Ich bin kein Ökonom. Ich kann die gegenwärtigen Versuche, die gemeinsame Währung Euro vor dem Zerfall zu bewahren, nicht fachkundig beurteilen. Wohl aber glaube ich, sachliche Argumente von plumpen Beeinflussungsversuchen unterscheiden zu können. Eine Politik, die dem Publikum auf solche Art nahegebracht werden muß, die ökonomisches Handeln nicht mit ökonomischen Argumenten, sondern mit mehr oder weniger subtil erzeugten Emotionen begründen und vermitteln will, hat ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem. Ich jedenfalls mißtraue einer solchen Politik.
Ich stimme dem Tenor des Blogbeitrags zu, möchte aber noch eine kleine Ergänzung anbringen:
Zitat von DoedingDie Krisenstaaten wurden ferner nicht gezwungen (wie sollten sie auch?), sondern sie hatten eine Wahl: den Austritt aus der Eurozone mit Wiedereinführung nationaler Währungen zur Wiederherstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit war die Alternative.
Da fehlt noch was: Ohne Schuldenschnitt (oder drastischer: Staatsbankrott) wäre es nicht gegangen. Der wäre nämlich die unmittelbare Folge einer Verweigerung der betreffenden Kredite. Die nationale Währung ist eher eine zusätzliche Option.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von RaysonDa fehlt noch was: Ohne Schuldenschnitt (oder drastischer: Staatsbankrott) wäre es nicht gegangen. Der wäre nämlich die unmittelbare Folge einer Verweigerung der betreffenden Kredite. Die nationale Währung ist eher eine zusätzliche Option.
Danke für den Hinweis, das stimmt natürlich. Vermutlich ist das auch nicht die einzige Verkürzung, die mir im Artikel unterlaufen ist. Ein wenig habe ich dem wohl mit meinem obigen "Ich bin kein Ökonom" entschuldigend Rechnung zu tragen versucht.
Zitat von Rayson im Beitrag #2Ich stimme dem Tenor des Blogbeitrags zu, möchte aber noch eine kleine Ergänzung anbringen:
Zitat von DoedingDie Krisenstaaten wurden ferner nicht gezwungen (wie sollten sie auch?), sondern sie hatten eine Wahl: den Austritt aus der Eurozone mit Wiedereinführung nationaler Währungen zur Wiederherstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit war die Alternative.
Da fehlt noch was: Ohne Schuldenschnitt (oder drastischer: Staatsbankrott) wäre es nicht gegangen. Der wäre nämlich die unmittelbare Folge einer Verweigerung der betreffenden Kredite. Die nationale Währung ist eher eine zusätzliche Option.
Ein Schuldenschnitt ist keine Notwendigkeit. Wenn jemand seine Schulden nicht zahlt, dann hat der Gläubiger Pech gehabt, er muss aber auch dann nicht formal verzichten, wenn die Forderung ganz oder teilweise uneinbringlich ist. Im Übrigen wüßte ich von keinem Land, dass durch Schwachwährungspolitik erfolgreich geworden wäre. Griechenland war schon vor der Euro-Einführung nicht wettbewerbsfähig und die zypriotischen Banken gingen nicht deswegen pleite, weil auf Zypern der Euro eingeführt wurde. Erfolgreiche Länder haben eine eher harte Währung. Wettbewerbsfähigkeit lässt sich mit einer schwachen Währung nicht herstellen. Die Argumenation, mit Abwertung einer Währung, also im Klartext mit teilweiser Enteignung, könne man für ökonomischen Erfolg sorgen, ist von Grund auf sozialistisch und empirisch nicht belegt.
Zitat von TFEin Schuldenschnitt ist keine Notwendigkeit. Wenn jemand seine Schulden nicht zahlt, dann hat der Gläubiger Pech gehabt, er muss aber auch dann nicht formal verzichten, wenn die Forderung ganz oder teilweise uneinbringlich ist.
Deswegen erwähnte ich ja auch den Staatsbankrott. Aufgrund welcher Rechtsgrundlage der Schuldner sein Geld verliert, ist wirtschaftlich unerheblich.
Zitat von TFIm Übrigen wüßte ich von keinem Land, dass durch Schwachwährungspolitik erfolgreich geworden wäre.
Es geht nicht nur um "Erfolg". "Abwendung einer Katastrophe" ist auch manchmal gut genug. In kurzer Frist muss man die Konsum- und Investitionsentscheidungen als gegeben betrachten.
