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Dieses Thema hat 13 Antworten
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stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

24.02.2013 12:36
Politischer Streik Antworten

Die Gewerkschaft ver.di rollt momentan eine Reihe von Streikmaßnahmen aus, die man mit einiger Berechtigung als unverhältnismäßig bezeichnen kann. Offiziell geht es wohl um bestimmte Arbeitszeit- und Schichtregelungen, nicht um Einkommensverbesserungen. Die Maßnahmen sind aber ziemlich drastisch: So soll morgen der gesamte ÖPNV in Dresden für 24 Stunden(!) lahmgelegt werden (die S-Bahn ist eine Art »Backbone«, also ohne Straßenbahnen und Busse nicht sehr viel wert).

Ich habe mich gerade damit beschäftigt. In meinen Augen ist das ein politischer Streik und eine pure Machtdemonstration:
http://stefanolix.wordpress.com/2013/02/...pnv-in-dresden/

Ich wünsche Ihnen/Euch trotzdem einen schönen Sonntag,
herzliche Grüße aus Dresden,
Stefanolix

.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

24.02.2013 14:55
#2 RE: Politischer Streik Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #1

Ich habe mich gerade damit beschäftigt. In meinen Augen ist das ein politischer Streik und eine pure Machtdemonstration:
http://stefanolix.wordpress.com/2013/02/...pnv-in-dresden/

Genau, das ist es. Der Monopolist ver.di macht seit seiner Gründung Politik. Aber es gibt noch einen anderen Aspekt:
Der Organisationsgrad der Gewerkschaften in Deutschland beträgt gerade mal 21,6%, der von ver.di sinkt ebenfalls seit Jahren.

Zitat von http://www.brandeins.de/magazin/wir-rech...chwerkraft.html
"So eine Kampagne ist gewiss Zeichen für eine gewisse Größe. Aber Größe bedeutet eben nicht immer auch Stärke."
Und so bespielt Verdi mehr denn je jenes Feld, auf dem die Organisation augenscheinlich noch Stärke demonstrieren kann - und lässt streiken. Zählten Verdi-Statistiker 2004 noch 58 000 Streiktage in den Verdi-Branchen, waren es 2005 schon 172 000 und 2006 - nach 16 Wochen Streik im öffentlichen Dienst - 1,17 Millionen Streiktage. Seit einem guten halben Jahr gibt es auf der Verdi-Website sogar Streik-TV, "die Sendung zur Arbeit". Ihr farblicher Grundton ist knallrot, zwischen die dramatischen Streicherklänge zum Sendungsauftakt mischen sich die Trillerpfeifen demonstrierender Arbeitnehmer.


ver.di streikt für sich, für neue Mitglieder.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

24.02.2013 16:53
#3 RE: Politischer Streik Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #1
Die Gewerkschaft ver.di rollt momentan eine Reihe von Streikmaßnahmen aus, die man mit einiger Berechtigung als unverhältnismäßig bezeichnen kann. Offiziell geht es wohl um bestimmte Arbeitszeit- und Schichtregelungen, nicht um Einkommensverbesserungen. Die Maßnahmen sind aber ziemlich drastisch: So soll morgen der gesamte ÖPNV in Dresden für 24 Stunden(!) lahmgelegt werden (die S-Bahn ist eine Art »Backbone«, also ohne Straßenbahnen und Busse nicht sehr viel wert).

Ich habe mich gerade damit beschäftigt. In meinen Augen ist das ein politischer Streik und eine pure Machtdemonstration:
http://stefanolix.wordpress.com/2013/02/...pnv-in-dresden/




Natürlich sind die Gewerkschaften auf ein politisches Streikrecht aus. Wir leben in einer Gesellschaft in der durch ein Zusammenspiel von Wohlfahrtsstaat und Überalterung der Gesellschaft die Erwerbstätigen bald in der deutlichen Minderheit und die Erwerbslosen in der Mehrheit seien werden. In der Zahl der Erwerbstätigen sind dann neben Arbeitnehmern auch schon die Selbstständigen und Unternehmer enthalten. Dann machen die Gewerktschaftsmitglieder auch wieder nur einen Bruchteil der Arbeitnehmer aus.

