschauer und den Fernsehkritiker aus unterschiedlichen Gründen im gleichen Maß.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

29.01.2013 14:56
#3 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Zitat von DavidHarnasch im Beitrag #2
eine Folge der "Simpsons" mit ihren literarischen und filmgeschichtlichen Anspielungen

In der Tat ein wesentlicher Faktor.
Ich wage die Vermutung, daß mein Sohn einen großen Teil seiner (für sein Alter wohl deutlich überdurchschnittlichen) Allgemeinbildung über die Simpsons bekommen hat. Weil er nach jeder Sendung den Anspielungen durch Googlen und Nachfragen bei den Eltern nachgegangen ist.

Das Dschungelcamp habe ich bisher nicht gesehen. Und die Moderation mag ja durchaus gut sein und mit solchen Verweisen glänzen.
Aber sie ist doch wohl nur ein Nebenaspekt der Show und kann daher eigentlich eine solche Nominierung nicht rechtfertigen.

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

29.01.2013 15:58
#4 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Werter Zettel,

nachdem ich jetzt (erstmalig) das Dschungelcamp gesehen habe (nur die 2. Hälfte), fällt es mir schwer, Ihre Einschätzung zu teilen, insbesondere was die Faktoren Sadismus und Voyeurismus angeht.

Tatsächlich handelte es sich meiner Wahrnehmung mehr um eine Soap Opera mit realen Menschen, die aufgrund von Entbehrungen und Konfrontation mit im alltäglichen Leben unüblichen Herausforderungen einen kleinen Einblick darauf gewähren, was sich unterhalb der äussersten Zivilisationslackschicht befindet. Auch die sonst im Leben in der Regel nie vorkommende neutrale Beobachtersituation auf Gruppendynamiken als Aussenstehender ist äusserst interessant und aufschlussreich - selbst wenn man kein Sozialpsychologe ist. Und zwar unabhängig davon, dass in diesem und ähnlichen Formaten natürlich eine Menge gescriptet und arrangiert wird (womit die Macher des Formates ja auch kokettieren).

Ich entsinne mich gut, dass mir selber seinerzeit bei Big Brother, was die Dynamik zwischenmenschliche Konflikte angeht, eine Menge Dinge klar geworden sind, die mir vorher unbekannt und/oder unbegreiflich waren. Dieses Wissen hat meine soziale Lebensqualität jedenfalls nachhaltig erhöht (auch auf die Gefahr hin, mich mit dem in Zettels Raum eigentlich nicht satisfaktionsfähigen Bezug auf Big Brother mich hier zur persona non grata zu machen).

Es ist die Authentizität, die den Reiz dieser Art von Formaten ausmacht, für Sadisten und Voyeure dürfte es Besseres geben, der Erfolg der Sendung beruht jedenfalls mit Sicherheit nicht auf entsprechend veranlagten Zuschauern.

Im Übrigen war das, was Sonja Zietlow abgeliefert hat, meines Ermessens Weltklasse und so ziemlich mit das Beste, was ich im Deutschen Fernsehen je an Moderation gesehen habe.

Herzlichst

Frankenstein

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

29.01.2013 16:08
#5 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Zitat von R.A. im Beitrag #3
Zitat von DavidHarnasch im Beitrag #2
eine Folge der "Simpsons" mit ihren literarischen und filmgeschichtlichen Anspielungen
Das Dschungelcamp habe ich bisher nicht gesehen. Und die Moderation mag ja durchaus gut sein und mit solchen Verweisen glänzen.
Aber sie ist doch wohl nur ein Nebenaspekt der Show und kann daher eigentlich eine solche Nominierung nicht rechtfertigen.

Für mich nicht - ihre Moderation war das Beste an der Show (und wohl letztlich der entscheidende Faktor, mich an der Stange zu halten).

Eine eindrucksvolle Demonstration dessen, warum Sonja Zietlow der Job als Boeing-737-Pilotin zu langweilig war und sie folgerichtig ihren früheren Beruf an den Nagel gehängt hat um ins Show-Business zu wechseln.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.01.2013 17:22
#6 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Zitat von Frankenstein im Beitrag #4
Es ist die Authentizität, die den Reiz dieser Art von Formaten ausmacht

Sie ist ja gespielte Authentizität, lieber Frankenstein. Das Format heißt script reality. Das Drehbuch stammt von drei Profis, Jens-Oliver Haas. Micky Beisenherz und Matthias Schmitt; zwei Regisseure - Michael Maier und Markus Kleusch - dirigierten das Geschehen.

Eine Backstage-Dokum über diese Serie - das wäre sicher einmal interessant. Dürfte aber a bisserl desillusionierend wirken.

Herzlich, Zettel

PS: Im "Tagesspiegel" gab es zu Beginn der jetzigen Staffel dazu einen Artikel, in dem es hieß, daß zum Beispiel die witzigen Sprüche von Olivia Jones von Gagschreibern erdacht wurden. Ich konnte diesen Artikel jetzt aber nicht mehr auf Anhieb finden.

