Ein Blick auf ein interessantes Interview, eine ebenso interessante Dissertation und eine Studie die kaum jemanden verwundern wird, aber den Kern des Problems mit dem Euro aufzeigt.
Das Interview mit Kohl ist in der Tat bemerkenswert. Besonders hübsch ist der Induktionsschluß (S. 285), bei dem ich an einen xkcd-Comic denken mußte.
Zitat von Interview mit Dr. phil. Dr. h. c. mult. Helmut Josef Michael KohlNeben den allgemeinen politischen und kulturellen Fragen ist im Ökonomischen die Frage nach einer gemeinsamen Währung natürlich die allerwichtigste. Eine ganz wichtige Kenntnis wird ja nicht weitergegeben: Völker mit einer gemeinsamen Währung haben nie Krieg gegeneinander geführt. Es sei denn, man nimmt den amerikanischen Sezessionskrieg, das war ein Bürgerkrieg. Aber die haben die Währung danach geändert. Verstehen Sie?
Zitat Aber es waren deutsche Visionen und deutsche Entscheidungen des Kanzlers des Euros, Helmut Kohl. So etwas kann man nicht einfach ungeschehen machen in dem man sich abwendet und sagt, man braucht das jetzt nicht mehr.
Lieber Erling Plaethe, ich fürchte, Sie missverstehen die Motivation vieler "EURO-Skeptiker". Es geht nicht darum, ob Deutschland den EURO nicht mehr braucht (was objektiv meiner Einschätzung nach zwar zutrifft, dennoch profitiert Deutschland unterm Strich mehr vom Euro als dieser ihm schadet). Es geht darum, dass der EURO Europa schadet. Schleichend wird die Illegalität zur Gewohnheit (pacta sunt servanda, dieser Grundsatz wurde schon unter Rot-Grün mit Füssen getreten, die heutige Regierung hat ja immerhin noch teilweise den Anstand, sich wenigstens um den Anschein von Legalität zu bemühen - macht es aber damit nur noch schlimmer). Es geht um den volkswirtschaftlichen Schaden, den die schwachen Länder erleiden, da "ihre" Währung überbewertet ist, während die Nordländer mit einer unterbewerteten Währung Probleme haben, da sie ihren Rohstoffbedarf teuer bezahlen.
Und es geht letztlich auch darum, dass der EURO nie, aber auch wirklich nie als Spaltpilz fungieren dürfte - es aber leider trotzdem tut. Die Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften, die wir hatten, haben den Traum von Frieden in Europa nach Europa gebracht. Der EURO scheint leider den Alptraum des Krieges hervorzubeschwören.
Zitat von adder im Beitrag #3Die Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften, die wir hatten, haben den Traum von Frieden in Europa nach Europa gebracht. Der EURO scheint leider den Alptraum des Krieges hervorzubeschwören.
Ich würde keine derart düstere Prognose anstellen. Ich sehe die Gefahr eher in einer sozialen Destabilisierung in den Schuldnerstaaten - was schlimm genug ist. Damit werden zweifellos auch Krawalle und Ausschreitungen einhergehen, aber bürgerkriegsähnliche Zustände werden dabei m.E. nicht erreicht. Diese Aussage gilt natürlich nur unter Berücksichtigung der derzeitigen Situation. Was die Zukunft bringt, bleibt abzuwarten. Der Euro ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die derzeitige Krise. Ein wesentlicher Teil des Problems ist die Hypertrophie des Staates in den meisten EU-Ländern. Schon richtig: Hätten die Krisenstaaten noch ihre eigene Währung, könnten sie mit deren Abwertung reagieren. Das ist auch zweifellos zunächst eine recht wirksame Symptombehandlung. Doch irgendwann wird den meisten europäischen Staaten - mit oder ohne Euro - ihre überwältigende Schuldenlast auf den Kopf fallen. Dieses Damoklesschwert könnte nur durch einen Rückbau der von der öffentlichen Hand zu finanzierenden Aufgaben beseitigt werden.
Ich denke, das Interview zeigt ein ganz anderes Problem und das hat mit dem Euro an sich gar nichts zu tun. Meines Erachtens ist die Frage
Kann Demokratie wirklich funktionieren?
Ein Machtmensch wie Helmut Kohl hat instinktiv gespürt, dass die Antwort "nein" lautet. Er hat die Demokratie benutzt, aber eigentlich hat er sie bei den Fragen, die ihm wirklich wichtig waren, unterlaufen mit der ihm eigenen "Wort unter Männern" Taktik. Das Parlament hatte in diesen Fragen nichts zu entscheiden, sondern es folgte lediglich dem Weg, den Kohl vorgab.
Ich bin übrigens fest davon überzeugt, dass jeder Kanzler die Demokratie unterläuft, auch Merkel, aber eben mit der ihr eigenen Taktik.
Das ist auch nötig. Denn sonst würde jedes noch so kleine Thema zerredet, in den gegensätzlichen Interessen zerrissen, der reinen Darstellung und Parteizielen untergeordnet. Mit anderen Worten: Es würden keine, gar keine Entscheidungen mehr fallen. Der politische Prozess käme zum Stillstand (bis ein starker Mensch wie Kohl ihn wieder bewegt).
Der angedeutete Ausweg "das Parlament braucht mehr Mut zum Konflikt" ist negativ, wenn dieser Mut zum Konflikt nicht auch mit dem Willen verbunden ist, einen Kompromiss zu finden. Das ist ja gerade auch heute beobachtbar, wo Gesetzesvorhaben zerredet, kurzgeschlossen und durch Tricks in ihr Gegenteil verkehrt werden.
Wo wären wir heute, wenn das Parlament das alleinige Sagen gehabt hätte? Vielleicht hätten wir keinen Euro, aber wir hätten immer noch die DDR, vermutlich mit einer neu-Kommunistischen Regierung, wirtschaftlich am Boden mit einer Landflucht, die seinesgleichen sucht. Da halte ich den Euro noch für akzeptabel.