Die Arbeitnehmer sind eine Minderheit (oder werden es spätestens bald sein). Arbeitnehmer haben in diesem Land so gesehen keine demokratische Mehrheit. Ironischer Weise wird ein Grund dafür, der ausgedehnte Wohlfartsstaat, von den Gewerkschaften politisch gefordert.

Vielleicht ist das einfach nur undurchdacht. Vielleicht ist es aber auch gewollt, als gewerkschaftliche organisierter Arbeitnehmer irgendwann eine privilegierte Minderheit mit großer Macht über den Rest zu sein. Dafür muss der Rest halt abhängig gemacht und in Abhängigkeit von Transferzahlungen gehalten werden. Mit der politischen Macht können dann immer höhere Mindestlöhne gefordert werden, welche den Kreis der priveligierten weiter einschränken und die Macht weiter konzentrieren.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

"Considering the exclusive right to invention as given not of natural right, but for
the benefit of society, I know well the difficulty of drawing a line between the
things which are worth to the public the embarrassment of an exclusive patent, and
those which are not."
-Thomas Jefferson
Quelle: The Public Domain, p. 21, http://www.thepublicdomain.org/download/

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

24.02.2013 17:36
#4 RE: Politischer Streik Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #3

Natürlich sind die Gewerkschaften auf ein politisches Streikrecht aus. Wir leben in einer Gesellschaft in der durch ein Zusammenspiel von Wohlfahrtsstaat und Überalterung der Gesellschaft die Erwerbstätigen bald in der deutlichen Minderheit und die Erwerbslosen in der Mehrheit seien werden. In der Zahl der Erwerbstätigen sind dann neben Arbeitnehmern auch schon die Selbstständigen und Unternehmer enthalten. Dann machen die Gewerktschaftsmitglieder auch wieder nur einen Bruchteil der Arbeitnehmer aus.

Die Arbeitnehmer sind eine Minderheit (oder werden es spätestens bald sein). Arbeitnehmer haben in diesem Land so gesehen keine demokratische Mehrheit. Ironischer Weise wird ein Grund dafür, der ausgedehnte Wohlfartsstaat, von den Gewerkschaften politisch gefordert.

Vielleicht ist das einfach nur undurchdacht. Vielleicht ist es aber auch gewollt, als gewerkschaftliche organisierter Arbeitnehmer irgendwann eine privilegierte Minderheit mit großer Macht über den Rest zu sein. Dafür muss der Rest halt abhängig gemacht und in Abhängigkeit von Transferzahlungen gehalten werden. Mit der politischen Macht können dann immer höhere Mindestlöhne gefordert werden, welche den Kreis der priveligierten weiter einschränken und die Macht weiter konzentrieren.

Die Theorie gefällt mir. Natürlich entsteht bei immer weniger gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern die Frage nach der Existenzberechtigung von Gewerkschaften. Und die Theorie gibt auch eine Erklärung für ihren regelrechten Hass auf Freelancer.

Viele Grüße, Erling Plaethe

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

24.02.2013 18:31
#5 RE: Politischer Streik Antworten

Zitat von Techniknörgler im Beitrag #3
Natürlich sind die Gewerkschaften auf ein politisches Streikrecht aus. Wir leben in einer Gesellschaft in der durch ein Zusammenspiel von Wohlfahrtsstaat und Überalterung der Gesellschaft die Erwerbstätigen bald in der deutlichen Minderheit und die Erwerbslosen in der Mehrheit seien werden. In der Zahl der Erwerbstätigen sind dann neben Arbeitnehmern auch schon die Selbstständigen und Unternehmer enthalten. Dann machen die Gewerktschaftsmitglieder auch wieder nur einen Bruchteil der Arbeitnehmer aus.

Die Arbeitnehmer sind eine Minderheit (oder werden es spätestens bald sein). Arbeitnehmer haben in diesem Land so gesehen keine demokratische Mehrheit. Ironischer Weise wird ein Grund dafür, der ausgedehnte Wohlfartsstaat, von den Gewerkschaften politisch gefordert.

Vielleicht ist das einfach nur undurchdacht. Vielleicht ist es aber auch gewollt, als gewerkschaftliche organisierter Arbeitnehmer irgendwann eine privilegierte Minderheit mit großer Macht über den Rest zu sein. Dafür muss der Rest halt abhängig gemacht und in Abhängigkeit von Transferzahlungen gehalten werden. Mit der politischen Macht können dann immer höhere Mindestlöhne gefordert werden, welche den Kreis der priveligierten weiter einschränken und die Macht weiter konzentrieren.


