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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 38 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Paul Offline




Beiträge: 1.285

14.07.2013 15:13
#26 RE: Der Unterschied Antworten

Zitat von Hausmann im Beitrag #21

EDIT Im Alltagsgebrauch lief dieses Ministerium, meiner Erinnerung nach, unter "Sicherheit", "Firma", "horch + guck" oder "schwarze Hand". "Stasi" kenne ich erst seit der "Wende".


In Berlin haben wir "Stasi" gesagt. Das war die natürliche Kurzform von Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Das war der allgemein gebräuchliche Begriff.
Irgendwann tauchte dann "Horch und Guck" im Volksmund auf. Als Umschreibung war auch "Die Firma" üblich. Dabei wurde das "Die" auffällig betonend hervorgehoben.
"Schwarze Hand" habe ich bis soeben noch nie gehört. "Sicherheit" war, glaube ich, mehr eine interne Bezeichnung der Angehörigen dieses Apparates.

LG, Paul

Paul Offline




Beiträge: 1.285

14.07.2013 16:37
#27 RE: Der Unterschied Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #25
Zitat von Martin im Beitrag #24

ich habe meine Informationen von Menschen, die in der DDR lebten. Ich bestreite nicht das Instrumentarium und die Methoden der Stasi, mein Kommentar war lediglich auf R.A.s Beitrag gezielt, in dem die Stasi mit "...hat mit ihren Machtmitteln eine ganze Gesellschaft in Angst gehalten" beschrieben wurde. "ganze Gesellschaft" trifft die Realität wohl kaum.


Lieber Martin, doch, das beschreibt die Realität. Wenn man über politische Themen nur flüsternd redet, Kritik an der Regierung sich nicht traut zu artikulieren, weil das zu gefährlich ist und man den Westen als faschistische Bedrohung nicht in Frage stellen kann, ohne mit den Stasi-Methoden Bekanntschaft zu machen, hat man Angst.
In der DDR lernte man damit zu leben, mit dieser Angst. Sie wurde verdrängt, bestimmte die Körperhaltung, das motorische Verhalten und die Art sich auszudrücken. Es machte aus vielen Menschen Untertanen, die ihren Mut zum Risiko gänzlich verloren. Vieles konnten die Bürger der betroffenen Generationen korrigieren, manches wirkt bis heute. Keiner schaut gerne analysierend auf sich, so etwas schmerzt mehr als ein Leben mit psychischen Schäden.
Glauben Sie es mir, oder nicht, ich könnte Ihnen solche Beispiele auf der Strasse zeigen. Die Körpersprache und die Augen erzählen es mir. Manche haben heute noch Angst, haben sich richtig eingerichtet in ihr, dass man glauben könnte, sie bräuchten sie. Und sie wird gefüttert mit solchen Vergleichen. Mit der Mär, alle Bürger Deutschlands und Europas würden von Amerikanern und Briten überwacht, rund um die Uhr. Schlimmer noch als damals, weil es ja jetzt mehr Möglichkeiten gibt, welche die Stasi gar nicht hatte. Schon ist der Unterschied weg und die geknechteten Untertanengeister fühlen sich wieder besser.
War doch gar nicht so schlimm damals in der DDR…



Lieber Erling Plaethe, Sie haben es genau getroffen. So habe ich es auch erlebt, als Bürger der DDR.
Allerdings war es für mich nicht ganz so gefährlich, weil ich als bei der Kirche Beschäftigter (im Verwaltungsbereich eines Krankenhauses) schon mal eine Lippe riskieren konnte.
Meine Freunde, aus der Pfarrei waren da schon schlechter dran. Was mussten die sich verbiegen, um bestimmte Dinge zu vermeiden, z.B. den Beitritt der Kinder zu den Jungen Pionieren. Manchmal ging es nicht anders. Sie wollten den Kindern auch die "Zukunft nicht verbauen". Das war übrigens ein gängiger Begriff, wenn man den eigenen Opportunismus rechtfertigen wollte. Diese Rechtfertigung wurde allgemein akzeptiert. Besonders auch von mir, der ich nach Meinung der Anderen sowieso auf der "sicheren Seite" war.
Es rede mir niemand von man musste in der DDR keine Angst haben oder man hatte keine.
Natürlich war die Angst unterschiedlich ausgeprägt. Nicht allein die Veranlagung des Einzelnen führte zu unterschiedlichem Verhalten, sondern auch die gesellschaftliche Stellung.
Ein, vielleicht sogar angesehener, Arbeiter in der Produktion war aufmüpfiger als ein Angestellter, der noch ein paar Stufen auf der Leiter des Erfolges hoch klettern wollte. Auch der Akademiker musste sich anders verhalten als die Reinemachefrau.
Aber die Angst war schon allgegenwärtig. Die Angst um das eigen Fortkommen, um das Fortkommen der Kinder, denen man die "Zukunft nicht verbauen" wollte.
Wir waren schon, nimm Alles in Allem, ein Volk der Angsthasen und der Opportunisten.