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Zitat […] mit Abwertung einer Währung, also im Klartext mit teilweiser Enteignung
Dass die Guthaben verfallen ist eine Seite des Phänomens Inflation. Die andere: auch Löhne und Preise fallen, ohne Streit und Diskussion. Für Geldanlagen wird man eine Weichwährung ohnehin meiden und entweder hohe Zinsen forden, in wertstabile Devisen umtauschen oder eben andere Anlageformen wählen.
Zitat Im Übrigen wüßte ich von keinem Land, dass durch Schwachwährungspolitik erfolgreich geworden wäre
Langfristig vielleicht nicht, aber vorübergehend? Auch die DM war zu vielen Zeiten keine ausgesprochene Hartwährung. Schauen Sie sich mal die historischen Inflationsraten aus der wikipedia an: Noch 1992 lag die Inflationsrate bei 5,1%.
Zitat von Doeding im Beitrag #3Danke für den Hinweis, das stimmt natürlich. Vermutlich ist das auch nicht die einzige Verkürzung, die mir im Artikel unterlaufen ist. Ein wenig habe ich dem wohl mit meinem obigen "Ich bin kein Ökonom" entschuldigend Rechnung zu tragen versucht.
Wenn ich als Semi-Ökonom etwas anderes zu monieren gehabt hätte, hätte ich mich entsprechend geäußert. Und um das festzustellen, was du festgestellt hast, braucht man vor allem gesunden Menschenverstand und Sprachgefühl. Beides kann man auch bei Ökonomen nicht voraussetzen.
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Zitat von TF im Beitrag #4Die Argumenation, mit Abwertung einer Währung, also im Klartext mit teilweiser Enteignung, könne man für ökonomischen Erfolg sorgen, ist von Grund auf sozialistisch und empirisch nicht belegt.
Es ist einfach nur eine Alternative zur Steuererhöhung. Und die effektivere in Ländern mit Mehrheiten gegen Steuererhöhungen.
Zitat von Rayson im Beitrag #5Es geht nicht nur um "Erfolg". "Abwendung einer Katastrophe" ist auch manchmal gut genug. […]
Sehr guter Hinweis. Um »Erfolg« messen, bräuchte es irgend einen Referenzwerte dafür, was als Erfolg oder Misserfolg zu werten ist – und den bekommt man nicht leicht.
Übrigens ist es absolut keine Einschränkung, auch und gerade bei Burteilungen der derzeitigen Krise(n), nicht Ökonom zu sein. Ich bin es, aber alles, was ich im Studium (mit Promotion) gelernt habe, ist, dass ich es mir gut und gerne auch hätte schenken koennen, weil man - das kann ich verallgemeinern - nichts lernt. Achten Sie mal darauf wie selten Ökonomen gegenwertig auf die Fachliteratur verweisen (koennen). Die hilft ihnen nämlich, anders als der gesunde Menschenverstand keinen Deut weiter. Zum Glück habe ich aber auch noch was richtiges gemacht.
Zitat von dirk im Beitrag #10Danke für diesen ausgezeichneten Artikel.
Übrigens ist es absolut keine Einschränkung, auch und gerade bei Burteilungen der derzeitigen Krise(n), nicht Ökonom zu sein. Ich bin es, aber alles, was ich im Studium (mit Promotion) gelernt habe, ist, dass ich es mir gut und gerne auch hätte schenken koennen, weil man - das kann ich verallgemeinern - nichts lernt.
Psst, nicht so laut, Sie verderben's noch fuer unsere gesamte Zunft... wenn das jemand rausfindet...
Für den Politiker sind Worte was das Kostüm für den Schauspieler und die Farbe für den Geldfälscher. Sie alle wollen nicht zeigen, was ist, sondern das Publikum glauben machen, das etwas wäre.
Goethes Mephistopheles wengistens, kann es gelassen sehen:
Zitat Mein Freund, die Kunst ist alt und neu. Es war die Art zu allen Zeiten, Durch Drey und Eins, und Eins und Drey Irrthum statt Wahrheit zu verbreiten. So schwätzt und lehrt man ungestört; Wer will sich mit den Narr’n befassen? Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, Es müsse sich dabey doch auch was denken lassen.