Der Euro schadet sowohl Deutschalnd als auch Europa, und zwar beiden mehr als daß er nützt. Gedacht war er freilich zur Bändigung der DM. Das sehr interessante Interview mit Kohl zeigt nirgendwo, daß Kohl Europa den Euro aufgezwungen hat. Diktatorische Maßnahmen hielt er vor allem nach innen, also gegen die eigene Bevölkerung für notwendig. Denn vielmehr war seine "Idee" von einem europäischen Zentralstaat nur so durchführbar. Daß er Euro und europ. Einigung beinah synonym verwendet, spricht Bände. Die alte Theorie, daß Mitterand dies als Preis für die Einheit Deutschalnds ausgegeben hätte, wird durch nichts widerlegt, lediglich behauptet Kohl, er sei in dieser Frage von Beginn an einig mit Mitterand gewesen. Das mag sein.
Nun noch: Euro=Frieden! Das ist immer besonders witzig. Während also ganz offenbar De Gaulle und Adenauer oder auch Schmidt und Giscard d'Estaing noch Krieg gegeneinander geführt haben, wurde erst mit Einführung des Euros ein Friedensvertrag wirksam. Das ist Geschichtsklitterung in geradezu tölpelhafter Manier. Womöglich liegt das Motto zugrunde: Frechheit siegt.
Und dann der amerikanische Sezessionskrieg! Der natürlich gar nicht paßt zu der unsinnigen Behauptung, Parteien mit gleicher Währung hätten nie Krieg gegeneinander geführt. Der naheliegende Einwand wird einfach nicht zugestanden. Naheliegend ist er aus heutiger Sicht insbesondere dadurch, daß hier die Südländer sich vom Norden emanzipieren wollten, weil dieser in erheblichem Maße wirtschaftlich vom Süden profitierte. Ein Schelm, wer dabei unter Umkehrung der Himmelsrichtungen an Europa denkt.
Vielen Dank für diesen Beitrag, das ist wirklich interessant. Ich kann da auch weitgehend zustimmen. Kohl hatte eine politische Vision (die mir auch weitgehend sehr sympathisch ist), die hat er umgesetzt. Das ist das, was große Politiker tun. Und unser politisches System ist so aufgebaut, daß das im Prinzip auch möglich ist - durchaus auf Kosten des Parlaments. Es ist ja nicht so, daß die Abgeordneten blöde oder feige wären (jedenfalls nicht im Normalfall). Aber sie haben relativ wenig Spielraum - denn die Wähler wählen keine Abgeordneten, sondern Parteien bzw. Kanzlerkandidaten. Wir haben ja eigentlich ein sehr gutes Wahlrecht, mit der Personenkomponente und der Zweitstimme. Aber 80% der Wähler nutzen das nicht, sondern wählen blind durch, ohne die Chance zu nutzen den jeweils besten Abgeordneten ihres Wahlkreises unabhängig von seinem Parteibuch zu wählen und damit gegenüber seiner Parteispitze zu stärken.
Das Gegenmodell ist die Schweizer Demokratie. Da wird halt alles Wichtige direkt vom Volk entschieden - es ist dort überhaupt nicht möglich, daß sich große Politiker à la Bismarck oder Kohl entfalten. Das hat halt seine Vor- und Nachteile (ich persönlich sehe eher die Vorteile).
Solange aber die Deutschen beim Wählen immer nur auf starke Spitzenpersonen und dumme Sprüche reinfallen, solange sollen sie auch nicht rumjammern, daß ihre politischen Vorstellungen nicht beachtet werden.
Zitat ... aber den Kern des Problems mit dem Euro aufzeigt.
Nicht wirklich. Das von Kohl aufgesetzte Währungssystem war ja stimmig und grundsätzlich funktionsfähig. Der entscheidende Vertragsbruch geschah dann unter Schröder. Ein von Deutschland und zur Verteidigung deutscher Interessen entworfenes Vertragssystem wurde in die Tonne getreten, um innenpolitisch ordentlich Geld rauswatzen zu können. Damit war dann das Desaster vorprogrammiert, die 60%-Verschuldungsgrenze Makulatur. Der "no bail-out"-Vertragsbruch von Merkel tat dann ein Übriges.
Zitat von Noricus im Beitrag #4Der Euro ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die derzeitige Krise. Ein wesentlicher Teil des Problems ist die Hypertrophie des Staates in den meisten EU-Ländern. Schon richtig: Hätten die Krisenstaaten noch ihre eigene Währung, könnten sie mit deren Abwertung reagieren. Das ist auch zweifellos zunächst eine recht wirksame Symptombehandlung. Doch irgendwann wird den meisten europäischen Staaten - mit oder ohne Euro - ihre überwältigende Schuldenlast auf den Kopf fallen.
Absolut richtig!
Seit Jahrzehnten agieren die meisten europäischen Staaten nach einem sozialdemokratischen Modell und geben jedes Jahr mehr aus als sie einnehmen. Das führt zwangsläufig zu einer immer größeren Überschuldung und es ist völlig unvermeidlich, daß die Blase irgendwann platzt. Mit großem Schaden für das betroffene Land.
Und diese Blase wäre auf jeden Fall geplatzt, die parallele Euro-Einführung hat damit fast nichts zu tun.
Zitathttp://en.wikipedia.org/wiki/Confederate..._America_dollar _____________ The Confederate States of America dollar was first issued just before the outbreak of the American Civil War by the newly formed Confederacy. It was not backed by hard assets, but simply by a promise to pay the bearer after the war, on the prospect of Southern victory and independence.