Ich habe den DDR Bürger wie folgt charakterisiert. (Die Moderation möge die derbe Sprache bitte als schriftstellerische Freiheit durchgehen lassen):

Der DDR Bürger war für mich ein biologisches Wunder:
Obwohl er keinen Arsch in der Hose hat, scheißt er sich ständig in die Hose und versucht immer mit dem Arsch an die Wand zu kommen.
Entschuldigung!

Natürlich habe ich damit immer die Anderen gemeint, bis mir irgendwann mal aufging, dass ich auch nicht anders war.
Mein aufmüpfiges Gequatsche am Stammtisch hielt ich schon für Opposition, wenn nicht gar für Widerstandskampf.

Anderen ging es nicht anders.
Das galt nicht für die Regimebefürworter, die ich damals mit etwa 25% annahm. Die hatten keine Probleme.
Die restlichen 75% waren aber keine "homogene Masse". Deshalb können heute solche Meinungen entstehen wie: So eine große Angst vor Repressalien musste man in der DDR nicht haben oder hatte man dort nicht.
Mit Verlaub, das sehe ich anders.

LG, Paul

Hausmann Offline



Beiträge: 710

14.07.2013 19:40
#28 RE: Der Unterschied Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #25
Wenn man über politische Themen nur flüsternd redet, Kritik an der Regierung sich nicht traut zu artikulieren, weil das zu gefährlich ist und man den Westen als faschistische Bedrohung nicht in Frage stellen kann, ohne mit den Stasi-Methoden Bekanntschaft zu machen, hat man Angst.

Ich denke, lieber Erling Plaethe, daß wir hier von verschiedenen Dingen reden. Man konnte zwar damals den "Arbeitgeber", Firmenleiter, Abteilungschef öffentlich runtermachen (was heute wohl eher unüblich ist), dafür gab es das sinnfreie "Merkel muß weg" in seiner Entsprechung damals nicht.

Was es gab im Frühjahr / Sommer 1989, angstfrei und öffentlich bis in die SED - Parteigruppen (mit Mitgliedern des Zentralkomitees übrigens): Diskussionen und kontroverse Konzepte über Grundsätze der Regierungspolitik. Daß diese, aus heutiger Sicht, utopischen Vorstellungen über Reformen im "Sozialismus", kurz danach obsolet wurden, ist ein anderes Thema. Die paar folgenden Monate im Herbst habe ich übrigens als Sternstunden freiheitlicher Bürgerbewegung in Erinnerung.

mfG

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Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel

Hausmann Offline



Beiträge: 710

14.07.2013 20:01
#29 RE: Der Unterschied Antworten

Lieber Paul,

Zitat von Paul im Beitrag #26
In Berlin haben wir "Stasi" gesagt.

Berlin war ja schon damals etwas besonderes. Es muß Frühjahr 1975 in Schöneweide gewesen, wo ich als Provinzdödel 20 Päckchen Papiertaschentücher "hamsterte" und mir in der Drogerie einen strengen Blick einfing. Daß die ganze DDR für das Schaufenster Ostberlin blutete, wird den Berlinern kaum bewußt gewesen sein, ähnlich wie heute. :-)

mfG

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Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.07.2013 20:47
#30 RE: Der Unterschied Antworten

Zitat von Hausmann im Beitrag #28
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #25
Wenn man über politische Themen nur flüsternd redet, Kritik an der Regierung sich nicht traut zu artikulieren, weil das zu gefährlich ist und man den Westen als faschistische Bedrohung nicht in Frage stellen kann, ohne mit den Stasi-Methoden Bekanntschaft zu machen, hat man Angst.