Viel interessanter scheint mir die Frage: warum tun Journalisten dergleichen? Verstehen sie ihr Handwerk nicht und geben ungeprüft wieder, was Politiker ihnen erzählen? Glauben sie den Unsinn tatsächlich? Wollen sie lieber die Zuneigung des Publikums als die Wahrheit finden? Biegen Sie die Wahrheit etwas zurecht, weil sie von der €-Rettung überzeugt sind, und nicht auf die Seite wechseln wollen, nur weil ein paar Details nicht passen? So wie Schopenhauer schreibt in der Kunst, recht zu behalten:
Zitat Es ist leicht gesagt, man soll nur der Wahrheit nachgehn ohne Vorliebe für seinen Satz; aber man darf nicht voraussetzen, daß der Andre es tun werde: also darf man's auch nicht. Zudem, wollte ich, sobald es mir scheint, er habe Recht, meinen Satz aufgeben, den ich doch vorher durchdacht habe; so kann es leicht kommen, daß ich, durch einen augenblicklichen Eindruck verleitet, die Wahrheit aufgebe, um den Irrtum anzunehmen.
Zitat von ChristophViel interessanter scheint mir die Frage: warum tun Journalisten dergleichen? Verstehen sie ihr Handwerk nicht und geben ungeprüft wieder, was Politiker ihnen erzählen? Glauben sie den Unsinn tatsächlich? Wollen sie lieber die Zuneigung des Publikums als die Wahrheit finden? Biegen Sie die Wahrheit etwas zurecht, weil sie von der €-Rettung überzeugt sind, und nicht auf die Seite wechseln wollen, nur weil ein paar Details nicht passen?
Das frage ich mich oft auch, lieber Christoph, mit unterschiedlichen Antworten, die aber allesamt deprimierend sind.
Was man, glaube ich, nie unterschätzen darf, ist die Macht des Trivialen. Ich kenne Medien nicht von innen, aber ich stelle es mir so vor, daß eine Jouralistikstudentin irgendwann Praktikum macht und dann, -"O mein Gott!"- eines bei der Süddeutschen bekommt. Oder bei der ARD. Oder bei der Zeit. Naiv und unerfahren, freut sie sich einen Ast und fängt dort an. Der Rest ist Sozialisation. Sie bekommt mit, wie der Hase läuft, hat vielleicht manchmal ein komisches Gefühl, wie die Redaktionskonferenzen laufen, wie recherchiert wird.
Aber soviel war ja richtig: Studium, das war halt Theorie, aber das hier, das ist das richtige Leben! Und da sich sonst auch keiner daran stört und alle mitmachen, macht sie also auch mit. Sie ist fleißig und lernt schnell. Sie lernt, welche Meinungen akzeptiert werden und übernimmt sie nach und nach, bis sie selbst dran glaubt, um die Kognitive Dissonanz zu überwinden. Und wenn sie Glück hat, ist der Eindruck, den sie hinterläßt so gut, daß man sie einlädt, nach dem Studium als Volontärin anzufangen. Auf Honorarbasis, versteht sich.
Ein im übrigen überaus mephistophelischer Vorgang
So oder so ähnlich stelle ich es mir (unter anderem auch) vor.
Zitat von Doedingsie hatten eine Wahl: den Austritt aus der Eurozone mit Wiedereinführung nationaler Währungen zur Wiederherstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit war die Alternative.
Lieber Doedeing,
diese Alternative hatten sie wohl nicht wirklich. Nach den Vorgängen in Irland und Zypern bin ich davon überzeugt, daß es als GAU aufgefaßt wird, wenn ein Land den Euro wieder aufgibt. Die Vorstellung, man könne die Krise dazu benutzen, die Staaten in der Not zur Aufgabe von Souveränität zu bringen, scheint so übermächtig zu sein, daß ein Zurück mit allen (Fremd-) Mitteln zu verhindern ist. Ich halte es für möglich, daß dieses Projekt nur durch einen finanziellen Zusammenbruch mit den damit verbundenen Unruhen zu verhindern ist.
Mir ist die Demagogie der Sprache auch bei diversen Veröffentlichungen aufgefallen. Mir ist auch aufgefallen, dass diese auch hier im Forum verwendet wird, nur eben mit den entgegengesetzten Vorzeichen.
Das Problem scheint mir zu sein, dass wir in diesem Thema bereits alle zu Pawlowschen Hunden degeneriert sind. Bei Nennen eines Stichworts fangen wir an zu sabern, ohne das Hirn zu aktivieren. Leider sind beide Seiten der Diskussion mit Argumenten versehen, die ohne Nachzudenken einleuchten.
