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ZETTELS KLEINES ZIMMER

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Dieses Thema hat 7 Antworten
und wurde 1.153 mal aufgerufen
 Geschichte, Philosophie, Religion
Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.08.2007 09:21
Preußen: Anmerkungen und ein paar Leseempfehlungen Antworten

Preußen beschäftigt mich schon lange; deshalb war ein Beitrag dazu eigentlich überfällig. Der jetzige wurde durch die aktuelle Titelgeschichte des "Spiegel" angeregt.

Feynman ( gelöscht )
Beiträge:

14.08.2007 13:02
#2 RE: Preußen: Anmerkungen und ein paar Leseempfehlungen Antworten

In Antwort auf:
Haffner war, professionell betrachtet, ein "Amateur- Historiker", denn promoviert hatte er in Jura. Er hat aber in vielen Jahrzehnten - beginnend schon in seiner Zeit in der Emigration, als Redakteur des "Observer" - ein historisches Wissen, ein historisches Verständnis erworben, um das ihn viele Fachhistoriker beneidet haben dürften.


Der Unterschied halt, ob jemand etwas als Beruf oder Berufung macht.

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

14.08.2007 17:02
#3 RE: Preußen: Anmerkungen und ein paar Leseempfehlungen Antworten

Lieber Feynman,

Zitat von Feynman
Der Unterschied halt, ob jemand etwas als Beruf oder Berufung macht.

Bei Haffner traf wohl beides zusammen. Außer in seinem Referendariat hat er, soviel ich weiß, nie als Jurist gearbeitet. Als sein Beruf wurde meist "Publizist" angegeben; aber man hätte ihn auch mit Fug einen Historiker nennen können.

Vermutlich gibt es - außer der Philosophie - nicht viele Fächer, in denen der Übergang zwischen den "Studierten" und den anderen so fließend ist. Golo Mann zum Beispiel, der große Historiker, hat in Philosophie promoviert und Geschichte zwar im Nebenfach studiert, aber darin nie eine Prüfung abgelegt. Der Zeithistoriker Arnulf Baring ist, wie Haffner es war, studierter Jurist.

Aus meiner Sicht ist Haffner ein sehr bedeutender Historiker gewesen, weil er eine stupende Faktenkenntnis mit der Fähigkeit verbunden hat, Zusammenhänge zu erkennen, Entwicklungslinien zu zeichnen.

In seinem eigenen politischen Urteil freilich war er schwankend. In England war er ein Liberalkonservativer; als solcher kam er nach Deutschland, ich glaube zur "Welt". Dann rückte er immer weiter nach links, wohl auch unter dem Einfluß seiner Tochter. Das schlug sich unter anderem in dem Werk über 1919 nieder, "Die verratene Revolution".

Das war aber nur eine Episode. Bald bewegte er sich wieder nach rechts und war eine Zeitlang eine regelrechte Haßfigur der Linken.

Herzlich, Zettel

Libero Offline



Beiträge: 393

14.08.2007 21:12
#4 RE: Preußen: Anmerkungen und ein paar Leseempfehlungen Antworten

Lieber Herr Zettel

zunächst Details

1. Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Ergo NICHT Bundesland Preussen
2. Haffner war auch konservativ, als er die verratene Revolution schrieb
3. Nach längerer Betrachtung der Bücher- und Bildersammlung von Friedrich II und seiner Unkenntnis der deutschen Literatur, bildenden Kunst und Musik seiner Zeit erhebe ich Einspruch gegen ihre Wertung von Friedrich II. Durch die französische Kultur geprägt, aber hochgebildet? Naja

nun zur Mark und zu Preussen

ich lebe in der Mark und kenne die meisten Orte der Wanderungen aus eigener Anschauung. Und natürlich die anderen Sehenswürdigkeiten und Denk-Würdigkeiten, über die Fontane leider nichts geschrieben hat. Wer ein Vorbild in Preussen war, weiß ich recht gut. Wenn der Tage kürzer sind, zieht es mich zu ihren Gräbern oder den Stätten, die sie hinterlassen haben. Vor Schinkel Grab, vor Linne Grab, vor Althoff Grab finden Sie mich regelmäßig. Leider haben übereifrige Touristen dafür gesorgt, das die Familie von Humboldt den Zugang zu den Humboldt Gräber sperrte. Da war ich auch früher regelmäßig. Ein schöner Ort der Stille.