As the war began to tilt against the Confederates, confidence in the currency diminished, and inflation followed. By the end of 1864, the currency was practically worthless. _____________
Zur Selbstvergewisserung & Glaubensstärkung erheben wir uns und singen die Europahymne 2.0. Zum Üben hier etwas vom Text:
Im nächsten Jahrhundert bleibt nix, wie's halt ist / Ich bin kein Prophet, aber eins weiß ich g'wiß ... Nur der Euro, der bleibt / Weil den nix mehr vertreibt Der wird all's überleb'n, der allein ... Nur der Euro bleibt stehn / Von Berlin bis Athen / Tanzt der Euro um alle herum ... Nur der Euro wird zeig'n, was er kann /Und er kriecht mit Humor Aus der Asche hervor / Und fangt immer von vorn wieder an
Für den Euro sterb'n die Poeten / Und zum Euro lernt man beten Euro unser, der du bist / Und dann merkt auch der letzte Tourist / Was Europa ist. (Text u. Musik: G. Kreisler, 1998[!])
Zitat von Noricus im Beitrag #4Der Euro ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die derzeitige Krise. Ein wesentlicher Teil des Problems ist die Hypertrophie des Staates in den meisten EU-Ländern. Schon richtig: Hätten die Krisenstaaten noch ihre eigene Währung, könnten sie mit deren Abwertung reagieren. Das ist auch zweifellos zunächst eine recht wirksame Symptombehandlung. Doch irgendwann wird den meisten europäischen Staaten - mit oder ohne Euro - ihre überwältigende Schuldenlast auf den Kopf fallen.
Absolut richtig!
Seit Jahrzehnten agieren die meisten europäischen Staaten nach einem sozialdemokratischen Modell und geben jedes Jahr mehr aus als sie einnehmen. Das führt zwangsläufig zu einer immer größeren Überschuldung und es ist völlig unvermeidlich, daß die Blase irgendwann platzt. Mit großem Schaden für das betroffene Land.
Und diese Blase wäre auf jeden Fall geplatzt, die parallele Euro-Einführung hat damit fast nichts zu tun.
Ja, das ist so alles richtig, aber was haben wir damit zu tun. Wieso verschuldet sich Deutschland in Billionenhöhe um hier unterstützend einzugreifen. Dann hätten wir ja auch in der Vergangenheit lieber diversen Forderungen im eigenen Land nachgeben sollen und Staatseinnahmen in eigene Institutionen (z.B. Rentenzahlungen statt Kürzungen oder Rentenbeginn bei 65 J. belassen) von den nichtangepassten Löhnen seit ca. 15 Jahren ganz zu schweigen. Auch die These, das Deutschland vom Euro ingesamt und im besonderen hinsichtlich Export, mehr als andere EU-Länder verdient haben soll, läßt sich ja auch nicht aufrechterhalten.
Meiner Meinung nach, hätte Kohl diese "einseitigen" Zugeständnisse nicht gemacht.
Ich frage mich auch, ob Deutschlands "Kriegsschulden" damit eventuell abgetragen werden können, daß wäre doch ein Deal gewesen. Aber vielleicht ist es ja so und ich weiß es nur nicht.
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Zitat von R.A. im Beitrag #8Und diese Blase wäre auf jeden Fall geplatzt, die parallele Euro-Einführung hat damit fast nichts zu tun.
Ja, das ist so alles richtig, aber was haben wir damit zu tun. Wieso verschuldet sich Deutschland in Billionenhöhe um hier unterstützend einzugreifen.
Die Motivation dafür war die Angst, daß eine Griechenlandpleite deutsche und französische Banken umwirft und dann zu einem allgemeinen Wirtschaftskollaps führt. Diese Angst kann man für übertrieben halten, sie ist aber nicht substanzlos. Nach der gerade überstandenen Finanzkrise waren die Politiker halt besonders nervös.
Mit dem Euro hat das eigentlich gar nichts zu tun. Wenn eine mitteleuropäische Bank an die Wand fährt, weil sie zu viel in Griechenlandanleihen angelegt hat, dann wäre ihr das unabhängig von der Währung passiert.
Zitat Auch die These, das Deutschland vom Euro ingesamt und im besonderen hinsichtlich Export, mehr als andere EU-Länder verdient haben soll, läßt sich ja auch nicht aufrechterhalten.
Wir profitieren natürlich schon vom erleichterten Handel im Euro-Raum. Aber entscheidend ist dieser Zuwachs nicht, wir haben ja auch vorher ordentlich exportiert. Und Exporterfolge nützen natürlich am Ende gar nichts, wenn der Kunde nicht zahlt. Umgekehrt wäre es aber bestimmt sehr unangenehm, wenn der Euroraum in einem großen Crash endet. Wahrscheinlich geht es in den nächsten Jahren nur noch darum, die unvermeidbaren Verluste zeitlich so zu strecken, daß sie verkraftet werden können und keine Domino-Effekte entstehen.
Zitat Ich frage mich auch, ob Deutschlands "Kriegsschulden" damit eventuell abgetragen werden können, daß wäre doch ein Deal gewesen.
Kriegsschulden haben wir nicht mehr bzw. es ist geregelt, daß wir nichts mehr bezahlen. Das Faß werden wir also nicht mehr aufmachen wollen.
Zitat von Noricus im Beitrag #4 Der Euro ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die derzeitige Krise. Ein wesentlicher Teil des Problems ist die Hypertrophie des Staates in den meisten EU-Ländern. Schon richtig: Hätten die Krisenstaaten noch ihre eigene Währung, könnten sie mit deren Abwertung reagieren. Das ist auch zweifellos zunächst eine recht wirksame Symptombehandlung. Doch irgendwann wird den meisten europäischen Staaten - mit oder ohne Euro - ihre überwältigende Schuldenlast auf den Kopf fallen. Dieses Damoklesschwert könnte nur durch einen Rückbau der von der öffentlichen Hand zu finanzierenden Aufgaben beseitigt werden.