- Gibt man mehr Geld aus als man einnimmt, dann geht das schief, also muss man Sparen. - Spart ein Staat sehr stark, dann gibt er zu wenig aus für Personal und Investitionen und bekommt als Folge eine Wirtschaftskrise, die starke soziale Härten mit sich bringt. - Geht ein Staat Bankrott, dann werden die Geldgeber enteignet (verlieren ihr Geld) und der Staat bekommt keine Kredite mehr mit noch schlimmeren sozialen Folgen als das Sparen.
Ich vermute als intelligent denkender Mensch, dass alle diese Argumente unter Umständen richtig sind, unter anderen Umständen aber auch nicht. Leider ist die Realität eben komplex. Und in einer komplexen Realität kann es sein, dass man keine richtige oder falsche Entscheidung treffen kann, sondern nur eine mit negativen Konsequenzen, um eine mit noch schlimmeren Konsequenzen zu verhindern. Aber abgesehen davon kann ich nichts sagen, denn ich bin kein Volkswirt. Und ebenso leider gibt es sowohl bei der einen als auch bei der anderen Seite Volkswirte, die behaupten, die Welt geht unter, wenn man der anderen Seite folgt (wobei ich nicht beurteilen kann, ob diese das aus politischem Kalkül tun oder aus Fachkenntnis).
Aber in einem bin ich sicher. Je stärker jemand seine Argumente mit Untergangsszenarios belegt (auch in diesem Forum geschieht das zu oft), desto stärker bin ich geneigt, diesem Menschen nicht zu glauben.
Und genau deswegen war ich bisher nicht geneigt, denen zu glauben, - dass eisernes Sparen und der Austritt aus dem Euro für Schuldenländer der beste Weg ist - oder Aufgabe des Sparens der beste Weg ist.
Was bleibt also: Sparen ja, aber nicht zu stark. Ist doch logisch.
Zitat von Kritiker im Beitrag #15Mir ist die Demagogie der Sprache auch bei diversen Veröffentlichungen aufgefallen. Mir ist auch aufgefallen, dass diese auch hier im Forum verwendet wird, nur eben mit den entgegengesetzten Vorzeichen.
Ist das nicht das grundsätzliche Problem der Sprachkritik, die Sprache zu einem Manipulationswerkzeug zu stempeln? Im übrigen finde ich den Begriff der "Demagogie" in einem Diskussionsforum nicht passend, irgendwie fehlt leider das Volk, das verführt zu werden sich bereit zeigt .
Zitat von Kritiker im Beitrag #15Ich vermute als intelligent denkender Mensch, dass alle diese Argumente unter Umständen richtig sind, unter anderen Umständen aber auch nicht. Leider ist die Realität eben komplex. Und in einer komplexen Realität kann es sein, dass man keine richtige oder falsche Entscheidung treffen kann, sondern nur eine mit negativen Konsequenzen, um eine mit noch schlimmeren Konsequenzen zu verhindern. Aber abgesehen davon kann ich nichts sagen, denn ich bin kein Volkswirt. Und ebenso leider gibt es sowohl bei der einen als auch bei der anderen Seite Volkswirte, die behaupten, die Welt geht unter, wenn man der anderen Seite folgt (wobei ich nicht beurteilen kann, ob diese das aus politischem Kalkül tun oder aus Fachkenntnis).
Deshalb ist auch der kritische Rationalismus, so ehrenwert akademisch auch sein mag, als politischer Leitfaden Grenzen unterworfen. Die Position des Kritikers (no offence meant) ist zwar die intellektuell und ästhetisch ansprechendere, aber auch die bequemere. Die Politiker müssen entscheiden und sich daran messen lassen; gerade die deutsche Öffentlichkeit toleriert kein laissez-faire und wünscht Entscheidungen - gleichzeitig geht sie mit diesen anschließend sehr unbarmherzig um. Ich möchte kein Politiker sein.
Zitat von Kritiker im Beitrag #15Aber in einem bin ich sicher. Je stärker jemand seine Argumente mit Untergangsszenarios belegt (auch in diesem Forum geschieht das zu oft), desto stärker bin ich geneigt, diesem Menschen nicht zu glauben.