Das bringt es sehr gut auf den Punkt. Es ist ein politischer Streik unter tarifpolitischem Vorwand.

Ich halte diese Aktion morgen für einen Missbrauch des normalen (angemessenen) Streikrechts. »Missbrauch« meine ich nicht im juristischen, aber im moralischen Sinne: Zwar kann jeder von uns seinen Mitmenschen den Tag schlecht machen, wenn er seine Ermessensspielräume im negativen Sinne ausnutzt. Aber wenn das jeder tut, wird das Leben für alle zur Hölle.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

24.02.2013 18:32
#6 RE: Politischer Streik Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #2
Zitat von stefanolix im Beitrag #1

Ich habe mich gerade damit beschäftigt. In meinen Augen ist das ein politischer Streik und eine pure Machtdemonstration:
http://stefanolix.wordpress.com/2013/02/...pnv-in-dresden/

Genau, das ist es. Der Monopolist ver.di macht seit seiner Gründung Politik. Aber es gibt noch einen anderen Aspekt:
Der Organisationsgrad der Gewerkschaften in Deutschland beträgt gerade mal 21,6%, der von ver.di sinkt ebenfalls seit Jahren.

Zitat von http://www.brandeins.de/magazin/wir-rech...chwerkraft.html
"So eine Kampagne ist gewiss Zeichen für eine gewisse Größe. Aber Größe bedeutet eben nicht immer auch Stärke."
Und so bespielt Verdi mehr denn je jenes Feld, auf dem die Organisation augenscheinlich noch Stärke demonstrieren kann - und lässt streiken. Zählten Verdi-Statistiker 2004 noch 58 000 Streiktage in den Verdi-Branchen, waren es 2005 schon 172 000 und 2006 - nach 16 Wochen Streik im öffentlichen Dienst - 1,17 Millionen Streiktage. Seit einem guten halben Jahr gibt es auf der Verdi-Website sogar Streik-TV, "die Sendung zur Arbeit". Ihr farblicher Grundton ist knallrot, zwischen die dramatischen Streicherklänge zum Sendungsauftakt mischen sich die Trillerpfeifen demonstrierender Arbeitnehmer.

ver.di streikt für sich, für neue Mitglieder.



Trillerpfeifen und Trommeln sind von jeher ein Signal dafür, dass der Verstand ausgeschaltet werden soll.

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

25.02.2013 08:43
#7 RE: Politischer Streik Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #4
Und die Theorie gibt auch eine Erklärung für ihren regelrechten Hass auf Freelancer.

Huch? Wo haben Sie diesen Hass denn erlebt, lieber Erling Plaethe?

Ich bin seit meinem Eintritt ins Berufsleben (damals zunächst öffentlicher Dienst) durchgehend Gewerkschaftsmitglied*) und seit Mitte der 1990er als Autor und Übersetzer nunmehr über den VS bzw. den VdÜ in der Gewerkschaft - also jetzt als Freelancer. Feindseligkeit habe ich da nie erlebt (außer bei politischen Diskussionen, die ich mir aber um der eigenen Gesundheit willen in der Regel erspare ), aber ich habe mich in Sachen Rechtsschutz und Informationsaustausch immer gut vertreten gefühlt.


-----

*) Ich halte es für unerlässlich, sich in einem Berufsverband zu organisieren - wäre ich irgendwann Arbeitgeber geworden, hätte ich mich auch im entsprechenden Arbeitgeberverband organisiert. Stichwort Rechtsschutz; gerade in den Anfangsjahren knallt es ja regelmäßig.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

25.02.2013 19:50
#8 RE: Politischer Streik Antworten

Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #7
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #4
Und die Theorie gibt auch eine Erklärung für ihren regelrechten Hass auf Freelancer.

Huch? Wo haben Sie diesen Hass denn erlebt, lieber Erling Plaethe?

Rund um das Scheinselbständigengesetz. Gern auch auch liebevoll eingewickelt und verpackt mit geheucheltem Fürsorgebedürfnis.
Letzteres gilt auch für die Zwangsmitgliedschaften welchen man als Selbständiger ausgesetzt ist.

