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Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 72 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
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stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

14.07.2013 20:16
Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Ein Artikel über einige Aspekte der Studie der »Heinrich-Böll-Stiftung«, mit der die Kritik an den »Gender Studies« widerlegt werden soll:

http://zettelsraum.blogspot.com/2013/07/...r-heinrich.html

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

14.07.2013 20:38
#2 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #1
Ein Artikel über einige Aspekte der Studie der »Heinrich-Böll-Stiftung«, mit der die Kritik an den »Gender Studies« widerlegt werden soll:

http://zettelsraum.blogspot.com/2013/07/...r-heinrich.html


Ein großartiger Artikel, lieber Stefanolix

Es wundert mich, daß noch niemand darauf gekommen ist, die aggressiv-dogmatische und ausgrenzende Vorgehensweise der Genderideologie als zutiefst patriarchalisch zu kennzeichnen. Sie erinnert an den pol. Islam ebenso wie an das unreformierte und unaufgeklärte Christentum, oder wahlweise an jede andere Ideologie, die Gleichmacherei mit Befreiung und Überzeugung mit Zwang verwechselt hat. Daß diese Studie gegen Gegner vorgeht wie der Boulevard in Bölls "Katharina Blum" mit der Titelfigur, fällt wohl unter "Bittere Ironie". Chapeau!

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Hausmann Offline



Beiträge: 710

14.07.2013 20:45
#3 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Nichts gegen Herrn Böll, einen wirklich guten Schriftsteller! Und es ist eine feine Sache, wenn man in Deutschland unbehelligt politische Parteien gründen und wieder schließen kann und diese mit den Mitteln ihrer Mitglieder bei der öffentlichen politischen Meinungsbildung mitwirken. Damit sollte es aber auch gut sein. Als Steuerzahler lehne ich jede Zwangsabgabe an diese Vereine und ihre sogenannten Stiftungen ab!

mfG

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Mehr Liberalismus wäre dringend vonnöten. Zettel

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

14.07.2013 20:57
#4 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #2
Es wundert mich, daß noch niemand darauf gekommen ist, die aggressiv-dogmatische und ausgrenzende Vorgehensweise der Genderideologie als zutiefst patriarchalisch zu kennzeichnen. Sie erinnert an den pol. Islam ebenso wie an das unreformierte und unaufgeklärte Christentum, oder wahlweise an jede andere Ideologie, die Gleichmacherei mit Befreiung und Überzeugung mit Zwang verwechselt hat. Daß diese Studie gegenüber Gegnern vorgeht wie der Boulevard in Bölls "Katharina Blum" mit der Titelfigur, fällt wohl unter "Bittere Ironie". Chapeau!

Herzliche Grüße,
Andreas Döding


Ich habe ja vor einiger Zeit schon mal den Begriff Maternalismus vorgeschlagen ;-)

Ich möchte keine Hypothese wagen, was Heinrich Böll dazu sagen würde. Für uns in der DDR war er ein Schriftsteller aus dem Westen und seine Bücher waren nur schwer erhältlich. Ich habe zumindest die Hälfte seiner Bücher in meiner Jugendzeit gelesen (Mitte bis Ende der 1980er Jahre). »Katharina Blum« hat mich sehr beeindruckt, aber auch »Billard um halb zehn«.

Den totalitären und autoritären Ansatz einiger radikaler Genderist*Innen würde er sicher nicht gutheißen.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

14.07.2013 21:41
#5 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #4
Zitat von Doeding im Beitrag #2
Es wundert mich, daß noch niemand darauf gekommen ist, die aggressiv-dogmatische und ausgrenzende Vorgehensweise der Genderideologie als zutiefst patriarchalisch zu kennzeichnen. Sie erinnert an den pol. Islam ebenso wie an das unreformierte und unaufgeklärte Christentum, oder wahlweise an jede andere Ideologie, die Gleichmacherei mit Befreiung und Überzeugung mit Zwang verwechselt hat. Daß diese Studie gegenüber Gegnern vorgeht wie der Boulevard in Bölls "Katharina Blum" mit der Titelfigur, fällt wohl unter "Bittere Ironie". Chapeau!

Herzliche Grüße,
Andreas Döding


Ich habe ja vor einiger Zeit schon mal den Begriff Maternalismus vorgeschlagen ;-)

Ich möchte keine Hypothese wagen, was Heinrich Böll dazu sagen würde. Für uns in der DDR war er ein Schriftsteller aus dem Westen und seine Bücher waren nur schwer erhältlich. Ich habe zumindest die Hälfte seiner Bücher in meiner Jugendzeit gelesen (Mitte bis Ende der 1980er Jahre). »Katharina Blum« hat mich sehr beeindruckt, aber auch »Billard um halb zehn«.

Den totalitären und autoritären Ansatz einiger radikaler Genderist*Innen würde er sicher nicht gutheißen.


Ich spekuliere mal. Aus meiner heutigen Sicht hätte Böll vermutlich keine besonderen Probleme mit dem Genderismus. Ich habe ihn als linken Gegner der BRD in Erinnerung, der auf kaum einer Anti-AKW-Demo gefehlt hat und nicht müde wurde, den "Staat" anzugreifen. Auch die Katharina Blum war letztlich linke Gesellschaftskritik (hieraus speiste sich mein ironisch gemeinter Vergleich). Literarisch halte ich ihn für völlig überschätzt, wie übrigens auch Hermann Hesse. Beide waren Kinder des jeweiligen Zeitgeistes, was in der Literatur wohl bereits für die Verleihung des Nobelpreises reicht. Es ist ähnlich wie beim Friedensnobelpreis. Brandt-Obama-EU: lächerlich. Ich hoffe und vertraue darauf, daß das bis heute bei den naturwissenschaftlichen Nobelpreisen anders ist.

Herzliche Grüße,
Andreas

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

14.07.2013 21:54
#6 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat
Wissenschaftlichkeit und Objektivität gäbe es gar nicht. Wer das glaubt, sei sich der eigenen Subjektivität nur nicht bewusst. Als Freibrief für grenzenlose Subjektivität. Wer wissenschaftlich sein wolle, sei sich nur seiner gesellschaftlichen Einbindung nicht bewusst. „Better Science” müsse sogar subjektiv sein.