Zitat von adder im Beitrag #3Zitat: Lieber Erling Plaethe, ich fürchte, Sie missverstehen die Motivation vieler "EURO-Skeptiker". Es geht nicht darum, ob Deutschland den EURO nicht mehr braucht (was objektiv meiner Einschätzung nach zwar zutrifft, dennoch profitiert Deutschland unterm Strich mehr vom Euro als dieser ihm schadet). Es geht darum, dass der EURO Europa schadet....
Die Formulierung "Deutschland braucht den Euro nicht" ist natürlich ganz bewusst gewählt und zielt auf eine Kernaussage der AfD. Auf ihr ruhen die Hoffnungen vieler Euro-Skeptiker zu denen ich mich auch zähle. Die Frage welche mich beschäftigt, ist, ob das Prinzip der wohlwollenden Interpretation, in Bezug auf Helmut Kohl und seinem Traum, Anwendung finden muss, und wenn ja, was das für Konsequenzen hat. Es geht mir nicht um die umgesetzte Vision irgendeines Politikers. Es geht um die des langjährigsten und prägendsten Bundeskanzlers. Es geht mir auch nicht um Demut vor der Geschichte sondern um die Frage der Wahrung von Kontinuität und Verlässlichkeit deutscher Politik. Es sind Überlegungen eines Kritikers der gemeinsamen Währung in Europa und der sich für eine geordnete Rückkehr zu nationalen Währungen schon in seinem ersten Gastbeitrag in ZR im Nov. 2011 ausgesprochen hat. Aber dem er damals wie heute wenig realistische Chancen eingeräumt hat. Gerade deshalb wird eben die Frage nach einem einseitigen Austritt Deutschlands aus der Eurozone mit einem Erstarken der AfD auch irgendwann zu einer Forderung. Jedenfalls nehme ich das an. Der Euro schadet Europa, das sehe ich ebenfalls so. Nur ist die Frage wie man diesen Schaden begrenzt oder gar beseitigt, viel schwieriger zu beantworten, als trotzig festzustellen, dass man ihn einfach nur beseitigen müsse oder einfach aussteigen könne. Und einen Punkt dieser Schwierigkeiten, einen gar nicht ökonomischen sondern politischen, wollte ich mal ansprechen
Zitat von Noricus im Beitrag #4Der Euro ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die derzeitige Krise. Ein wesentlicher Teil des Problems ist die Hypertrophie des Staates in den meisten EU-Ländern. Schon richtig: Hätten die Krisenstaaten noch ihre eigene Währung, könnten sie mit deren Abwertung reagieren. Das ist auch zweifellos zunächst eine recht wirksame Symptombehandlung. Doch irgendwann wird den meisten europäischen Staaten - mit oder ohne Euro - ihre überwältigende Schuldenlast auf den Kopf fallen.
Absolut richtig!
Seit Jahrzehnten agieren die meisten europäischen Staaten nach einem sozialdemokratischen Modell und geben jedes Jahr mehr aus als sie einnehmen. Das führt zwangsläufig zu einer immer größeren Überschuldung und es ist völlig unvermeidlich, daß die Blase irgendwann platzt. Mit großem Schaden für das betroffene Land.
Und diese Blase wäre auf jeden Fall geplatzt, die parallele Euro-Einführung hat damit fast nichts zu tun.
Lieber R.A.,
hier haben wir einen Punkt, an dem wir schon mehrmals diskutiert haben. Aber versuchen wir es noch einmal:
Erstens: Hätten die Krisenstaaten noch ihre eigene Währung hätten sie mit Abwertung reagieren können bzw. mit Weginflationierung der eigenen Schulden. Zweitens: Jedem Kreditgeber ist dies bewusst. Er wird daher erstens einen höheren Zinssatz verlangen und zweitens sein Risiko betragsmäßig begrenzen. Diese Reaktionen des Kapitalmarkts wirken disziplinierend, so dass die Verschuldung nicht unbegrenzt weiterlaufen kann. (Zinsunterschiede kann es zwar auch im Euro-Raum geben. Diese spiegeln allerdings nur das Kreditausfallrisiko wider. Nicht aber ein Abwertungsrisiko der Währung, denn dieses ist ja für jede Staatsanleihe im Euro-Raum identisch).
Diese Disziplinierungswirkung fällt im Euro-Raum weg. Der Euro ist daher durchaus ein wichtiger Grund für die beklagte "Hypertrophie" der Krisenstaaten (schönes Wort übrigens).
Ohne Euro hätte es daher NIE eine so große Blase gegeben, die hätte Platzen können.
Hinzu kommt, dass diese Hypertrophie ja nicht auf die Staatshaushalte begrenzt ist. Wenn der Staat nicht zugreift, dann bleibt ja trotzdem die Möglichkeit der billigen Finanzierung bestehen und dann nehmen halt Private das Geld.
Musterbeispiel ist Spanien. Hier hat der Staat in den Nuller-Jahren sogar ausgesprochen solide gewirtschaftet. Die Staatsverschuldung war vor Beginn der Euro-Krise deutlich niedriger als in Deutschland und auch deutlich unterhalb der 60%-Grenze. Verschuldet haben sich dafür aber die Privathaushalte. Und warum auch nicht? Das billige Geld war ja da und wurde ihnen vom Kapitalmarkt geradezu nachgeworfen (der seinerseits völlig rational auf die vom Euro erzeugten Signale reagiert hat).
So oder so: Der Euro schafft Situationen, in denen die Erzeugung von Blasen für alle Marktteilnehmer jeweils individuell rational ist. Der Euro ist daher durchaus der Kern des Problems, das wir heute haben.
Zitat ... aber den Kern des Problems mit dem Euro aufzeigt.
Nicht wirklich.
Damit meine ich eine Art Katalysator-Funktion. Ich kann nicht beurteilen ob dies überhaupt möglich war verhindert zu werden.
