Die von Pistorius geäußerte Auffassung ist zumindest fragwürdig. Vielleicht kommt man der Sache näher, wenn man die Frage umdreht. Wie stellt sich denn Pistorius den V-Mann der Zukunft vor?
Nach meinem Wissen ist ein V-Mann ein Mensch, der in ein aufzuklärendes Umfeld eingeschleust wird, um dieses als "Spion" (um mal einen anderen Begriff einzuführen) aufzuklären. D.h. die Aktivitäten, die Strukturen zu ermitteln und dem Auftraggeber zu melden. Ist das möglich, wenn ich in dieser "Organisation" nur ein stilles Mitglied bin? Ich würde meinen, eher nicht. Muss ich der Scharfmacher, der Antreiber, der "Fürer" in dieser Organisation sein? Sicherlich nicht. Also werde ich mich als V-Mann in der Mitte ansiedeln. Bestimmte Aktivitäten muss ich natürlich entfalten. Bei einer Demonstration kann ich mich nicht immer in der "letzten Reihe" aufhalten und muss vorne mit dabei sein. Vielleicht sogar auch mal einen Stein werfen?
So ungefähr stelle ich mir einen V-Mann vor.
Den Fehler, den die Ermittlungsbehörden bei der NPD gemacht haben, scheint mir zu sein, dass die NPD so mit V-Männern durchsetzt war und diese so aktiv waren, dass die NPD ohne sie ihre Funktionsfähigkeit verloren hätte. Im Eifer des Gefechtes ist aus dem V-Mann ein Agent provocateur geworden. Damit hat man in guter Absicht, eine Grenze überschritten, die dazu geführt hat, dass die NPD, bei bekannt werden dieser Tatsache, nicht hätte verboten werden können. Wenn die V-Männer vor Gericht ausgesagt hätten, dann wäre herausgekommen, dass die justitiablen Aktivitäten auf Männer zurückgehen, die im Auftrag des Staates die Verbotsgründe schaffen sollten. Das ist jedenfalls meine Schlussfolgerung aus dem ganzen Verfahren gegen die NPD.
Das Problem wie Erkenntnisse der V-Männer verwertet werden können, erwähne ich nur. Zu groß ist dabei die Gefahr der Dekonspiration.
Wenn V-Leute von dem Geld, welches sie für ihre Spitzeltätigkeit bekommen, nicht leben können sollen, wovon sollen sie dann leben. Meint Pistorius, dass er genügend Hobby-V-Leute findet, die das Ganze aus Liebe zur Sache machen und nebenbei noch arbeiten gehen?
Auch das Einschleusen von V-Leuten, die keinen "Stallgeruch" haben halte ich für wenig aussichtsreich. Sie brauchen zu lange, um sich so weit zu etablieren, dass sie ein allseits anekanntes Mitglied werden. Erst dann werden sie für die Ermittlungsbehörden interessante Informanten.
Zitat von Paul im Beitrag #2 Nach meinem Wissen ist ein V-Mann ein Mensch, der in ein aufzuklärendes Umfeld eingeschleust wird, um dieses als "Spion" (um mal einen anderen Begriff einzuführen) aufzuklären. D.h. die Aktivitäten, die Strukturen zu ermitteln und dem Auftraggeber zu melden.
Ja. Und außerdem ist werden V-Leute auch aktiv geworben, eben aus der Organisation, bzw. dienen sich selbst an - wird ja auch nicht schlecht bezahlt. Und ich glaube auch, dass hier eher selten jemand aktiv eingeschleust wird, so a la undercover agent. Das funktioniert nur im Film
Trotzdem: Welche V-Leute wünscht sich denn die Innenminister-Riege? Nichtkriminelle Mauerblümchen? Da wird sich jeder Ermittler freuen. Es geht ja nicht nur um Neonazis, sondern auch um organisierte Kriminalität, also hauptamtliche Verbrecherorganisationen. Nett gemeint, aber unpraktikabel.
Ich stelle die Frage mal aus einem anderen Blickwinkel: Warum überhaupt diese V-Leute bezahlen ?
Vergleichen wir es wirklich mal mit der Steuersünder CD (deren Ankauf ich für absolut daneben und falsch halte). Die Steuersünder CD hat, auch wenn sie den Rechtsstaat beschädigt, einen zunächst kurzfristigen Vorteil: Sie hat einen Nutzen. Und zwar das Steuerhinterzieher gefasst werden. Und bezahlen müssen. In Kronzeugenprogrammen ist es ähnlich. Und da wo Spitzel im kriminellen Millieu eingesetzt werden, ebenso. Ein Nutzen muss da sein.