Kapitel 5 fährt damit fort. Der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit beruhe lediglich auf „vagen bzw. verengten Begriffen von Wissenschaftlichkeit”. Dann folgen wieder persönliche Angriffe. Nicht die Kritik wird behandelt, sondern ein Kritiker nach dem anderen dossierartig abgewatscht.



Quelle: http://www.danisch.de/blog/2013/07/12/de...aft-bricht-aus/

Das ist, wenn man mal ein wenig nach einem ähnlichen Muster sucht, ziemlich nahe am marxistischen Wissenschaftsverständnis: Die Wissenschaft (hauptsächlich die Ökonomie, aber auch allgemein) sei parteiisch zugunsten der herrschenden Klasse. Ihre scheinbar objektiven Erkenntnisse dienen der Unterdrückung der restlichen Bevölkerung. Die Forderung ist nicht Objektivität, sondern der Aufbau einer ebenso parteiischen Gegenwissenschaft, die dem Proletariat und der kommunistischen Idee dient.

Auch das Weltbild Unterdrücker <-> Unterdrückte ist in seiner reinsten Form – neben einigen marxistischen Strömungen und “critical whitness” – am stärksten im Feminismus vorzufinden.

Zur Einteilung der politischen Strömung nach den Achsen, auf denen die meisten Menschen ihre Gegenüber am ehesten einstufen, siehe auch hier: http://www.deliberationdaily.de/2013/05/...ischen-sprache/

Ich persönlich sage lieber “Linsen” statt Achsen, da es hier um die Hauptsichtweise auf die Welt geht, nicht um die Eigenverortung in einem politischen Koordinatensystem, wie beim sogenannten politischen Kompass (gibt es mehrere von).

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.07.2013 22:53
#7 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #1
Ein Artikel über einige Aspekte der Studie der »Heinrich-Böll-Stiftung«, mit der die Kritik an den »Gender Studies« widerlegt werden soll:

http://zettelsraum.blogspot.com/2013/07/...r-heinrich.html

Beim Lesen dieses ausgezeichneten Artikels habe ich immer wieder an die Diskussion um das Pamphlet aus dem Umweltbundesamt gedacht (Und sie erwärmt sich doch). Und natürlich um die Kritik an wissenschaftlichen Theorien, die den Kern der wissenschaftlichen Beratung der Bundesregierung betreffen.
Was hier auffällt ist eine zunehmende Vermischung wissenschaftlicher und politischer Ziele. Die Wissenschaft wird immer politischer und die Politik begründet ihr Handeln immer mehr wissenschaftlich.
Unter diesen Umständen hat es ein kritischer falsifizierender Diskurs schwer. Er endete als erstes in der Umwandlung eines Parlaments des Diskurses in ein Arbeitsparlament auf der politischen Seite.
Nun scheint die Politisierung der Wissenschaft das gleiche auf diese Ebene zu bewirken.
Der Ruf nach der Aufhebung des Kooperationsverbots für die Hochschulen ist eine Auswirkung dieses Trends, der die Freiheit der Wissenschaft einengt und sie von staatlichen Zuwendungen abhängig macht.
Und letztlich auch von staatlichem Wohlwollen. Bundespolitisch wird die Bildung als öffentliches Gut behandelt und damit auch die politisch relevanten oder interessanten Bereiche der Wissenschaft.
So wie der Klimaschutz, in dessen Folge die Energieversorgung beginnt, zum öffentlichen Gut zu mutieren.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Florian Offline



Beiträge: 3.180

15.07.2013 00:41
#8 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #5
Beide waren Kinder des jeweiligen Zeitgeistes, was in der Literatur wohl bereits für die Verleihung des Nobelpreises reicht. Es ist ähnlich wie beim Friedensnobelpreis. Brandt-Obama-EU: lächerlich. Ich hoffe und vertraue darauf, daß das bis heute bei den naturwissenschaftlichen Nobelpreisen anders ist.




Natürlich werden Friedens- UND Literatur-Nobel-Preis nach einem bestimmten politischen Zeitgeist verliehen.
Und dies ist natürlich tendenziell ein skandinavisch-sozialdemokratischer Zeitgeist.

Allerdings habe ich schon den Eindruck, dass es da zwischen den beiden Verleihungs-Komitees einen qualitativen Unterschied gibt.
Der Friedensnobelpreis ist tatsächlich seit Jahrzehnten einer links-gutmenschlerischen Kamerilla zum Opfer gefallen, für deren Entscheidungen man sich regelmäßig fremdschämen muss.

Beim Literaturpreis ist das viel weniger der Fall. Da wäre meine Kritik eher, dass es zu oft sehr unbekannte und teilweise sogar obskure Autoren sind.
Der Literaturpreis hat allerdings keine eindeutige politische Schlagseite (wenn man von einer ganz offensichtlich chauvinistisch-überheblichen Geringschätzung von US-Schriftstellern absieht). Natürlich sind viele Preisträger eher dem linken Lager zuzuordnen. Das ist aber selection bias - die meisten Schriftsteller sind nun mal links. Eine nicht-linke Gesinnung ist allerdings für das Preiskomitee erkennbar kein Ausschlusskriterium.

Interessanterweise erhielt z.B. Winston Churchill nicht den Friedens- sondern den Literaturnobelpreis.
Gut, das ist jetzt schon lange her.
Aber ein aktuelles Beispiel ist Christa Müller, die eine sehr klar Kante gegen den Kommunismus fährt.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.07.2013 06:09
#9 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von Florian im Beitrag #8
Zitat von Doeding im Beitrag #5
Beide waren Kinder des jeweiligen Zeitgeistes, was in der Literatur wohl bereits für die Verleihung des Nobelpreises reicht. Es ist ähnlich wie beim Friedensnobelpreis. Brandt-Obama-EU: lächerlich. Ich hoffe und vertraue darauf, daß das bis heute bei den naturwissenschaftlichen Nobelpreisen anders ist.




