Ich habe dieses Problem weniger bei alten Leuten, sondern vorallem bei Behinderten. Hier habe ich mir inzwischen angewöhnt, immer zuerst zu fragen, ob sie meine Hilfe wünschen. Das ist ja oft genug nicht der Fall, eben weil diese es wichtiger finden, die Situation allein zu lösen, als es möglichst einfach zu haben. Ein Wunsch, den ich absolut nachvollziehbar finde und gern respektiere. Daher habe ich auch kein Problem mit schroffen Ablehnungen - ebensowenig mit schroffen Bejahungen. Das ist eben ein Punkt, an dem die Seele dieser Leute sicher schnell wundgescheuert ist.
Mir scheint, Herr Döding, Sie haben die richtige Frau geheiratet... . Ich hoffe, dass meinem Vater in einer solchen Situation jemand helfen würde. Er würde es auch dankbar annehmen. Aber da ist tatsächlich in den letzten Jahren etwas passiert. Nicht jeder will Hilfe annehmen. Es gibt den wunderbaren Grundsatz der Goldenen Regel: wenn/weil ich möchte, dass man mir hilft, helfe ich auch anderen. Ich bemühe mich, in solchen Situationen zu helfen. Lieber lasse ich mir sagen, dass meine Hilfe nicht erwünscht ist, als sie von mir her gar nicht erst anzubieten. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zu früh an "Unterlassene Hilfeleitung" gewöhnen oder sie gar im Namen der freien Selbstbestimmung ideologisch legitimieren.
danke für diese gute und nachdenkliche Beobachtung!
Gestatten Sie einige anekdotische Anmerkungen: 1 Ich wuchs in den 50ern in einem katholisch grundierten Dörfchen auf, gegenseitige Hilfe war einfach existenziell, bei Feldarbeiten, Schlachtungen, Dachreparaturen, Kohletransporten, Holzeinschlag, Bestattungen usw. Dazu gehörte naturgemäß auch eine gewisse soziale Kontrolle, die ich jedoch heute nicht mehr so kritisch sehe. 2 Im SED - Parteilehrjahr hatten wir die Geißel des Kapitalismus (Arbeitslosigkeit) "gelernt". Nach der "Wende", dem Zusammenbruch "meines" Großbetriebes war ich baff, wie sanft man dort (eine Zeitlang) aufgefangen wurde. Heute weiß ich jedoch, daß mir ein Tritt in den Hintern wohl schneller auf die Beine geholfen hätte. 3 Vor paar Jahren bot mir ein junges Mädel einen Sitzplatz in der Straßenbahn an: "Bitte, junger Mann". Inzwischen lache ich über diesen Tiefschlag, den "Jungen Mann" habe ich jedoch aus meinem Vokabular gestrichen und "Junge Frau" verwende ich nur noch (zögerlich) bei sehr jungen Frauen.
Nochmals danke für die Anregung zum Nachdenken!
----------------------------------------------------- Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel
Ein interessantes Thema, meine Einstellung ist, dass das zunehmende Verschwinden der spontanen zur-Hilfe-kommen eher negativ zu beurteilen ist.
Abzuwarten, ob jemand um Hilfe bittet, vernachlässigt, dass das Bitten auch ein Eingeständnis ist, Hilfe zu brauchen. Das ist erniedrigend und beschämend. Ich denke, die Frage, ob man helfen soll, ist da ein annehmbarer Kompromiss zwischen Hilfe aufdrängen (was oft genug die Gier am Leid anderer ist) und dem abwartenden Starren.
Liberalismus ist eben nur etwas für Gesunde und Starke. Der typische Liberale ist der self-made-human, der aus eigener Kraft und mit eigener Energie sich selbst seinen Lebensweg bahnt. Aber es gibt eben auch die Kranken und schwachen, selbst die, die nicht durch eigene Schuld oder die Einwirkungen des Staates so geworden sind.