Der Euro führte zur EZB die weniger Unabhängigkeit von der Politik durchsetzen kann, als es der Bundesbank gelang. Und von dort zum ESM, zum europäischen Währungsfonds. Die Konstruktion des Euroraumes unterscheidet sich ja in wichtigen Punkten von der des Dollarraumes. Das ist politisch gewollt und entspricht den unterschiedlichen (sozial-) politischen Grundauffassungen in Europa und Amerika.
Zitat von Karl im Beitrag #6 Und dann der amerikanische Sezessionskrieg! Der natürlich gar nicht paßt zu der unsinnigen Behauptung, Parteien mit gleicher Währung hätten nie Krieg gegeneinander geführt. Der naheliegende Einwand wird einfach nicht zugestanden. Naheliegend ist er aus heutiger Sicht insbesondere dadurch, daß hier die Südländer sich vom Norden emanzipieren wollten, weil dieser in erheblichem Maße wirtschaftlich vom Süden profitierte. Ein Schelm, wer dabei unter Umkehrung der Himmelsrichtungen an Europa denkt.
Karl
zwei geschichtliche Anmerkungen:
Erstens: Kohl hat hier natürlich unrecht (überraschend, immerhin ist er Historiker). Eine gemeinsame Währung ist historisch überhaupt kein Grund, um nicht gegeneinander Krieg zu führen. Vereinfacht gesagt gab es in Europa ja in vormodernen Zeiten einen Gold- bzw- Silber-Standard. Es wurden vielleicht in jedem Land verschiedene Münzen geprägt. Diese hatten allerdings ein festes Tauschverhältnis, das sich jeweils aus dem Edelmetall-Anteil ergab. Also mindestens fixierte Wechselkurse, wenn nicht sogar eine einheitliche (Gold-)Währung. Kriege gab es natürlich trotzdem. Und es ist auch keinerlei Logik erkennbar, warum eine gemeinsame Währung einen Krieg verhindern sollte.
Was hingegen tatsächlich tendenziell friedenstiftend wirkt, ist gemeinsamer Handel. Aus Handel ziehen immer beide Seiten Vorteile. Ein Krieg unterbricht diesen Handel, ist also wirtschaftlich schädlich. Außerdem kann ich durch Handel für mich wichtige Dinge bekommen, die mir bei Handelsbeschränkung ggf. nicht zugänglich wären (und für deren Beschaffung ich dann ggf. auf einen Beutekrieg angewiesen wäre). Eine gemeinsame Währung befördert tendenziell den gemeinsamen Handel und hat daher durchaus eine gewisse friednsstiftende Funktion. Aber der Kern des Mechanismus ist eindeutig der Handel und nicht die gemeinsame Währung. Und Handel kann man auch befeuern, ohne gemeinsame Währung. Die EU ist auch ohne den Euro eine Freihandelszone. Das würde reichen, um den Frieden zu sichern. (Krieg zwischen Deutschland und Dänemark ist genauso unwahrscheinlich wie Krieg zwischen Deutschland und Österreich).
Zweitens:
Zitat Naheliegend ist er aus heutiger Sicht insbesondere dadurch, daß hier die Südländer sich vom Norden emanzipieren wollten, weil dieser in erheblichem Maße wirtschaftlich vom Süden profitierte.
Das ist so nicht richtig. Der Nord-Süd-Konflikt war zwar im Kern schon ein ökonomischer Konflikt, aber nicht deshalb, weil der Norden den Süden ausgebeutet hätte. (Wie hätte das auch passieren sollen? Vom inneramerikanischen Handel proftierten schließlich beide Seiten).
Das Problem war vielmehr, dass Norden und Süden völlig verschiedene Volkswirtschaften hatten. Im Norden war eine Landwirtschaft mit selbständigen Farmern effizient. Im Süden brauchte man für effiziente Landwirtschaft große Plantagen. Und der Norden war industrialisiert, der Süden fast gar nicht.
Daraus ergab sich zum Beispiel eine unterschiedliche Einstellung zu Außenhandel und Zöllen. Aus Sicht des Nordens waren die europäischen Industriezentren Wettbewerber. Eine gewisse Abschottung war hier durchaus hilfreich, um der eigenen Industrie Monopolvorteile zu verschaffen. Aus Sicht des Südens war Europa hingegen wichtiger Abnehmer der eigenen Rohstoffe (v.a. Baumwolle) und zugleich wichtiger Lieferant von Fertigprodukten. Möglichst freier Handel war also sinnvoll.
Lieber Erling Plaethe, vielen Dank für Deinen* interessanten Beitrag, der mich ein weiteres Mal "aus der Bahn" geworfen hat.
Da ich weder genügend wirtschaftswissenschaftliche noch politikwissenschaftliche Kenntnisse habe, mich aber doch gerne am Meinungsaustausch beteiligen möchte, bleibt mir nur noch "der Blick von Unten", den ich gerne einbringen möchte.
Die deutsche Wiedervereinigung habe ich als DDR-Bürger aus vollem Herzen befürwortet und auch begrüßt. Dabei ging es mir weniger um die D-Mark, weil ich im Blick auf den Westen nie eine "rosarote Brille" auf gehabt habe. Meine Bewertung der wirtschaftlichen Situation in der BR Deutschland, war, auch im nachhinein betrachtet, sehr realistisch. Meine Erwartungen verknüpften sich (auch heute noch) mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Westteil Deutschlands. Diese Erwartungen wurden erfüllt und haben mein Leben lebenswerter gemacht. Ökonomische Aspekte klammere ich in diesem Zusammenhang mal aus. Sie glauben garnicht wie glücklich ich bin, dass ich im Internet und auch hier in diesem Blog meine Meinung vertreten kann, ohne Angst vor Repressalien befürchten zu müssen.
Die Einheit Deutschlands war für mich ohne eine wirtschaftliche und politische Einheit nicht denkbar. Über anders geartete Denkmodelle der "Bürgerrechtler" war ich sehr erschrocken.