Was ist der Nutzen dieser scheinbaren Heerscharen von V-Leuten ? Die NPD und die rechte Szene in Deutschland sind doch völlig marginalisiert, eine aufgeblasenes Gespenst ohne Körper. Was passiert denn da an Straftaten, die ein solches Instrument erforderten ? Das Zeigen von "verbotenen" Gesten ? (Was rechtsstaatlich ohnehin ein Scherz ist.) Die einzige Großstraftat, die es wirklich mal einen Tag länger in die Presse geschafft hat, ist die Mordserie des vermeintlichen NSU. Und selbst wenn man davon ausginge, dass es sich nicht bloss um zwei durchgeknallte Serienkiller gehandelt hat, sondern wirklich um rechtsradikale Terroristen, dann muss man schon konstatieren, dass die ganzen V-Leute hier überhaupt nix gebracht haben. Weder zur Prävention noch zur Strafverfolgung. Ich frage mich eher: Warum bezahlen wir die Knilche überhaupt ? Damit sie die rechte Szene "beobachten" ? Was haben wir denn davon ?
Mir scheint das ein sehr seltsames Biotop zu sein. Ein paar gestrige, die den Schuss nicht gehört haben, umgeben von einer Menge von V-Leuten, die sich dadurch finanzieren, dass sie diejenigen, die den Schuss nicht gehört haben, beobachten und dazu eine Menge von Verfassungsschützern, die sich dadurch finanzieren, dass sie den ganzen Stuss aufschreiben. Und nicht zuletzt eine noch größere Gruppe von Aktionsbündnissen, die ihre Existenzberechtigung und ihre Anforderung an staatliche Kohle damit rechtfertigen.
Ich glaube manchmal es käme uns alle billiger die paar versprengten NPD-ler zu kaufen, sie alle nach Mallorca zu fliegen und 365 Tage im Jahr mit Bier zu versorgen. Das spart die V-Leute, den halben Verfassungsschutz und jede Menge Geld im "Kampf gegen rechts". Und vielleicht könnte sich dann die deutsche Innenpolitik auch mal mit Dingen beschäftigen, die wichtig sind. Eigentlich eine gute Idee: Udo Viogt nach Mallorca. Klingt auch nicht absurder als Baumärkte für Helgoland.
Zitat von Paul im Beitrag #2 Ist das möglich, wenn ich in dieser "Organisation" nur ein stilles Mitglied bin? Ich würde meinen, eher nicht. Muss ich der Scharfmacher, der Antreiber, der "Fürer" in dieser Organisation sein? Sicherlich nicht. Also werde ich mich als V-Mann in der Mitte ansiedeln. Bestimmte Aktivitäten muss ich natürlich entfalten. Bei einer Demonstration kann ich mich nicht immer in der "letzten Reihe" aufhalten und muss vorne mit dabei sein. Vielleicht sogar auch mal einen Stein werfen? So ungefähr stelle ich mir einen V-Mann vor.
Ja, so ähnlich stelle ich mir das auch vor. Und finde es durchaus problematisch. Denn dieser Stein kann durchaus jemanden treffen. Und ich fände es alles andere als lustig, wenn ich von einem Stein getroffen würde, dessen Wurf von meinem Steuergeld bezahlt wurde. In so einem Staat möchte ich nicht leben. Und ich fände es überhaupt nicht überzeugend, wenn da mit einer Güterabwägung argumentiert wird ("tut uns leid, dass der Staat Ihnen den Schädel hat einwerfen lassen. Aber es geschah zu einem höheren Zweck, das werden Sie doch einsehen" - nee, würde ich nicht einsehen).
Umgekehrt bin ich natürlich bei Ihnen: Ein V-Mann, der KEINE Straftaten begehen darf, ist unbrauchbar. NPD&Co. müssten ja nur irgendwelche kleinen "Mutproben" einführen. Also mal jemanden in der Nacht ein Hakenkreuz an eine Wand schmieren lassen. Wer nicht mitmacht, ist relativ wahrscheinlich ein V-Mann und wird in Zukunft von allen brisanten Informationen ausgeschlossen.