Ich habe also ein sehr gesunde Beziehung zu Preussen und der Mark, die es mir ermöglicht, das Wissen um die Schattenseiten Preussen zuzulassen, ohne das meine Beziehung zu den zahlreichen Preussen, die ich schätze, darunter leidet.

Ich schätze Sebastian Haffner, den ich seit meiner Jugend gelesen habe. Ich schätze auch Günther de Bruyn kulturgeschichtlichen Bücher. Gleichwohl, Preussen war ambivalent, nicht schwarz und nicht weiss. Ob man wirklich Preussen schätzt, erkennt man daran, ob man seine Schattenseiten erträgt.

Herzlichst
Libero

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

15.08.2007 00:58
#5 RE: Preußen: Anmerkungen und ein paar Leseempfehlungen Antworten
Lieber Libero,
Zitat von Libero
1. Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Ergo NICHT Bundesland Preussen

Weil Fontane nicht durch Ostpreußen, das Klever Land, Schlesien usw. gewandert ist. In den Texten ist aber ständig von Preußen die Rede, wie auch in den beiden großen Romanen "Vor dem Sturm" und "Der Stechlin".

In Antwort auf:
2. Haffner war auch konservativ, als er die verratene Revolution schrieb

Hm, lieber Libero, haben Sie das Buch in Erinnerung oder vielleicht vorliegen? Haffner vertritt die These, daß diese Revolution eine kommunistische Räteregierung hätte hervorbringen sollen; und damit eine wirkliche soziale Revolution. "Verraten" hat nach seiner Ansicht die SPD diese kommunistische Revolution. Er hat also Ebert, Noske usw. von linksaußen kritisiert, nicht von einer konservativen Position aus.

In Antwort auf:
3. Nach längerer Betrachtung der Bücher- und Bildersammlung von Friedrich II und seiner Unkenntnis der deutschen Literatur, bildenden Kunst und Musik seiner Zeit erhebe ich Einspruch gegen ihre Wertung von Friedrich II. Durch die französische Kultur geprägt, aber hochgebildet?

Haben Sie seinen Briefwechsel mit Voltaire gelesen? Seinen Anti-Machiavell?

Was die deutsche Literatur anging - die war ja zu seiner Zeit gerade erst im Werden. Als Lessing mit der "Hamburgischen Dramaturgie" begann, war Friedrich II, sein Generationsgenosse, schon 55!

Für Friedrich war Kultur die französische Kultur; wie für die meisten seines Jahrhunderts. Lessing brachte die englische Kultur ins Spiel. Erst mit Lessing und Klopstock, dann dem "Sturm und Drang" begann eine wirkliche deutsche Literatur zu entstehen.

In Antwort auf:
Vor Schinkel Grab, vor Linne Grab, vor Althoff Grab finden Sie mich regelmäßig. Leider haben übereifrige Touristen dafür gesorgt, das die Familie von Humboldt den Zugang zu den Humboldt Gräber sperrte. Da war ich auch früher regelmäßig. Ein schöner Ort der Stille.

Wer weiß, vielleicht treffen wir uns da mal . Wir haben das - es ist allerdings schon ein paar Jahre her - nach der Wiedervereinigung auch gemacht, mit den "Wanderungen" in der Hand die Klöster, die Schlösser aufzusuchen. Erstaunlich, was alles noch genauso war, wie er es beschrieben hatte.

In Antwort auf:
Ich habe also ein sehr gesunde Beziehung zu Preussen und der Mark, die es mir ermöglicht, das Wissen um die Schattenseiten Preussen zuzulassen, ohne das meine Beziehung zu den zahlreichen Preussen, die ich schätze, darunter leidet.

Ich schätze Sebastian Haffner, den ich seit meiner Jugend gelesen habe. Ich schätze auch Günther de Bruyn kulturgeschichtlichen Bücher. Gleichwohl, Preussen war ambivalent, nicht schwarz und nicht weiss. Ob man wirklich Preussen schätzt, erkennt man daran, ob man seine Schattenseiten erträgt.


Das sehe ich exakt genauso, und besser formulieren hätte ich es auch nicht können. Eine der eindringlichsten Darstellungen der negativen Seiten - neben Kleist, der an Preußen zerbrochen ist - ist unter den Modernen Heiner Müllers Stück "Leben Gundlings von Preußen. Schlaf, Traum,Tod" (oder so ähnlich, aus dem Gedächtnis zitiert).

