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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 17 Antworten
und wurde 2.320 mal aufgerufen
 Dies und Jenes
Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 182

19.03.2013 12:26
East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Wenn man(n), so wie ich, die bessere Hälfte im östlichen Teil unseres Kontinents gefunden hat, stellt man recht bald gewisse Unterschiede fest - Unterschiede, die sich überwiegend an dem festmachen, was man vielleicht mit dem Oberbegriff Sozialisation zusammenfassen könnte. Einige dieser Unterschiede möchte ich hier kurz anreissen, verbunden mit der Einladung an andere Forumsteilnehmer, ihre Erfahrungen diesbezüglich hinzuzufügen.

Männer und Frauen

Ein Feld mit m.E. sehr großen Unterschieden. Meine Frau, die nach wie vor gerne in russischen Internetforen liest, berichtet mir recht gerne über die zahllosen, bisweilen verzweifelten Einträge osteuropäischer Frauen, die es in den Westen verschlagen hat. Vielfach erleiden diese nämlich erstmal einen gewaltigen Schlag fürs Ego: kein Mann dreht sich nach ihnen um! Kein Mann versucht, sie in Bus oder Bahn anzusprechen! Dies muss für in Russland, der Ukraine oder anderen osteuropäischen Ländern aufgewachsene Frauen ein echter Schock sein - zuhause verhalten sich die Jungs ganz anders.

Wie mir meine Gattin berichtet hat, ist in ihrer Heimat der folgende Dialog zwischen zwei fremden Personen, morgens im Trolleybus auf dem Weg zur Arbeit, keinesfalls selten.

ER: "Junge Frau, Sie sehen heute hinreissend gut aus."

SIE: "Aber Sie kennen mich doch garnicht."

ER: "Das lässt sich ja schnell ändern."

BEIDE: Kichern.

Völlig harmlos, das Ganze. Man geht auseinander, sie freut sich über das Kompliment, er darüber, dass er eine Frau angesprochen hat. Wäre so ein Dialog in Deutschland denkbar? Ich glaube kaum.

Meine Frau hat mir einmal erklärt, der häufig etwas abweisend, gar hochnäsig wirkende Gesichtsausdruck vieler Frauen aus Osteuropa hinge mit dieser Sozialisation zusammen. Wenn du es nämlich eilig hast, darfst du nicht freundlich gucken oder gar lächeln, sonst wirst du garantiert in Gespräche verwickelt und aufgehalten.

Steffen Möller hat in seinem wunderbaren Buch "Viva Polonia" auch eine nette Begebenheit geschildert, die ich hier aus dem Gedächtnis zitieren möchte.

Bei einer winterlichen Bahnfahrt teilte er das Abteil mit zwei Damen mittleren Alters. Die Heizung war ausgefallen - ein Skandal, darüber waren sich alle drei rasch einig. Schließlich kam der Schaffner - Möller, bereits hinreichend mit mittel- und osteuropäischen Gepflogenheiten vertraut, wusste: nun musst du als Mann das Wort ergreifen. Also beschwerte er sich über die Kälte im Abteil. Der Schaffner blickte ihn an, blickte dann zu den beiden Damen, zurück zu Möller und sagte: "Junger Mann, wie kann Ihnen denn in so charmanter Gesellschaft kalt sein?" Die beiden Damen schmolzen dahin, von Beschwerde war keine Rede mehr.

Man stelle sich das mal in Deutschland (oder Benelux, Skandinavien, Österreich etc.) vor: undenkbar! Erstens kämen keinem ordentlichen deutschen Schaffner so ein flotter Spruch über die Lippen. Und selbst wenn, müsste er befürchten, dass eine der Damen, evtl. mit dem Hintergrund eines geisteswissenschaftlichen Studium, sich wegen Sexismus über ihn beschweren könnte.

Staatlichkeit

Zur Staatsgewalt scheinen unsere östlicheren Nachbarn ein erfrischend distanziertes Verhältnis zu haben. Man versucht nach Möglichkeit, ihr zu entgehen. Das ist bisweilen auch nachteilig: obwohl in deutschen Amtsstuben bei aller Bürokratie doch ein zumeist höflicher Tonfall herrscht, besteht meine Gattin bei jedem Amtsbesuch darauf, dass ich sie begleite. In ihrer alten Heimat sind die Umgangsformen der Beamten etwas rauher, oder härter ausgedrückt: wer ein Amt bekommt, mutiert postwendend zum - pardon - Arsch vom Dienst. Beginnt ja beides mit "A".

