In diesem Forum hat mal jemand behauptet der "generische Maskulin" sei widerlegt, ihn gäbe es nicht. Er würde zwar so gebraucht werden, er sei aber nur eine Illusion.
Das konnte ich nicht nachvollziehen, denn wenn etwas im Alltag mit einer bestimmten Bedeutung gebraucht wird, dann gibt es das in einer lebendigen Sprache halt. Inwiefern ist etwas, was erst durch den alltäglichen Gebrauch bestimmt wird, wie ein sprachliches Konstrukt, nur eine Illusion?
Die Argumentation finde ich typisch für abgehobene "Progressive". Man nimmt eine wissenschaftliche Erkenntnis und interpretiert dann etwas hinein, was gar nicht daraus folgt.
Zitat "Stattdessen gab es in beiden Sprachen einen signifikanten Effekt des grammatischen Geschlechts: Wenn im zweiten Satz von Männern die Rede war, wurde der Satz signifikant häufiger als „mögliche Fortsetzung“ kategorisiert, als wenn von Frauen die Rede war. Wenn Maskulina generisch interpretiert würden, wäre dieses Ergebnis nicht erklärbar. Zweitens, und fast noch wichtiger: Im deutschen Experiment waren die Reaktionszeiten signifikant schneller, wenn im zweiten Satz von Männern die Rede war. Selbst dort, wo die Versuchspersonen bereit waren, das Maskulinum generisch zu interpretieren und einen zweiten Satz über Frauen als „mögliche Fortsetzung“ zu interpretieren, brauchten sie für diese Entscheidung länger; das zeigt, dass die generische Interpretation nicht spontan erfolgte, sondern erst nach einer Art strategischem Umdenken."
Die Schlussfolgerung ist vollkommen an den Haaren vorbei gezogen.
"Wenn Maskulina generisch interpretiert würden, wäre dieses Ergebnis nicht erklärbar."
Die Interpretation hängt vom Kontext ab. So ist das nun einmal, wenn zwei Begriffe oder Bedeutungen zur genau gleichen Aussprache oder gar Schreibweise führen. Die Interpretation hängt von Kontext und Empfänger ab.
Welche Bedeutung ein Begriff hat, das wird bei einer lebendigen Sprache von den Nutzern der Sprache bestimmt. Es hängt nicht davon ab, ob es nicht auf Grund von Doppelbedeutungen zu Missverständnissen kommen kann, es können trotzdem beide Bedeutungen im Alltag in Gebrauch sein. Das erkennt er auch an:
Zitat
"Dass das Maskulinum „generisch“ gebraucht wird, steht doch außer Frage -- wäre es nicht so, bräuchten wir die Diskussion ja gar nicht zu führen. Dass das Maskulinum generische Interpretationen erfahren kann, steht ebenfalls außer Frage. Was das Experiment (und viele andere Experimente) zeigen, ist, dass diese Interpretation nicht natürlich oder automatisch ist, dass das Maskulinum also keine generische Bedeutng hat."
Was meint hier "natürlich" oder "automatisch"? Jede Sprache ist kulturell bedingt, das der Mensch zur Bildung von Kultur tendiert ist seine natürlich Neigung. Bezüglich Sprache ist somit alles natürlich als auch kulturell. Wie soll eine Interpretation automatisch sein, wenn sie wegen einer Doppelbedeutung vom Kontext abhängt? Und warum habe der Maskulin deshalb keine generische "Bedeutung"? Wie realitätsfern definiert er hier den Begriff "Bedeutung"? Wenn "das Maskulinum generische Interpretationen erfahren kann" (sofern er diese Interpretation weitläufig erfährt), dann ist das "seine Bedeutung".
Es ist ein Musterbeispiel für linke Überinterpretation durch rhetorisches Herumgewurstel und Neudefinitionen von Begriffen, um damit einem Ergebnis eine Bedeutung zukommen zu lassen, welches es nicht hat. In der Regeln werden Faktenfesteillungen so gedreht, als folge daraus etwas normatives (beispielsweise das etwas nicht die "Bedeutung" von etwas sein kann, wenn einige bei einem Begriff mit zwei Bedeutungen die andere auswählen), was gar nicht daraus folgt.