Nur, lieber Libero: Solange die meisten auf Preußen einprügeln, verteidige ich es erst mal. Und rede nicht auch noch meinerseits über die Schattenseiten. (Genauso halte ich es mit den USA, mit Israel).

Herzlich, Zettel
Libero Offline



Beiträge: 393

15.08.2007 10:15
#6 RE: Preußen: Anmerkungen und ein paar Leseempfehlungen Antworten

Zitat von Zettel
Lieber Libero,
[quote="Libero"] 1. Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Ergo NICHT Bundesland Preussen

Zitat von Zettel
Weil Fontane nicht durch Ostpreußen, das Klever Land, Schlesien usw. gewandert ist. In den Texten ist aber ständig von Preußen die Rede, wie auch in den beiden großen Romanen "Vor dem Sturm" und "Der Stechlin".

Das ändert nichts daran, daß der Adel und auch die Menschen eine märkische Identität hatten. Zu Preussen gehörte sie auch, aber Brandenburg Preussen zu nennen, wäre schlicht und einfach falsch.

Zitat von Libero
2. Haffner war auch konservativ, als er die verratene Revolution schrieb

Zitat von Zettel
Hm, lieber Libero, haben Sie das Buch in Erinnerung oder vielleicht vorliegen? Haffner vertritt die These, daß diese Revolution eine kommunistische Räteregierung hätte hervorbringen sollen; und damit eine wirkliche soziale Revolution. "Verraten" hat nach seiner Ansicht die SPD diese kommunistische Revolution. Er hat also Ebert, Noske usw. von linksaußen kritisiert, nicht von einer konservativen Position aus.

Das kommt darauf an, mit welcher Brille man das Buch liest. Bedauerlicherweise hat Haffner nicht ein separates Buch über 1848 und das Versagen des deutschen Bürgertums geschrieben. Eine bürgerliche Revolution wäre ihm wohl lieber gewesen. Dazu war das deutsche Bürgertum auch 1918 leider nicht in der Lage. Eine soziale Revolution, die überkommene soziale Strukturen hinwegfegt, war aber notwendig. Im Sinne von, ich bin deutscher Bürger und kein Untertan. Ebert und Noske haben tatsächlich überkommene soziale Strukturen stabilisiert, mithin den Wandel zu einer Republik behindert.

Zitat von Libero
3. Nach längerer Betrachtung der Bücher- und Bildersammlung von Friedrich II und seiner Unkenntnis der deutschen Literatur, bildenden Kunst und Musik seiner Zeit erhebe ich Einspruch gegen ihre Wertung von Friedrich II. Durch die französische Kultur geprägt, aber hochgebildet?

Zitat von Zettel
Haben Sie seinen Briefwechsel mit Voltaire gelesen? Seinen Anti-Machiavell?

Ja, aber ich habe noch mehr gelesen und ich nehme den Menschen Friedrich vielleicht vollständiger wahr.
Was vielleicht auch daran liegt, daß ich mindestens einmal im Monat in den Parks und Gebäuden von Potsdam. Sie sollten weder seinen Vater, noch seinen schwer gezeichneten Großvater unterschätzen. Ebensowenig seinen Neffen und Nachfolger. Wenn Sie mal nach König Wusterhausen kommen, da wo das Tabakkollegium und der arme Gundling gequält wurde, besuchen sie das Schloß und blicken Sie in die Bilder, die der Vater malte. Das ist keine Kunst eines Pesne, sondern eines Menschen, der sich beim Malen selbst prüfte, selbst da, wo er sich nicht selbst malte.

Zurück zu Friedrich II

1. Ich erinnere an den Müller Arnold aus Pommerzig, Kreis Crossen in der Neumark (nordöstlich von Cottbus.
2. Ich erinnere an Johann Friedrich Adolf von der Marwitz, der gegen den Befehl verstiess, Schloß Hubertusburg zu plündern "Wählte Ungnade, wo Gehorsam nicht Ehre brachte" galt für sein Handeln, auch wenn es von seinem Neffen Friedrich August Ludwig von der Marwitz und dieser es auf sich selbst münzte. Wieder Licht und Schatten. Gegen Friedrich August Ludwig von der Marwitz spricht sein Widerstand gegen die Stein-Hardenbergschen Reformen. Für Friedrich August Ludwig von der Marwitz spricht seine Adaption der Agrarreformen von Albrecht Thaer. Möglin und Friederdorf liegen ja nur wenige Kilometer auseinander. Im Unkreis liegt Neuhardenberg und andere Geschichtsträchtige Güter.

