Lieber Herr Weimar, habe ich Sie richtig verstanden? Der Glaube an die von Menschen gemachte Klimaveränderung sollte nicht als Ersatzreligion bezeichnet werden, wie es auch in Zettels Raum erfolgte, sondern als Religion? Für die anderen von Ihnen genannten Beispiele gilt das ebenso.
Damit hätte ich kein Problem, weil es mir mit dieser Bezeichnung darauf ankommt diese Ansicht als Unwissenschaftlich, eben auf dem Glauben daran beruhend, zu kennzeichnen.
auch ich habe zwei Fragen, eine zum Fußball-Beispiel und eine zum Klima-Beispiel.
Beim Fußball scheint mir eine Unterscheidung zwischen Ritus und "Objekt" der Religion (auch wenn mir klar ist, dass nicht alle Religionen ein Objekt in Form eines personalen Gottes haben, aber auch wenn es nicht existiert, ist es nicht mit dem Ritus gleichzusetzen) nicht gegeben. Der Ritus und das Objekt der Religion ist beides(frei nach Trappatoni) das, "wasse passiere in Platz".
Zum Klimawandelthema stellt sich mir die Frage - gibt es einen Unterschied zwischen Religion und Ideologie?
Gruß Petz
"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln
Zitat von Meister Petz im Beitrag #3 Zum Klimawandelthema stellt sich mir die Frage - gibt es einen Unterschied zwischen Religion und Ideologie?
Ich persönliche habe die Begriffe bisher immer so unterschieden:
Religion kennt das Transzendente. Ideologie ist wie Religion, bloß ohne Transzendentes, also vollständig auf die wahrnehmbare, empirisch überprüfbare Welt bezogen.
Das die Welt empirisch untersucht werden kann, heißt halt nicht es auch zu tun.
Zitat von Ludwig Weimer im BlogSie ist ein abwertendes Urteil aus dem Geist einer exklusiv verbreiteten „Hochreligion“, die inzwischen aber nicht mehr die Mehrheit erreicht und überzeugt. Sie passt nicht mehr im postchristlichen Westen. Unter den von den Kirchen enttäuschten Abständigen und neuen Heiden sind viele Suchende, die gegenüber den Kirchen etwas ihrer Lebenswelt näheres Gutes, Lebendigeres, Ergreifenderes begehren und verehren ( Auch viele Sonntagschristen haben im Alltag eine solche diffuse Zweitreligion). Diese Suche „Ersatzreligion“ zu nennen klingt aber nach einer Verurteilung als Qualitätsabfall oder Selbsttäuschung.
In meinem Fall, soweit es um die grüne Religion geht, lieber Ludwig Weimer, handelt es sich um ein abwertendes Urteil über den Rückfall vorgeblich aufgeklärter Menschen in voraufklärerisches Meinen und Werten, das zunehmend in Konkurrenz und Feindschaft zur Naturwissenschaft tritt und fundamentalistisch-missionarisch auftritt. Und das ist, aus meiner Sicht, ein Qualitätsabfall und eine Selbsttäuschung; eine Ersatzreligion eben, einschließlich naiven Wunderglaubens. Oder, um aus Ihrem vorletzten Gastbeitrag zu zitieren:
Zitat Wir haben auch heute nicht den Ehrgeiz der Naturwissenschaft zu fürchten, sondern den Untergang des gelebten biblischen Menschenbildes, das an die Decke der Sixtina so herrlich gemalt ist, aber von staatssubventionierten und Weltfremdes nachplappernden Christen nur armselig und hohl kopiert wird.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #3Zum Klimawandelthema stellt sich mir die Frage - gibt es einen Unterschied zwischen Religion und Ideologie?
Religion gibt es in vielfacher Ausprägung. Manche neigen zu Toleranz, Quietismus und Hege innerer Werte (im Sinne von Quentin Bell: "broad-minded tolerance, humour and love of music"). Zu auto da fes, Ketzerprozessen & Heiligen Kriegen führen sie nicht zwangsweise, im Gegensatz zur Ideologie. Von daher läge die Definition der Klimakatastrophenapokalypsenbedrohungskulisse als Ideologie näher.