Man sieht da das ganze V-Männer-Dilemma. Vielleicht sollte man das Instrument ganz aufgeben. Und zum Beispiel die NPD an tatsächlich begangenen Verbrechen beurteilen, für deren Aufdeckung ja die üblichen kriminalistischen Methoden reichen sollten. Und nicht an internen Diskussionen etc. (so lange diesen keine Taten folgen).
Zitat von Dagny im Beitrag #6Berufskriminelle .... täusche ich mich, oder ist das eine Bezeichung, die seit den Nazis nicht mehr benutzt wird?
Der Spiegel 40/1967, "Kriminalität/Taxifahrer" "Unten am Vorbild der Berufskriminalität hatte sich ein in Spanien gebürtiger Münchner Taxifahrer orientiert."
Der Spiegel 1/1968, "Kriminalität/Berufsverbrecher" "Ein erfolgreicher Berufsverbrecher sollte stets einen UKW-Empfänger bei sich haben, um "Funk und Bewegung" motorisierter Polizeistreifen "während der Arbeit" mithören zu können. Er sollte "vor Verkehrskontrollen rechtzeitig wenden", "nie was bei sich tragen, was einen belasten könnte", und "sich an einem Ort möglichst nur kurze Zeit aufhalten". Schließlich sollte er "den richtigen Anwalt" haben sowie ein "Männchen" beim Straßenverkehrsamt" "das einem für ein paar Mark einen "krummen Wagen zuläßt oder auch Papiere verkauft"."
Das hätte mich auch gewundert, wenn das zu der Zeit & diesem Ort (Stichwort: "Rififi" & "Die Gentelmänn' bitten zur Kasse") nicht ein ordentliches organisiertes Ausbildungsfach gewesen wäre - Der Käfer, dein Freund und Helfer
Zitat von Florian im Beitrag #5Und ich fände es alles andere als lustig, wenn ich von einem Stein getroffen würde, dessen Wurf von meinem Steuergeld bezahlt wurde.
Es wäre in der Tat nicht lustig, wenn Beamte sozusagen dienstlich Steine werfen würden. V-Leute sind jedoch keine Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden. Die bezeichnet man als "Verdeckte Ermittler".
Zitat von Wikipedia: Verdeckter ErmittlerVerdeckte Ermittler dürfen unter ihrer Scheinidentität (Legende) am Rechtsverkehr teilnehmen, vgl. § 110a Abs. 2 Strafprozessordnung, eine Wohnung des Berechtigten betreten (§ 110c StPO) und Zeugen ohne Belehrung nach § 136 StPO befragen. Straftaten dürfen sie, im Gegensatz zum in den USA vorhandenen Undercover agent nicht begehen.
Zu unterscheiden sind sie von Informanten sowie von Spitzeln, auch V-Leuten bzw. V-Personen genannt, die Privatpersonen sind, die mit der Vertraulichkeitszusage oder Geheimhaltungszusage einer Staatsanwaltschaft versehen und meist gegen Bezahlung Informationen aus ihrem Umfeld an Ermittlungsbehörden liefern.
Die V-Leute werden also nicht fürs Steinewerfen bezahlt, sondern für die Informationen, die sie liefern, ob sie nun Steine werfen oder nicht.
Zitat von Florian im Beitrag #5Und zum Beispiel die NPD an tatsächlich begangenen Verbrechen beurteilen, für deren Aufdeckung ja die üblichen kriminalistischen Methoden reichen sollten.
Ob der Einsatz von V-Leuten einen Sinn ergibt, ist eine ganz andere Frage. Für die Aufklärung von Straftaten, die in einem weiten Sinn ideologisch motiviert sind, kann es schon nützlich sein, wenn die Behörden die entsprechende Szene kennen.
Zitat von Dagny im Beitrag #6Berufskriminelle .... täusche ich mich, oder ist das eine Bezeichung, die seit den Nazis nicht mehr benutzt wird?
Stimmt.
Zitat von WikipediaBerufsverbrecher ist ein Rechtsbegriff, den Kriminalisten während der Weimarer Republik in den 1920er Jahren für Wiederholungstäter einführten. Dem Begriff lag die Theorie zugrunde, dass Wiederholungstäter das Verbrechen als Beruf ausübten.
Die Nazis griffen das Konzept auf und wiesen Wiederholungstäter bei Eigentumsdelikten in KZ ein, wo sie durch einen grünen Winkel gekennzeichnet wurden.
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