Die Einheit Deutschlands verlief entsprechend meinen Vorstellungen. Anders war sie für mich nicht denkbar. Alle Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung lasse ich mal "außen vor". Es war Neuland. Vorbilder für diesen Prozess gab es nicht. Ein Wunder wäre es wenn man keine Fehler gemacht hätte. Am Ende habe ich Gott Vater nach der Schöpfungsgeschichte zitiert: "Und er sah dass es Gut war".
Dann ging es mit der Einheit Europas los. Freizügigkeit beim Grenzübertritt habe ich begrüsst. Bei der grenzüberschreitenden Wahl des Arbeitsplatzes war und bin ich immer noch skeptisch. Die Zeit war nicht reif dafür. Wenn sich Arbeitnehmer über den Arbeitslohn Konkurrenz machen, gibt es eigentlich nur einen Sieger! Daraus folgt, dass es auch nur einen Verlierer gibt.
Eine "militärische Verteidigungsunion" kann ich mir vorstellen. Die hat es de facto auch lange vorher schon gegeben.
Eine "monetäre Union" am Anfang eines wirtschaftlichen und politischen Einigungsprozesses konnte und kann ich mir nicht vorstellen. Auch bei der Wiedervereinigung Deutschlands haben alle Politiker (na, fast alle) festgestellt dass dies nicht geht. Die politische Einigung, die schon bei der Einführung der D-Mark in der DDR angedacht war, wurde sofort verwirklicht. Es ging nicht anders. Wer das Geld gibt, muss auch die "Musik" auswählen können.
Bei der Einführung des Euro war eine wirtschaftliche und politische Einheit Europas noch nicht einmal angedacht. Nach meiner Laienmeinung muss eine Währungsunion ohne die begleitende Wirtschaftsunion scheitern. Sicherlich scheitert sie auch ohne eine politische Union. Das Europaparlament sehe ich in diesem Zusammenhang nur als Feigenblatt und als Versorgungszentrale für treue "Parteisoldaten". Mit Demokratie hat dieses Parlament nichts zu tun.
Die freie Wahl des Wohnortes und des Arbeitsplatzes ist kein Ersatz für die fehlende Wirtschaftsunion. Die freie Wahl des Arbeitsplatzes erhöht nur den Konkurrenzdruck im Arbeitsmarkt und wirkt negativ auf die Lohnentwicklung. (Wenn es Minuswachstum gibt, warum soll es nicht auch eine negative Lohnsteigerung geben? )
Von Anfang an war ich gegen die Einführung des Euros. Deshalb war ich auch mächtig sauer auf Kohl, den ich zuvor wegen der Einheit Deutschlands sehr gelobt hatte. Versöhnt habe ich mich mit Kohl erst wieder, als bekannt wurde, dass er gegen erhebliche politische Widerstände in Europa bei der Umsetzung der Wiedervereinigung Deutschlands kämpfen musste. Als dann bekannt wurde, dass die Einführung des Euro der Preis war, den Kohl "zahlen" musste, habe ich mich wieder mit ihm versöhnt.
Jetzt, lieber Erling Plaethe, haben Sie das Blatt wieder gewendet.
Allerdings habe ich die Tür noch einen "Spalt breit" offen gelassen. Kohl hat die Intelligenz, die manch anderem Politiker fehlt. Auch halte ich ihn für einen großen Taktiker. Gibt es denn außerhalb dieses Interviews Quellen, die bestätigen, dass Kohl die Wahrheit gesagt hat? Kann es nicht sein, dass er diesem Doktoranden nur einen Gefallen tun wollte? Oder ihm einfach gesagt hat, was dieser gerne hören wollte? Vielleicht wollte er einfach aus der Rolle des "Verlierers", der einen Preis zahlen musste, wieder heraus kommen? Nach seiner Version hätte er immer das Heft des Handelns in der Hand behalten, wäre immer derjenige gewesen, der die Situation beherrscht hat. Daran liegt ihm, glaube ich, viel.
Oder habe ich irgend etwas falsch verstanden?
Wer findet andere Quellen, die Kohls Aussage bestätigen oder widerlegen? (Dazu bin ich leider zu blöd und auch als Einsprachler, gehandicapt.)
LG, Paul (Nicht der Dissertationspaul)
*edit: Entschuldigung:"Ihren" natürlich. Komme gerade von einem "Dutz-Blog"
Zitat von Florian im Beitrag #14Hätten die Krisenstaaten noch ihre eigene Währung hätten sie mit Abwertung reagieren können bzw. mit Weginflationierung der eigenen Schulden.
Über die Nachteile von Abwertung als Scheinlösung hatten wir schon diskutiert, die Weginflationierung von Schulden funktioniert nur, wenn man sich in eigener Währung verschuldet. Gerade Weichwährungsländer haben aber schon vor Euro-Einführung zunehmend Bonds in Fremdwährungen aufnehmen müssen - dann geht das nicht mehr.
Zitat Jedem Kreditgeber ist dies bewusst.
Da wäre ich etwas skeptisch. Es hat ja schon einige Staatspleiten gegeben - und da haben die Kreditgeber bis kurz vor Torschluß noch munter Kredite vergeben.
Aber das sind Nebenaspekte. Grundsätzlich sind alle genannten Punkte richtig. Der Euro hat es erleichtert, zusätzliche Schulden zu machen. Umgekehrt hat er aber auch eine Weile lang für mehr Disziplin gesorgt, als nämlich die Maastricht-Kriterien noch gegolten haben (also vor Schröder).