Herzlich, Zettel

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

29.01.2013 17:45
#7 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Zitat von Frankenstein
Es ist die Authentizität, die den Reiz dieser Art von Formaten ausmacht, für Sadisten und Voyeure dürfte es Besseres geben, der Erfolg der Sendung beruht jedenfalls mit Sicherheit nicht auf entsprechend veranlagten Zuschauern.



Es geht sicher nicht um, in diesem Sinne, "besonders Veranlagte" Zuschauer. Diese praktizieren und betrachen in der Tat anderes als das Dschungelcamp, da haben Sie recht. Das erklärt auch nicht die Quoten. Im Gegenteil, voyeurististische und sadistische Anteile haben wir wohl alle in uns, der eine mehr, die andere weniger. Diese "voyeuristischen" und "sadistischen" Anteile finden sich bei Gaffern am Rande von Unglücken und Verkehrsunfällen, bei schadenfrohen Jugendlichen, die mit dem Finger auf einen "Penner" zeigen und sich über sein Schicksal lustig machen, ihn vielleicht sogar drangsalieren.

Natürlich ist im Dschungelcamp im Unterschied zu meinen Beispielen alles "freiwillig", im Sinne von einverständniserklärt. Bei vielen spielt aber wohl nicht nur Geltungsbedürfnis, sondern auch materielle Not eine Rolle, über deren Freiwilligkeit als Motiv man zumindest streiten kann.

Nun gab es aber bisher einen relativen Konsens in der Gesellschaft, daß solche Eigenarten (Voyeurismus, Sadismus wie oben beschrieben, aber auch fehlende Bereitschaft, anderen in Notsituationen zu helfen) des Menschen zwar menschlich und in diesem Sinne "normal" sind, jedoch insgesamt unerwünscht, hinderlich und nicht gerade toll. Es taugte nicht zum Vorbild. Der "Gaffer" schämte sich, wenn er auf sein "Gaffen" angesprochen wurde, zumindest in den meisten Fällen. Man kann das "gesellschaftlichen Zwang", man kann es aber auch Zivilisation nennen. Diese gesellschaftliche Norm erodiert zunehmend, auch durch solche Sendeformate. Sie begünstigen das Abstreifen solcher zivilisatorischer "Fesseln", und man fühlt sich darin sogar bestätigt, denn der Nachbar, ja die akademische Elite, schaut ja schließlich auch.

Daß solche Normen erodieren, kann man auch daran sehen, daß "Big Brother" vor 15 Jahren noch ein Aufreger war, das Dschungelcamp ist es heute nicht nur nicht mehr, sondern es ist ein "preisverdächtiges" Format. Die Zukunftsprojektion mag sich jeder selber ausmalen. Es geht mir dabei nicht so sehr um diese konkrete Sendung, sondern darum, wie sich das Menschenbild und das Zusammenleben in dieser Gesellschaft verändern. Gehört das Christentum noch zu Deutschland? Diese Sendung ist sicher nicht Ursache dieser Veränderung, aber sie dokumentiert und v. a. legitimiert sie. Es geht mir dabei v. a. nicht um Verbotsforderungen, es gefällt mir halt nur nicht. Das werden hier viele wohlbegründet anders sehen, ich sehe es so.
Herzlichen Gruß,
Andreas Döding

DavidHarnasch Offline



Beiträge: 24

29.01.2013 17:53
#8 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Das Format hieße wenn überhaupt "Scripted Reality". Und darum handelt es sich hierbei *nicht* (ich saß beim Medienforum Mittweida zu diesem Thema auf einem Podium und erinnere mich noch sehr gut an die Abgrenzungen).

Dass Olivia Jones im Vorfeld mit Gagschreibern zusammenarbeitete, um sich mit einem Arsenal an Witzen zu bewaffnen, mag durchaus sein. Da der sie verkörpernde Schauspieler sich zur Aufgabe machte, die volle Zeit über "in der Rolle" zu bleiben, wäre das auch normaler Teil einer professionellen Vorbereitung. Die Aufgabe von Beisenherz und co. (die in der Branche als die eigentlichen "Helden" der Show gehandelt werden) besteht nicht darin, den "Stars" irgendwelche Worte in den Mund zu legen, sondern die Off-Texte sowie die Moderationen für Zietlow und Hartwich zu schreiben. Natürlich inszenieren die Regisseure und Cutter aus den gigantischen Mengen Rohmaterials halbwegs konsistente Erzählstränge (was übrigens ebenfalls eine enorme handwerkliche Leistung ist) - aber den "Stars" werden keine Handlungen vorgegeben - zumindest nicht mehr als den Teilnehmern einer politischen Talkshow. Trigema-Grupp liefert allerdings zuverlässiger, was redaktionell von ihm erwartet wird, als viele Dschungel-"Stars". (Ob dieses Jahr Berger im Vorfeld die Zusicherung bekam, nach einem Tag suspendiert zu werden, mag ich dabei nicht ausschließen.) Deshalb enttäuschen auch jedes Jahr Teilnehmer. Von "Dagobert" Arno Funke erwartete man beispielsweise mehr Konfliktpotential im Zusammenspiel mit den teilweise doch arg geistesschwachen "Mitinsassen". Dass Olivia Jones eben in ihrer Rolle blieb und der dahinterstehende Schauspieler Oliver Knöbel niemals sichtbar wurde, wurde sowohl in den Moderationen als auch von anderen Teilnehmern on air mehrfach thematisiert.