Viele Grüße, Erling Plaethe

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

26.02.2013 06:50
#9 RE: Politischer Streik Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #8
Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #7
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #4
Und die Theorie gibt auch eine Erklärung für ihren regelrechten Hass auf Freelancer.

Huch? Wo haben Sie diesen Hass denn erlebt, lieber Erling Plaethe?

Rund um das Scheinselbständigengesetz. Gern auch auch liebevoll eingewickelt und verpackt mit geheucheltem Fürsorgebedürfnis.
Letzteres gilt auch für die Zwangsmitgliedschaften welchen man als Selbständiger ausgesetzt ist.


Das Gesetz sollte wohl eher das Klima zwischen Auftraggebern und Einzelunternehmern vergiften ;-)

Stattdessen hat es Arbeit geschaffen: für unzählige Rechtsberater und solche, die sich dafür halten. Viele Auftraggeber sichern sich bis heute mit (teils) absurden Klauseln dagegen ab, dass ein Freiberufler scheinselbständig sein könnte. Aber es gibt m. W. gar keine Behörde, die sich wirklich mit den Verträgen befasst. Wird die Einhaltung dieses Gesetzes überhaupt noch kontrolliert?

Andererseits hat man als Selbständiger ungern ein Klumpenrisiko im Portfolio seiner Auftraggeber. Aber darauf sollte man schon von selbst kommen.

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

26.02.2013 08:30
#10 RE: Politischer Streik Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #8
Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #7
Huch? Wo haben Sie diesen Hass denn erlebt, lieber Erling Plaethe?

Rund um das Scheinselbständigengesetz. Gern auch auch liebevoll eingewickelt und verpackt mit geheucheltem Fürsorgebedürfnis.
Letzteres gilt auch für die Zwangsmitgliedschaften welchen man als Selbständiger ausgesetzt ist.

Ach so, verstehe, das war abstrakter gemeint!

Scheinselbständigengesetz. Ja, das ist natürlich lästig. Aber es soll ja eben gerade die Leute schützen, die eigentlich in ein Arbeitsverhältnis gehören. Ich entstamme einer großen Arbeiterfamilie, und wenn dann Arbeitgeber plötzlich versuchen, Lastwagenfahrer, Wachmänner, Fleischergesellen und was weiß ich alles in die Selbständigkeit zu drücken, weil sie SV-Beiträge und Ausrüstungskosten sparen wollen, ist es schon gut, da einen Riegel vorzuschieben.

Als richtiger Selbständiger hat man da doch in der Regel keinen echten Ärger mit, oder? Als ich da mal überprüft wurde, damals noch als selbständiger Buchhalter, war das Problem jedenfalls schon damit erledigt, dass ich zwei Hauptauftraggeber parallel hatte, zu denen ich in die Firma ging. Jetzt, als freier Autor, überprüft mich da eh niemand, weil ich jährlich ungefähr ein Dutzend Auftraggeber habe und von meinem eigenen Büro aus arbeite.


EDIT:
Zitat von stefanolix im Beitrag #9
Andererseits hat man als Selbständiger ungern ein Klumpenrisiko im Portfolio seiner Auftraggeber. Aber darauf sollte man schon von selbst kommen.

Ja, genau. So meine ich das.

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

26.02.2013 08:50
#11 RE: Politischer Streik Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #9
Viele Auftraggeber sichern sich bis heute mit (teils) absurden Klauseln dagegen ab, dass ein Freiberufler scheinselbständig sein könnte.

Das ist dann aber der typische Panik-Schwachsinn, wie zum Beispiel im Internet diese völlig nutzlosen Link-Disclaimer oder Endlos-Impressen. Da fragt man einmal seinen Anwalt, und dann macht man's anders, nämlich richtig.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

26.02.2013 12:57
#12 RE: Politischer Streik Antworten

Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #10

Aber es soll ja eben gerade die Leute schützen, die eigentlich in ein Arbeitsverhältnis gehören.

Lieber Frank Böhmert!
Es sind Sätze wie diese, welche keinen Frohsinn in mir hervorrufen, auch wenn ich gar nicht betroffen bin. Niemand "gehört" in einer offenen Gesellschaft irgendwo hin, wo man ihn schützen soll, solange er nicht entmündigt wurde.
Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #10
Ich entstamme einer großen Arbeiterfamilie, und wenn dann Arbeitgeber plötzlich versuchen, Lastwagenfahrer, Wachmänner, Fleischergesellen und was weiß ich alles in die Selbständigkeit zu drücken, weil sie SV-Beiträge und Ausrüstungskosten sparen wollen, ist es schon gut, da einen Riegel vorzuschieben.