Natürlich werden Friedens- UND Literatur-Nobel-Preis nach einem bestimmten politischen Zeitgeist verliehen.
Und dies ist natürlich tendenziell ein skandinavisch-sozialdemokratischer Zeitgeist.

Allerdings habe ich schon den Eindruck, dass es da zwischen den beiden Verleihungs-Komitees einen qualitativen Unterschied gibt.
Der Friedensnobelpreis ist tatsächlich seit Jahrzehnten einer links-gutmenschlerischen Kamerilla zum Opfer gefallen, für deren Entscheidungen man sich regelmäßig fremdschämen muss.

Beim Literaturpreis ist das viel weniger der Fall. Da wäre meine Kritik eher, dass es zu oft sehr unbekannte und teilweise sogar obskure Autoren sind.
Der Literaturpreis hat allerdings keine eindeutige politische Schlagseite (wenn man von einer ganz offensichtlich chauvinistisch-überheblichen Geringschätzung von US-Schriftstellern absieht). Natürlich sind viele Preisträger eher dem linken Lager zuzuordnen. Das ist aber selection bias - die meisten Schriftsteller sind nun mal links. Eine nicht-linke Gesinnung ist allerdings für das Preiskomitee erkennbar kein Ausschlusskriterium.

Interessanterweise erhielt z.B. Winston Churchill nicht den Friedens- sondern den Literaturnobelpreis.
Gut, das ist jetzt schon lange her.
Aber ein aktuelles Beispiel ist Christa Müller, die eine sehr klar Kante gegen den Kommunismus fährt.




Es ist Herta Müller (Nobelpreis 2009). Sie hat u. a. immer wieder über die Verbrechen des rumänischen Geheimdienstes Securitate aufgeklärt.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.07.2013 06:29
#10 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #5
Ich spekuliere mal. Aus meiner heutigen Sicht hätte Böll vermutlich keine besonderen Probleme mit dem Genderismus. Ich habe ihn als linken Gegner der BRD in Erinnerung, der auf kaum einer Anti-AKW-Demo gefehlt hat und nicht müde wurde, den "Staat" anzugreifen. Auch die Katharina Blum war letztlich linke Gesellschaftskritik (hieraus speiste sich mein ironisch gemeinter Vergleich). Literarisch halte ich ihn für völlig überschätzt, wie übrigens auch Hermann Hesse. Beide waren Kinder des jeweiligen Zeitgeistes, was in der Literatur wohl bereits für die Verleihung des Nobelpreises reicht. Es ist ähnlich wie beim Friedensnobelpreis. Brandt-Obama-EU: lächerlich. Ich hoffe und vertraue darauf, daß das bis heute bei den naturwissenschaftlichen Nobelpreisen anders ist.


Das Buch Die verlorene Ehre der Katharina Blum hatte für mich damals (mit 19 oder 20) vor allem eine humanitäre Seite. Ich war 1989 22 Jahre alt und habe das Buch seit der Wende in der DDR nie wieder in der Hand gehabt.

In der DDR dachte man (zumindest in meinen Kreisen) nicht in dem politischen Schema Schwarz, Gelb, Rot und radikal Rot. Es gab als wichtigstes Gegensatzpaar »frei - unfrei« und »nicht bürgerlich - linksradikal«. Wir wollten in einem Staat leben, in dem man die Freiheit hat, alles aussprechen und alles lesen zu können. Die Demokratie wäre, so dachten wir, die logische Folge der Meinungsfreiheit.

Auch bei den Ansätzen einer Veränderung in der UdSSR (Gorbatschow, Perestroika) haben wir zuerst an eine mögliche Erweiterung unserer Freiheiten gedacht und nicht unbedingt eine politische Analyse der KPdSU vorgenommen.

In dieser Situation habe ich also Die verlorene Ehre der Katharina Blum gelesen. Vielleicht sollte ich das Buch 24 Jahre später doch noch mal in die Hand nehmen?

Vermutlich gab es bei meiner Beurteilung der BILD und des Springer-Verlags in der Zeit vor der Wende auch einen Einfluss der veröffentlichten Meinung in der DDR. Die DDR hat ja nicht die F.A.Z. oder die ZEIT oder den SPIEGEL angegriffen, sondern vornehmlich die BILD und die »Springer-Presse«. Unsere einzige unabhängige westliche Informationsquelle in Dresden war der Deutschlandfunk über Mittelwelle (»Informationen am Morgen« usw.).

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.07.2013 06:47
#11 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #7
Zitat von stefanolix im Beitrag #1
Ein Artikel über einige Aspekte der Studie der »Heinrich-Böll-Stiftung«, mit der die Kritik an den »Gender Studies« widerlegt werden soll:

http://zettelsraum.blogspot.com/2013/07/...r-heinrich.html

Beim Lesen dieses ausgezeichneten Artikels habe ich immer wieder an die Diskussion um das Pamphlet aus dem Umweltbundesamt gedacht (Und sie erwärmt sich doch). Und natürlich um die Kritik an wissenschaftlichen Theorien, die den Kern der wissenschaftlichen Beratung der Bundesregierung betreffen.
Was hier auffällt ist eine zunehmende Vermischung wissenschaftlicher und politischer Ziele. Die Wissenschaft wird immer politischer und die Politik begründet ihr Handeln immer mehr wissenschaftlich.
Unter diesen Umständen hat es ein kritischer falsifizierender Diskurs schwer. Er endete als erstes in der Umwandlung eines Parlaments des Diskurses in ein Arbeitsparlament auf der politischen Seite.
Nun scheint die Politisierung der Wissenschaft das gleiche auf diese Ebene zu bewirken.
Der Ruf nach der Aufhebung des Kooperationsverbots für die Hochschulen ist eine Auswirkung dieses Trends, der die Freiheit der Wissenschaft einengt und sie von staatlichen Zuwendungen abhängig macht.
Und letztlich auch von staatlichem Wohlwollen. Bundespolitisch wird die Bildung als öffentliches Gut behandelt und damit auch die politisch relevanten oder interessanten Bereiche der Wissenschaft.
So wie der Klimaschutz, in dessen Folge die Energieversorgung beginnt, zum öffentlichen Gut zu mutieren.