Dass wir Deutschen uns so brav und ohne nennenswerten Protest vom Staat in die Tasche greifen lassen, verwundert meine Frau immer wieder. Auch, dass wir selbst offenkundig hirnrissigen Verordnungen fast immer Folge leisten. Einmal hatte sie dann aber tatsächlich die Hoffnung, wir Deutschen wären doch noch ein bißchen zu gebrauchen. Im Fernsehen sah sie nämlich Bilder einer Demonstration gegen Hartz IV. "Na endlich wehren sich die Leute mal dagegen, dass der Staat ihnen dauernd per Steuern das wohlverdiente Geld wegnimmt, um es irgendwelchen Faulpelzen zu geben," sagte sie. Ich musste sie enttäuschen: "Nein, Schatz, das da sind die anderen - die Faulpelze, wenn du so willst. Die demonstrieren dafür, dass sie mehr Geld bekommen. Diejenigen, die das alles bezahlen müssen, haben vor lauter Arbeit gar keine Zeit zum Demonstrieren."

Military Skills...

Vor vier Jahren besuchte ich mit meiner Liebsten mal einen großen Freizeitpark. Dort gab es u.a. auch einen dieser Schießstände, wie man sie auch von der Kirmes kennt. Meine Frau wollte mich nun unbedingt mit einem Gewehr hantieren sehen - eine Tätigkeit, zu der ich als hochgradig kurzsichtiger Ungedienter denkbar ungeeignet bin. Dementsprechend traf ich natürlich nichts. Dann nahm Madame das Gewehr zur Hand, und ich machte große Augen: fast jeder Schuss ein Treffer! Sie griemelte, als ich sie fragte, wo sie das denn gelernt habe: "Na, in der Schule, wo sonst." Sie hatte als Teenager in einer sowjetischen Mittelschule selbstverständlich so eine Art "Wehrkundeunterricht" gehabt - dabei hatte sie u.a. auch noch gelernt, wie man eine Kalaschnikoff auseinandernimmt und wieder zusammenbaut.

Das gab mir zu denken. Was hatte ich im gleichen Alter auf einem bundesdeutschen Gymnasium gelernt? Richtig: Friedensdemos organisieren! Seitdem ist meine Verehrung für Ronald Reagan noch mal gewaltig angestiegen.

Beste Grüße,

Carlo M Dimhofen

Kaa Offline




Beiträge: 658

19.03.2013 12:39
#2 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Die russische Frau eines belgischen Kollegen erzählte, wie erstaunt sie war, als sie nach Belgien gekommen war, weil die Menschen lächelten. So wie ich sie verstanden habe, lächeln in Russland die Menschen nie.

Ich habe auch junge russische (Online) Kollegen, und bei einem Treffen vor einem Monat hatte ich den Eindruck, daß das tatsächlich stimmen kann. Sie sind sehr freundlich, höflich, bereit und fähig zu interessierten Gesprächen, mehr als die Deutschen oder Belgier, aber sie verziehen den Mund nicht zum Lächeln. Das Glück ist in den Augen und in der Stimme.


Politisch korrekt zu sein, ..., wäre, so zu tun, als könne man Hundekacke an der sauberen Seite anfassen Michael Robotham (Krimiautor)

ungelt Offline



Beiträge: 119

19.03.2013 13:26
#3 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Hallo Carlo M Dimhofen,

schöne Beobachtungen, die ich im Prinzip alle bestätigen kann. (Ich komme ja aus dem westlichsten dieser Ostländer ;-) Dieser "unterentwickelte Genderismus" und die oft beobachtbare Unbefangenheit ist immer sehr erholsam. Man kann sich dort tatsächlich noch trauen einer Frau in den Mantel zu helfen oder die Tür aufzumachen - das wird tatsächlich positiv aufgefaßt! Es gibt aber gleichzeitig auch eine Verschiebung "am anderen Ende der Skala" - der Mangel an Zurückhaltung führt teilweise auch zu ziemlich ekelhaften Erscheinungen.