Edit: "Scripted Reality" thematisiert genau das NIE on air, was im "Dschungelcamp" permanent angesprochen und verhöhnt wird: Die Ebenen, auf denen die Protagonisten sich (zu) inszenieren (versuchen).

Da sind wir nun in der Abgrenzung zu "Scripted Reality", ideal zu sehen an der Vox-Sendung "Mieten, kaufen, wohnen". Die begann als (freilich arg anspruchs- und erkenntnisfreie) Doku und wurde dann, zunächst ohne entsprechenden Hinweis, zur "Scripted Reality Show". Statt also Menschen mit der Kamera zu begleiten, die tatsächlich eine Wohnung suchen, wurden nun Laienschauspieler abgefilmt, wie sie mehr oder weniger talentiert ihre zugewiesenen Handlungsstränge absolvieren. "Scripted Reality" wird mit der Technik und daher auch der Anmutung von Dokumentationen produziert. Die Handkamera, das Ansteckmikro und das Headlight kommen hier allerdings nicht notgedrungen zum Einsatz, um wie bei der Doko spontane Geschehnisse einfangen zu können, sondern schlicht, weil es am billigsten ist. Kombiniert wird das mit Laiendarstellern (von Schauspielern zu sprechen täte den Profis des Gewerbe unrecht), die für einen Komparsenlohn nach Anweisung agieren.

Edit II: Was "Scripted Reality" für die Sender attraktiv macht, ist der grotesk günstige Produktionsaufwand. Das Dschungelcamp hingegen ist aberwitzig teuer und war jahrelang auch kein direktes Geschäft für RTL, da kaum jemand in einem derart ekelhaften Umfeld werben wollte.
http://www.dwdl.de/interviews/37123/fran...er_die_haelfte/

Die Deutsche Form der "Scripted Reality" ist die - wie üblich bei der Kopie verschlechterte - Version der amerikanischen Mockumentary, das in der Regel aber mit echten Schauspielern und hochwertigen Drehbüchern produziert wird. http://en.wikipedia.org/wiki/Mockumentary

DavidHarnasch Offline



Beiträge: 24

29.01.2013 17:59
#9 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Einen Blick hinter die Kulissen geben übrigens auch neben den Branchenmagazinen solche Interviews:
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/dsc...uer-das-format/

Frankenstein Offline




Beiträge: 891

29.01.2013 18:05
#10 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Zitat von Zettel im Beitrag #6
Zitat von Frankenstein im Beitrag #4
Es ist die Authentizität, die den Reiz dieser Art von Formaten ausmacht

Sie ist ja gespielte Authentizität, lieber Frankenstein. Das Format heißt script reality. Das Drehbuch stammt von drei Profis, Jens-Oliver Haas. Micky Beisenherz und Matthias Schmitt; zwei Regisseure - Michael Maier und Markus Kleusch - dirigierten das Geschehen.

Eine Backstage-Dokum über diese Serie - das wäre sicher einmal interessant. Dürfte aber a bisserl desillusionierend wirken.

Herzlich, Zettel

PS: Im "Tagesspiegel" gab es zu Beginn der jetzigen Staffel dazu einen Artikel, in dem es hieß, daß zum Beispiel die witzigen Sprüche von Olivia Jones von Gagschreibern erdacht wurden. Ich konnte diesen Artikel jetzt aber nicht mehr auf Anhieb finden.

Herzlich, Zettel

Lieber Zettel,

das ist alles klar. Dennoch liefert das Format nichtsdestotrotz ein hohes, sonst im Medienbetrieb sehr selten anzutreffendes Mass an Authentizität, was zwischenmenschlichen Interaktion betrifft, und zwar unabhängig davon, dass in diesem und ähnlichen Formaten naturgemäss eine Menge gescriptet und arrangiert wird.

Die Backstage-Doku gibt es meines Wissens, selbst wenn nicht, würde ich bezweifeln, dass diese irgendwie den Unterhaltungswert der Sendung relevant beeinträchtigen würde (eher im Gegenteil).

Herzlich, Frankenstein

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.01.2013 18:09
#11 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Zitat von DavidHarnasch im Beitrag #8
Das Format hieße wenn überhaupt "Scripted Reality".

Ja, natürlich, danke!