Es ist aber müßig zu streiten, welche Effekte nun wie stark gewirkt haben. Ich gestehe gerne zu, daß der Euro den Crash vielleicht beschleunigt hat. Aber der Crash wäre trotzdem auch ohne Euro gekommen. Es ist einfach unmöglich, beständig neue Staatsschulden aufzutürmen - das Politikmodell der europäischen Staaten war grundsätzlcih nicht dauerhaft funktionsfähig. Ein Staat wie Griechenland wäre irgendwann an einen Punkt gekommen, da hätte man genau die Sparmaßnahmen machen müssen, die jetzt zu großen Protesten geführt haben. Ganz ohne Troika, einfach weil kein Geld mehr in der Kasse gewesen wäre.
Und egal ob nun Griechenland offiziell pleite macht oder seine Schulden weginflationiert: Die ausländischen Kreditgeber wären dann ähnlich geschädigt worden wie das jetzt drohte. Und die mitteleuropäischen Staatschefs hätten dann genau die Alternative gehabt wie jetzt (bzw. vor drei Jahren): Bankenpleite mit Wirtschaftscrash - oder Milliardenstütze aus Steuergeldern.
Es wäre ohne Euro alles etwas anders gelaufen, vielleicht langsamer, vielleicht wäre die Krise zuerst in anderen Staaten gekommen - aber dem Staatsschuldenproblem wären wir nicht entkommen. Und genauso gibt es jetzt keine Möglichkeit, diesem Problem durch Rückkehr zur DM zu entgehen. Man kann damit vielleicht mittelfristig andere Vorteile erreichen (mit anderen Nachteilen erkauft). Aber die Schuldenproblematik bleibt. Und die AfD drückt sich davor, dazu eine Antwort zu geben.
Zitat von Paul im Beitrag #17Wenn sich Arbeitnehmer über den Arbeitslohn Konkurrenz machen, gibt es eigentlich nur einen Sieger! Daraus folgt, dass es auch nur einen Verlierer gibt.
Lieber Paul,
diese Argumentation ist aus liberaler Sicht meines Ermessens nach zu kurz gedacht und insofern nicht vertretbar, da niedrigere Löhne auch niedrigere Preise bedeuten, insgesamt gleicht sich der Effekt also nicht nur aus, sondern führt darüberhinaus sogar zur besseren Allokation der gesellschaftlichen Ressourcen und wirkt daher unterm Strich wohlstandsfördernd.
Zitat von Paul im Beitrag #17Von Anfang an war ich gegen die Einführung des Euros. Deshalb war ich auch mächtig sauer auf Kohl, den ich zuvor wegen der Einheit Deutschlands sehr gelobt hatte. Versöhnt habe ich mich mit Kohl erst wieder, als bekannt wurde, dass er gegen erhebliche politische Widerstände in Europa bei der Umsetzung der Wiedervereinigung Deutschlands kämpfen musste. Als dann bekannt wurde, dass die Einführung des Euro der Preis war, den Kohl "zahlen" musste, habe ich mich wieder mit ihm versöhnt.
Jetzt, lieber Erling Plaethe, haben Sie das Blatt wieder gewendet.
Allerdings habe ich die Tür noch einen "Spalt breit" offen gelassen. Kohl hat die Intelligenz, die manch anderem Politiker fehlt. Auch halte ich ihn für einen großen Taktiker. Gibt es denn außerhalb dieses Interviews Quellen, die bestätigen, dass Kohl die Wahrheit gesagt hat? Kann es nicht sein, dass er diesem Doktoranden nur einen Gefallen tun wollte? Oder ihm einfach gesgt hat, was dieser gerne hören wollte? Vielleicht wollte er einfach aus der Rolle des "Verlierers", der einen Preis zahlen musste, wieder heraus kommen? Nach seiner Version hätte er immer das Heft des Handelns in der Hand behalten, wäre immer derjenige gewesen, der die Situation beherrscht hat. Daran liegt ihm, glaube ich, viel.
Oder habe ich irgend etwas falsch verstanden?
Wer findet andere Quellen, die Kohls Aussage bestätigen oder widerlegen? (Dazu bin ich leider zu blöd und auch als Einsprachler, gehandicapt.)
LG, Paul (Nicht der Dissertationspaul)
Die Währungsunion wurde von Deutschland und Frankreich schon lange bevor sich der Zusammenbruch des Ostblocks abzeichnete massiv forciert. So äusserte sich beispielsweise Milton Friedman schon Mitte der 80er äusserst skeptisch gegenüber der angestrebten Währungsunion und auch Thatcher wurde bereits in den 80ern vom deutsch-französischen Tandem (speziell von Kohl) diesbezüglich überfahren und ausgetrickst.
Dass der Euro der Preis für die Wiedervereinigung gewesen wäre ist - nach allem was ich dazu gelesen habe - tatsächlich eine ähnliche dreiste Lüge (oder zumindest unhaltbares Ammenmärchen, aber ich denke der Begriff "Lüge" trifft in diesem Fall durchaus ins Schwarze, mag sie u. U. auch noch so "gut" gemeint sein) wie die Behauptung, dass dieser Europa den Frieden gebracht hätte (wie kommt man überhaupt auf einen derart orwellesken Unfug?).
Jetzt, lieber Erling Plaethe, haben Sie das Blatt wieder gewendet.
So ging es mir beim Lesen des Interviews auch, und da hab ich mir gedacht, noch Andere daran teilhaben zu lassen. Ich verschwende keine Zeit mit einer weiteren Verschwörungstheorie, nachdem ich gerade die mit dem Preis für die Wiedervereinigung, dank des Interviews, aus meinem Kopf bekommen habe.
Zitat von Frankenstein im Beitrag #19 Dass der Euro der Preis für die Wiedervereinigung gewesen wäre ist - nach allem was ich dazu gelesen habe - tatsächlich eine ähnliche dreiste Lüge (oder zumindest unhaltbares Ammenmärchen, aber ich denke der Begriff "Lüge" trifft in diesem Fall durchaus ins Schwarze, mag sie u. U. auch noch so "gut" gemeint sein) wie die Behauptung, dass dieser Europa den Frieden gebracht hätte (wie kommt man überhaupt auf einen derart orwellesken Unfug?).