Bei den Amtspersonen sind meine Beobachtungen etwas anders: man kann sowohl auf eine herzliche Freundlichkeit treffen, als auch auf diese beschriebenen Typen. Ich werde dort allerdings eher selten als Einheimischer einsortiert, was meine Beobachtungen sicher verfälscht.

Herzlich, Ungelt

jana Offline




Beiträge: 348

19.03.2013 13:54
#4 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Zitat von ungelt im Beitrag #3
Es gibt aber gleichzeitig auch eine Verschiebung "am anderen Ende der Skala" - der Mangel an Zurückhaltung führt teilweise auch zu ziemlich ekelhaften Erscheinungen.

Nur kurz & etwas OT: Warum reden sich eigentlich so viele tsch. Männer mit "Ochse-Ochse" ("vole-vole"), an? Auch wenn sie sich was erzählen, schieben sie immer wieder ihr "Ochse" ein, & das klingt dann so:

Zitat
"Stell Dir vor, Du Ochs, gestern war ich im Kino, Ochse, da lief der Film - jetzt fällt mir, Ochse-Ochse, der Name nicht ein, Du Ochs ..."

Wenn ich in meiner Heimat bin, und wieder diese Ochsen höre, muss ich mich zu meiner Emigration beglÿqÿnschen. Die hatte zwar mit den Ochsen nix zu thún, aber ...

Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 182

19.03.2013 14:25
#5 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Zitat von ungelt im Beitrag #3
Hallo Carlo M Dimhofen,

schöne Beobachtungen, die ich im Prinzip alle bestätigen kann. (Ich komme ja aus dem westlichsten dieser Ostländer ;-) Dieser "unterentwickelte Genderismus" und die oft beobachtbare Unbefangenheit ist immer sehr erholsam. Man kann sich dort tatsächlich noch trauen einer Frau in den Mantel zu helfen oder die Tür aufzumachen - das wird tatsächlich positiv aufgefaßt! Es gibt aber gleichzeitig auch eine Verschiebung "am anderen Ende der Skala" - der Mangel an Zurückhaltung führt teilweise auch zu ziemlich ekelhaften Erscheinungen.

Bei den Amtspersonen sind meine Beobachtungen etwas anders: man kann sowohl auf eine herzliche Freundlichkeit treffen, als auch auf diese beschriebenen Typen. Ich werde dort allerdings eher selten als Einheimischer einsortiert, was meine Beobachtungen sicher verfälscht.

Herzlich, Ungelt


Lieber Ungelt,

die Amtspersonen mögen in den westlichen Staaten des früheren "Ostblocks" in der Tat sehr freundlich sein - hier mag auch das Habsburger Erbe eine Rolle spielen. Bei seinerzeit (2005, 2006) noch benötigten Visa-Beantragungen meiner Frau bei tschechischen, ungarischen und polnischen Vertretungen in Deutschland haben wir die dortigen Beamten auch als sehr freundlich und hilfsbereit erlebt. Nicht unbedingt aber die Beamten bei der Passkontrolle an den jeweiligen Flughäfen - dabei mag die historische Abneigung gegen Leute aus der ehemaligen UdSSR eine Rolle gespielt haben.

In dem Heimatland meiner Frau (Teil der früheren SU) ist das häufig etwas anders. Ich konnte das z.B. erleben, als meine Frau einen neuen Pass brauchte und wir dafür in die Hauptstadt ihres (damals noch) Heimatlandes mussten. Im Freien, auf einem Hof - OK, es war Sommer und angenehm warm, im Winter wäre das komplett unzumutbar - warteten Dutzende, eher sogar Hunderte von Bürgern auf ihre neuen Papiere. Ein uniformierter Beamter, der mich von der Physiognomie her ein wenig an Don Camillo erinnerte, bewachte den Eingang zum Gebäude und brüllte regelmäßig in die Menge. Wobei, das muss ich hinzufügen, die Leute auch zurückbrüllten.