Etwas ähnliches habe ich mal an anderer Stelle ebenfalls von einem Wissenschaftler auf den Sienceblogs gelesen. Er berichtete von vielen verschiedenen Abzweigungen in der Entwicklung eines Menschen, die zu unterschiedlichem Verhalten und Charakter führen. Das sei erwiesen. Nun gut, ja, was folgt nun daraus? Na, das zeige es gäbe 2^n Geschlechter. Bei mehr als nur binären Abzweigungen könne auch ein Faktor 3, 4, ... oder x ins Produkt einfließen. Denn das könne man alles als ein extra Geschlecht interpretieren... Und so wird durch eine neue Definition aus einer Erkenntnis etwas normatives abgeleitet, was daraus nicht wirklich abzuleiten ist...
Aber es wird als wissenschaftlich hingestellt. Und weil das für die Grundannahme auch so ist und erst die Schlussfolgerungen logische Brüche oder willkürliche Neudefinitionen/Werteentscheidungen enthalten, wird quasi als trojanisches Pferd das Gesamtpaket als "wissenschaftlich Erwiesen" dargestellt - und jede Kritik an der willkürlichen Weltinterpretation und Werteentscheidungen ist damit ein bestreiten wissenschaftlicher Erkenntnis.
Daher sind alle nicht ausreichend progressiven Kräfte pseudowissenschaftliche, religiöse denialists.
Überspitzt formuliert: Männer haben ein y-Chromosom anstelle eines zweiten x-Chromosoms. Das y-Chromosom ist kleine als ein x-Chromosom. Ergo: Männer sind verkrüppelte Exemplare der Gattung Mensch...
Wissenschaftlich erwiesen, denn das y-Chromosom ist ein verkrüppeltes Exemplar des x-Chromosoms.
Zwar nicht quantitativ das Gleiche, wenn man den Ausmaß des Fehlschlusses mit dem vorliegenden Fall vergleicht, aber qualitativ. Man kann die Begriffe so definieren, dass die Schlussfolgerung passt, aber warum sollte man soetwas tun, außer um ein politisch begründetes Framing als wissenschaftlich hinzustellen?
Zitat von TechniknörglerÜberspitzt formuliert: Männer haben ein y-Chromosom anstelle eines zweiten x-Chromosoms. Das y-Chromosom ist kleine als ein x-Chromosom. Ergo: Männer sind verkrüppelte Exemplare der Gattung Mensch...
Wissenschaftlich erwiesen, denn das y-Chromosom ist ein verkrüppeltes Exemplar des x-Chromosoms.
Wer sowas behauptet, postuliert eine genetisch bedingte Verschiedenheit der Geschlechter. Also ein Nazi.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von TechniknörglerÜberspitzt formuliert: Männer haben ein y-Chromosom anstelle eines zweiten x-Chromosoms. Das y-Chromosom ist kleine als ein x-Chromosom. Ergo: Männer sind verkrüppelte Exemplare der Gattung Mensch...
Wissenschaftlich erwiesen, denn das y-Chromosom ist ein verkrüppeltes Exemplar des x-Chromosoms.
Wer sowas behauptet, postuliert eine genetisch bedingte Verschiedenheit der Geschlechter. Also ein Nazi.
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #1 Überspitzt formuliert: Männer haben ein y-Chromosom anstelle eines zweiten x-Chromosoms. Das y-Chromosom ist kleine als ein x-Chromosom. Ergo: Männer sind verkrüppelte Exemplare der Gattung Mensch... Wissenschaftlich erwiesen, denn das y-Chromosom ist ein verkrüppeltes Exemplar des x-Chromosoms.
Och, man muss nur ein wenig argumentieren können.
1.) Geschlechtlichkeit ist keine Entwicklung des Menschen, sondern ist evolutionär sehr früh entstanden. Wenn es eine Verkrüpplung ist, dann eine Verkrüpplung der Uramöbe. 2.) Nicht geschlechtliche Gattungen sind so schlau wie eine Hefezelle. Also ist die Klugheit erst durch die verkrüpplung entstanden - sogar der Feminismus.