Die Problematik lässt sich dadurch entschärfen, dass man seine Hilfsbereitschaft einfach jedem angedeihen lässt, der sich in einer misslichen Lage befindet. Ich würde mich aufgefordert sehen, im Beispiel die Flaschen eines Zehnkämpfers ebenso einzusammeln wie die eines Behinderten oder Alten. Einfach so, nur aus der Situation heraus und nicht aus einer Einschätzung des Gegenüber.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Kritiker im Beitrag #5Liberalismus ist eben nur etwas für Gesunde und Starke.
Quatsch. Der Beweis, dass Zwang zu besseren Ergebnissen führt als Freiwilligkeit, wäre erst noch zu führen. Der typische Liberale ist jemand, der sich nicht reinreden lässt. Schon gar nicht, wem er zu helfen hat.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Lieber Herr Doeding, Sie haben ein Thema angeschnitten, bei dem ich aus eigenem Erleben aus der Sicht der "anderen Seite" etwas beitragen möchte. Nicht ich bin Behindert, sondern meine Frau benötigt bei mehr als 100 m Fußweg einen Rollstuhl, den sie aber nicht selbst fahren kann. Ich muss ihn schieben.
Zitat Als ich diese Überlegungen mit meiner Frau besprochen habe, meinte sie übrigens lapidar: "Ach was, es ist einfach selbstverständlich, alten Menschen zu helfen."
Stimmt auch wieder.
Ergänzen möchte ich: Stimmt auch wieder nicht.
Es kommt ganz auf die Situation an, ob der Ausspruch Ihrer Frau stimmt oder nicht.
Zu Missverständnissen kann es kommen, die aber von beiden Seiten nicht tragisch genommen werden dürfen. "Vielen Dank für Ihre Mühe, aber wir kommen schon alleine zurecht. Sehr nett von Ihnen, dass sie uns helfen wollten", pflege ich zu sagen und alles ist gut. Wenn es auf ebener Strecke, z.B. bei einer Prozession in Lourdes ist, ergänze ich noch: "Der Rollstuhl ist für mich eine Gehhilfe und macht mir das Laufen leichter." Das ist nicht gelogen. Das stimmt wirklich.
Manchmal sage ich auch: "Sehr nett, dass Sie uns helfen." Dann überlasse ich dem Helfer den Rollstuhl, damit er ihn eine Steigung hinauf schieben kann.
In jedem Fall ist es besser, wenn der Hilfe leistende anfragt: "Darf ich Ihnen helfen?"
Natürlich gilt für akute Notsituationen etwas anders. In dem von Ihnen geschilderten Fall leistet man Hilfe, wenn man den Eindruck hat, derjenige ist im Augenblick etwas überfordert. Da hat Ihre Frau völlig recht. Man kann dann auch einem jüngeren Menschen behilflich sein.
Als erheiternde Begebenheit möchte ich etwas selbst Erlebtes schildern: Ein vom Bauchnabel ab querschnittsgelähmter Bekannter, 50 Jahre alt und topfit. "Der Rollstuhl ist mein bester Freund", sagte er mir mehrfach. Kennen gelernt habe ich Ihn in Lourdes. Im Heiligen Bezirk des Wallfahrtsortes ist die Bereitschaft Hilfe zu leisten besonders ausgeprägt. Hinter den Grotten gibt es einen steilen "Zickzackweg" zu einem Ausgang. Diesen Weg hat sich mein Bekannter für sein Fitnestraining ausgesucht. Wegen der notwendigen Schwerpunktverlagerung "quält" er sich, den Kopf zwischen den Knien und vor Anstrengung laut ächzend, den Weg hoch. Ständig muss er Hilfeleistende vertreiben. Das strengt ihn mehr an, als das Fahren. In diesem Fall hat Ihre Frau nicht recht.
Zitat von Hausmann im Beitrag #4Lieber Andreas Döding,
danke für diese gute und nachdenkliche Beobachtung!