Auf einem der vielen Ämter, die meine Frau in den Tagen davor aufzusuchen hatte, hatte sie ein menschliches Bedürfnis, wurde aber von einer Beamtin ebenfalls im Brüllton darauf hingewiesen, dass die Toiletten nur für Beamte seien. Nota bene: in einer ähnlichen Notlage fragten wir einmal beim Gesundheitsministerium des Landes um Hilfe - zu unserer Überraschung wurde uns ganz freundlich erlaubt, die Toiletten zu benutzen. Es gibt also nicht nur Schreihälse in den dortigen Behörden.

Beste Grüße,

Carlo M Dimhofen

Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 182

19.03.2013 14:35
#6 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Zitat von Kaa im Beitrag #2
Die russische Frau eines belgischen Kollegen erzählte, wie erstaunt sie war, als sie nach Belgien gekommen war, weil die Menschen lächelten. So wie ich sie verstanden habe, lächeln in Russland die Menschen nie.

Ich habe auch junge russische (Online) Kollegen, und bei einem Treffen vor einem Monat hatte ich den Eindruck, daß das tatsächlich stimmen kann. Sie sind sehr freundlich, höflich, bereit und fähig zu interessierten Gesprächen, mehr als die Deutschen oder Belgier, aber sie verziehen den Mund nicht zum Lächeln. Das Glück ist in den Augen und in der Stimme.


Mein Eindruck bzgl. des "Mangels an Lächeln": Menschen aus Osteuropa lächeln und lachen wahnsinnig gerne - im familiären und wohlvertrauten Kreis. In der eher anonymen Öffentlichkeit oder gegenüber Fremden in der Tat extrem selten; da scheint es ein wenig nach dem Motto "Trau schau wem" zu gehen. Und auch in vertrauten Kreisen brauchen sie erst mal etwas länger, um warm zu werden. Als Rheinländer bin ich ja eher gewöhnt, dass man nach dem ersten Bier beim "Du" landet und spätestens nach dem fünften Bier schon quasi zur Familie gehört...

Generell scheint mir das Vertrauen und die gegenseitige Unterstützung im engen Kreis dort weitaus ausgeprägter zu sein. Das war m.E. (über-)lebensnotwendig in einem System, das seinen Untertanen alles abverlangte (oder es zumindest versuchte), andererseits kaum etwas für sie tat. Im Heimatdorf meiner Frau hatte es die "ruhmreiche Sowjetunion" bis zum Ende nicht vermocht, den Leuten eine Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung zu verschaffen. Bei einem solchen System wundert es wenig, dass meine Schwiegermutter früher am Backtag weitaus mehr Brot buk, als es für die Familie nötig gewesen wäre. Die anderen Brote waren für die Nachbarn, die ihrerseits genauso handelten, so dass in der Nachbarschaft jede Familie möglichst oft frisches Brot hatte.

Beste Grüße,

Carlo M Dimhofen

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.253

19.03.2013 14:52
#7 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Zitat von jana im Beitrag #4
Nur kurz & etwas OT: Warum reden sich eigentlich so viele tsch. Männer mit "Ochse-Ochse" ("vole-vole"), an? Auch wenn sie sich was erzählen, schieben sie immer wieder ihr "Ochse" ein, & das klingt dann so:

Warum fast alle, auch alte Männer dieses »vole« benutzen, konnte mir bisher niemand beantworten. Aber in einer Kneipe zur vorgeryckten Stunde scheint ein »vole kurva, wo ist mein Bier vole« völlig normal zu seyn und niemand ist »nasraný«.
Beispielvideo zu »vole« und „Schlimmerem“.

--
Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

19.03.2013 14:58
#8 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Zitat von Carlo M Dimhofen
Mein Eindruck bzgl. des "Mangels an Lächeln": Menschen aus Osteuropa lächeln und lachen wahnsinnig gerne - im familiären und wohlvertrauten Kreis. In der eher anonymen Öffentlichkeit oder gegenüber Fremden in der Tat extrem selten; da scheint es ein wenig nach dem Motto "Trau schau wem" zu gehen.