Man reibt sich die Augen und fragt sich: Woher kommt das Thema Gender in dieser Dimension eigentlich? Was das eine EU-Vorgabe, die zu eifrig erfüllt wurde? Immerhin fehlt das Geld ja woanders: Viele Hochschulen müssen in ihren Kerngebieten sparen, aber auf diesem Gender-Gebiet neue Stellen aufbauen.

Ich würde es ja einsehen, wenn man an der einen oder anderen Stelle ein Forschungsprojekt zu feministischen [nicht genderistischen] Themen auflegt – natürlich mit wissenschaftlicher Evaluation der Ergebnisse. Aber dass dieser Gender-Bereich derart stark wuchert und dass er sich eigentlich jeder Kontrolle entzieht, hat mich doch überrascht.

Ich habe mich ja nur auf das Kapitel 4 der Studie konzentriert – vielleicht gibt es anderswo noch bessere Argumente für »Gender Studies«. Aber wenn das schon alles sein soll, dann ist es im Grunde nichts …

Hausmann Offline



Beiträge: 710

15.07.2013 10:32
#12 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #10
In der DDR dachte man (zumindest in meinen Kreisen) nicht in dem politischen Schema Schwarz, Gelb, Rot und radikal Rot. Es gab als wichtigstes Gegensatzpaar »frei - unfrei« und »nicht bürgerlich - linksradikal«. Wir wollten in einem Staat leben, in dem man die Freiheit hat, alles aussprechen und alles lesen zu können. Die Demokratie wäre, so dachten wir, die logische Folge der Meinungsfreiheit.

Sie werden sich an den "vormundschaftlichen Staat" erinnern; dieser Titel klingt langsam wieder interessant. mfG!

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stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.07.2013 11:04
#13 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von Hausmann im Beitrag #12
Zitat von stefanolix im Beitrag #10
In der DDR dachte man (zumindest in meinen Kreisen) nicht in dem politischen Schema Schwarz, Gelb, Rot und radikal Rot. Es gab als wichtigstes Gegensatzpaar »frei - unfrei« und »nicht bürgerlich - linksradikal«. Wir wollten in einem Staat leben, in dem man die Freiheit hat, alles aussprechen und alles lesen zu können. Die Demokratie wäre, so dachten wir, die logische Folge der Meinungsfreiheit.

Sie werden sich an den "vormundschaftlichen Staat" erinnern; dieser Titel klingt langsam wieder interessant. mfG!


Prophetische Worte Rolf Henrichs aus dem Buch (gefunden in einem DRadio-Beitrag über das Buch von 2009):

Zitat
Die Vormundschaft der Politbürokratie kann ohne Handlungen, welche den Machthabern als Verrat erscheinen müssen, gar nicht gebrochen werden. Anders gesagt: Wir müssen endlich das Menscherecht auf freie Meinungsäußerung mit Leben erfüllen.



http://www.dradio.de/dlf/sendungen/andruck/970813/

Ich fürchte, wir müssen uns langsam Gedanken machen, wie wir das Menscherecht auf freie Meinungsäußerung sichern.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

15.07.2013 11:34
#14 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #10
Zitat von Doeding im Beitrag #5
Ich spekuliere mal. Aus meiner heutigen Sicht hätte Böll vermutlich keine besonderen Probleme mit dem Genderismus. Ich habe ihn als linken Gegner der BRD in Erinnerung, der auf kaum einer Anti-AKW-Demo gefehlt hat und nicht müde wurde, den "Staat" anzugreifen. Auch die Katharina Blum war letztlich linke Gesellschaftskritik (hieraus speiste sich mein ironisch gemeinter Vergleich). Literarisch halte ich ihn für völlig überschätzt, wie übrigens auch Hermann Hesse. Beide waren Kinder des jeweiligen Zeitgeistes, was in der Literatur wohl bereits für die Verleihung des Nobelpreises reicht. Es ist ähnlich wie beim Friedensnobelpreis. Brandt-Obama-EU: lächerlich. Ich hoffe und vertraue darauf, daß das bis heute bei den naturwissenschaftlichen Nobelpreisen anders ist.


Das Buch Die verlorene Ehre der Katharina Blum hatte für mich damals (mit 19 oder 20) vor allem eine humanitäre Seite. Ich war 1989 22 Jahre alt und habe das Buch seit der Wende in der DDR nie wieder in der Hand gehabt.

In der DDR dachte man (zumindest in meinen Kreisen) nicht in dem politischen Schema Schwarz, Gelb, Rot und radikal Rot. Es gab als wichtigstes Gegensatzpaar »frei - unfrei« und »nicht bürgerlich - linksradikal«. Wir wollten in einem Staat leben, in dem man die Freiheit hat, alles aussprechen und alles lesen zu können. Die Demokratie wäre, so dachten wir, die logische Folge der Meinungsfreiheit.

Auch bei den Ansätzen einer Veränderung in der UdSSR (Gorbatschow, Perestroika) haben wir zuerst an eine mögliche Erweiterung unserer Freiheiten gedacht und nicht unbedingt eine politische Analyse der KPdSU vorgenommen.

In dieser Situation habe ich also Die verlorene Ehre der Katharina Blum gelesen. Vielleicht sollte ich das Buch 24 Jahre später doch noch mal in die Hand nehmen?

Vermutlich gab es bei meiner Beurteilung der BILD und des Springer-Verlags in der Zeit vor der Wende auch einen Einfluss der veröffentlichten Meinung in der DDR. Die DDR hat ja nicht die F.A.Z. oder die ZEIT oder den SPIEGEL angegriffen, sondern vornehmlich die BILD und die »Springer-Presse«. Unsere einzige unabhängige westliche Informationsquelle in Dresden war der Deutschlandfunk über Mittelwelle (»Informationen am Morgen« usw.).