Zitat von Meister Petz im Beitrag #3Zum Klimawandelthema stellt sich mir die Frage - gibt es einen Unterschied zwischen Religion und Ideologie?
Dobrý večer Petzi,
ich könnte mir vorstellen, dass der moderne religiöse Mensch glaubt, dass er glaubt, während der Ideologe glaubt, dass er weiß. ... Ha - das klingt etwas gewollt geistreich, sorry, es war trotzdem meine spontane Antwort. ... Interessant auch die doppelte Bedeutung von "glauben"; so wollte ich zuerst schreiben "Ich glaube, dass der moderne Mensch ...", aber dann wäre da noch ein weiteres Glauben hinzugekommen - bissken fille fÿr so nen heißen Sommersbd., nicht wahr?
Der Artikel gefällt mir wohl - nur der Aufhänger scheint mir zweifelhaft. Nach meinem Gefühl ist mit "Ersatzreligion" gemeint "Ersatz für Religion". Es gibt ein Bedürfnis nach Glauben bei vielen Menschen, das aus verschiedenen Gründen von den Religionen nicht mehr befriedigt wird. Und deswegen suchen sich diese Menschen einen Ersatz, gerade die Klima- bzw. Öko-Gläubigkeit zeigt das m. E. sehr deutlich.
Vielen Dank für den hervorragenden und mutigen Gastbeitrag von Prof. Dr. Ludwig Weimer über die provozierende Frage: „“Ersatzreligion“ – eine abzuschaffende Bezeichnung?“, deren Verneinung er mit drei Hinweisen einleuchtend und klar begründet. Erst dadurch wird es wieder möglich, die prophetisch-aufrüttelnden Aussagen: „In der Antike nannte man die Juden und Christen „Atheisten““, die des jüdischen Philosophen Franz Rosenzweig: „Gott hat eben nicht die Religion, sondern die Welt geschaffen..... “ und die von Joseph Ratzinger 1999 in Paris: „Im Christentum ist Aufklärung Religion geworden und nicht mehr ihr Gegenspieler“ als selbstkritische Anfrage an die Christen zu verstehen.
Herr Weimer bat mich, folgenden Text als Antwort auf die bisherige Diskussion einzustellen:
Zitat von L. WeimerEs leuchtet ein: Viele brauchen einen Ersatz für das, was ihnen an den gelebten Religionen nicht gefällt. Sie verehren deshalb, was ihnen stattdessen wichtig ist, bewusst nicht unter dem Namen eines Göttlichen, sondern als Weltliches oder Wissenschaftliches oder Künstlerisches. Sie beten z.B. nicht zu einer Erdgöttin, sondern glauben einer grünen Ideologie. Insofern ist der Begriff „Ersatz für eine Religion“ zutreffend und nicht diskriminierend. Warum stelle ich ihn infrage? Mich stört ein Widerspruch: Wir nennen das Wesen und Unwesen der griechischen Götter „Religion“, aber die Ideale der Fußballfans und der Grünen nennen wir eine „Ersatzreligion“. Die Ideale der alten Griechen wurden Gestalt in den Stars, die ihrerseits die Götter spiegelten. Ein notorischer Ehebrecher, der als Stier Europa raubt und vergewaltigt, ist oberster Gott in einer unserer europäischen Gründungsmythen: Sex und Gewalt also. Die Fußballfreunde und die nicht allzu fanatisch-verbohrten Grünen scheinen mir humanere Idole zu haben. „Zum Kampf der Wagen und Gesänge, der auf Korinthus Landesenge der Griechen Völker froh vereint, zog Ibikus, der Götterfreund.“ Gewiss fallen die Gesänge der Fans in der Fußballarena hinter Schillers Ideal zurück, aber beidemale geht es doch um Wettkampf und Freude am Sieg. Nicht der Fußball ist das Objekt bei der Fußballreligion, sondern das Zusammenspiel des Könnens von stellvertretenden Helden, wofür man sich anfeuernd-singend begeistern kann. Deutlicher, so lehrt mich die Diskussion zum Blog, muss ich freilich sagen: Ideale können zu Ideologien werden; ja es scheint sich überall eine Wegegabelung aufzutun; an einem Beispiel gesagt: hier gehen die grünen Ideale in Richtung Ideologie weiter und dort in Richtung „Bewahrung der Schöpfung“. Diese Unterscheidung ist aber noch grob, es gibt viele Zwischenstufen, infantile und reife. Vielleicht gibt für den ersten Schritt in den Irrweg der Begriff „Fundamentalismus“ den Ausschlag. „Glauben“ hat drei Bedeutungen: 1) Ich bin der Meinung; 2) ich vertraue jemandem/Gott; 3) ich setze auf eine geschichtliche Erfahrung/Heilsgeschichte/Tradition. Bei dem Urteil „Ersatzreligion“ meint (Fall 1) man, dass der Anhänger einer Ersatzreligion etwas Nichtreligiöses an die Stelle einer Religion setze. Es kommt darauf an, in welchem Grad der Ersatz dazu würdig ist (dann Fall 3). Der Ersatzreligiöse vertraut eventuell bestimmten Menschen, z. B. Verfassern von populärwissenschaftlichen Magazinen, aber nicht einem persönlichen Gott. Hier liegt alles am Einzelfall mit seinen Nuancen. Die Aussage der neuen Enzyklika über das Licht des Glaubens, der jüdisch-christliche Glaube wohne nicht im Dunkel, sondern mache hell und kläre auf, klingt ungewohnt. Denn verbreitet ist, biblischer Glaube sei ein blinder gehorsamer Sprung ins Absurde. Der Katholizismus, und noch mehr der Protestantismus, wird Mühe haben, die Korrektur unter ihre Anhänger zu bringen. Wer klärte uns auf? Zuerst die griechischen Philosophen und die jüdischen Propheten. Dann die christlichen Kirchenväter (z. T. bekehrte Philosophen). Nicht im Mittelalter, erst angesichts der Europäischen Aufklärung versagten die innerkirchlichen Kräfte zu einer reinigenden Aufnahme. An diesem Versagen leiden die Kirchen bis heute. Ziel meiner Gedanken zum Religionsbegriff war zum einen, an die Unterscheidung zwischen Religion und biblischer Aufklärung zu erinnern, und zum andern, zu zeigen, dass die religiösen Götter z. B. der Griechen noch zur Welt gehören (Projektionen allzu menschlicher Wünsche und Ängste) und nicht den Schritt in das Transzendente leisten. Noch einmal: Juden und Christen müssen sich ihr Alleinstellungsmerkmal neu verdienen: Sie haben keine Religion, sondern sind Aufklärungsbewegung und Gesellschafts-Therapie. Daher könnten sich Gläubige und Postchristen darin einig sein: Es gibt keinen Gegensatz zwischen echter Wissenschaft und echtem Glauben.
(Ein Lesetipp: Walker Percy, Loch im Kosmos [Lost in the cosmos], Sphinx-Verlag, Basel 1996, besonders die Seiten 121-183. Das Buch hat einen ironischen Untertitel, kam deshalb in die falsche Abteilung und blieb wirkungslos, - ein Geheimtip.)
Zitat Mich stört ein Widerspruch: Wir nennen das Wesen und Unwesen der griechischen Götter „Religion“, aber die Ideale der Fußballfans und der Grünen nennen wir eine „Ersatzreligion“.
Ah, jetzt verstehe ich den Punkt. Ich würde mal sagen, das "Ersatz" macht sich daran fest, daß nur gewisse Elemente von Religionen übernommen werden. Es fehlt aber der Religionsanspruch, nämlich die Erklärung von Anfang und Ende der Welt und der Rolle und Bestimmung des Menschen. Deswegen verträgt sich z. B. Fußballverehrung problemlos mit Gläubigkeit in einer echten Religion.
Am ehesten könnte man noch den Öko-Glauben als wirkliche Religion einstufen. Da sind wirklich viele Elemente einer echten Religion vorhanden, aber es fehlt auch hier die Selbsteinschätzung als vollständige Religion. Die Öko-Gläubigen vereinen das dann auch oft mit dem Glauben an eine andere Religion - obwohl meist nur in der Form, daß diese andere Religion auf einen folkloristischen Teil reduziert wird. Ein echter Öko-Gläubiger nimmt sich vielleicht Teile des Christentums, um seine Gaia-Überzeugungen zu ergänzen. Aber alle Teile der Bibel oder der christlichen Lehre, die nicht passen, werden ignoriert.