Lieber Carlo M Dimhofen, so ähnlich hat mir das auch einmal ein Russe erklärt. Es scheint eine absurde Vorstellung zu sein, daß z. B. eine Bedienung im Restaurant einen Gast anlächelt. Er hat das dann sinngemäß so erklärt: Es gibt einfach keinen Grund zu lächeln; Lächeln hat eine Bedeutung zwischen Menschen, und dieser (Gast) bedeutet ihr nichts. Unter vorgehaltener Hand sagte er dann noch Deftiges über die Neigung von Amerikanern, alles und jeden anzulächeln und erklärtermaßen zu "lieben", aber das ist hier nicht zitationsfähig.

Herzlichen Gruß
Andreas Döding

jana Offline




Beiträge: 348

19.03.2013 15:17
#9 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Zitat von Uwe Richard im Beitrag #7
Warum fast alle, auch alte Männer dieses »vole« benutzen, konnte mir bisher niemand beantworten.

Ach - Sie haben schon mal recherchiert? *staun!*

Zitat
Aber in einer Kneipe zur vorgeryckten Stunde scheint ein »vole kurva, wo ist mein Bier vole« völlig normal zu seyn und niemand ist »nasraný«.Beispielvideo zu »vole« und „Schlimmerem“.


Huch - was denken wohl jetzt die anderen hier íbr die Tschechen, vole kurva?

Nola Offline



Beiträge: 1.719

19.03.2013 15:30
#10 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Hallo Jana, "kurva" das kenn ich, habe ich von einem Nachbarn des öfteren gehört. Mal lacht er dabei, aber nicht immer

♥lich Nola

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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 13.551

19.03.2013 15:55
#11 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Zitat http://www.tschechien-online.org/modules...wcontent&id=329
___________
Besonders häufig fällt da ein Ausdruck: "ty vole!", deutsch etwa "du Ochse!". Die eher triviale wörtliche Bedeutung hat mit der Verwendung jedoch wenig zu tun. "Ty vole!" kann, je nach Betonung, eine ganze Reihe von Stimmungen wiedergeben: Empörung , Verwunderung , Enttäuschung , aber beispielsweise auch Freude und sogar Anerkennung .*

Manche Sprecher empfinden den Ausdruck als zu lang, zerhacken ihn und mengen ihn ihrem Redefluss bei, nach Bedarf als flüchtiges "tyo!" (Erstaunen) oder "vole!" (Emphase). Dass auch in weiblichen Gesprächen, vorwiegend freilich unter pubertierenden Mädchen**, öfters "(ty) vole!" fällt, könnte als Verweigerung vulgärsprachlicher Emanzipation gelten: ebenso gut ließe sich das weibliche Äquivalent verwenden, "ty krávo!" (du Kuh!)
_________

* Piktogramme dienen der Erleichterung internationaler Kommunikation.
** wohl eher kulturübergreifend, eher alterspezifisch. Vor kurzem im Bus eine ca. 12-jährige Landtochter zur Besten Freundin über eine nichtanwesende Lehrerin: "Also, die Alte geht mir dermaßen auf den Sack..."

Uwe Richard Offline



Beiträge: 1.253

19.03.2013 16:10
#12 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Zitat von jana im Beitrag #9
Zitat von Uwe Richard im Beitrag #7
Warum fast alle, auch alte Männer dieses »vole« benutzen, konnte mir bisher niemand beantworten.

Ach - Sie haben schon mal recherchiert? *staun!*

Natürlich hatte ich schon vorher (vor ca. zwei Jahren) Monteure aus Brno, Kyjov und Skalica ausgefragt, was dieses ständige »vole« zu bedeuten habe. Eine vernünftige Antwort konnte mir allerdings keiner geben.

Zitat von jana im Beitrag #9

Zitat
Aber in einer Kneipe zur vorgeryckten Stunde scheint ein »vole kurva, wo ist mein Bier vole« völlig normal zu seyn und niemand ist »nasraný«.Beispielvideo zu »vole« und „Schlimmerem“.

Huch - was denken wohl jetzt die anderen hier íbr die Tschechen, vole kurva?


Andere Länder, andere (sprachliche) Sitten, möchte ich vermuten.