Das war jetzt sehr interessant; danke für die Erläuterung. In der Tat habe ich es in der von Ihnen beschriebenen Weise gelesen und ordne Böll heute entsprechend ein. Wobei ich es ja war, der sich verändert hat, von damals undifferenziert links zu meiner heutigen Position. Um die Gegensätze Freiheit-Unfreiheit habe ich mir ja damals, im Gegensatz zu heute muß man wohl sagen, nie Sorgen machen müssen. Vielleicht sollte ich das Buch, ebenfalls nach einem guten Vierteljahrhundert, auch nochmal in die Hand nehmen. Bei Hesse war es so, daß ich den "Steppenwolf" als Jugendlicher verschlungen habe (wie wohl viele). Als ich es vor etwa 10 Jahren nochmal anfing, war ich entsetzt. 30 Seiten oder so habe ich geschafft. Das hatte aber nichts mit Politik zu tun. Hesse konnte, nach meinem heutigen Dafürhalten, überhaupt nicht richtig schreiben. Man sollte ihn wohl als Jugendautor führen.

Herzliche Grüße,
Andreas

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

15.07.2013 12:54
#15 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Nobelpreisträger... in so einigen Fällen sind dies ersichtlich Stellvertreterentscheidungen.
Es dürfte bekannt sein, daß Gunnar Myrdal 1974 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften deshalb erhalten hat, weil "ein Gegengewicht" zur Verleihung an Friedrich von Hayek gewünscht war - man wollte keinen finstren Feind des Progressivismus unwidersprochen aufwerten.

Literatur: Nadine Gordimer hat den Preis stellvertretemd für Doris Lessing erhalten (Frau! Afrika, bzw Postkolonialismus! Feminismus!), weil Frau Lessing sich durch verquaste Science Fiction (die Shikasta-Bände) & Horror das Wohlwollen verjuxt hatte. (Sie hat ihn dann 2007 nachgereicht bekommen, als sie schon in die Kategorie "ungelesener Klassiker" aufgestiegen war.)

Elfriede Jelinek hat ihn statt des unübertroffenen Thomas Bernhardt bekommen: austriakische Hysterie im Cinemascopeformat wurde damit ins Weltkulturerbe eingereiht (& natürlich das "Regietheater").

Wisława Szymborska... eigentlich war Zbigniew Herbert gemeint, aber dessen letztes Buch war der in Paris verlegte "Bericht aus einer belagerten Stadt", das Titelgedicht eine Parabel über Polen in den frühen 80gern, aber der Weltgeist hatte es gefügt, daß die absolut reale Umsetzung jeden Abend jahrelang in den Tagesnachrichten aus Sarajevo den Westen daran erinnerte, was passiert, wenn "Krieg [ist], und keiner geht hin".

Ansonsten war die letzte wirkliche Rote Socke unter den Preisträgern wohl Harold Pinter. Mo Yan (2012) ist schwer abzuschätzen - das liegt an den Bedingungen für die (rot)chinesische Literatur, aber in China gilt es nicht als "links". Imre Kertesz, V. S. Naipaul, Orhan Pamuk & Mario Vargas Llosa dürften wohl von niemandem links verortet werden; Le Clezio pflegt seine Liebe zum Neandertal im Urwald, desgleichen J. M. Coetzee, seitdem er sich damit abgefunden hat, daß er leider kein Privileg auf Weiße Universalschuld hat (sh. "Schande"), weil er das Pech hat, kein Deutscher zu sein.

PS: Hat jemand in letzter Zeit etwas von Toni Morrison vernommen?

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

15.07.2013 13:13
#16 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Nochmal was zum Ausgangsthema. Bekanntlich werden in der Beschreibung von Straftätern in der Öffentlichkeit Hinweise auf die ethnische Herkunft nicht gegeben; der Pressekodex läßt dies nur zu, wenn die Tat in direktem Zusammenhang mit der Herkunft des Täters steht, was offenbar so gut wie nie so gesehen wird.
Müßte nicht, zuendegegendert, das gleiche mit Blick auf das Geschlecht gelten? Schließlich sind Geschlechterunterschiede eine soziale Konstruktion und also sind es auch die unterschiedlichen Verbrechensraten zwischen den Geschlechtern. Würden Männer und Frauen nicht erwarten, daß Männer häufiger Totschlagen, dann wäre es auch nicht mehr so, und die Kapitalverbrechen wären endlich gleichverteilt. Auch hier, so meine ich, sollte man bei der Sprache anfangen, und der Pressekodex sollte diesbezüglich geändert werden. Übrigens auch mit Blick auf Bezeichnungen bezüglich der Tatorte; auch hieraus lassen sich schließlich bestimmte stigmatisierende Tätermerkmale ableiten. Da ist Duisburg-Marxloh genauso zu beschützen wie etwa ein Bordell. Eine Mustermeldung lautete dann etwa so:

Eine Gruppe von MenschInnen hat eine andere MenschIn an einem bestimmten Ort durch Tritte gegen den Kopf schwer verletzt. Die VerbrecherInnen sind auf der Flucht. Die Polizei bittet die Bevölkerung um Mithilfe bei der Suche.

Ach was, ich bin gleich für die Leipziger Lösung: Der Verbrecherin.

Herzliche Grüße,
Andreas Döding

Nola Offline



Beiträge: 1.719

15.07.2013 13:20
#17 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #15
Nobelpreisträger... in so einigen Fällen sind dies ersichtlich Stellvertreterentscheidungen.
Es dürfte bekannt sein, daß Gunnar Myrdal 1974 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften deshalb erhalten hat, weil "ein Gegengewicht" zur Verleihung an Friedrich von Hayek gewünscht war - man wollte keinen finstren Feind des Progressivismus unwidersprochen aufwerten.

Literatur: Nadine Gordimer hat den Preis stellvertretemd für Doris Lessing erhalten (Frau! Afrika, bzw Postkolonialismus! Feminismus!), weil Frau Lessing sich durch verquaste Science Fiction (die Shikasta-Bände) &amp; Horror das Wohlwollen verjuxt hatte. (Sie hat ihn dann 2007 nachgereicht bekommen, als sie schon in die Kategorie "ungelesener Klassiker" aufgestiegen war.)

Elfriede Jelinek hat ihn statt des unübertroffenen Thomas Bernhardt bekommen: austriakische Hysterie im Cinemascopeformat wurde damit ins Weltkulturerbe eingereiht (&amp; natürlich das "Regietheater").