Gestatten Sie einige anekdotische Anmerkungen: 1 Ich wuchs in den 50ern in einem katholisch grundierten Dörfchen auf, gegenseitige Hilfe war einfach existenziell, bei Feldarbeiten, Schlachtungen, Dachreparaturen, Kohletransporten, Holzeinschlag, Bestattungen usw. Dazu gehörte naturgemäß auch eine gewisse soziale Kontrolle, die ich jedoch heute nicht mehr so kritisch sehe. 2 Im SED - Parteilehrjahr hatten wir die Geißel des Kapitalismus (Arbeitslosigkeit) "gelernt". Nach der "Wende", dem Zusammenbruch "meines" Großbetriebes war ich baff, wie sanft man dort (eine Zeitlang) aufgefangen wurde. Heute weiß ich jedoch, daß mir ein Tritt in den Hintern wohl schneller auf die Beine geholfen hätte. 3 Vor paar Jahren bot mir ein junges Mädel einen Sitzplatz in der Straßenbahn an: "Bitte, junger Mann". Inzwischen lache ich über diesen Tiefschlag, den "Jungen Mann" habe ich jedoch aus meinem Vokabular gestrichen und "Junge Frau" verwende ich nur noch (zögerlich) bei sehr jungen Frauen.
Nochmals danke für die Anregung zum Nachdenken!
Lieber junger () Hausmann,
vielen Dank für Ihre, wie immer, sehr interessanten Anekdoten. Ich habe einmal irgendwo gelesen, daß in der DDR das Konzept der Nachbarschaftshilfe insgesamt viel ausgeprägter gewesen sei als im Westen. Nicht zuletzt durch die Folgen der Mangelwirtschaft und Warenknappheit habe man sich gegenseitig eng unterstützt. Möglicherweise hat es da der "Sozialen Kontrolle" gar nicht mehr so sehr bedurft? Das reziproke Element altruistischen Verhaltens dürfte damals jedenfalls sehr viel stärker evident gewesen sein als heute, wo der Staat sich um das meiste kümmert. Stelle ich mir zumindest so vor.
Zitat von PaulErgänzen möchte ich: Stimmt auch wieder nicht.
Es kommt ganz auf die Situation an, ob der Ausspruch Ihrer Frau stimmt oder nicht.
Lieber Paul,
vielen Dank für Ihre erhellende Schilderung. Sie heben damit auf etwas ähnliches ab wie flippah in Beitrag #1, und dagegen ist freilich nichts zu sagen. Es stimmt.
Man darf dabei gleichwohl nicht vergessen, daß es immer die eigene Betroffenheit ist, die Blick und Denken schärft. Man muß dann aber, glaube ich, aufpassen, daß man bei den (unwissenden und im Thema unerfahrenen) Mitmenschen nicht unbewußt dasselbe Wissen voraussetzt wie man es selbst erst durch die persönliche Betroffenheit erworben hat. Akzeptanz einer (eigenen) Krankheit (oder Behinderung) bedeutet, glaube ich, immer auch die Akzeptanz des unwissentlich-unangemessenen Verhaltens der Mitmenschen zum Thema.
Zitat von Rayson im Beitrag #6Die Problematik lässt sich dadurch entschärfen, dass man seine Hilfsbereitschaft einfach jedem angedeihen lässt, der sich in einer misslichen Lage befindet. Ich würde mich aufgefordert sehen, im Beispiel die Flaschen eines Zehnkämpfers ebenso einzusammeln wie die eines Behinderten oder Alten. Einfach so, nur aus der Situation heraus und nicht aus einer Einschätzung des Gegenüber.
Das nenne ich konsequent . Ich muß aber zugeben, daß, wenn der ältere Herr gestern im Supermarkt in einer vergleichbaren Situation mir zu Hilfe gekommen wäre, ich wohl ausgesprochen peinlich berührt gewesen wäre.
Zitat von KritikerAbzuwarten, ob jemand um Hilfe bittet, vernachlässigt, dass das Bitten auch ein Eingeständnis ist, Hilfe zu brauchen. Das ist erniedrigend und beschämend.
Lieber Kritiker, das stimmt einerseits. Dennoch würde ich hier einen Unterschied machen wollen. Das Eingeständnis, Hilfe zu brauchen, mag zwar schmerzhaft sein, aber hier handelt es sich um eine Anpassung an die Realität, die man bisher nicht wahrhaben wollte. Warum soll man Menschen davor "schützen"? Gerade weil sich viele Menschen das nicht einfach machen, sind sie umgekehrt recht gut gefeit davor, vorschnell Hilfen in Anspruch zu nehmen oder dies aus Bequemlichkeit oder dgl. zu tun. Die Schamschwelle hat einen gewissen Sinn. Sie den Menschen durch vorauseilendes Handeln abzunehmen dagegen nicht unbedingt.