--
Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard

jana Offline




Beiträge: 348

19.03.2013 16:41
#13 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Zitat von Nola im Beitrag #10
Hallo Jana, "kurva" das kenn ich, habe ich von einem Nachbarn des öfteren gehört. Mal lacht er dabei, aber nicht immer

Kurva klingt aber auch echt kernig - zumal man das RRRRRRRR so schön rrrrollen lassen kann, nicht wahr? ... Die Schweizer haben, immerhin, das Adjektiv "huere" - auch nicht schlecht, wenn auch etwas sehr mild ... (Na ja, Schweizer halt

jana Offline




Beiträge: 348

19.03.2013 16:54
#14 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Ulrich Elkmann & Uwe Richard:
Nett, dass Sie die Tschechen so wohlwollend betrachten - auch, wenn sie's gar nicht verdient hábm, diese Ochsen.

Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 182

19.03.2013 17:21
#15 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Zitat von jana im Beitrag #9

Huch - was denken wohl jetzt die anderen hier íbr die Tschechen, vole kurva?


Halb so wild. Die Russen z.B. können auch fluchen wie die Droschkenkutscher - einen Teil meines (bescheidenen) Russisch-Vokabulars besteht aus recht kernigen Flüchen, die ich meiner Frau beim Computerspielen abgehört habe...

Noch heftiger sind aber, wenn auch OT, m.W. die Spanier. Mein erstes Projekt in meiner Firma führte mich u.a. für zwei Monate nach Madrid - nun sind meine Spanisch-Kenntnisse nicht viel besser als mein Russisch, aber die Schimpfworte gehören auch hier zu meinem Vokabular. Und so bekam ich dann in einigen Businessmeetings rasch mit, dass dort extrem geflucht wurde, auch von der Teilprojektleiterin, einer gebildeten und eleganten Dame. Regelmässig zu hören waren z.B. die Worte "joder" und "coño" - was die auf Deutsch bedeuten, soll bitte jeder selber über Google rausfinden... ;-)

Ich fragte dann einen spanischen Kollegen, ob die Teilnehmer dauernd miteinander stritten. Nein, erklärte er, das sei in Spanien ganz normal.

Er lachte dann schallend und nickte, als ich mutmaßte, die spanische Nation leide vielleicht kollektiv unter Tourette-Syndrom...

Beste Grüße,

Carlo M Dimhofen

Carlo M Dimhofen Offline



Beiträge: 182

19.03.2013 18:50
#16 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Ach, ein netter Unterschied fällt mir gerade noch ein:

Geschlechterklischees im Schulunterricht

Das ist schon fast ein Thema für Alice Schwarzer... Meine Frau hat Mitte der 80er Jahre ihren Mittelschulabschluss gemacht. Zur Zeit der Pubertät wurde die Klasse regelmäßig nach Geschlechtern getrennt unterrichtet - ich weiss nicht mal, wie dieses Fach hiess, oder wie man es benennen könnte.

Die weibliche Hälfte der Klasse lernte z.B.: Kochen, Backen, Nähen, aber auch Schminken, sich hübsch machen, Krawattenknoten binden! Jaaa, das war in der SU wohl Sache der Frau: dafür zu sorgen, dass der Gatte später mal adrett aus dem Haus ging.

Was lernten die Jungs in der Zeit: hauptsächlich Traktor fahren, Traktor reparieren (meine Frau ist in einem Dorf großgeworden), andere Geräte reparieren, eventuell auch - ich spekuliere hier - Mädchen angraben. Trekker fahren und graben sind ja nicht so weit auseinander...

Man stelle sich das mal in Deutschland vor... Gab es sowas auch in Tschechien?

Irgendwo habe ich mal die interessante Schilderung des Gesprächs zwischen einer (EDIT: deutschen) Mutter zweier Söhne und deren Grundschullehrerin gelesen. Die Autorin - der Name ist mir leider nicht mehr geläufig - hatte sich daran gestört, dass im "Werkunterricht" oder wie immer das heisst grundsätzlich nur gehäkelt oder gestrickt wurde. (Ich entsinne mich gerade, das gab's an meiner Grundschule auch - und ich habe es gehasst!) Zurück zum Thema, die Jungs der besagten Mutter - vermutlich so wie ich eben männliche Grobmotoriker - mochten diesen Unterricht nicht, und ihre Mutter regte der Lehrerin gegenüber an, sie könnte doch turnusmäßig zwischen eher "weiblichen" Tätigkeiten wie eben Häkeln, und eher "männlichen" wie z.B. Bastelarbeiten mit Holz oder Metall wechseln.