Wisława Szymborska... eigentlich war Zbigniew Herbert gemeint, aber dessen letztes Buch war der in Paris verlegte "Bericht aus einer belagerten Stadt", das Titelgedicht eine Parabel über Polen in den frühen 80gern, aber der Weltgeist hatte es gefügt, daß die absolut reale Umsetzung jeden Abend jahrelang in den Tagesnachrichten aus Sarajevo den Westen daran erinnerte, was passiert, wenn "Krieg [ist], und keiner geht hin".

Ansonsten war die letzte wirkliche Rote Socke unter den Preisträgern wohl Harold Pinter. Mo Yan (2012) ist schwer abzuschätzen - das liegt an den Bedingungen für die (rot)chinesische Literatur, aber in China gilt es nicht als "links". Imre Kertesz, V. S. Naipaul, Orhan Pamuk &amp; Mario Vargas Llosa dürften wohl von niemandem links verortet werden; Le Clezio pflegt seine Liebe zum Neandertal im Urwald, desgleichen J. M. Coetzee, seitdem er sich damit abgefunden hat, daß er leider kein Privileg auf Weiße Universalschuld hat (sh. "Schande"), weil er das Pech hat, kein Deutscher zu sein.

PS: Hat jemand in letzter Zeit etwas von Toni Morrison vernommen?





Auch nachzulesen hier aus 2010:

Zitat des Tages: Nobelpreis für Literatur

♥lich Nola

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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.07.2013 13:39
#18 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #14
Das war jetzt sehr interessant; danke für die Erläuterung. In der Tat habe ich es in der von Ihnen beschriebenen Weise gelesen und ordne Böll heute entsprechend ein. Wobei ich es ja war, der sich verändert hat, von damals undifferenziert links zu meiner heutigen Position. Um die Gegensätze Freiheit-Unfreiheit habe ich mir ja damals, im Gegensatz zu heute muß man wohl sagen, nie Sorgen machen müssen. Vielleicht sollte ich das Buch, ebenfalls nach einem guten Vierteljahrhundert, auch nochmal in die Hand nehmen. Bei Hesse war es so, daß ich den "Steppenwolf" als Jugendlicher verschlungen habe (wie wohl viele). Als ich es vor etwa 10 Jahren nochmal anfing, war ich entsetzt. 30 Seiten oder so habe ich geschafft. Das hatte aber nichts mit Politik zu tun. Hesse konnte, nach meinem heutigen Dafürhalten, überhaupt nicht richtig schreiben. Man sollte ihn wohl als Jugendautor führen.


Ich habe in alten Bücherkisten gekramt und den DDR-Nachdruck der »Katharina Blum« gefunden. Der Preis war übrigens subventioniert (wie bei allen Büchern). Die DDR war wirklich ein Leseland. Ich kann nicht versprechen, wann ich es geschafft haben werde. Aber ich schreibe zu meinen Eindrücken jedenfalls etwas im Kleinen Zimmer.

Darüber hinaus habe ich eine (damals in der Zeit der Wende offenbar ungelesene) politische Schrift von Heinrich Böll gefunden: »BILD Bonn Boenisch«. Darin kommentiert Heinrich Böll Zeitungsartikel Boenischs in der BILD. Einen Artikel und den zugehörigen Kommentar konnte ich ertragen, dann musste ich das Buch erst mal weglegen. Artikel und Kommentar waren jeweils auf eigene Art und Weise unerträglich.

Ich bin selbst sehr kritisch gegenüber bestimmten Praktiken der Boulevardpresse. Aber Kritik muss natürlich verständlich sein, damit sie wirken kann.

Herzliche Grüße
Stefan

.

PS: Ich weiß nicht, woran es liegt, aber ich habe den »Steppenwolf« auch in sehr jungen Jahren gelesen (mit 17 oder 18) und dann nie wieder. Man sollte Hesse nicht als Jugendautor führen, sonst fehlt jungen Männern künftiger Generationen doch der Anreiz, zu dem Buch zu greifen!

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.560

15.07.2013 15:02
#19 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #18
Man sollte Hesse nicht als Jugendautor führen, sonst fehlt jungen Männern künftiger Generationen doch der Anreiz, zu dem Buch zu greifen!


Oh, oh. Harry Haller ist 50. Der SW ist eine katalogmäßige Beschreibung einer Midlife-Krise, genau 50 Jahre bevor der Spiegel die 1976 erfand. (Da hat HH ganz heftig bei sich selbst abgepaust & entsprechend dem, was er nach seinen verunglückten Psychoanalyse-Versuchen 1919-22 glaubte, in sich freisetzen zu müssen, nämlich einen Kleinen Wilden Expressionisten, der nicht rauskonnte & ihm Malessen machte, übertrieben). Stichwort: "antizipatorisches Plagiat". (Der umgekehrte Fall liegt bei Humbert Humbert vor, den Alle, salva venia, für einen "alten Sack" ästimieren; der Text macht eindeutig, daß er zur Zeit der Romanhandlung 33 ist. Kein Wunder, daß Nabokov nie müde wurde, genaues Lesen von seinen Studenten drakonisch einzufordern.)

Vom Heiligen Heinrich wird sub specie aeternitatis wohl nur Eckhard Henscheids polemisches Verdikt "steindumm, kenntnislos und talentfrei" bleiben. (Immerhin mehr, als von Henscheid bleibt, von dem schon präposthum nur dieser eine Satz bleibt. ).

Zitat von Doeding im Beitrag #14
Hesse konnte, nach meinem heutigen Dafürhalten, überhaupt nicht richtig schreiben. Man sollte ihn wohl als Jugendautor führen.