Und da ich da ein kleines blackout hatte, konnte ich logischerweise auch den "Tagesspiegel"-Artikel nicht finden, an den ich mich erinnerte.

Hier ist er; geschrieben von Kurt Sagatz. Auszug:

Zitat
Und was fällt den Dramaturgen des Senders ein? Die Ex-Topmodel-Kandidatin Fiona Erdmann spielt Leiden auf niedrigstem Niveau. (...) Den Überblick hat derzeit nur der Transvestit aus Hamburg. Dass Georgina erneut die Dschungelprüfung absolvieren muss, kommentiert Olivia Jones mit der Bemerkung. „Gut für dich, im Hamsterrad kannst du dich auch nicht verlaufen.“ So trocken bekommen das die sonst so stilsicheren Gagschreiber in diesen Tagen nicht hin. Immerhin werden so die Grenzen von Scripted Reality erkennbar.


Ansonsten, lieber David Harnasch: Danke für die Informationen aus erster Hand!

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

29.01.2013 18:29
#12 Scripted Reality Antworten

Zitat von DavidHarnasch im Beitrag #8
Das Format hieße wenn überhaupt "Scripted Reality". Und darum handelt es sich hierbei *nicht* (ich saß beim Medienforum Mittweida zu diesem Thema auf einem Podium und erinnere mich noch sehr gut an die Abgrenzungen).

Lieber David Harnasch,

lassen Sie mich kurz meine erste Begegnung mit dem Rundfunk schildern: Ich war in der Unterprima. Unser Musiklehrer hatte früher beim Funk gearbeitet und mit einer ehemaligen Kollegin ausgemacht, daß sie mit unserer Klasse eine Sendung über "Hausmusik" machen sollte. Sie erschien mit ihrem Team, erklärte uns, was sie fragen würde und was ungefähr geantwortet werden sollte. Kurz bevor das Mikrophon eingeschaltet wurde, rief der Musiklehrer mich nach vorn und verdonnerte mich dazu, den Interviewpartner zu spielen. "Zettel, Sie können das".

Nun gut. Nur war Musik neben Sport mein schlechtestes Fach, und ich spielte kein Instrument. Aber ich entwickelte gegenüber der Redakteurin gehorsam die Vorteile der Hausmusik, ging auf ihre Probleme ("Hellhörigkeit der modernen Wohnungen") ein und so fort. Am Schluß fragte mich die Redakteurin: Und welches Instrument spielen Sie?

Tja, sollte ich jetzt das Interview schmeißen, indem ich zugab, daß mir die Hausmusik Hekuba war? Ich überlegte kurz und sagte: "Ich persönlich spiele Geige". Damit wurde ich in der Familie und der Klasse noch lange aufgezogen, zu Recht.



Ich habe dann später im Beruf öfter einmal einen Medienauftritt gehabt. Man erlebt eigentlich alles an Vorabsprachen - von dem genauen gemeinsamen Durchgehen der Themen und Fragen bis zur völligen Improvisation.

Mir erscheinen deshalb scharfe Abgrenzungen der Formate schwierig. Ich habe - ich glaube, das steht in einem der Artikel - nur die erste Sendung der jetzigen Staffel zum Teil gesehen; bis zu der ersten "Prüfung", die ich so abstoßend fand, daß ich abgeschaltet habe. Was mir auffiel, das war, daß die Rollen offenbar sofort verteilt waren. Es gab eine Teilnehmerin, die sofort zu lästern anfing; es wurden wie in einem ordentlichen Theaterstück Konflikte vorbereitet.

Gewiß gibt es kein Drehbuch mit Texten, die aufgesagt werden müssen. Aber ist es, lieber David Harnasch, nach Ihren Informationen wirklich so, daß die Regie nicht mit den Teilnehmern bespricht, wie sich wer ungefähr verhalten soll; daß man nicht Situationen und Konflikte arrangiert?

Und wenn nicht, warum nicht?

Herzlich, Zettel

DavidHarnasch Offline



Beiträge: 24

29.01.2013 19:16
#13 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

"Aber ist es, lieber David Harnasch, nach Ihren Informationen wirklich so, daß die Regie nicht mit den Teilnehmern bespricht, wie sich wer ungefähr verhalten soll;"

Strenggenommen nein, es ist Aufgabe des Castings, entsprechende Charaktere im Vorfeld zu finden .

"daß man nicht Situationen und Konflikte arrangiert?"