Ich habe leider gerade keine direkte Quelle zur Hand, werde mich aber noch einmal auf die Suche begeben; in der Zwischenzeit kann ich nur mit einem Gespräch mit einem Sprachwissenschaftler dienen. Der hat mir in diesem Kontext erklärt, dass es eigentlich die weibliche Form ist, die das besondere Geschlecht darstellt. Soll heißen, sprachgeschichtlich gab es weder männliche noch weibliche Form, sondern eine Einheitsform. Aus Höflichkeit wurde dann die weibliche eingeführt - und die heute männliche für den Rest behalten. So gesehen ist die männliche Form eben nicht "männlich" und dominierend oder unterdrückend der weiblichen gegenüber, wie das von Feministen behauptet wird. Sprachgeschichtlich wäre es eher so, dass die weibliche Form die einzige geschlechtliche Form ist, die einen höflichen Sonderstatus darstellt, und die männliche gar nicht existiert. Wenn überhaupt wären die Männer die unterdrückten, da ihre Form nicht existiert. Da kann man jetzt natürlich argumentieren, dass sich das im heutigen Sprachgebrauch gewandelt hat und die "Restform" eben die männliche ist und auch so wahrgenommen wird. Sollte das kulturhistorisch aber stimmen, wäre jeglicher Unterdrückungsgedanke absurd.
Wie gesagt, das alles nur vom Hörensagen. Den Ansatz fand ich aber interessant genug, um ihn in die Runde zu werfen. Ein schnelles googlen hat mir aber keine Bestätigung geliefert.
Zitat _______________ Wie ich bei Harald Martenstein von der "Zeit" gelesen habe, der dafür auch in der Böll-Studie steht, hat die Zahl der Gender-Professoren inzwischen locker die der Slawisten überflügelt: 173 Professuren hat Martenstein gezählt versus 100 bei den Philologen. [...] Aber wie ich bei der Lektüre gelernt habe, verrät schon die Frage nach der Wissenschaftlichkeit, wie sehr man dem alten, männlich zentrierten Denken verhaftet ist. Ein Merkmal der Geschlechterforschung sei gerade, dass sie "spezifische Konzepte der epistemologischen Tradition" hinterfrage und dabei herausarbeite, wie "klassische Vorstellungen von Objektivität tatsächlich androzentrisch" seien, heißt es in der Böll-Schrift: "Dadurch stellt sie Wahrheitsansprüche stark in Frage und verweist auf die Verbindung von Wissen und Macht." _______________
Jenseits von Tatsachen & Wissenschaft. Hört sich vielversprechend postnormativ an. Vorsintflutliche Tatsachenfetischisten werden bestimmt unken,daß bei einer solchen Haltung sich das ganze akadeische Treiben auf eine reine Machtfrage reduziert: wer Zugang zu den Fleischtöpfen hat & gegen Salär wolkiges Geschwätz im faktenfreien Raum absondern darf.
Dazu hat auch Hadmut Danisch einen (etwas langen?) Kommentar geschrieben:
Zitat Der offene Krieg gegen die Wissenschaft bricht aus Hadmut 12.7.2013 0:42 Die berüchtigte Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen – Kampfstation der Gender-Ideologie – setzt zum großen Krieg gegen Wissenschaft an und versucht, den Staat seine eigene Sabotage finanzieren zu lassen. Man muss die Grünen als verfassungsfeindliche Organisation betrachten.
Noch-ältere Ideengeschichtler (Prä-Antediluvianer?) können allerdings darauf verweisen, daß just dieser Teil der Akademie seit den Tagen Sokrates' noch nie etwas anderes getrieben hat. Nicht umsonst zählten Grammatik, Logik & Rhetorik zum trivium der septem artes liberales, also zum harten Kern. Früher haben sie um das Kochrezept für Ambrosia gezankt, um die Anzahl der Engel, die auf einer Nadelspitze Samba tanzen können, ob Adam & Eva einen Nabel hatten, um die Ursprache, oder ob das Nichts nichtet. Dieses Segment der akademischen Menschheit will beschäftigt sein, und Hamlet-Aufführungen auf Klingonisch und akademische Konferenzen über Entführungen durch Außerirdische reichen als Kuchen-zum-Verteilen nun mal nicht aus.