Gerade bei Jugendbuchautoren sollte es wichtig sein, daß sie gut schreiben können. Das zeigt sich, wenn man sie guten Gewissens goutieren kann, wenn man sie mit 50 statt mit 15 zur Hand nimmt. Michael Ende (der mit Jim Knopf) läßt sich bei leichtem Fieber ganz erträglich lesen; Michael Ende (der mit Momo & der Kindischen Kaiserin) geht nie & nimmer, in keinem Alter. Was gegen solche nachgeholte Lektüre spricht, ist die schlichte Uninteressantheit & Banalität der Stoffe. Überhaupt sind Re-Lektüren ernüchternd; manche Autoren fallen sehr schnell der Furie des Verschwindens zum Opfer: Alain-Fourniers Le Grand Meaulnes galt 3 Generationen als Erweckungsbuch, The Catcher in the Rye mindestens zweien: dead as a doornail. Allerdings scheint sich das Karussell schneller zu drehen: Svende Merians Märchenprinz war schneller Altpapier als, sagen wir, Bonjour tristesse. Die Halbwertszeit von Michel Houellebecq dürfte noch geringer sien.

stefanolix Offline



Beiträge: 1.959

15.07.2013 15:26
#20 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #19
Zitat von stefanolix im Beitrag #18
Man sollte Hesse nicht als Jugendautor führen, sonst fehlt jungen Männern künftiger Generationen doch der Anreiz, zu dem Buch zu greifen!


Oh, oh. Harry Haller ist 50. Der SW ist eine katalogmäßige Beschreibung einer Midlife-Krise, genau 50 Jahre bevor der Spiegel die 1976 erfand. (Da hat HH ganz heftig bei sich selbst abgepaust &amp; entsprechend dem, was er nach seinen verunglückten Psychoanalyse-Versuchen 1919-22 glaubte, in sich freisetzen zu müssen, nämlich einen Kleinen Wilden Expressionisten, der nicht rauskonnte &amp; ihm Malessen machte, übertrieben). Stichwort: "antizipatorisches Plagiat". (Der umgekehrte Fall liegt bei Humbert Humbert vor, den Alle, salva venia, für einen "alten Sack" ästimieren; der Text macht eindeutig, daß er zur Zeit der Romanhandlung 33 ist. Kein Wunder, daß Nabokov nie müde wurde, genaues Lesen von seinen Studenten drakonisch einzufordern.)


Ich weiß um die Diskrepanz zwischen dem Alter der Hauptfigur und dem Alter der Leser. Wir können ja mal eine Umfrage starten: In welchem Alter haben Sie den »Steppenwolf« zum ersten Mal gelesen? In meiner Jugendzeit galt es jedenfalls als Muss in Abiturientenkreisen – vielleicht aus dem einfachen Grund, dass das Buch wesentlich spannender als die Pflichtlektüre war?

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

15.07.2013 15:36
#21 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #20
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #19
Zitat von stefanolix im Beitrag #18
Man sollte Hesse nicht als Jugendautor führen, sonst fehlt jungen Männern künftiger Generationen doch der Anreiz, zu dem Buch zu greifen!


Oh, oh. Harry Haller ist 50. Der SW ist eine katalogmäßige Beschreibung einer Midlife-Krise, genau 50 Jahre bevor der Spiegel die 1976 erfand. (Da hat HH ganz heftig bei sich selbst abgepaust & entsprechend dem, was er nach seinen verunglückten Psychoanalyse-Versuchen 1919-22 glaubte, in sich freisetzen zu müssen, nämlich einen Kleinen Wilden Expressionisten, der nicht rauskonnte & ihm Malessen machte, übertrieben). Stichwort: "antizipatorisches Plagiat". (Der umgekehrte Fall liegt bei Humbert Humbert vor, den Alle, salva venia, für einen "alten Sack" ästimieren; der Text macht eindeutig, daß er zur Zeit der Romanhandlung 33 ist. Kein Wunder, daß Nabokov nie müde wurde, genaues Lesen von seinen Studenten drakonisch einzufordern.)


Ich weiß um die Diskrepanz zwischen dem Alter der Hauptfigur und dem Alter der Leser. Wir können ja mal eine Umfrage starten: In welchem Alter haben Sie den »Steppenwolf« zum ersten Mal gelesen? In meiner Jugendzeit galt es jedenfalls als Muss in Abiturientenkreisen – vielleicht aus dem einfachen Grund, dass das Buch wesentlich spannender als die Pflichtlektüre war?


In der Tat. Aus meiner Sicht hat Haller nicht das Konzept einer Midlifecrisis antizipiert, sondern seine Pubertät nachgeholt. Und so erschließt sich mir auch das Durchschnittsalter seiner Leserschaft. Dieses ganze narzißtische "Ich bin anders als die anderen, ich bin toll, aber soo verkannt von der tumben erwachsenen Welt, und deshalb muß ich mich jetzt defensiv selbst hassen" empfinde ich heute als ziemlich infantil. Und eben pubertär. Ist ja nicht schlimm, aber alles hat halt seine Zeit

P.S. ich habe ihn mit 15 gelesen und mich sehr verstanden gefühlt

Herzliche Grüße,
Andreas

Michael Klein Offline




Beiträge: 8

15.07.2013 16:06
#22 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Vielen Dank für diesen Beitrag. Es hat mir Spass gemacht, die Ausführungen vor allem zu Köhnen zu lesen, mit dem ich mich als einer der angesprochenen im Machwerk der HB-Stiftung, auch bereits auseinandergesetzt habe:

http://sciencefiles.org/2013/07/10/beweg...isten-im-magen/

Ansonsten will ich an dieser Stelle nur dreierlei anmerken:

(1) Es ist nicht einmalig in der Geschichte, dass Listen erstellt werden, auf denen Kritiker und alle, die man nicht mag, unter einem Label zusammengeworfen werden, ob es passt oder nicht. In einer Zeit, in der es rein auf den affektiven Gehalt von Meldungen und nicht oder kaum auf den kognitiven Gehalt ankommt, ist dies ein wirksames Mittel der Propaganda und der Dämonisierung Andersdenkender.