Ich denke, lieber Erling Plaethe, daß wir hier von verschiedenen Dingen reden. Man konnte zwar damals den "Arbeitgeber", Firmenleiter, Abteilungschef öffentlich runtermachen (was heute wohl eher unüblich ist), dafür gab es das sinnfreie "Merkel muß weg" in seiner Entsprechung damals nicht.

Das stimmt, es entsprach dem Arbeiter-und Bauernstaat. Eine Ähnlichkeit zur vorhergehenden Diktatur übrigens. Aber es ging ja um politische Verfolgung, um Gesinnungsschnüffelei.
Zitat von Hausmann im Beitrag #28
Was es gab im Frühjahr / Sommer 1989, angstfrei und öffentlich bis in die SED - Parteigruppen (mit Mitgliedern des Zentralkomitees übrigens): Diskussionen und kontroverse Konzepte über Grundsätze der Regierungspolitik. Daß diese, aus heutiger Sicht, utopischen Vorstellungen über Reformen im "Sozialismus", kurz danach obsolet wurden, ist ein anderes Thema. Die paar folgenden Monate im Herbst habe ich übrigens als Sternstunden freiheitlicher Bürgerbewegung in Erinnerung.

Angstfrei? Gut, lieber Hausmann, ich glaube Ihnen das. Zu dieser Zeit war ich nicht mehr in der DDR. Aber wäre die Entwicklung anders verlaufen, die zwingenden äußeren Umstände waren ja für kaum jemanden erkennbar, und das DDR-Regime hätte sich wieder gefangen, was glauben Sie wäre mit den sich in einem kurzen Tauwetter Geouteten passiert, wenn es wieder frostiger geworden wäre? Nur mal rein hypothetisch.
Einerseits waren solche Diskussionen durchaus mutig und vom Zeitgeist beflügelt, andererseits sind das Gespräche mit der Gefängnisleitung über Hafterleichterungen.
Ihnen fehlt der Wille zur Ablösung der regierenden Partei, welches ein Grundmerkmal der repräsentativen Demokratie ist.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Paul Offline




Beiträge: 1.285

15.07.2013 00:54
#31 RE: Der Unterschied Antworten

Zitat von Hausmann im Beitrag #29
Lieber Paul,

Zitat von Paul im Beitrag #26
In Berlin haben wir "Stasi" gesagt.

Berlin war ja schon damals etwas besonderes. Es muß Frühjahr 1975 in Schöneweide gewesen, wo ich als Provinzdödel 20 Päckchen Papiertaschentücher "hamsterte" und mir in der Drogerie einen strengen Blick einfing. Daß die ganze DDR für das Schaufenster Ostberlin blutete, wird den Berlinern kaum bewußt gewesen sein, ähnlich wie heute. :-)


Natürlich lieber Hausmann, war uns das bewusst.
Wenn ich "Uns" schreibe, dann meine ich mich und mein nicht ganz kleines Umfeld. Hieß es nicht immer: "Berlin und der Rest der DDR?" Übrigens den "Rest" nannte ich immer Zone. Sie wären damals für mich kein "Provinzdödel" gewesen, sondern ein "Zonenlümmel".

Bekannt war, dass gezielt Dienstfahrten nach Berlin organisiert wurden. Während die Chefs verhandelten begaben sich die Kraftfahrer auf Organisationstour nach Bückware. Da konnte dann schon mal eine ganze Kiste Apfelsinen im Kofferraum landen. Das war eben die Warenstreuung durch Privatinitiative. Die Volkswirtschaftlichen Kosten waren enorm.

Über diese "Beschaffungskriminalität", kann ich abendfüllend berichten. Die gab es aber nicht nur für den Eigenbedarf, sondern auch für betriebliche Notwendigkeiten. In größeren Betrieben gab es dafür spezielle "Einkäufer". Das gab es auch in der SU. Dort nannte man solche Leute bezeichnender Weise "Lokomotivchen". Die waren für jeden Betrieb lebensnotwendig.
Ohne diese "Schattenwirtschaft" wäre die DDR schon früher wirtschaftlich zusammengebrochen.

Erinnern Sie sich noch an die Zeitungsanzeigen: "Suche..., biete blaue Fliesen."
Was meinen Sie wohl, was "blaue Fliesen" waren?

Zu Kripa-Servietten fällt mir ein, dass ich größere Mengen für "mein" Krankenhaus beschafft habe, obwohl wir keine brauchten. Die wurden dann ohne Preisaufschlag an die Mitarbeiter verkauft. Der Zellstoff, den die Schwestern benutzten, war so hart, dass die Nasen davon wund wurden.