Zitat Mich stört ein Widerspruch: Wir nennen das Wesen und Unwesen der griechischen Götter „Religion“, aber die Ideale der Fußballfans und der Grünen nennen wir eine „Ersatzreligion“.
Ah, jetzt verstehe ich den Punkt. Ich würde mal sagen, das "Ersatz" macht sich daran fest, daß nur gewisse Elemente von Religionen übernommen werden. Es fehlt aber der Religionsanspruch, nämlich die Erklärung von Anfang und Ende der Welt und der Rolle und Bestimmung des Menschen. Deswegen verträgt sich z. B. Fußballverehrung problemlos mit Gläubigkeit in einer echten Religion.
Am ehesten könnte man noch den Öko-Glauben als wirkliche Religion einstufen. Da sind wirklich viele Elemente einer echten Religion vorhanden, aber es fehlt auch hier die Selbsteinschätzung als vollständige Religion. Die Öko-Gläubigen vereinen das dann auch oft mit dem Glauben an eine andere Religion - obwohl meist nur in der Form, daß diese andere Religion auf einen folkloristischen Teil reduziert wird. Ein echter Öko-Gläubiger nimmt sich vielleicht Teile des Christentums, um seine Gaia-Überzeugungen zu ergänzen. Aber alle Teile der Bibel oder der christlichen Lehre, die nicht passen, werden ignoriert.
Ja, schon. Diese Leute finden sich aber interessanterweise nicht häufiger in "Naturreligionen" oder im "Neopaganismus" als in etablierten Religionen. Könnte (muss aber nicht) daran liegen, dass sowohl Wicca, Asatru, Neograecco-Pantheismus oder (Neo-) Druidentum viel zu persönliche, individuelle Glaubensinhalte haben, keine so prachtvollen Riten und keine ausgeprägten sozialistisch-/totalitaristischen Tendenzen.
Auf der anderen Seite wird gerade den Asatru aber gerne von diesen Leuten dann wieder eine Nähe zu "rechten Tendenzen" unterstellt...
Hat Religion nicht immer etwas mit Bindung zu tun? Es gibt soviel tatsächlich "finsteren" Aberglauben, wenn man um sich schaut, was "Trend", ja was "Kult" ist. Der Mensch möchte an etwas glauben, etwas verehren, sich in Bann ziehen lassen von Kräften, die etwas "Übermenschliches", nicht voll Erklärbares an sich haben - gerade in unserer angeblich so völlig rationalen Welt, aus der das Mysterium angeblich verschwunden ist und einem die "Experten" alles erklären, von den Börsenwerten bis hin zu den Studien über die Kinder homosexueller Paare.
"Wenn der Mensch die Grundorientierung verloren hat, die seinem Leben Einheit verleiht, verliert er sich in der Vielfalt seiner Wünsche; indem er sich weigert, auf die Zeit der Verheißung zu warten, zerfällt er in die tausend Augenblicke seiner Geschichte. Darum ist der Götzendienst immer Polytheismus, eine ziellose Bewegung von einem Herrn zum andern." So lese ich in der Enzyklika "Lumen Fidei". Und weiter: "Der Glaube besteht in der Bereitschaft, sich immer neu vom Ruf Gottes verwandeln zu lassen. Das ist das Paradox: In der immer neuen Hinwendung zum Herrn findet der Mensch einen sicheren Weg, der ihn vom Hang zur Zerstreuung befreit, dem ihn die Götzen unterwerfen."
Wenn es stimmt, dass (nur) die Wahrheit frei macht - wohnt dann nicht jedem Religionsbegriff ein Element der (geliebten) Selbsttäuschung inne? DIESE Unterscheidung verstehe ich als Ihr Anliegen - und darin hoffe ich, dass Ihre Beiträge von vielen gelesen und verstanden werden!
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