Das tut die Regie vor Ort und es tun die Zuschauer, die ja über die Auswahl der Prüfungsteilnehmer aktiv Konflikte schüren können und diese Möglichkeit weidlich nutzen. Und: Jeder weiß es, es wird auch laufend thematisiert. Dass eine Teilnehmerin, der ohnehin schon übel mitgespielt wurde, sich bitter bei der Regie beschwerte, dass die ihr zugesicherte Zigarettenartion ihr vorenthalten wurde, wurde ÜBERTRAGEN. Sprich: Natürlich sollte "die Zicke" zu noch unleidigerem Verhalten gebracht werden, nur wird das eben nicht hinter den Kulissen vereinbart, sondern der Manipulationsversuch dem Publikum gezeigt. Auch die "Stars" versuchen sich in diesen Konflikten so zu inszenieren, wie sie es für ihr öffentliches Bild für vorteilhaft erachten. Oft, um aus der ihnen zugedachten Rolle auszubrechen. (Im vergangenen Jahr gelang das dem bereits erwähnten Busenwunder mit Bravour.)

Lassen Sie mich auf Ihr Beispiel eingehen: Was in ihrem Musikunterricht aufgenommen wurde, fand sich im Radio als "Reportage" wieder. Dabei ist diese "Reportage", wie Sie und nun auch Ihre Leser wissen, nicht nur ein wenig für das Medium aufbereitet, sondern sie enthält eine faustdicke Lüge. Damit sind die Inszenierungen des Dschungelcamps um einiges transparenter, als ein Großteil dessen, was in journalistischen TV-Formaten als Wirklichkeit verkauft wird. Im Dschungelcamp hingegen wird *jede* Ebene der Inszenierung thematisiert und humoristisch ausgeschlachtet, bis hin zur Berichterstattung über die Sendung. Man muss die Show wahrlich nicht mögen, aber sie ist so ziemlich das ehrlichste, was im deutschen Fernsehen gezeigt wird - weil eben dessen Mechanismen zur Kenntlichkeit entstellt und karikiert werden. Auch das wird die Grimme Jury beachtet haben.

C. Offline




Beiträge: 2.639

29.01.2013 19:23
#14 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Zitat von DavidHarnasch im Beitrag #13
Man muss die Show wahrlich nicht mögen, aber sie ist so ziemlich das ehrlichste, was im deutschen Fernsehen gezeigt wird - weil eben dessen Mechanismen zur Kenntlichkeit entstellt und karikiert werden. Auch das wird die Grimme Jury beachtet haben.


Wenn das so wäre, dann hätte Daniela Katzenberger den Grimme-Preis schon lange verdient.

Der Riesling gehört zu Deutschland.

DavidHarnasch Offline



Beiträge: 24

29.01.2013 19:24
#15 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

PS: Ich steige hier so engagiert in die Diskussion ein, weil ich die Diskussion um "Scripted Reality" im eigentlichen Sinn verfolge. Die finde ich nämlich um einiges furchtbarer als das Dschungelcamp. In praktisch allen Bereichen des täglichen Lebens sorgen Produktivitätssteigerungen dafür, dass mit weniger Aufwand bessere Produkte den Weg zum Konsumenten finden. Und die Fernsehunterhaltung ist der Gegenentwurf hierzu: Wenn mit dem billigst produzierten Krawall-Schrott, der inzwischen schon auf die Abendsendeplätze vordringt bessere Quoten zu holen sind, als mit handwerklich halbwegs gut gemachter Unterhaltung, dann ist für die Zukunft in dem Bereich nichts gutes zu erwarten (das Interview mit Frank Schmid zeigt, wohin der Weg führt).

DavidHarnasch Offline



Beiträge: 24

29.01.2013 19:29
#16 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Würde Daniela Katzenberger vor laufender Kamera exzellent geschriebene Witze darüber reißen, dass sie mit dem Merchandise-Tand, der unter ihrem Namen verramscht wird, rein gar nichts zu tun hat, und dabei noch Anspielungen auf die aktuelle Nachrichtenlage sowie den Branchenklatsch unterbringen, dann wäre das so.

DavidHarnasch Offline



Beiträge: 24

29.01.2013 19:47
#17 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

EIL...EIL...EIL...EIL...
"Grimmepreis für Dschungelcamp nominiert!"

IsaWolke Offline



Beiträge: 24

29.01.2013 19:52
#18 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Passt doch. Die EU hat ja auch den Friedensnobelpreis bekommen.
Ich habe mir diese Staffel gar nicht angesehen, weil es doch immer nach demselben Muster abläuft. Mir ist das Ganze einfach zu ekelhaft. Reality-TV meinetwegen, aber beim Dschungelcamp stehen diese Ekelprüfungen im Mittelpunkt und wie gesagt Ich finde es auch nicht witzig, dass man da Känguruhoden verspeist. Schon infantil.
Ob die Teilnehmer nun Prominente oder No-Names, Stars oder sonstwas sind, interessiert mich auch nicht.

C. Offline




Beiträge: 2.639

29.01.2013 19:53
#19 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Zitat von DavidHarnasch im Beitrag #16
Würde Daniela Katzenberger vor laufender Kamera exzellent geschriebene Witze darüber reißen, dass sie mit dem Merchandise-Tand, der unter ihrem Namen verramscht wird, rein gar nichts zu tun hat, und dabei noch Anspielungen auf die aktuelle Nachrichtenlage sowie den Branchenklatsch unterbringen, dann wäre das so.