LG, Paul

Nachtrag:
Während der Leipziger Messen übernahm Leipzig für kurze Zeit diese Schaufensterfunktion.
Dann sind wir aus der "Hauptstadt" (ja, so nannten wir Ostberlin) nach Leipzig zum Einkaufen gefahren.

Paul Offline




Beiträge: 1.285

15.07.2013 01:26
#32 RE: Der Unterschied Antworten

Da waren Sie aber sehr mutig lieber Hausmann.

Zitat von Hausmann im Beitrag #28
Was es gab im Frühjahr / Sommer 1989, angstfrei und öffentlich bis in die SED - Parteigruppen (mit Mitgliedern des Zentralkomitees übrigens): Diskussionen und kontroverse Konzepte über Grundsätze der Regierungspolitik.


Im Frühjahr 1989 habe ich das noch nicht wahrgenommen.
Das ging erst nach den Wahlen im Mai los, mit der Kampagne der Offenlegung der Wahlfälschungen.

Danach, im August, fing ich an in großem Stil Leserbriefe an die Zeitungen zu schreiben. Angstfrei war ich da noch nicht. Selbst die Teilnahme an den Montagsdemonstrationen war noch nicht angstfrei. Eine große "Zuführung" gab es auch noch im Oktober. Das war, wie wir heute wissen, das letzte aufbäumen der DDR-Regierung.

Also, als angsfrei würde ich das nicht bezeichnen.

LG, Paul

Martin Offline



Beiträge: 4.129

15.07.2013 07:50
#33 RE: Der Unterschied Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #25
Lieber Martin, doch, das beschreibt die Realität. Wenn man über politische Themen nur flüsternd redet, Kritik an der Regierung sich nicht traut zu artikulieren, weil das zu gefährlich ist und man den Westen als faschistische Bedrohung nicht in Frage stellen kann, ohne mit den Stasi-Methoden Bekanntschaft zu machen, hat man Angst.
In der DDR lernte man damit zu leben, mit dieser Angst. Sie wurde verdrängt, bestimmte die Körperhaltung, das motorische Verhalten und die Art sich auszudrücken. Es machte aus vielen Menschen Untertanen, die ihren Mut zum Risiko gänzlich verloren. Vieles konnten die Bürger der betroffenen Generationen korrigieren, manches wirkt bis heute. Keiner schaut gerne analysierend auf sich, so etwas schmerzt mehr als ein Leben mit psychischen Schäden.
Glauben Sie es mir, oder nicht, ich könnte Ihnen solche Beispiele auf der Strasse zeigen. Die Körpersprache und die Augen erzählen es mir. Manche haben heute noch Angst, haben sich richtig eingerichtet in ihr, dass man glauben könnte, sie bräuchten sie. Und sie wird gefüttert mit solchen Vergleichen. Mit der Mär, alle Bürger Deutschlands und Europas würden von Amerikanern und Briten überwacht, rund um die Uhr. Schlimmer noch als damals, weil es ja jetzt mehr Möglichkeiten gibt, welche die Stasi gar nicht hatte. Schon ist der Unterschied weg und die geknechteten Untertanengeister fühlen sich wieder besser.
War doch gar nicht so schlimm damals in der DDR…



Lieber Erling Plaethe,

ich traue mir durchaus zu, ein Stimmungsbild anhand recht unpolitischer Bürger einer ostdeutschen Siedlung einigermaßen realistisch einzuschätzen. Selbstverständlich kenne ich auch deren Geschichten, wenn der eine oder andere vor Ort wegen seinen Beruf / Studium nicht ausführen konnte wie gewollt, weil er in Ungnade gefallen war.

Mir ist auch klar, dass Diskutanten in diesem Forum nicht repräsentativ für die Bevölkerung einer nullachtfünfzehn Siedlung sind - genauso wenig für die Bevölkerung im Westen: Politische Diskussionen im Bekannten- oder Kollegenkreis sind auch hier verpönt, es gibt schlicht kein Interesse oder die Leute wollen mit ihrer politischen Gesinnung nicht anecken. Hier und heute gäbe es für den Durchschnittsbürger seitens einer Stasi schon kaum eine Angriffsfläche, weil politische Meinungsäußerung (außer vielleicht der Zustimmung zum Mainstream)kaum existiert. Wie ich das so erfahren habe, war das in der DDR nicht so viel anders. Das soll kein 1:1-Vergleich sein, sondern nur die Feststellung, dass Kritik an Politik in Deutschland offensichtlich kein Hauptthema außerhalb der eigenen vier Wände ist (so wenig wie Religion oder Gehalt). Ich kenne das fast nur aus Internet-Foren.