Anders herum kann es gerade bei nicht vorhandener Hilfsbedürftigkeit ebenso erniedrigend und beschämend sein, Hilfe "aufgedrängt" zu bekommen, die man gar nicht benötigt.
Zitat von Kritiker im Beitrag #5Abzuwarten, ob jemand um Hilfe bittet, vernachlässigt, dass das Bitten auch ein Eingeständnis ist, Hilfe zu brauchen. Das ist erniedrigend und beschämend. Ich denke, die Frage, ob man helfen soll, ist da ein annehmbarer Kompromiss zwischen Hilfe aufdrängen (was oft genug die Gier am Leid anderer ist) und dem abwartenden Starren.
Kommt auf die Situation an. Im Beispiel der heruntergefallenen Flaschen hat Rayson vollkommen recht: hier hilft man immer - egal wem. Ich halte auch immer noch jedem die Tür auf, egal ob jung oder alt. Bevor ich jedoch jemandem die Einkaufstaschen aus den Händen reiße, frage ich. Denjenigen anzustarren bringt dabei sowieso nichts.
Zitat Liberalismus ist eben nur etwas für Gesunde und Starke.
Diese Aussage ist natürlich aus sozialistischer Sicht perfekt. Damit kann man dann noch schön den Liberalen vorwerfen, sie seien ja allesamt Sozialdarwinisten und ignorierten die Opfer und die Entbehrungen der Freiheit. Gerade die authoritären Bewegungen (Sozialismus und Paternalismus) vereinen in sich ja ein Menschenbild, das alle zu hilfbedürftigen und unselbstständigen Befehlsempfängern werden läßt - ausgenommen natürlich die Herrschenden. Das Menschenbild und die Zielsetzung dieser Menschen ist krank. Ich mag meine Probleme mit dem Menschenbild der Libertären haben, aber die sind wenigsten nur naiv, nicht bösartig (wie die Authoritären).
Zitat Der typische Liberale ist der self-made-human, der aus eigener Kraft und mit eigener Energie sich selbst seinen Lebensweg bahnt. Aber es gibt eben auch die Kranken und schwachen, selbst die, die nicht durch eigene Schuld oder die Einwirkungen des Staates so geworden sind.
Der typische Liberale ist jemand, der eben nicht buckelt und seine ganzen Lebensentscheidungen durch jemand anderen treffen läßt. Auch Kranke und Schwache können das - und im Normalfall tun sie es auch. Es gibt Einschränkungen, und man benötigt Hilfe. Aber man benötigt gerade auch als Kranker oder Schwacher eben nicht die Bevormundung durch einen paternalistisch-sozialistischen Überstaat.
Ganz allgemein reicht es auch aus, wenn der Staat die Rahmenbedingungen setzt - und z.B.eine gemeinnützige Arbeit steuerlich begünstigt oder auch einfach sozial erstrebenswert ansieht und dieses auch entsprechend kommuniziert.
Ein interessantes Thema. Die Überlegung, ob man nicht andere, denen man ungefragt Hilfe anbietet, dadurch entmündigt, bloßstellt, als "hilfsbedürftig" etikettiert, ist eine typisch links-emanzipierte Thematik. Linke möchten den Begriff "Diskriminierung" am leibsten flächendeckend auf nahezu alle sozialen Interaktionen ausdehnen.
Warum?
Weil es in ihrem Denken das ideale Mittel zur Kontrolle und zur Machtausübung darstellt. Man kann dann nahezu jeden beliebig angreifen und mit Vorwürfen überziehen. Hier sei nur das wahnsinnige Verhalten und Agieren der "critical-whiteness"-Bewegung beispielhaft genannt. (Wo deren Agenten auftaucht, herrscht nur noch ein Klima der Kontrolle und der Unfreiheit!).
Dieses linke Denken ist unsäglich falsch, ja zerstörerisch - wie alles linke Denken! Warum?