Soll ich Ihnen also nicht glauben, dass wir auf den Überwachungsstaat zusteuern und Sie nur hoffen können, dessen Vollendung nicht mehr zu erleben?
Gruß Petz
"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln
Zitat von Kritiker im Beitrag #15Mir ist die Demagogie der Sprache auch bei diversen Veröffentlichungen aufgefallen. Mir ist auch aufgefallen, dass diese auch hier im Forum verwendet wird, nur eben mit den entgegengesetzten Vorzeichen.
Das Problem scheint mir zu sein, dass wir in diesem Thema bereits alle zu Pawlowschen Hunden degeneriert sind. Bei Nennen eines Stichworts fangen wir an zu sabern, ohne das Hirn zu aktivieren. Leider sind beide Seiten der Diskussion mit Argumenten versehen, die ohne Nachzudenken einleuchten.
- Gibt man mehr Geld aus als man einnimmt, dann geht das schief, also muss man Sparen. - Spart ein Staat sehr stark, dann gibt er zu wenig aus für Personal und Investitionen und bekommt als Folge eine Wirtschaftskrise, die starke soziale Härten mit sich bringt. - Geht ein Staat Bankrott, dann werden die Geldgeber enteignet (verlieren ihr Geld) und der Staat bekommt keine Kredite mehr mit noch schlimmeren sozialen Folgen als das Sparen.
Ich vermute als intelligent denkender Mensch, dass alle diese Argumente unter Umständen richtig sind, unter anderen Umständen aber auch nicht. Leider ist die Realität eben komplex.
Richtig. Deshalb war und ist es ja auch so wenig hilfreich, daß höheren politischen Orts immer so viel in einen Topf geworfen wird (vielleicht mit der oben von Thomas Pauli angedeuteten erpresserischen? --- sagen wir lieber motivierenden Absicht). Z.B. wird seit Jahren impliziert, so als wäre es eine offensichtliche Wahrheit, daß ein Bankrott eines Staats innerhalb der Eurozone katastrophal für diese wäre und unbedingt mit dem Austritt des Staats aus dem Euro oder gar dem völligen Zerfall der Eurozone einhergehe. Inzwischen mag das so sein, nachdem die EZB sich unauflöslich politisch verstrickt hat und die No-Bailout-Klausel den Lethestrom hinabgeschwommen ist, aber in der ursprünglichen, robusteren Konstruktion war das doch keineswegs eine unausweichliche Folge? Da wäre der Euro eben die Währung gewesen, mit der die teilnehmenden Staaten wirtschaften müssen, und wenn sie abgewirtschaftet haben, wäre das ihr eigenes Problem gewesen. Freilich wäre ein Staatsbankrott nicht wirklich mit den Stabilitätskriterien vereinbar gewesen, aber die waren ja ohnehin nur ein Mittel zum Zweck, das sofort ausgedient hatte, nachdem der Euro eingeführt war, und auch entsprechend behandelt wurde.
Ferner ist da die unsägliche Gleichsetzung von Euro mit Europa, vielleicht der beste Grund, den man seinerzeit für diesen eigentlich unwürdigen, an Kindersprache und Spielgeld gemahnenden Namen für die Einheitswährung hatte.
Sprache ist ja nicht nur ein Mittel der Kommunikation, sondern auch des Denkens. Eine sauber differenzierte, richtig verwendete Sprache ist Voraussetzung für klares Denken und rationale Entscheidungen. Mit dem verdrehenden Sprachmischmasch fängt die Misere an. Das ist natürlich keine neue Einsicht, das steht alles sonnenklar bei George Orwell und war auch schon vorher bekannt. Seltsamerweise gerät es dennoch immer und immer wieder in Vergessenheit.
Zitat von Kritiker im Beitrag #15Was bleibt also: Sparen ja, aber nicht zu stark. Ist doch logisch.