Und Sie wissen, dass keines von diesen in die Selbständigkeit gedrückten Opfern, evtl. gar keines Schutzes bedürfen, weil sie auf die staatliche Rundumversorgung pfeifen und das Risiko gern bereit sind einzugehen? Kann es nicht sein, dass viele dies gern selbst entscheiden und solch ein Gesetz nichts weiter als eine inakzeptable Bevormundung ist?
Der sogenannte Arbeitgeberanteil an den Sozialausgaben ist in Wahrheit der des Arbeitnehmers. Klar, diesen will der Selbständige nicht zahlen, weil er seine Absicherung, in die eigenen Hände nimmt. Deswegen ist er ja selbständig, weil er entschlossen ist, ohne Schutz auszukommen den er nicht angefordert hat.
Organisationen die anderen gegen ihren Willen einen Schutz aufdrängen, stehe ich sehr voreingenommen gegenüber.

Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #10
Als richtiger Selbständiger hat man da doch in der Regel keinen echten Ärger mit, oder?

Und wer das ist, so ein richtiger Selbständiger, legt eine Behörde fest?

Nachtrag:
Und um mal auf den Ausgang der Diskussion zurückzukommen:
Was geht das die Gewerkschaften an? Sind diese Vereine nicht dazu da, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten?

Viele Grüße, Erling Plaethe

Frank Böhmert Offline




Beiträge: 927

26.02.2013 14:00
#13 RE: Politischer Streik Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #12
Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #10
Ich entstamme einer großen Arbeiterfamilie, und wenn dann Arbeitgeber plötzlich versuchen, Lastwagenfahrer, Wachmänner, Fleischergesellen und was weiß ich alles in die Selbständigkeit zu drücken, weil sie SV-Beiträge und Ausrüstungskosten sparen wollen, ist es schon gut, da einen Riegel vorzuschieben.

Und Sie wissen, dass keines von diesen in die Selbständigkeit gedrückten Opfern, evtl. gar keines Schutzes bedürfen, weil sie auf die staatliche Rundumversorgung pfeifen und das Risiko gern bereit sind einzugehen? Kann es nicht sein, dass viele dies gern selbst entscheiden und solch ein Gesetz nichts weiter als eine inakzeptable Bevormundung ist?

Lieber Erling Plaethe, ich rede nicht abstrakt, sondern von konkreten Menschen aus meinem Familien- und Bekanntenkreis. Ich hab das doch mitgekriegt damals - da waren Pförtner auf einmal "selbständig". Aber wer nur für einen "Auftraggeber" arbeitet und sich von dem vorschreiben lässt, wo und wann und wie er zu arbeiten hat, der ist schlicht nicht selbständig, schon vom Wortsinn her. Die "inakzeptable Bevormundung" erfährt er doch durch diesen Möchtegern-Auftraggeber und nicht durch das SGB IV.

Wenn es Arbeitnehmern in meinem Umfeld passiert ist, dass sie in die Selbstständigkeit gedrückt wurden, habe ich immer gesagt:
Überleg dir, was du sein willst.
Wenn es dir gefällt, selbständig zu sein, dann mach dich jetzt auch wirklich selbständig: Such dir mehrere Auftraggeber, sorge für deine organisatorische Unabhängigkeit usw.
Wenn du aber eigentlich weiterhin abhängig beschäftigt sein willst, mit einem Chef, der für die Organisation deiner Arbeit verantwortlich ist, dann lass deine Scheinselbständigkeit feststellen.


***

Auf der anderen Seite kenne ich persönlich niemanden, ich betone: niemanden, der durch die Scheinselbständigkeitsregelung daran gehindert wurde, selbständig zu bleiben oder sich selbständig zu machen. Im Gegenteil, der Wechsel in die Selbständigkeit wurde doch parallel enorm erleichtert; es gab plötzlich Gründungszuschüsse und -kredite und alles Mögliche, wovon man in Deutschland vorher nur träumen konnte.

***

Das mal auf die Schnelle; jetzt drängelt - ich bin ja überzeugter Selbständiger - mein "innerer Arbeitgeber".