Höflichkeit, Anstand, Hilfsbereitschaft sind Grundlagen eines angenehmen und gedeihlichen Zusammenlebens der Menschen. Grundlegend für dieses Konzept ist zuallererst die Anerkennung der vorgefundenen Realität: es sind nicht alle Menschen gleich, sondern es gibt sehr wohl Menschen, die Hilfe gut gebrauchen können: Alte, Schwangere, Frauen mit Kinderwagen, Kranke. Schon dies ist den Linken mit ihrem absoluten Gleichheitswahn ein Dorn im Auge, zeigt es doch, daß sie unrecht haben!
Solange noch niemand das Anbieten und Erzeigen von Hilfe als "diskriminierend, herabwürdigend, machtausübend" und dgl. gebrandmarkt hatte, konnte jeder Hilfsbedürftige (und auch NICHT Hilfsbedürftige!) ohne Skrupel und innere Abwehr Hilfe annehmen/anbieten. Gerade gegenüber Frauen war das selbstverständlich und wurde von den Frauen als Pflichtschuldigkeit und gebührende Aufmerksamkeit des (körperlich) starken Geschlechts gewürdigt und erwartet.
Man will als emanzipierte(r) Linke(r) diese Realitäten jedoch nicht mehr wahrhaben, will sie wegdefinieren. Da die Faktenlage bleibt, wie sie ist, greift man halt die Symptome an: Hilfe anzubieten ist fortan eine Herabsetzung des anderen, "Entwicklungshilfe" konstituiert Entw.länder als unselbständig, Höflichkeit Frauen gegenüber entmündigt diese und ist abzulehnen usw. usw.
Sollte man das umsetzen, dann führt das dazu, daß a) die real Hilfebedürftigen aus ideologischen Motiven heraus angebotene Hilfe ablehnen bzw. nicht nach Hilfe fragen und b) daß es keine Hilfsbereitschaft mehr gibt - ja, daß Hilfeleistung sogar zu einem schambehafteten, unerwünschten Verhalten mutiert.
Im Endeffekt haben wir eine kalte, erbarmungslose Gesellschaft, wo als Krönung womöglich dann die "erlaubten" Hilfeleistungsfälle gesetzlich definiert werden. DAS ist das Endergebnis linker Ideologie.
Aus den USA (wo mancherorts das linke Denken noch nicht über die christlichen Werte und Normen gesiegt hat, zB auf dem Lande) herrscht ein höchst angenehmes Klima der Höflichkeit, Nettigkeit und Hilfsbereitschaft untereinander und Fremden gegenüber. Das stellte zB Wolfgang Büscher auf seiner Wanderung 3000 km durch die Staaten sehr oft fest.
Diese "gute" Sozialordnung ist Linken ein unerträglicher Dorn im Auge.
Fazit: heutzutage muß man es in D schon "Zivilcourage" nennen, wenn jemand einem alten menschen oder einer Schwangeren Hilfe anbietet. Tolle Entwicklung.
Selten in einer kontroversen Zettel-Diskussion ist es mir so leicht gefallen, mich auf eine Seite zu schlagen. Und zwar auf die von Frau Döding!
Ich habe ja mal ein philosophisches Studium absolviert und bin ganz viel mit anderen "Ethikern" und "Kulturwissenschaftlern" in Kontakt gekommen, und die hätten allein um dieses Flaschenthema eine Habilschrift anfertigen können.
Abgesehen von der aus meiner Sicht Fehlallokation von Steuergeldern hat das ganze eine viel gravierende Folge: Je mehr die Menschen einfaches Verhalten im Alltag intellektualisieren, um so mehr kommt ihnen der natürliche Instinkt für gutes Handeln abhanden. Paradox der Ethik, möchte man sagen.
Aus meiner Sicht führt das zu einem Verstoß gegen die Zweck-an-sich-Formel: Je mehr man reflektiert, ob das eigene Handeln nun altruistisch, liberal oder sonst wie gut ist, um so mehr gerät der Andere, dem man etwas Gutes tut, aus dem Blickfeld. Ich handle dann nicht, um etwas Gutes am anderen zu vollbringen, sondern um meinem persönlichen Ideal gerecht zu werden.