Bei aller Sympathie für den goldenen Mittelweg, virtus in medio usw. erscheint mir gerade dieser Schluß nicht so logisch. Das Sparen (hier ja ein Euphemismus für den Versuch, die katastrophalen Haushaltsdefizite zu reduzieren) ist kein Selbstzweck, sondern notwendig, um die Staatsneuverschuldung, die ja ein Darlehen auf künftige Wirtschaftsleistung des Staates ist, an die tatsächliche Entwicklung der Wirtschaftskraft anzupassen. Solange alles aufwärts geht, kann der Staat natürlich noch und noch Schulden aufnehmen, aber wenn Wirtschaftskraft und Steuereinnahmen einmal nicht mehr exponentiell wachsen, dann wird sein Versprechen, die neuen Schulden durch spätere Leistungen begleichen zu können, eben unglaubwürdig. (Gerade die Nachhaltigkeitsfanatiker, die von den Grenzen des Wachstums überzeugt sind, müßten also alles daransetzen, den Staatshaushalt möglichst sofort auszugleichen; sie müßten auch auf eine fixe Währung pochen, z.B. den Goldstandard, so daß der Geldumlauf das Nullwachstum widerspiegelt und befördert).
Wenn also sparen, dann richtig, sonst hat man nur die unmittelbaren negativen Effekte (Arbeitsplatzverlust im öffentlichen Sektor, Reduktion der Sozialleistungen) ohne die heilsame konsolidierende Wirkung. Halbherzige Maßnahmen sind hier so schädlich wie eine nur halb durchgeführte Operation.
Zitat von Kritiker im Beitrag #15[…]Leider sind beide Seiten der Diskussion mit Argumenten versehen, die ohne Nachzudenken einleuchten.
Rochefocauld: Diskussionen wären sehr kurz, wenn nur eine Seite Unrecht hätte.
Zitat Gibt man mehr Geld aus als man einnimmt, dann geht das schief, also muss man Sparen.
offensichtlich.
Zitat Spart ein Staat sehr stark, dann gibt er zu wenig aus für Personal und Investitionen und bekommt als Folge eine Wirtschaftskrise […]
Ob es die Aufgabe des Staates ist, die Wirtschaft mit seinen Aktivitäten zu befeuern ist eine umstrittene Frage. Ich würde das eher verneinen. Strebt man einen solchen Staat an, muss man umso mehr dafür sorgen, dass er entweder liquide oder kreditwürdig ist, also sparen.
Zitat Geht ein Staat Bankrott, dann werden die Geldgeber enteignet […] und der Staat bekommt keine Kredite mehr
Staaten sind in der Geschichte häufig bankrott gegangen und heute sind sie wieder verschuldet. Man hat den Bankrott Griechenlands zu verhindern versucht – aber Kredite bekommt es nicht mehr – zumindest nicht von Leuten, die mit ihrem eigenen Geld handeln. Ob ein Investor einem Staat Kredit gewährt macht, macht er davon abhängig, ob er eine zukünftige Rückzahlung für wahrscheinlich hält. Eine vergangene Bankrotterklärung könnte diese Prognose trüben (wenngleich das wenig rational erscheint) – eine gegenwärtige Überschuldung aber noch mehr.
Zitat Ich vermute […], dass alle diese Argumente unter Umständen richtig sind, […] unter anderen Umständen aber auch nicht. […] in einer komplexen Realität kann es sein, dass man keine richtige oder falsche Entscheidung treffen kann, sondern nur eine mit negativen Konsequenzen, um eine mit noch schlimmeren Konsequenzen zu verhindern.
Dann wäre die Entscheidung mit den weniger schlimmen Konsequenzen wohl die richtige. Nur wissen wir vorher nicht, welche das ist, und hinterher nicht, welche das gewesen wäre. Das zweite Problem: je größer das Ausmaß einer Entscheidung desto mehr Leute sind daran beteiligt und desto weniger Verantwortung trägt jeder, bis zum Schluss keiner mehr Verantwortung trägt.
Aus meiner Sicht folgt daraus das Gebot, zentralistische Entscheidungen ganz zu vermeiden, denn dezentrale Entscheidungen haben zwei Vorzüge: 1. die Verantwortlichen sind klarer zu ermitteln und die Entscheidungen betreffen sie auch selbst. Ihr Eigeninteresse ist eine schärfere Waffe gegen Vorurteile und Denkfehler als der gute Wille. 2. Die Auswirkungen (unvermeidlicher) Fehlentscheidungen sind begrenzt.
Zitat Je stärker jemand seine Argumente mit Untergangsszenarios belegt[…], desto stärker bin ich geneigt, diesem Menschen nicht zu glauben.
Glauben sollte man ohnehin nicht, zumindest nicht blind. Das falsche Propheten gerne den Untergang beschwören, heißt nicht, dass er nicht eintreten könnte. (heißt nicht wie in »Nur das ich paranoid bin, heißt nicht, dass mich keiner verfolgt«).
was die Pawlowschen Hunde angeht, so sehe ich mich nicht als solchen und begrüße jeden Widerspruch!