Naja, lieber Ulrich Elkmann, die Hamlet-Aufführung auf Klingonisch ist ja geradezu paradox in Ihrer Aufführung: 1) könnte da tatsächlich ein nennenswerter Prozentsatz der Bevölkerung Interesse dran haben (der Anteil der Trekker bzw. Trekkies in der Bevölkerung der Industriestaaten dürfte konstant bei etwa 1-2% liegen) 2) sind diese auch durchaus bereit für sowas Geld auszugeben.
Ob ich ein Geschäftsmodell auf diesen Annahmen aufbauen würde? Nein. Aber es ist immerhin keine brotlose Kunst.
Ich habe übrigens auch ein English-Klingon Dictionary zuhause rum liegen...
Zitat von crithir im Beitrag #5Ich habe leider gerade keine direkte Quelle zur Hand, werde mich aber noch einmal auf die Suche begeben; in der Zwischenzeit kann ich nur mit einem Gespräch mit einem Sprachwissenschaftler dienen. Der hat mir in diesem Kontext erklärt, dass es eigentlich die weibliche Form ist, die das besondere Geschlecht darstellt. Soll heißen, sprachgeschichtlich gab es weder männliche noch weibliche Form, sondern eine Einheitsform. Aus Höflichkeit wurde dann die weibliche eingeführt - und die heute männliche für den Rest behalten. So gesehen ist die männliche Form eben nicht "männlich" und dominierend oder unterdrückend der weiblichen gegenüber, wie das von Feministen behauptet wird. Sprachgeschichtlich wäre es eher so, dass die weibliche Form die einzige geschlechtliche Form ist, die einen höflichen Sonderstatus darstellt, und die männliche gar nicht existiert. Wenn überhaupt wären die Männer die unterdrückten, da ihre Form nicht existiert. Da kann man jetzt natürlich argumentieren, dass sich das im heutigen Sprachgebrauch gewandelt hat und die "Restform" eben die männliche ist und auch so wahrgenommen wird. Sollte das kulturhistorisch aber stimmen, wäre jeglicher Unterdrückungsgedanke absurd.
Wie gesagt, das alles nur vom Hörensagen. Den Ansatz fand ich aber interessant genug, um ihn in die Runde zu werfen. Ein schnelles googlen hat mir aber keine Bestätigung geliefert.
Wenn es um die deutsche Sprache und vor allem das Warum-ist-das-so-wie-es-ist geht, kann ich Daniel Scholten wärmstens empfehlen. Insbesondere die Podcasts bezüglich Genus im Deutschen und Ikonizität in der Sprache passen gut zur hiesigen Thematik.
Bitte beachten Sie diese Forumsregeln: Beiträge, die persönliche Angriffe gegen andere Poster, Unhöflichkeiten oder vulgäre Ausdrücke enthalten, sind nicht erlaubt; ebensowenig Beiträge mit rassistischem, fremdenfeindlichem oder obszönem Inhalt und Äußerungen gegen den demokratischen Rechtsstaat sowie Beiträge, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Hierzu gehört auch das Verbot von Vollzitaten, wie es durch die aktuelle Rechtsprechung festgelegt ist. Erlaubt ist lediglich das Zitieren weniger Sätze oder kurzer Absätze aus einem durch Copyright geschützten Dokument; und dies nur dann, wenn diese Zitate in einen argumentativen Kontext eingebunden sind. Bilder und Texte dürfen nur hochgeladen werden, wenn sie copyrightfrei sind oder das Copyright bei dem Mitglied liegt, das sie hochlädt. Bitte geben Sie das bei dem hochgeladenen Bild oder Text an. Links können zu einzelnen Artikeln, Abbildungen oder Beiträgen gesetzt werden, aber nicht zur Homepage von Foren, Zeitschriften usw. Bei einem Verstoß wird der betreffende Beitrag gelöscht oder redigiert. Bei einem massiven oder bei wiederholtem Verstoß endet die Mitgliedschaft. Eigene Beiträge dürfen nachträglich in Bezug auf Tippfehler oder stilistisch überarbeitet, aber nicht in ihrer Substanz verändert oder gelöscht werden. Nachträgliche Zusätze, die über derartige orthographische oder stilistische Korrekturen hinausgehen, müssen durch "Edit", "Nachtrag" o.ä. gekennzeichnet werden. Ferner gehört das Einverständnis mit der hier dargelegten Datenschutzerklärung zu den Forumsregeln.