Noch extremer fällt mir das im beruflichen Kontext auf: Ich möchte das folgendermaßen bezeichnen: Die Ablösung des Guten durch das Korrekte (gerade wir Deutschen sind Weltmeister im Korrekt sein).
Deshalb plädiere ich für die Rückkehr zu einfachen Begründungen des Guten Handelns!
Einen herzlichen Grüß an Frau Döding, Petz
"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln
Zitat von Meister Petz im Beitrag #15Ich möchte das folgendermaßen bezeichnen: Die Ablösung des Guten durch das Korrekte (gerade wir Deutschen sind Weltmeister im Korrekt sein).
Das haben sie sehr gut auf den Punkt gebracht! Es gibt tatsächlich einen Widerspruch zwischen dem Guten und dem Korrekten und daran muss ein umfassender Sozial-Staat scheitern. Da er Staat ist, muss er korrekt handeln – da er sozial sein will, müsste er gut handeln. Das Gute lässt sich aber nicht kodifizieren – daran sind die Pharisäer gescheitert. So zeigt schon das Neue Testament das unkorrekte Handeln als Vorbild: Der verlorene Sohn wird bevorzugt, alle Arbeiter im Weinberg erhalten den gleichen Lohn und die Ehebrecherin entgeht der Steinigung.
Als Liberaler bin ich nicht gegen die Nächstenliebe – ich bin dagegen, sie an Amtskirche oder Sozialstaat «outzusourcen». Solche Institutionen brauchen allgemeingültige Regeln und müssen damit im Einzelfall versagen.
Zitat von Meister PetzEinen herzlichen Grüß an Frau Döding,
Lieber Petz,
ganz herzliche Grüße zurück. Ihre Begründung hat ihr sehr gefallen. Mir übrigens auch.
Es ging mir in dem Artikel natürlich nicht um die Frage, ob man helfen sollte sondern eher um das wie. Wie man weiß, ist gut gemeint keineswegs immer gut gemacht. Das war der Ausgangspunkt meiner Überlegungen. Dass der Artikel ein indifferentes Ende hatte, war gleichwohl kein Zufall. Er war wohl, so sehe ich es im Nachhinein, unbewusst inspiriert von Zettels liberalkonservativen Vermittlungsausschuß (wenngleich freilich auf anderem Niveau ).
da ich als nun nicht mehr ganz frischer Vater selber häufiger in die Situation gerate Hilfe mit dem Kinderwagen angeboten zu bekommen, kann ich hier sozusagen als "Betroffener" berichten. Ich gebe Ihnen durchaus Recht, dass man Hilfe erst einmal anbieten sollte, finde hier aber den Vergleich zu einem paternalistischen Staat, der seine Bürger im antiliberalen Sinne bevormundet nicht angebracht und kann zumindest für mich feststellen, dass ich mich durch das Angebot der Hilfestellung noch nie in irgendeiner Weise bevormundet oder gar herabgesetzt gefühlt habe, sondern immer dankbar für die Freundlichkeit meiner Mitmenschen war.
Was meiner Meinung nach den Nanny-Staat ausmacht, ist, dass er Bedürftigkeit schafft wo keine vorhanden ist. Ich kritisiere am Staat in der Regel nicht wenn er wirklich Hilfsbedürftigen mit seinen Leistungen zur Seite steht, sondern vielmehr, dass er bestrebt ist seine Leistungen auf Kreise auszuweiten die eigentlich ohne Probleme selber für ihr Leben aufkommen könnten, um diese in eine gewissen Abhängigkeit von seinen Leistungen zu treiben. Der abhängige Bürger ist leichter zu kontrollieren.
Persönlich empfinde ich es einfach als gute Erziehung wenn man insbesondere älteren Menschen seine Hilfe anbietet und werde dies auch weiterhin tun. Abgewöhnt habe ich mir jedes Hilfsangebot bei jüngeren Frauen (Ausnahme: Mütter), da ich dort in der Tat oft das Gefühl hatte, dass mein Angebot als Affront oder Anmache verstanden wurde. Nicht, dass ich den nächsten "Aufschrei" auslöse.