Für mich liegt die Ehrlichkeit darin, dass hier hemmungslos vermarktet wird was ein Katzenlogo tragen kann, sich davon zu distanzieren wäre einer Bitte Sonja Zietlows gleichzusetzen auf keinen Fall zum Hörer zu greifen. Die aktuelle Nachrichtenlage und den Branchenklatsch verstehen doch nur Eingeweihte. Jetzt dämmert es mir, Sie erwähnten es bereits, die Eingeweihten sitzen ja in der Jury. Ansonsten Dank für die Hintergrundinfos, auch wenn ich mit meinem Lokalpatriotismus nicht landen konnte. Vielleicht klappt es nächstes Jahr.

Der Riesling gehört zu Deutschland.

Fritz ( gelöscht )
Beiträge:

30.01.2013 17:13
#20 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Zitat von DavidHarnasch im Beitrag #15
PS: Ich steige hier so engagiert in die Diskussion ein, weil ich die Diskussion um "Scripted Reality" im eigentlichen Sinn verfolge. Die finde ich nämlich um einiges furchtbarer als das Dschungelcamp. In praktisch allen Bereichen des täglichen Lebens sorgen Produktivitätssteigerungen dafür, dass mit weniger Aufwand bessere Produkte den Weg zum Konsumenten finden. Und die Fernsehunterhaltung ist der Gegenentwurf hierzu: Wenn mit dem billigst produzierten Krawall-Schrott, der inzwischen schon auf die Abendsendeplätze vordringt bessere Quoten zu holen sind, als mit handwerklich halbwegs gut gemachter Unterhaltung, dann ist für die Zukunft in dem Bereich nichts gutes zu erwarten (das Interview mit Frank Schmid zeigt, wohin der Weg führt).


Verehrter David Harnasch,
es liegt mir fern, Sie anzugreifen, aber ich verstehe Sie einfach nicht.
Ob mit oder ohne Aufwand: Das Ergebnis ist doch das Gleiche. Ich würde mein Kind weder die Dschungelschau noch Berlin Tag und Nacht anschauen lassen. Müll ist Müll.
Im übrigen: Wie authentisch ist denn eine Sendung, wo der Dschungelsee mit Teichfolie ausgelegt ist und die Bäume z.T. aus "Pappmache" bestehen, vgl. Beitrag aus Frontal. Das fände ich allerdings noch nicht so erheblich.
Letztens stieß ich aber beim Stöbern im Internet auf einen Beitrag (habe leider vergessen wo), in dem eine ehemalige Teilnehmerin beklagte, daß die Dialoge der Campbewohner geschnitten und damit verfälscht seien, in bewußter Absicht. Im Einzelfall kann ich als Außenstehender das natürlich nicht beurteilen, aber bei Big Brother tauchten ja von mehreren Teilnehmern ähnliche Vorwürfe auf, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt.

Sie weisen auf ein Interview mit Frank Schmid hin, ich nehme an, Sie meinen das auf DWDL.de. Ich habs gelesen und finde, diese Leute zeigen schon einen leichten Anflug von Wahnsinn. Nach deren Meinung wäre der Parteitagsfilm von Riefenstahl wahrscheinlich auch schon Grimmepreiswürdig, weil er ja so toll gemacht ist.

Solche Art von Fernsehen mißachtet jegliche Moral. Es verroht die Menschen. Wann kommt wohl der erste Gladiatorenkampf, Freiwillige würden sich sicher finden.

Lieber Herr Harnisch, das meiste, was ich gerade geschrieben habe, bezog sich nicht auf Sie und Ihre Äußerungen.
Viele Grüße
Fritz

Llarian Offline



Beiträge: 7.126

30.01.2013 17:33
#21 Absolut verdient Antworten

Ich schrieb schon an anderer Stelle, dass ich das Dschungelcamp für eine ausgesprochen gelungene Show (!) halte, da hier etwas verkauft wird, dass eigentlich so gar nicht existiert. Es ist weder ein Dschungel, noch echte Gefahr und RTL dürfte die Konflikte, die sich notwendigerweise aus der Gruppendynamik ergeben, auch doch sehr deutlich betont haben. Die Moderation ist professionell bis zum I-Tüpfelchen, die Gags sind ausgesprochen gut geschrieben, sie werden sehr glaubwürdig verkauft und das Dschungelcamp nimmt sich selber, zumindest aus Sicht der Moderatoren, nicht allzu ernst. Insofern ist das Dschungelcamp durchaus vorbildlich, es ist ausgesprochen professionell aufgebaut.