Das kam der Pädagogin nun aber so was von nicht in die Tüte - es sei ja gar nicht einzusehen, dass die Jungs im Schulunterricht ihren Hobbys nachgehen. Den Einwand der Mutter, auch die Mädchen hätten ja später was davon, wenn sie selber mal im Haus anfallende Reparaturen übernehmen könnten, wies die Lehrerin weit von sich. Für sowas sei dann ja wohl später der Mann im Hause zuständig, und es wäre ja wohl völlig unverschämt, Mädchen dazu zu zwingen, Männerarbeit zu übernehmen...

Kann man sich einen russischen, ukrainischen, moldawischen etc. Jungen beim Häkeln vorstellen? Ich habe gerade meinen Neffen - im typischen Teenageralter - gedanklich vor mir.

NO F... WAY!

Beste Grüße,

Carlo M Dimhofen

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

19.03.2013 19:08
#17 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Zitat von Carlo M Dimhofen im Beitrag #16
Irgendwo habe ich mal die interessante Schilderung des Gesprächs zwischen einer (EDIT: deutschen) Mutter zweier Söhne und deren Grundschullehrerin gelesen. Die Autorin - der Name ist mir leider nicht mehr geläufig - hatte sich daran gestört, dass im "Werkunterricht" oder wie immer das heisst grundsätzlich nur gehäkelt oder gestrickt wurde. (Ich entsinne mich gerade, das gab's an meiner Grundschule auch - und ich habe es gehasst!) Zurück zum Thema, die Jungs der besagten Mutter - vermutlich so wie ich eben männliche Grobmotoriker - mochten diesen Unterricht nicht, und ihre Mutter regte der Lehrerin gegenüber an, sie könnte doch turnusmäßig zwischen eher "weiblichen" Tätigkeiten wie eben Häkeln, und eher "männlichen" wie z.B. Bastelarbeiten mit Holz oder Metall wechseln.

Bei uns, in meiner DDR-POS, gab es das Fach Nadelarbeit (fakultativ), in welchem in zwei Gruppen angetreten wurde. Eine lernte stricken und häkeln und solche Sachen, die andere erlernte die praktischen Dinge wie Socken stopfen, Knöpfe annähen, neue Schlüppergummis einziehen und Reißverschlüsse auswechseln.
Die Kreativabteilung war dabei fast komplett mit Mädchen bestückt und die praktischen Fähigkeiten wurden fast ausschließlich von den Jungs trainiert. Die Eltern wirkten da nachdrücklich darauf hin, weil es den Jungs später in der Nationalen Volksarmee helfen sollte ihre Uniformen in Schuss zu halten.

Andere Zeiten damals.

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

ungelt Offline



Beiträge: 119

19.03.2013 19:24
#18 RE: East is East and West is West - Unterschiede "westeuropäischer" und "osteuropäischer" Sozialisation Antworten

Zitat
Gab es sowas auch in Tschechien?


Also ich mußte in der Grundschule in den Fünfzigern (im tiefsten Stalinismus also) so ein Nähzeug-Aufbewahrungsteil sticken. Ich konnte mich später regelmäßig an dieser Kreation "erfreuen", weil es meine Mutter ab diesem Zeitpunkt bis zu ihrem Tod benutze.

Dabei fällt mir aber auf - da haben doch tatsächlich der Stalinismus und der Genderismus gemeinsame Merkmale - oder genauer gesagt - der Genderismus ist in seinem Kern stalinistisch!

Später, auf der Maschinenbau-Mittelschule in den Sechzigern, durften die Buben an der Drehbank, Fräsmaschine usw. arbeiten, wobei die wenigen Mädchen in der Regel von der anderen Seite der Maschine mit einem Pinsel und einer Dose Öl-/Wasseremulsion für die richtigen Zerspanungsbedingungen sorgten. Beide Seiten waren dabei mit den jeweils zugeteilten Aufgaben sehr einverstanden!

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