Zum Schluss möchte in noch eine Erfahrung teilen, die ich in meiner Rolle als "Kinderwagenpilot" gemacht habe. Selbst jene unserer muslimischen Mitbürger um die man normalerweise eher einen Bogen machen würde, sind in der Regel sehr viel hilfsbereiter als die meißten Deutschen. Das lässt einen nachdenklich werden, ob es nicht vielleicht doch den ein oder anderen Punkt gibt, den Muslime auchaus zurecht an unserer Gesellschaft kritisieren.
Zitat von NikoschWas meiner Meinung nach den Nanny-Staat ausmacht, ist, dass er Bedürftigkeit schafft wo keine vorhanden ist. Ich kritisiere am Staat in der Regel nicht wenn er wirklich Hilfsbedürftigen mit seinen Leistungen zur Seite steht, sondern vielmehr, dass er bestrebt ist seine Leistungen auf Kreise auszuweiten die eigentlich ohne Probleme selber für ihr Leben aufkommen könnten, um diese in eine gewissen Abhängigkeit von seinen Leistungen zu treiben. Der abhängige Bürger ist leichter zu kontrollieren.
Lieber Nikosch,
das sehe ich genauso wie Sie. Gerade deshalb finde ich den Vergleich aber gar nicht so abwegig (wenn auch für die Supermarktszene nicht besonders passend). Ein anderes Beispiel, wo Sie gerade Elternschaft erwähnen. Mein Haus befindet sich unmittelbar neben der Grundschule der ländlichen Kleinstadt, in der ich lebe. Die Kinder werden hier nahezu allesamt von den Eltern mit dem Auto gebracht; von vielen weiß ich, daß sie nur wenige hundert Meter entfernt wohnen. Das ist ein Beispiel für die fatale Verpamperung, die im Erziehungsstil um sich greift. Und man wird buchtstäblich schräg angeschaut, wenn man es nicht macht (was mir mehrere Mütter so bestätigt haben). Folge: der völlig unterdrückte Bewegungsdrang der Kinder bricht sich in der ersten Schulstunde Bahn. Von falsch-positiven ADHS-Diagnosen will ich in dem Zusammenhang erst gar nicht anfangen. Ich selbst bin in Hannover groß geworden und hatte immer Schulwege, Sommer wie Winter, zu Fuß zu bewältigen (20-25 Minuten); etwas anderes gab es damals gar nicht, soweit ich mich erinnern kann.
Wünschenswert wäre eine gute Passung zwischen Hilfebedarf und Hilfsangebot. "Auffällig", im Sinne von sichtbar, wird aber immer nur der Fall, wo Not am Mann ist und keine Hlfe erfolgt. Der umgekehrte Fall (Hilfe wird nicht benötigt, aber geleistet) bleibt gleichsam unsichtbar.
Und natürlich werde ich mein persönliches Verhalten in diesem Zusammenhang nicht ändern. Neulich hat eine Frau (ebenfalls im Supermarkt; auf dem Land so ziemlich das einzige soziale Übungsfeld ) neben mir an der Kasse ihre Geldbörse fallen lassen. Der Reflex, sie ihr aufzuheben, ist subjektiv kaum steuerbar; ich glaube, der läuft nur noch über das Rückenmark . Die Feminist_innenquote ist hier allerdings erfreulicherweise eher niedrig. Sie sagte sogar "Oh, das habe ich aber lange nicht erlebt". Die sich dann spontan aufdrängende Frage, wie oft sie eigentlich ihre Börse wegwerfe, habe ich mir dann aber verkniffen .
Zitat von Meister PetzJe mehr die Menschen einfaches Verhalten im Alltag intellektualisieren, um so mehr kommt ihnen der natürliche Instinkt für gutes Handeln abhanden. Paradox der Ethik, möchte man sagen.
Volltreffer, lieber Meister Petz! Dieser Gedanke ist mir ähnlich desöfteren gekommen, jedoch konnte ich ihn nie so präzise formulieren. Viele dieser Erörterungen haben meiner Meinung nach aber gerade das Ziel, ein überkommenes "Das tut man nicht" in sein Gegenteil zu verkehren. "Um- und Dummreden" nennt das mein bremischer Schwager.