Man kann auf zwei sehr unterschiedliche Arten "nicht sparen", dadurch, daß man den Konsum anwirft, der ja offensichtlich aufgrund des "Spardiktats" in etlichen Ländern lange vernachlässigt wurde -
wenn der griechische Staat erst wieder Toilettenpapier kauft, muß alles gut werden -
oder aber, man investiert, man kauft sich gute Maschinen (bei uns), bildet die jungen Leute gut aus und stellt Güter her, die Leute in anderen Nationen kaufen wollen - das ist aber ein langer und steiniger Weg, allerdings der einzige, der für Südeuropa eine gewisse Aussicht auf Erfolg beinhaltet.
Alles andere ist Kurieren an den Symptomen, selbst Barroso ist sicherlich klar, daß sich die Gesundheit nicht dadurch verbessert, daß man wieder mehr von der krankmachenden Substanz verschlingt.
Aber - und das ist halt die Crux mit der Demokratie - heute other people´s money auszugeben war schon immer leichter (solange man es denn überhaupt noch zur Verfügung hat), als den Leuten die bittere Pille zu verpassen, sie müßten langsam mal selbst was tun (aber wahrscheinlich sind sogar die Zyprioten der Meinung, sie hätten beim Zocken hart gearbeitet) und anfangen, die Basis dafür zu schaffen, langfristig doch mal wieder ihr eigenes Geld mit tatsächlichen Mehrwerten zu verdienen.
Verkünder dieser Wahrheiten werden abgewählt.
Vermutlich weiß Barroso all das, dämlich ist er ja nicht. Aber, der Mann möchte noch ein paar Jährchen "regieren" und was dann kommt, ist "nicht sein Problem", jedenfalls nicht hier und heute.
Furchtbar nur, wie die Presse mal wieder manipuliert und für dumm verkauft. Danke, Herr Doeding, für die Einsichten.
Zitat von Christoph im Beitrag #6Auch die DM war zu vielen Zeiten keine ausgesprochene Hartwährung.
Ohne es jetzt nachgeprüft zu haben: In Relation zu anderen Währungen war sie es meiner Erinnerung nach immer.
Ich würde TF völlig zustimmen: Mit einer Abwertung kann ein Staat etwas Zeit kaufen, kann akute Wettbewerbsprobleme etwas abmildern - allerdings zu einem hohen Preis (Kaufkraftverlust für alle Bürger, auch die, die nichts für die Wettbewerbsprobleme diverse Branchen können). Die grundsätzlichen Probleme löst man aber durch Abwertung nie. Weswegen Staaten, die auf weiche Währung gesetzt haben, damit über die Zeit auch nie erfolgreich sein konnten. Abwertung ist ein typisches Politiker-Rezept: Man rettet optisch die eigene Amtszeit, und hinterläßt seinen Nachfolgern um so größere Probleme.
Zitat von Kritiker im Beitrag #15- Gibt man mehr Geld aus als man einnimmt, dann geht das schief, also muss man Sparen.
Man kann - auch als Staat - durchaus mal Schulden machen, wenn es die Situation erfordert. Z. B. werden die Japaner die Tsunamifolgen bestimmt nicht aus dem laufen Etat schultern können. Und im Prinzip kann ich auch die Keynes-Idee verstehen, daß man bei einer Wirtschaftskrise mit Staatsausgaben die Konjunktur ankurbeln will. Aber in beiden Fällen gehört eigentlich dazu, daß man anschließend Überschüsse macht und die Schulden wieder zurückzahlt.
Völlig unsinnig ist aber das westeuropäische Politikmodell, daß sich in den 70er Jahren etabliert hat: Ganz langfristig und ohne konkrete Anlässe JEDES Jahr mehr auszugeben als man einnimmt. Und ein großer Teil der Linken glaubt bis heute, das wäre ein vernünftiges und endlos fortführbares Finanzierungsmodell. Mir ist unbegreiflich, wie Leute mit einem Minimum an Rechenkenntnissen (eigentlich reicht Grundschule) nicht einsehen wollen, daß das nicht geht.
Zitat - Spart ein Staat sehr stark, dann gibt er zu wenig aus für Personal und Investitionen und bekommt als Folge eine Wirtschaftskrise, die starke soziale Härten mit sich bringt.