(2) Es ist schon erstaunlich, dass eine Genderistenbewegung, die von anderen erwartet, tolerant und offen den Gender-Inhalten gegenüber zu stehen, Kritik nicht anders als mit Stigmatisierung und völliger Intoleranz zu begegnen weiß, was den Verdacht nahe legt, dass Genderisten einen erhebliche Affinität zu Rassissmus aufweisen, wie Dr. habil. Heike Diefenbach hier ausführt:

http://sciencefiles.org/2013/07/11/wisse...ndersdenkenden/

(3) Wir [ScienceFiles] sind u.a. von der HB-Stiftung zu Wissenschaftswächtern ernannt worden. Und wir nehmen dieses Amt sehr ernst. Wer etwas in die Finger bekommt, das vorgibt, Wissenschaft zu sein und sich bei näherem Hinsehen als Ideologie entpuppt, möge uns bitte davon unterrichten, entweder per email: sciencefiles@textconsulting.net oder über Twitter #Wissenschaftswächter

http://sciencefiles.org/2013/07/11/ausze...schaftswachter/

Michael Klein
ScienceFiles.org

RichardT Offline




Beiträge: 287

15.07.2013 16:30
#23 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Ich möchte dem Titel widersprechen.

Bei Eigentor denkt man an Nachteiliges. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daß sich irgendwelche negativen Konsequenzen ergeben werden.
Wie auch.
Die Medien sind nicht nur rot grün sondern auch stramm feministisch. Es reicht sich mal anzuschauen wie viel Meiningsmacherinnen beim Verein pro Quote unterwegs sind. Und beim Feminismus ist es wie bei manch anderen Themen die von den "Guten" besetzt sind: Es wird nicht argumentiert sondern der Gegner nieder gemacht. Wer möchte denn als Frauenfeind, Pascha oder rückwärtsgewandt bezeichnet werden.

Wer sehen will was alles ungestraft in Deutschland gesagt werden darf möge hier: http://manndat.de/category/champions-league-des-sexismus mal nachsehen.

Was soll die H-B Stiftung da befürchten?

Es gäbe viel zu sagen zu den Auswüchsen des Feminismus. Aber leider haben sich auch viele Männer einwickeln lassen von den Sprüchen. leider auch der von mir sehr geschätzte Stefanolix.
Der Feminismus in Deutschland hat schon vor über 30 Jahren nicht mit Gleichberechtigung am Hut gehabt. Das war immer nur ein vorgeschobenes Ziel. In Wahrheit ging es immer um Frauenrechte. Und zwar möglichst viele. Es wurde nie irgendein Vorrecht hergegeben. Aber es wurden viele Rechte eingefordert.

Ich möchte nicht wissen wieviel Familien vom Feminismus zerstört wurden. Ich möchte auch nicht wissen wieviel Jungs darunter leiden mussten.

Meine Mutter und meine Schwester waren und sind überzeugte Frauenrechtlerinnen. Es macht einen Wahnsinnsspaß in einer Umgebung aufzuwachsen in der alles was Schlecht ist von Männern kommt.

Heute habe ich das Glück eine ganz normale Frau zu haben und wir sehen mit Sorge wie die Dinge sich entwickelt haben.
Unser Sohn hatte, glücklicherweise nur ein halbes Jahr, eine Lehrerin (2.Klasse) bei der es bei Streitereien zwischen Jungs und Mädchen immer nur eine Gruppe gab die Schuld hatte. Ich habe einmal ein Elterngespräch grußlos verlassen weil mir das Ganze zu dumm wurde.

Die Dame wurde dann schwanger, ich wünsche ihr ganz viele gesunde quirlige bewegungsfreudige Jungs!

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

15.07.2013 16:33
#24 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #19
Michael Ende (der mit Momo & der Kindischen Kaiserin) geht nie & nimmer, in keinem Alter.

Momo ist so schlecht nicht, das hat bei mir, im rechten Alter gelesen, frühzeitig eine philosophische Ader wundgestochen.

Als ein Beispiel für Jugendliteratur, die man als Erwachsener zwar (schon des Kolonialchauvinismus wegen) vielleicht nicht völlig goutieren, aber einem jungen Menschen (so meint man) unbedenklich in die Hand geben kann, möchte ich die "Dschungelbücher" von R. Kipling nennen. Die haben literarische Qualität und einen gewissen Tiefgang. Zugegebenermaßen fand ich sie in meiner eigenen Jugend nicht so attraktiv.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

15.07.2013 17:36
#25 RE: Das Eigentor in der Studie der Heinrich-Böll-Stiftung Antworten

Zitat von stefanolix im Beitrag #11

Man reibt sich die Augen und fragt sich: Woher kommt das Thema Gender in dieser Dimension eigentlich? Was das eine EU-Vorgabe, die zu eifrig erfüllt wurde? Immerhin fehlt das Geld ja woanders: Viele Hochschulen müssen in ihren Kerngebieten sparen, aber auf diesem Gender-Gebiet neue Stellen aufbauen.

Diese Dimension hat sich aus der von mir schon in einem anderen Zusammenhang beschriebenen philosophischen Basis des Dekonstruktivismus im Zuge der sexuellen Revolution entwickelt. Und wie man sieht, hält diese Revolution an.
http://zettelsraum.blogspot.de/2013/05/w...olution_20.html
Die Queer-Theorie ist Gender ohne Wischiwaschi mit einer der Vordenkerin, Judith Butler und mit Michel Foucault.

Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Gender_Studies
In den Gender Studies wird dieser variable Charakter des Genders meist im Sinne einer sozialen Konstruktion verstanden. Dabei gibt es unterschiedliche Auffassungen dazu, inwieweit geschlechtliche Unterschiede auf Aushandlungen, beispielsweise Erziehung beruhen oder im biologischen Konstrukt des Geschlechts angelegt sind und ob, beziehungsweise inwiefern, diese Unterschiede sich auflösen lassen


Zitat von https://de.wikipedia.org/wiki/Queer-Theorie
Die Queer-Theorie geht davon aus, dass die geschlechtliche und die sexuelle Identität nicht „naturgegeben“ sind, sondern erst in sozialen und kulturellen Prozessen konstruiert werden. Unter Rückgriff auf die Methoden und Erkenntnisse von Dekonstruktion, Poststrukturalismus, Diskursanalyse und Gender Studies versucht die Queer-Theorie, sexuelle Identitäten, Machtformen und Normen zu analysieren und zu dekonstruieren. Als wichtige Theoretiker und Vordenker gelten u. a. Michel Foucault, Judith Butler, Eve Kosofsky Sedgwick und Michael Warner.

Viele Grüße, Erling Plaethe

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