Es wird Sie vielleicht interessieren, daß sowohl in Friedersdorf als auch Groß Kreuz östlich von Brandenburg wieder Erben der Familie von der Marwitz leben. In der Komturei in Lietzen, das ist südwestlich von Neuhardenberg, lebt Gebhard Graf von Hardenberg. Fast alle genannten Orte sind sehenswert.

Zitat von Zettel
Was die deutsche Literatur anging - die war ja zu seiner Zeit gerade erst im Werden. Als Lessing mit der "Hamburgischen Dramaturgie" begann, war Friedrich II, sein Generationsgenosse, schon 55!

Sie scheinen nicht zu wissen, daß Voltaire in Potsdam versuchte, Deutsch zu lernen. Sie scheinen ebenfalls nicht zu wissen, daß die deutsche Sprache und Literatur am französischen Hofe und in den Salons häufiger ein Thema war als bei Friedrich II. Voltaire hatte einfach Angst, nicht mitreden zu können.
Zitat von Libero
Vor Schinkel Grab, vor Linne Grab, vor Althoff Grab finden Sie mich regelmäßig. Leider haben übereifrige Touristen dafür gesorgt, das die Familie von Humboldt den Zugang zu den Humboldt Gräber sperrte. Da war ich auch früher regelmäßig. Ein schöner Ort der Stille.

Zitat von Zettel
Wer weiß, vielleicht treffen wir uns da mal . Wir haben das - es ist allerdings schon ein paar Jahre her - nach der Wiedervereinigung auch gemacht, mit den "Wanderungen" in der Hand die Klöster, die Schlösser aufzusuchen. Erstaunlich, was alles noch genauso war, wie er es beschrieben hatte.

Gut möglich. Schinkels Grab ist nicht das einzige auf diesem Friedhof, das sich lohnt. Unweit ist der Friedhof der Feuerländer, der Begründer des Berliner Maschinenbaus. Bis auf Borsig, dessen Grab ist in Groß Behnitz, das sich ebenfalls lohnt. Es ist vieles wieder aufgebaut wurden. Am elegantesten sind die Gebäude geworden, die die Messerschmidt Stiftung restauierte. Ich sah Schloß Meseberg wenige Monate vor der Freigabe. Oder das Belvedere auf dem Klausberg über dem neuen Palais

Zitat von Libero
Preussen war ambivalent, nicht schwarz und nicht weiss. Ob man wirklich Preussen schätzt, erkennt man daran, ob man seine Schattenseiten erträgt.

Zitat von Zettel
Das sehe ich exakt genauso, und besser formulieren hätte ich es auch nicht können. Eine der eingdringlichsten Darstellungen der negativen Seiten Solange die meisten auf Preußen einprügeln, verteidige ich es erst mal. Und rede nicht auch noch meinerseits über die Schattenseiten. (Genauso halte ich es mit den USA, mit Israel).


Das kann man so sehen, aber man sollte gegenüber den Institutionen, die man so schützt, nicht mit Kritik sparen.
Zitat von Zettel

- ist unter den Modernen Heiner Müllers Stück "Leben Gundlings von Preußen. Schlaf, Traum,Tod" (oder so ähnlich, aus dem Gedächtnis zitiert).


Wer souverän mit Preussen umgehen kann, liest selbst Bernd Engelmann mit Gewinn.
Zitat von Zettel

neben Kleist, der an Preußen zerbrochen ist

Kleist hat sich seit seiner Kindheit mit Selbstmordgedanken beschäftigt. Den Freitod der Henriette kann ich bei ihrer Krebskrankheit noch verstehen. Aber nicht den Freitod des Heinrich von Kleist. Heinrich von Kleist war 34 und hatte Gönner, Freunde und Geschwister, denen er nicht gleichgültig war. Schwierigkeiten mit Preussen und der Zeit hatten auch andere. Andere hatten auch einen Brotberuf Novalis arbeitete im Sächsischen Bergamt, von Arnim schrieb auch Beiträge für Poggendorfs Annalen, Schinkel blieb nur das Malen. Wenn Sie seinen letzten Brief kennen, wissen sie, daß es nicht die äußeren Umstände waren. Kleist hat viel begonnen und ebensoviel abgebrochen. Zum Beispiel sein Studium der Mathematik und Physik. Er hatte Anstellungen beim Staat, die er leichtfertig aufgab.