Zitat von Christoph im Beitrag #16Das haben sie sehr gut auf den Punkt gebracht! Es gibt tatsächlich einen Widerspruch zwischen dem Guten und dem Korrekten und daran muss ein umfassender Sozial-Staat scheitern. Da er Staat ist, muss er korrekt handeln – da er sozial sein will, müsste er gut handeln.
Nicht nur das, der Staat muss nachweisbar gerecht handeln, und er muss ständig an Kriterien und Kontrollmechanismen feilen, um das nachzuweisen. Das Gerechtissimo ist der Tod des Sozial-Staats
Zitat von Christoph im Beitrag #16Das haben sie sehr gut auf den Punkt gebracht! Es gibt tatsächlich einen Widerspruch zwischen dem Guten und dem Korrekten und daran muss ein umfassender Sozial-Staat scheitern. Da er Staat ist, muss er korrekt handeln – da er sozial sein will, müsste er gut handeln.
Nicht nur das, der Staat muss nachweisbar gerecht handeln, und er muss ständig an Kriterien und Kontrollmechanismen feilen, um das nachzuweisen. Das Gerechtissimo ist der Tod des Sozial-Staats
Lieber Martin, lieber Christoph,
ich habe den Eindruck, dass sich viele Zeitgenossen bei ihrem helfenden Handeln ähnlich wie ein Sozialstaatskommissar benehmen: "Lieber Penner, da ich ausreichend überzeugt bin, dass Ihre Lage nicht selbstverschuldet ist, gebe ich Ihnen diesen Euro unter der Bedingung, sich kein Dosenbier zu kaufen".
Gruß Petz
"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln
Zitat von Nikosch im Beitrag #18da ich als nun nicht mehr ganz frischer Vater selber häufiger in die Situation gerate Hilfe mit dem Kinderwagen angeboten zu bekommen, kann ich hier sozusagen als "Betroffener" berichten.
In Erinnerung an die DDR-Kinderwagen und -Straßenbahnen: Das ging physikalisch nicht ohne Hilfe und in 99% der Fälle wurde von außen oder innen ein "Ich fasse an" signalisiert. Notfalls sprach ich jemanden an, am liebsten junge Frauen (wegen ihrer technischen Routine). Ein Lächeln auf beiden Seiten; eventuell noch zum Sprößling - das wars. mfG
EDIT Die Kleinen wurden meines Erachtens seinerzeit eher zum Gehen / Laufen angehalten, ab vielleicht zwei oder drei Jahre und dann peu a peu natürlich paar Kilometer. Mir fällt heute gelegentlich noch die Kinnlade runter, wenn ich sehe, wie manche "Halberwachsene" von ihren Erzeugern durch die Landschaft geschoben werden.
----------------------------------------------------- Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel
Zitat von Meister Petz im Beitrag #22 … ich habe den Eindruck, dass sich viele Zeitgenossen bei ihrem helfenden Handeln ähnlich wie ein Sozialstaatskommissar benehmen: "Lieber Penner, da ich ausreichend überzeugt bin, dass Ihre Lage nicht selbstverschuldet ist, gebe ich Ihnen diesen Euro unter der Bedingung, sich kein Dosenbier zu kaufen".
Ich habe auch noch einen, indem ich Dostojewski zitiere: Aber was soll man denn machen, wenn die einzige und direkte Bestimmung jedes klugen Menschen das Schwätzen ist, das heisst: mit Vorbedacht leeres Stroh dreschen.
SCNR
-- Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard
Zitat von Uwe Richard im Beitrag #24Ich habe auch noch einen, indem ich Dostojewski zitiere: Aber was soll man denn machen, wenn die einzige und direkte Bestimmung jedes klugen Menschen das Schwätzen ist, das heisst: mit Vorbedacht leeres Stroh dreschen.
SCNR
ERGÄNZUNG: Sollte jemand meinen sich angesprochen zu fühlen – ich hatte nicht die Absicht. Vielmehr handelt es sich bei mir um zwanghaftes Handeln, das ich nicht immer unter Kontrolle zu halten vermag.
G’schamster Diener
-- Wer mich ertragen kann, erträgt auch das Leben – Uwe Richard
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