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Dieses Thema hat 2 Antworten
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Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

15.08.2013 01:57
Brief- und Postgeheimnis im Internet Antworten

Da ich auf netzpolitik.org leider nicht mehr kommentieren kann (wird alles vom Spam-Filter geschluckt und ich weiß nicht, wie ich ihn umgehen kann: andere IP-Adresse, anderer Browser, anderes Pseudonym bringen alles nichts), es mir aber in den Fingern juckt, auch wenn es dort nun wahrscheinlich keiner lesen wird, antworte ich hier auf eine etwas seltsame Verdrehung in einem Kommentar von Kommentator Thorsten Knedeisen:

Zitat

Es geht also gerade darum, diese Verantwortung innerhalb der eigenen Verfügungsgewalt abzuschieben, mit der Ausrede, dass man – global gesehen – für nichts garantieren könne, so etwa in der Art: “Wenn also auf irgendwelchen Servern, Knoten oder Wegen irgendwer irgend etwas abschnorcheln kann, ja dannn kann man uns das schließlich auch nicht verübeln.”

Man kann seine Verantwortung für das eigene Handeln nicht mit der Ausrede abweisen, dass man für andere involvierte Personen seine Hand nicht ins Feuer legen könne.

[...]

"Auch dein Postbote kann deine Postkarten lesen, vielleicht tut er es auch ganz selten mal, wenn er Zeit hat und das Motiv besonders schön ist. Aber wir haben einen Konsens darüber, dass er es lassen soll, was eine ganz andere Qualität hat, als wenn wir den nicht hätten,
[...]
Wenn man aber jetzt sagt: “Ach, da wir eh für nichts garantieren können, ist uns das egal, soll jeder doch verschlüsseln” ist das genau der Versuch, diesen Konsens abzuschaffen."



Diesen Konsens hat es - rechtlich - nie gegeben. Das Briefgeheimnis gilt nicht für Postkarten. Das ist keine neue Rechtsauslegung, das ist alt! Das ist schon von Anfang an so gewesen. Eine Postkarte viel nie unter das Briefgeheimnis.

Die Begründung dafür war schon immer: Wenn es keinen umschließenden Behälter gibt (Voraussetzung damit es rechtlich als Brief gilt!), sich der Absender also nicht die geringste Mühe gemacht hat, seinen Anspruch auf Privatsphäre deutlich zu machen und wenigstens eine kleine Barriere gegen Einsichtnahme aufzubauen, dann muss er mit einer Einsichtnahme rechnen und diese Einsichtnahme kann man dann auch niemandem zum Vorwurf machen - zumindest nicht als Verstoß gegen das Briefgeheimnis.

Ein Konsens darüber, dass jemand etwas lassen soll, ist dafür unwichtig und kann ja beliebig postuliert werden. Es gibt vieles, was Leute besser lassen sollen, bei dem auch die meisten Menschen sagen, man soll es lassen, die aber legal sind.

Es gab auch schon Klagen und (wenn ich es richtig in Erinnerung habe) Verfassungsbeschwerden, weil ein Postbote eine Postkarte gelesen hat und den Inhalt daraufhin den Strafverfolgungsbehörden mitteilte. Wurden abgewiesen, war nicht illegal, zumindest nicht auf Grund des deutschen Verfassungsrechtes.

Es gibt zwar grundsätzlich auch noch das (allgemeinere) Postgeheimnis, was umfassender ist. Aber die verfassungsrechtlichen Eingriffshürden sind stark unterschiedlich und zwar in Abhängigkeit des Schutzes gegen zu leichte Einsichtnahme. Das ist alles nicht neu.

In den USA ist es - mit etwas anderen Rechtsbegriffen - faktisch ähnlich und auch schon vor der Erfindung des Internets ähnlich gewesen.

Offline war das schon immer so.

Nun kommen Leute, die sich Online gut auskennen, aber offenbar nicht sehr gut über die Offline-Rechtsgeschichte informiert sind.

Sie wollen ihre Ideale beim Online-Pendant zu allen mögliche Offline-Sachen durchsetzen und argumentieren häufig mit Parallelen. Man versucht Unterstützung zu sammeln, in dem man Vergleich zur Offline-Welt zieht. Durchaus legitim, denn Parallelenbildung zur Übertragung alter Rechtsprinzipien auf neue Technik ist eine zulässig Rechtsfindungsmethode. Und manchmal ist der Vergleich der Online-Datenschutz- und Netzaktivisten zutreffend. Und manchmal nicht, da hat man seine Ideale mit dem verwechselt, was als Grundsätzen und Rechtsprinzipien Offline schon lange etabliert ist - aber es stimmt nicht immer überein.