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

26.02.2013 19:57
#14 RE: Politischer Streik Antworten

Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #13

Lieber Erling Plaethe, ich rede nicht abstrakt, sondern von konkreten Menschen aus meinem Familien- und Bekanntenkreis. Ich hab das doch mitgekriegt damals - da waren Pförtner auf einmal "selbständig".

Lieber Frank Böhmert ich bezweifle ihre Erlebnisse überhaupt nicht. Nur, wenn man als Angestellter gekündigt wird, sucht man sich üblicherweise einen anderen Arbeitgeber. Wenn man für den gleichen AG mit eigenem Risiko (Haftpflichtversicherung) und ohne die Annehmlichkeiten eines Arbeitnehmers (kein Urlaubsgeld, kein Kündigungsschutz, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, usw.) Aufträge erledigt, hat man entweder kein Rückgrat oder das Vertrauensverhältnis ist noch intakt. Aber es ist eine Frage der Vertragsfreiheit wie man mit jemandem einen Vertrag ausgestaltet.
Wieso kann ein Pförtner eigentlich nicht selbständig sein?

Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #13
Aber wer nur für einen "Auftraggeber" arbeitet und sich von dem vorschreiben lässt, wo und wann und wie er zu arbeiten hat, der ist schlicht nicht selbständig, schon vom Wortsinn her.

Da gebe ich ihnen recht, nur hat das nichts mit der Anzahl der Auftraggeber zu tun, sondern damit, dass derjenige weisungsgebunden ist. Bleibt aber immer noch, dass dieser ein unternehmerisches Risiko tragen kann und ohne Aufträge, selbst wenn diese an Weisungen gebunden sind, kein Geld erhält. Übrigens gibt es auch Kunden mit ganz genauen Vorstellungen wie etwas abzulaufen und auszusehen hat, dass hier ebenfalls eine Weisung herausgelesen werden kann.
Aber beweisen muss dies nicht derjenige, dem Scheinselbständigkeit unterstellt wird, nicht mehr, muss man sagen.
Die Beweislast wurde endgültig in die Hände der Einzugsstellen und Betriebsprüfer zurückgegeben.

Zitat von Frank Böhmert im Beitrag #13
Die "inakzeptable Bevormundung" erfährt er doch durch diesen Möchtegern-Auftraggeber und nicht durch das SGB IV.

Wie gesagt, es ist ja geändert worden, eben weil es inakzeptabel war.
Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen bei denen nur für einen Auftraggeber gearbeitet wird. Von großen Unternehmen der Autozulieferindustrie über den Pächter einer Betriebskantine bis zum freien Autor.
Eigentlich ging es ja um die Gewerkschaften und ihr gestörtes Verhältnis zur Marktwirtschaft und im Speziellen zu sich verändernden Strukturen in der Arbeitswelt, wo eine hineininterpretierte Fürsorgepflicht nicht existiert und die Unterscheidung in Arbeitnehmer und Arbeitgeber immer mehr verschwindet. Arbeitnehmer werden zu Mitarbeitern und Auftragnehmern, arbeiten eigenverantwortlich und ohne Anweisungen. Arbeitgeber werden zu Partnern und Auftraggebern, die sich um die Abwicklung der Aufträge kaum noch kümmern, sondern Ergebnisse sehen wollen, welche die Kunden zufrieden stellen.
Eine Arbeit wird danach bewertet ob sie verkauft werden kann.
Das alles passt einfach nicht in die Vorstellung einer gewerkschaftlich organisierten Arbeitswelt, deren Existenzberechtigung vom Klassenkampf lebt. Die Gewerkschaften sind überholt, ihre Zeit ist mit dem Informationszeitalter abgelaufen. Und ich denke, es ist ihnen bewusst. Firmen wie Google, Apple oder Facebook haben Strukturen in denen kaum Platz ist, für den klassischen weisungsgebundenen Arbeitnehmer und eben auch kein Platz für eine Gewerkschaft.
Die Zukunft welche ich vor mir habe, kennt überhaupt keine abhängig Beschäftigten mehr, sondern nur noch freie Mitarbeiter. Und der Pförtner gehört selbstverständlich auch dazu.
Wir kommen, lieber Frank Böhmert, in dieser Frage sicher nicht auf einen Nenner, aber ich respektiere selbstverständlich Ihre Sicht.

Viele Grüße, Erling Plaethe

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