Gruß, Martin

Solus Offline



Beiträge: 384

15.07.2013 15:26
#34 RE: Der Unterschied Antworten

R.A.: Nur als kleine Anmerkung am Rande, http://tv.msnbc.com/2013/07/09/texas-19-...-facebook-post/. Das hat nun mit der NSA ansich herzlich wenig zu tun, aber ich denke, der Zusammenhang dürfte sich Ihnen erschließen.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

15.07.2013 15:48
#35 RE: Der Unterschied Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #33

ich traue mir durchaus zu, ein Stimmungsbild anhand recht unpolitischer Bürger einer ostdeutschen Siedlung einigermaßen realistisch einzuschätzen. Selbstverständlich kenne ich auch deren Geschichten, wenn der eine oder andere vor Ort wegen seinen Beruf / Studium nicht ausführen konnte wie gewollt, weil er in Ungnade gefallen war.

Mir ist auch klar, dass Diskutanten in diesem Forum nicht repräsentativ für die Bevölkerung einer nullachtfünfzehn Siedlung sind - genauso wenig für die Bevölkerung im Westen: Politische Diskussionen im Bekannten- oder Kollegenkreis sind auch hier verpönt, es gibt schlicht kein Interesse oder die Leute wollen mit ihrer politischen Gesinnung nicht anecken. Hier und heute gäbe es für den Durchschnittsbürger seitens einer Stasi schon kaum eine Angriffsfläche, weil politische Meinungsäußerung (außer vielleicht der Zustimmung zum Mainstream)kaum existiert. Wie ich das so erfahren habe, war das in der DDR nicht so viel anders. Das soll kein 1:1-Vergleich sein, sondern nur die Feststellung, dass Kritik an Politik in Deutschland offensichtlich kein Hauptthema außerhalb der eigenen vier Wände ist (so wenig wie Religion oder Gehalt). Ich kenne das fast nur aus Internet-Foren.

Gruß, Martin

Ich kann Ihnen, lieber Martin, leider keine Bestätigung für eine realistische Einschätzung Ihrerseits geben. Das ist auch m.E. etwas schwieriger als von Ihnen offensichtlich angenommen.

Zuerst einmal ist das politische Interesse der Menschen in Diktaturen und der in Demokratien ganz anders ausgeprägt. In Diktaturen ist das Interesse weitaus größer, weil politische Vorgänge auf der einen Seite tagein tagaus kommuniziert werden, nicht nur über Medien, sondern auch am Arbeitsplatz. Und, weil trotz dieser politischen Dauerbeschallung nichts an Information herüberkommt. Da baut sich ein Vakuum auf, dem sich nur wenige entziehen können. Dieses Vakuum kann auf ganz verschiedene Art gefüllt werden; durch Diskussionen oder durch Informationsbeschaffung oder durch beides.

Politische Meinungsäußerungen waren in der DDR sehr stark verbreitet aber eben nur im Privaten oder in einem beruflichen Umfeld was, zu recht oder nicht, eine vertrauliche Basis hatte. Dabei ging es nicht unbedingt um Kremelastrologie, sondern warum es dieses und jenes mal wieder nicht zu kaufen gab und warum "die da oben" das nicht in den Griff bekommen. Und dass SED-Kader fachliche Nieten sind, die Qualifizierte daran hindern die Probleme zu lösen. Da wird schnell alles politisch, jedes Problem. Auch wenn es vielleicht selbstverschuldeter Natur ist.
Das kann man als Meckerei abtun, aber es wurde eben auch immer mit dem Westen verglichen. Alles und immer und immer wieder. Und dann kamen die Informationen auf den Tisch die jeder mal von hier oder dort erhalten hatte.

Ich habe niemanden in der DDR kennengelernt, der keine politischen Diskussionen geführt hat - und dies mit einer gewissen Befriedigung tat. Man gierte nach Informationen, man wollte raus aus dieser Ahnungslosigkeit, dessen Ausmaß abzuschätzen ohne dort gelebt zu haben, nicht gerade einfach ist. Die meisten Ostdeutschen neigen dazu ihre eigene Vergangenheit zu verklären.