M. E. liegt die aktuelle Wirtschaftskrise in z. B. Griechenland oder Spanien nur zu einem ganz geringen Teil daran, daß gewisse Staatsausgaben fehlen. Es sind ja auch nur recht wenige Prozent der Ausgaben wirklich gestrichen worden. Das Problem ist aber, daß das Wachstum vorher eben nicht seriös war und auf Blaseneffekten (insbesondere bei Immobilien) beruhte. Und die Blase ist geplatzt. Die Wirtschaftskrise war also zuerst da, war auch Auslöser der Schuldenkrise, es hätte die Krise und die Härten also auch ohne die moderaten Sparanstrengungen gegeben.
Vor allem aber: Die Krise dauert an, weil die Rahmenbedingungen so chaotisch sind. Wer soll denn in diesen Ländern investieren, wenn die Politik so erkennbar unfähig ist, die Probleme des Landes in den Griff zu bekommen?
Zitat - Geht ein Staat Bankrott, dann werden die Geldgeber enteignet (verlieren ihr Geld) und der Staat bekommt keine Kredite mehr mit noch schlimmeren sozialen Folgen als das Sparen.
Wenn der betreffende Staat seine Ausgaben in den Griff bekommt, bräuchte er ja gar keine neuen Kredite mehr ...
Ansonsten hat nicht der betreffende Staat die wesentlichen Probleme bei einem Bankrott, sondern seine Gläubiger. Und im Falle der "Eurokrise" wäre wohl das Hauptproblem gewesen, daß bei einem Griechenlandbankrott diverse mitteleuropäische (vor allem französische) Banken in Gefahr gekommen wären. Und das kurz nach der Bankenkrise. Das wollten Merkel/Sarkozy verhindern - und haben damit die Lawine losgetreten.
Zitat Andreas Döding im Beitrag ______________ Der wohlinformierte Leser mag nun an die Grenzen des Wachstums denken, jene vom Club of Rome 1972 veröffentlichte düstere Zukunftsvision über die Welt, die freilich bis heute im wesentlichen nicht eingetreten ist. ______________
Es dürfte wohl keine malthusianische Knappheits- & Untergangsprognose geben, die dermaßen gründlich & zügig von der harten Wirklichkeit widerlegt worden ist, wie die "Limits of Growth" (Stimme aus dem Off: "Mit Ausnahme aller anderen") - die übrigens den Kardinalfehler der IPCC-Prognosen vorwegnahmen: "Das hat der Computer errechnet - und Computer-können-sich-nicht-irren".
Zitat Inter Press Service, 19 April 2013 ______________ “Climate change has moved into a new and highly dangerous phase and is now the most urgent issue confronting the world,” said Ian Dunlop, member of the Club of Rome and Deputy Convener for the Australian Association for the Study of Peak Oil.
According to Dunlop, the “official” target of limiting temperature rise to two degrees Celsius over the next decades is far too high and will lead to “enormous” increases in energy demand in the next decades.
Indeed, “Four Saudi Arabias are required by 2035 to maintain current supply in oil,” he said, adding that new fields are not found fast enough or are not large enough. ... “‘Official’ solutions are not working,” as carbon capture and storage, clean coal technologies and the recent rush from coal to gas all do their part to worsen global warming, according to the energy expert,
Dunlop called for an emergency plan to avoid a four-degree temperature rise in the next decades that could lead to a five-to-70-meters sea-level rise. ______________
*Uff*
Was lernt uns das? Die Hoffnung, die Herren Schnellnhuber, Hansen e tutti quanti würden nach Ablauf ihrer 15 Minuten des Ruhms von der Bühne entweichen, dürfte wohl vorschnell sein.
Zitat Was lernt uns das? Die Hoffnung, die Herren Schnellnhuber, Hansen e tutti quanti würden nach Ablauf ihrer 15 Minuten des Ruhms von der Bühne entweichen, dürfte wohl vorschnell sein.
Was lernt uns das weiter? Es kommt nicht darauf an, welcher Mechanismus des Weltuntergangs gepredigt wird, sondern nur, daß der Weltuntergang "schon nach dem Krieg um sechs" versprochen wird. Und es kommt überhaupt nicht darauf an, ob der Prophet sich eben mal ein wenig verprophezeit hat, sondern wie unterhaltsam er ist.
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