Aber einen anderen Aspekt möchte ich noch aufgreifen: Nämlich den Vorwurf von Sadismus und Lust am Quälen. Nun müsste man, wenn man diesen Vorwurf ernst meinte, ihn konsequenterweise eigentlich bei nahezu jedem professionellen Sport erheben, wo sich Sportler wirklich erheblich quälen und sicher der eine oder andere darüber lachen mag, wenn ein Boxer so richtig einen draufgebraten bekommt. Unabhängig davon finde ich ihn aber auch so zutreffend nicht: Denn bei dem diesjährigen Dschungelcamp ist zumindest mir etwas aufgefallen, was ich vorher noch nicht ganz so gesehen haben: Die trauen sich was. Natürlich gibt es Ekelprüfungen, aber nahezu jede Prüfung, egal ob es um Angst, Ekel oder Überwindung ging, bedeutet für den Kandidaten eine Überwindung seiner selbst. Und das ist im Einzelfall beeindruckend. Und nötigt zumindest mir durchaus Respekt ab. Und ich finde es durchaus interessant, festzustellen, dass die Finalisten dieser Staffel allesamt zu der Gruppe gehörten, die sich in ihren Prüfungen nicht angestellt haben. Die sich überwunden haben. Die sourverän mit ihrer Angst und ihrem Ekel umgegangen sind. Offensichtlich haben das auch die Zuschauer so gesehen. Als das "Sams mit Haarverlängerung" siebenmal hintereinander in die Prüfung musste (Weltrekord !) hatte das sicher einen grossen Aspekt von Sadismus. Das aber eben selbiges Sams, obwohl sehr anstregend, erst vergleichsweise spät rausgewählt wurde, zeigt ebenso das die permanente Überwindung auch Respekt erzeugt. Ich für meinen Teil fand den diesjährigen Gewinner "Joey" durchaus zunächst eher unfreiwillig amüsant und seine Entwicklungsverzögerung hat sicher so manchen Lacher ausgelöst. Aber die Souveränität mit der er durch seine Prüfungen gegangen ist ("ach, das sind ja die Viecher") fand ich zumindest sehr bemerkenswert und frage mich dann schon, ob ich das auch so ruhig könnte.

Ich fand früher die Prüfungen eher nervig da ich die Gruppendynamik viel spannender fand. Aber unter dem Stichwort Überwindung ist das schon anders. Ich finde es immer noch eklig wenn jemand einen Wurm ist. Aber ich finde es spannend wenn jemand seinen Ekel oder seine Angst überwinden kann. Denn real betrachtet ist es ein kultureller Zufall das wir Würmer eklig finden. Insgesamt wird im Dschungelcamp nichts gezeigt was nicht andere Menschen des Planeten für das normalste von der Welt halten.

DavidHarnasch Offline



Beiträge: 24

30.01.2013 18:32
#22 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

"Müll ist Müll" - nicht in Hinblick auf die Produktionskosten. Das Dschungelcamp ist teuer in der Produktion. So teuer, dass es finanziell möglich ist, dagegen mit einem Qualitätsformat zu konkurrieren. Gegen Scripted Reality hingegen kann man nicht konkurrieren, weil es technisch nicht möglich ist, billiger zu produzieren. Das ist die die Dynamik, die mir missfällt.

"daß die Dialoge der Campbewohner geschnitten und damit verfälscht seien, in bewußter Absicht." Kürzen bedeutet zwangsläufig verfälschen. Das ist den Teilnehmern natürlich bewusst.

"Nach deren Meinung wäre der Parteitagsfilm von Riefenstahl wahrscheinlich auch schon Grimmepreiswürdig, weil er ja so toll gemacht ist." - In der Tat stellt Riefenstahls Werk ein kunstkritisches Dilemma dar: Denn dass ihr Schaffen die Bildästhetik eines ganzen Jahrhunderts geprägt hat, ist schlicht nicht zu leugnen. Dass sie es in den Dienst einer verbrecherischen Ideologie stellte, ebensowenig.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

30.01.2013 18:58
#23 RE: KKK: Grimme-Preis für "Dschungelcamp"? Antworten

Zitat von Fritz im Beitrag #20
Es verroht die Menschen. Wann kommt wohl der erste Gladiatorenkampf, Freiwillige würden sich sicher finden.


Das gibt es bereits - wenn auch mit dem Unterschied, daß es Risiko von lethalem Ausgang in Kauf genommen, aber nicht eingeplant wird: im "ultimate fighting".

http://en.wikipedia.org/wiki/Fatalities_...l_arts_contests

Das entspricht nb. - mit erheblich weniger Todesfällen - der Situation im Rennsport, bes. der Formel I & bei den 2-Rädern, wo es bis zum Ende der 60er Jahre völlig normal war, daß es 3 oder 4 tödliche Unfälle pro Saison gab, was nicht ganz unwesentlich zum thrill für die Zuschauer beigetragen haben dürfte.

Aber Sie dachten sicher an so etwas wie Wolfgang Menges Millionenspiel von 1970.