Übrigens gab es für die Stasi keine Schwelle ab der sie aktiv wurde. Es reichte irgendjemandem im Weg zu stehen oder einfach nicht zu tun oder zu sagen was andere von einem erwarteten. Diese von Ihnen, lieber Martin, beschriebene kaum existente politische Meinungsäußerung hier und heute in Deutschland, wäre für die Stasi viel zu viel und böte Angriffsflächen ohne Ende.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Martin Offline



Beiträge: 4.129

16.07.2013 07:54
#36 RE: Der Unterschied Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #35
Ich kann Ihnen, lieber Martin, leider keine Bestätigung für eine realistische Einschätzung Ihrerseits geben. Das ist auch m.E. etwas schwieriger als von Ihnen offensichtlich angenommen.


Lieber Erling Plaethe,

so wie Sie das in Ihrem Beitrag schildern, entspricht das durchaus meiner Vorstellung - auch dass in den eigenen vier Wänden oder in einer (vermeintlich) vertrauten Umgebung das Eine oder Andere an Information ausgetauscht wurde. Ich war bei einem Besuch in den 80er Jahren in Leipzig versehentlich auf einer Dachterrasse in eine Hochzeitsgesellschaft geraten und fand es ganz erheiternd, wie da 'Information' etwas unterschwellig ausgetauscht wurde, wenn die Gruppen von Leuten zusammen standen.

Nichtsdestotrotz passt für mich das Etikett 'ganze Gesellschaft in Angst' nicht. Da bleibt ja kaum eine Steigerung.

Gruß, Martin

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

16.07.2013 11:04
#37 RE: Der Unterschied Antworten

Zitat von Martin im Beitrag #36

Nichtsdestotrotz passt für mich das Etikett 'ganze Gesellschaft in Angst' nicht. Da bleibt ja kaum eine Steigerung.

Doch, eine graduelle.
Deshalb wird in repräsentativen Demokratien jede Politik, welche versucht mit Angst Ziele zu verwirklichen, von liberal gesinnten Bürgern - und Politikern - verurteilt.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Hausmann Offline



Beiträge: 710

16.07.2013 20:24
#38 RE: Der Unterschied Antworten

Zitat von Paul im Beitrag #31
Zu Kripa-Servietten fällt mir ein, dass ich größere Mengen für "mein" Krankenhaus beschafft habe, obwohl wir keine brauchten. Die wurden dann ohne Preisaufschlag an die Mitarbeiter verkauft. Der Zellstoff, den die Schwestern benutzten, war so hart, dass die Nasen davon wund wurden.


Lieber Paul!

Wenn ich aus meiner engen DDR-Sicht noch ergänzen darf: Zur Pflege meiner zwei sehr kleinen Kinder konnte ich (Ende der 70er) nur irgendwelche Meterware Zellstoff (mit robusten Holzsplittern) kaufen, zurechtstückeln und irgendwie einölen. Die Kinder haben das problemlos überstanden und vermutlich vergessen; ich nicht.

mfG!

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Hausmann Offline



Beiträge: 710

16.07.2013 21:19
#39 RE: Der Unterschied Antworten

Lieber Paul!

Zitat von Paul im Beitrag #32
Also, als angsfrei würde ich das nicht bezeichnen.

Ich gehe davon aus, daß wir diese Zeit in sehr unterschiedlicher Art erlebt haben und es diesbezüglich auch zu keinem "Konsens" kommen wird - wozu auch? Meinerseits kann ich nur Stimmungen mitteilen von Leuten, die die DDR im Grunde bejahten und sich nach Reformen umsahen. Davon gab es recht viele - ohne jede Angst.

Ich erinnere mich zum Beispiel an Treffen in kirchlichen Räumen zu Umweltthemen / zur Förderung des Fahrradverkehrs etwa im Oktober 89 oder an ein Treffen Anfang Januar in einer Schule mit Herrn Joseph Fischer und wie ihm die Kinnlade runterfiel, weil die meisten der regionalen Umwelt-Aktivisten der SED angehörten :-)

Heute bewundere ich, wie einige Kollegen, Freunde, Bekannte und Nachbarn die historische Chance bei den Hörnern packten, jetzt zu den "führenden" Persönlichkeiten der Landespolitik gehören und den lästigen DDR-Kram ist längst abgestreift haben. :-)

mfG

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