Herzlichst
Libero

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

16.08.2007 00:45
#7 RE: Preußen: Anmerkungen und ein paar Leseempfehlungen Antworten

Lieber Libero,

diese Diskussion gefällt mir! Nur bin ich, gerade von einer kleinen Reise zurückgekommen, jetzt nicht in der Lage, gleich zu antworten.

Nur eins: KW, das Jagdschloß kenne ich ziemlich gut. Als wir das erste Mal da waren, 1990, gab es noch das Gasthaus "Zum fröhlichen Hecht", wo Fontane eingekehrt war. Noch ein paar Jahre gab es das. Und dann war's eines Jahres wech - stattdessen ein Kosmetik-Salon oder irgend sowas.

Und das Jagdschloß - in dem ist ja auch das Gericht. Vor dem wir mit dem Versuch gescheitert sind, ein Haus zurückzubekommen, das der Familie meiner Frau gehört hatte und das die Kommunisten dieser Familie gestohlen hatten; anders kann man das eigentlich nicht sagen.

Aber den jetzigen "Besitzern" konnte nicht widerlegt werden, daß sie das Haus "in gutem Glauben" erworben hatten (obwohl jeder wußte, daß es enteigneter Westbesitz gewesen war). Also behielten sie es, und wir kriegten eine lächerliche Entschädigung.

Also, lieber Libero, meine Erinnerungen an KW sind a bisserl, sagen wir, vielgestaltig.

Zum anderen, wie gesagt, demnächst mehr.

Herzlich, Zettel

Zettel Offline




Beiträge: 20.200

01.09.2007 14:33
#8 Anmerkungen zu Preußen Antworten

Lieber Libero,

Zitat von Libero
... daß der Adel und auch die Menschen eine märkische Identität hatten. Zu Preussen gehörte sie auch, aber Brandenburg Preussen zu nennen, wäre schlicht und einfach falsch.

Berlin und Brandenburg waren im 19. und 20. Jahrhundert die Kerngebiete Preußens. Das Preußen, "in" dem einmal Friedrich I. 1701 König geworden war, lag damals schon am Rande. Dorthin versetzt zu werden war für einen Beamten eine Strafe; E.T.A. Hoffmann hat darunter gelitten, zum Beispiel.

Warum also nicht "Preußen" statt "Berlin-Brandenburg"? Es wäre ein Bekenntnis zur Tradition.
Zitat von Libero
Ebert und Noske haben tatsächlich überkommene soziale Strukturen stabilisiert, mithin den Wandel zu einer Republik behindert.

Sie haben die Errichtung einer Räterepublik verhindert, vielleicht eine Entwicklung wie in der Sowjetunion. Diese war eine reale Gefahr; es gab ja schon kommunistische Bürgerkriegsarmeen in Sachsen, im Ruhrgebiet. In Bayern gab es vorübergehend eine Räte-Regierung.

Was hätten den Ebert, Noske und die anderen Demokraten in der SPD diesem Versuch der kommunistischen Machtergreifung entgegenstellen sollen, wenn nicht die Reichswehr? Wenn nicht ein Bündnis mit der Beamtenschaft des Kaiserreichs?

Haffner hat das übrigens klar gesehen. Nur verläßt ihn sein sonst so klares historisches Urteil, wenn er meint, ein Sieg der Kommunisten und der sonstigen Linksrevolutionäre hätte eine freiheitliche Republik hervorgebracht. Er hätte ein Sowjet-Regime hervorgebracht.

Zitat von Libero
Zitat von Zettel
Haben Sie seinen Briefwechsel mit Voltaire gelesen? Seinen Anti-Machiavell?
Ja, aber ich habe noch mehr gelesen und ich nehme den Menschen Friedrich vielleicht vollständiger wahr.