Ich denke nicht, dass Helmut Kohl hier lügt. Viele Menschen seiner Generation wollten alles in ihrer Macht stehende tun, um einen erneuten Krieg in Europa zu verhindern. Und für diese Menschen war der lange nicht so unwahrscheinlich wie für die nachfolgenden Generationen. Das ist zugegeben etwas schwer nachvollziehbar und ich hab das ehrlich gesagt auch nicht so richtig gekonnt. Aber auch das hat dieses Interview bei mir bewirkt: Ich bin dem Nachvollziehen einen deutlichen Schritt näher gekommen. Plötzlich erinnere ich mich wieder an die Emotionen in den Erzählungen dieser Generation, welche mir zuteil wurden. Was soll ich sagen? Ich glaube Helmut Kohl. Ich denke, er sagt die Wahrheit. Seine Wahrheit.
Zitat von Florian im Beitrag #14die beklagte "Hypertrophie" der Krisenstaaten (schönes Wort übrigens).
Ja, aber die intellektuelle Redlichkeit gebeut, dass ich mich nicht mit fremden Federn schmücke: Ich habe diese Metapher einmal irgendwo in den unendlichen Weiten des WWW gelesen, und sie gefiel mir auf den ersten Blick. Die Credits gehen also an einen Anonymus.
Zitat von Florian im Beitrag #16Eine gemeinsame Währung ist historisch überhaupt kein Grund, um nicht gegeneinander Krieg zu führen. Vereinfacht gesagt gab es in Europa ja in vormodernen Zeiten einen Gold- bzw- Silber-Standard.
Völlig richtig. Das ist auch genauso ein Gegenargument gegen die verbreitete Meinung, eine Währungsunion ohne wirtschaftliche/politische/finanzaufsichtliche Union könne nicht gehen. Man kann sehr wohl eine Währungsunion à la Euro haben, und trotzdem macht jeder Staat wirtschaftlich, was er will. Und muß dann halt mit den Folgen leben, meinetwegen auch pleite gehen. Das stört den Euro genau so wenig wie es früher den Goldstandard gestört hat.
Zitat Eine gemeinsame Währung befördert tendenziell den gemeinsamen Handel und hat daher durchaus eine gewisse friednsstiftende Funktion.
Richtig. Nur wenn man mit dem Vorwand, die gemeinsame Währung "retten" zu wollen, eine Transferunion installiert - dann geht die Friedenswirkung flöten.
Zitat von Paul im Beitrag #17Wenn sich Arbeitnehmer über den Arbeitslohn Konkurrenz machen, gibt es eigentlich nur einen Sieger! Daraus folgt, dass es auch nur einen Verlierer gibt.
Lieber Paul,
diese Argumentation ist aus liberaler Sicht meines Ermessens nach zu kurz gedacht und insofern nicht vertretbar, da niedrigere Löhne auch niedrigere Preise bedeuten, insgesamt gleicht sich der Effekt also nicht nur aus, sondern führt darüberhinaus sogar zur besseren Allokation der gesellschaftlichen Ressourcen und wirkt daher unterm Strich wohlstandsfördernd.
Das leuchtet mir ein, lieber Frankenstein. In der Theorie mag das so sein. Ob es auch tatsächlich so ist? Kann man den Zusammenhang, niedrigere Preise durch niedrigere Löhne, überhaupt messen? Im Baubereich ist m.E. die Qualität auf der Strecke geblieben. Mein Sohn (Einmannklempnerei) bestätigt dies jedenfalls.
Auch die Schwarzarbeit hat dadurch zu genommen?
Eine andere Frage ist dazu noch bei mir entstanden: Wird nicht die Arbeitslosigkeit in Deutschland, als bevorzugtes Ziel der Zuwanderung (das war es wohl mal, hat sich inzwischen wieder abgeschwächt?) dadurch "befeuert"?
Zitat von Florian im Beitrag #16Eine gemeinsame Währung ist historisch überhaupt kein Grund, um nicht gegeneinander Krieg zu führen. Vereinfacht gesagt gab es in Europa ja in vormodernen Zeiten einen Gold- bzw- Silber-Standard.
Völlig richtig. Das ist auch genauso ein Gegenargument gegen die verbreitete Meinung, eine Währungsunion ohne wirtschaftliche/politische/finanzaufsichtliche Union könne nicht gehen. Man kann sehr wohl eine Währungsunion à la Euro haben, und trotzdem macht jeder Staat wirtschaftlich, was er will. Und muß dann halt mit den Folgen leben, meinetwegen auch pleite gehen. Das stört den Euro genau so wenig wie es früher den Goldstandard gestört hat.
Lieber R.A.,
danke für diesen Hinweis. Aber gab es in diesem Wirtschaftsraum der Edelmetallwährung wirklich eine Geldwertstabilität? Wurde nicht im Bedarfsfall der Wert des Geldes durch manigfaltige Manipulationen herabgesetzt? Ich denke dabei besonders an Gewichtsreduzierungen, aber auch an die Herabsetzung des Edelmetallgehalts? Nicht durch Geldfälscher, sondern auch durch den Staat.
Ein anderer Gedanke. Ein fiktives Denkmodell soll mir helfen mein Anliegen verständlich zu machen:
Zwei Länder bilden eine Währungsunion. Das eine Land macht keine zusätzlichen Schulden und geht verantwortungsvoll mit dem Geld um. Das andere Land macht das Gegenteil. Wird nicht die Währungsstabilität durch dieses Land insgesamt beschädigt? Hat das nicht auch Auswirkungen auf das andere Land? Das verantwortuntgsvolle Land hat bei fehlender Wirtschafts- und politischer Union keine Einflussmöglichkeit auf die Finanzpolitik?
Wie geschrieben nur ein Denkmodell, um Zusammenhänge zu klären.
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