"Der Film nahm inhaltlich viele spätere Medien-Entwicklungen vorweg, z. B. Privatfernsehen, Quotenjagd, Reality-TV/Big Brother, permanente Werbeunterbrechung und grundsätzlich den Werteverfall aufgrund von TV-gesteuerter Sensationslust. Ihren Höhepunkt findet diese Entwicklung vor allem in der „Berichterstattung“ des Thilo Uhlenhorst (dargestellt von dem populären ZDF-Showmaster Dieter Thomas Heck) und seinem Außenreporterteam (ebenfalls dargestellt von bekannten Fernseh- und Sportreportern), in der die Menschenjagd wie eine Sportveranstaltung kommentiert wird."

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

30.01.2013 19:41
#24 Professionelle und andere Perspektiven Antworten

Zitat von DavidHarnasch im Beitrag #22
"Nach deren Meinung wäre der Parteitagsfilm von Riefenstahl wahrscheinlich auch schon Grimmepreiswürdig, weil er ja so toll gemacht ist." - In der Tat stellt Riefenstahls Werk ein kunstkritisches Dilemma dar: Denn dass ihr Schaffen die Bildästhetik eines ganzen Jahrhunderts geprägt hat, ist schlicht nicht zu leugnen. Dass sie es in den Dienst einer verbrecherischen Ideologie stellte, ebensowenig.

Und das scheint mir, lieber und geschätzter David Harnasch, auch hier das Problem zu sein, wenn auch in jeder Hinsicht viele Nummern kleiner.

Ich habe Ihre Beiträge mit viel Gewinn gelesen, weil Sie einen Aspekt beleuchten, der mir bis dahin nicht bewußt gewesen waren; den der professionellen Qualität. Sie können das beurteilen, ich kann es nicht. Ich verstehe naturgemäß auch Insiderscherze nicht; so, wie mir als Nicht-Cineasten, die meisten "Zitate" in Filmen entgehen.

Aber dies zugestanden - in wessen Dienst wird diese hohe Professionalität gestellt? Natürlich endet spätestens hier der Vergleich mit Riefenstahl. Aber Form als solche ist ja sozusagen nicht existenzfähig; zur Realität kommt sie erst, indem sie Inhalte tansportiert.

Das kann man nun unter zwei Perspektiven sehen. In den Diskussionen hier im kleinen Zimmer wurden meist die Akteure in den Blick genommen; mit Verweis darauf, daß sie sich das doch freiwillig antun; daß sie nicht nur das Bare wollen, sondern auch auf einen Karrieresprung hoffen usw. usw. Vorhin habe ich auf Anregung von Meister Petz hin die Aufzeichnung einer Lanz-Sendung gesehen, in der ein früherer "Dschungelkönig" (wenn ich das recht verstanden habe) sich brüstete, wie toll das gewesen sei, daß er alle diese Prüfungen durchgehalten habe, und wie er "erhobenen Hauptes" das Camp verlassen hätte.

Naja, auch der Affe, der auf dem Leierkasten seine Faxen macht, verspeist vielleicht erhobenen Hauptes am Abend seine wohlverdienten Nüsse und Bananen, ging mir dazu durch den Kopf.

Diese Perspektive interessiert mich eigentlich nicht. Mögen diese Leute sich das antun; es ist ihre Sache. Mich interessiert, warum Menschen sich so etwas ansehen; offenbar in großer Zahl. Auch nach dem, was dazu hier im Forum geschrieben wurde, habe ich das nicht verstanden.

Sie, lieber David Harnasch, mögen es sich vielleicht mit gewissermaßen professionellem Zungenschnalzen ansehen; weil Sie das Formale beurteilen können und die insider jokes genießen. Aber die meisten Zuschauer dürfte nicht das vor den TV-Kasten ziehen. Was also?

Herzlich, Zettel

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

30.01.2013 20:21
#25 RE: Absolut verdient Antworten

Zitat von Llarian
Aber einen anderen Aspekt möchte ich noch aufgreifen: Nämlich den Vorwurf von Sadismus und Lust am Quälen. Nun müsste man, wenn man diesen Vorwurf ernst meinte, ihn konsequenterweise eigentlich bei nahezu jedem professionellen Sport erheben, wo sich Sportler wirklich erheblich quälen und sicher der eine oder andere darüber lachen mag, wenn ein Boxer so richtig einen draufgebraten bekommt. Unabhängig



Lieber Llarian, meine Frau schaut begeistert Dschungelcamp, ich nicht. Wir leben dabei aber eine äußerst friedliche Koexistenz ;) Ich habe sie eben mal gefragt, was für sie der "Kick" beim Dschungelcamp ist, auf den Punkt gebracht. Antwort: "na das Fremdschämen, was sonst!?"

Das wollte ich dann genauer wissen:
Google Suche "Leistungssport+Fremdschämen" = 3200 Treffer
Google Suche "Dschungelcamp+Fremdschämen" = 81700 Treffer

Edit: (Voyeurismus + Sadismus) / Gewissensreste = Fremdschämindex

Herzlichen Gruß,
Andreas Döding

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