Können Sie das a bisserl ausführen?
Zitat von Libero
Sie sollten weder seinen Vater, noch seinen schwer gezeichneten Großvater unterschätzen. Ebensowenig seinen Neffen und Nachfolger.

Tue ich ja nicht, lieber Libero. Richtig, Friedrich Wilhelm I. war viel mehr als der "Soldatenkönig"; er war der eigentliche Begründer Preußens mit allen seinen Stärken und Schwächen. Und auch in Bezug auf den "dicken Wilhelm" bin ich ja Ihrer Meinung - er war der Friedenskönig, so wie Friedrich II. der Kriegskönig war. Der eine hat Preußen auf den Weg zur Großmacht gebracht, der andere hat es konsolidiert.
Zitat von Libero
Wenn Sie mal nach König Wusterhausen kommen, da wo das Tabakkollegium und der arme Gundling gequält wurde, besuchen sie das Schloß und blicken Sie in die Bilder, die der Vater malte. Das ist keine Kunst eines Pesne, sondern eines Menschen, der sich beim Malen selbst prüfte, selbst da, wo er sich nicht selbst malte.

Sein Selbstbildnis ist sehr eindrucksvoll - ja fast schon eine Karikatur; jedenfalls ohne jeden Versuch des Beschönigens.
Zitat von Libero
Sie scheinen nicht zu wissen, daß Voltaire in Potsdam versuchte, Deutsch zu lernen. Sie scheinen ebenfalls nicht zu wissen, daß die deutsche Sprache und Literatur am französischen Hofe und in den Salons häufiger ein Thema war als bei Friedrich II. Voltaire hatte einfach Angst, nicht mitreden zu können.

Tja, ich habe Wissenslücken, lieber Libero.

Wie weit ist Voltaire denn mit seinem Bemühen gekommen? Das einzige Deutsche, was ich von ihm gelesen habe, ist der Name Thunder-ten-Tronck (oder so ähnlich) im "Candide".

Und welche deutsche Literatur hat man denn in den französischen Salons diskutiert? Als Voltaire ab 1750 in Potsdam "weilte", waren Lessing und Klopstock junge Männer Anfang zwanzig; keines ihrer großen Werke war erschienen. Karl Philipp Moritz war noch nicht einmal geboren.
Zitat von Libero
Wer souverän mit Preussen umgehen kann, liest selbst Bernd Engelmann mit Gewinn.

Das, lieber Libero, möchte ich doch eher unter "schwarzer Humor" ablegen. Ich kenne kaum jemanden, dessen "Geschichtsschreibung" derart propagandistisch, derart auf kommunistischer Parteilinie war wie Engelmann.
Zitat von Libero
Heinrich von Kleist war 34 und hatte Gönner, Freunde und Geschwister, denen er nicht gleichgültig war. Schwierigkeiten mit Preussen und der Zeit hatten auch andere. (...) Wenn Sie seinen letzten Brief kennen, wissen sie, daß es nicht die äußeren Umstände waren. Kleist hat viel begonnen und ebensoviel abgebrochen. Zum Beispiel sein Studium der Mathematik und Physik. Er hatte Anstellungen beim Staat, die er leichtfertig aufgab.

Stimmt ja alles, lieber Libero. Wenn jemandes Leben so unglücklich verläuft, dann kommen immer viele Faktoren zusammen. Kleist hat es immer wieder sozusagen mit dem preußischen Staat versucht - als Offizier, als Beamter. Und war immer an diesem Staat gescheitert.

In der letzten Krise, die mit seinem Freitod endete, traf die preußische Zensur seine Zeitung (übrigens sehr lesenswert; es gibt einen Reprint); scheiterte sein Versuch, in die preußische Verwaltung wieder einzutreten, um seinen Lebensunterhalt zu sichern; wurde die Aufführung des "Prinz von Homburg" in Preußen verboten.



Ich vermute, lieber Libero, daß wir in der Beurteilung Preußens gar nicht so weit voneinander entfernt sind. Ich sehe ja auch die negativen Seiten dieses Staats, der im Grunde fast immer mehr wollte, als er konnte; dieses modernen Sparta, das aber eben auch Züge eines modernen Athen trug.

Nur - ich habe das ja gerade zu erklären versucht - kann man in einem Blog eben nicht alle Seiten einer Sache darstellen. Zumal, wenn er auch ein wenig ein politischer Kommentar ist.

Herzlich, Zettel

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