Hier haben wir ein Beispiel: Sie hätten gerne Postkarten gegen Lesen durch einen Postboten verfassungsrechtlich geschützt. Aber es war nie so, zumindest nicht in nennenswertem Umfang.
Die Übertragung seitens Google von der Offline-Welt auf die Online-Welt ist also nicht falsch. Der Fehler liegt in der falschen Annahme über die Offline-Welt.

Das passiert Netzaktivisten häufiger, aber man wirft dann lieber anderen vor die Parallele zur Offline-Welt wegen mangelnden Technikverständnisses nicht ziehen zu können. In Wahrheit liegt der Fehler aber manchmal einfach in unterschiedlichen Annahmen über die Offline-Welt, weshalb es zu unterschiedlichen Übertragungen auf die Online-Welt kommt. Google mangelndes Technikverständnis vorzuwerfen geht nämlich, anders als bei einem über 70jährigen CSU-Politiker, nur sehr schwer.

Edit:
Im Gegenteil ist die gefestigte Rechtsprechung zum Offline-Schutz der Privatsphäre, gerade auch in den USA, auf die Online-Situation übertragen die Rechtfertigung für eine Überwachung zumindest des unverschlüsselten Datenverkehrs. Was außerhalb eines geschlossenen Behälters steht, zum Beispiel auf einem Briefumschlag für alle sichtbar, ist vom 4. Verfassungszusatz nicht geschützt. Das müsste man nur auf die Online-Welt übertragen...

Warum ist man da zögerlich? Warum rechtfertigt man die Eingriffen dort lieber anders? Weil man dann erklären müsste, warum man sich eigentlich anmaßt verschlüsselte Kommunikation solange zu speichern, bis man sie entschlüsseln kann... Denn grundsätzlich stimmt es schon: Das Chinese das mit Datenpakten, die über China geroutet werden, auch könnten ist keine Ausrede dafür, dass die NSA es auch macht. Das sie aber vollkommen ungeschützte Informationen, welche ins Internet geblasen werden, erfasst, wäre nach den rechtlichen Maßstäben der Offline-Welt nicht unbedingt verboten.

Wer eine Postkarte schickt, der muss mit einer Verletzung der Privatsphäre rechnen.
Weshalb ihn die Verfassung nur bedingt schützt, sowohl in Deutschland als auch den USA, in den USA aber noch weniger.
Wer eine Postkarte schickt, der muss mit einer Verletzung der Privatsphäre rechnen.
Wobei er in China auf keinen rechtlichen Schutz hoffen sollte, egal worum es geht.
Wer eine Postkarte nach China schickt, dem ist die Privatsphäre nicht wichtig.
Und was im Internet geroutet wird, kann überall drüber laufen.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Kritiker Offline



Beiträge: 274

15.08.2013 10:02
#2 RE: Brief- und Postgeheimnis im Internet Antworten

Viel besorgniserregender als diese Vergleiche mit Postkarten und dem Unwillen der großen Dienste, eine geheime Kommunikation auch nur zu ermöglichen, sehe ich, dass es im Mutterland der Demokratie VERBOTEN ist geheim miteinander zu kommunizieren.

Das heisst, selbst wenn ich will und Wert darauf lege, darf ich nicht, sonst komme ich ins Gefängnis. Ein Anbieter, wie Lavabit, der dies einen Kunden ermöglicht, wird zur Schließung gezwungen.
http://www.zeit.de/digital/internet/2013...lavabit-levison

Das ist eine echte und reale Bedrohung für die Freiheit. Es ist eine Sache, dass es mich nicht kümmert, ob meine Kommunikation überwacht und ausgewertet wird. Dass ich die Überwachung nicht verhindert DARF ist der Skandal.

Der Kritiker

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

15.08.2013 22:01
#3 RE: Brief- und Postgeheimnis im Internet Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #2
Viel besorgniserregender als diese Vergleiche mit Postkarten und dem Unwillen der großen Dienste, eine geheime Kommunikation auch nur zu ermöglichen, sehe ich, dass es im Mutterland der Demokratie VERBOTEN ist geheim miteinander zu kommunizieren.

Das heisst, selbst wenn ich will und Wert darauf lege, darf ich nicht, sonst komme ich ins Gefängnis. Ein Anbieter, wie Lavabit, der dies einen Kunden ermöglicht, wird zur Schließung gezwungen.
http://www.zeit.de/digital/internet/2013...lavabit-levison

Das ist eine echte und reale Bedrohung für die Freiheit. Es ist eine Sache, dass es mich nicht kümmert, ob meine Kommunikation überwacht und ausgewertet wird. Dass ich die Überwachung nicht verhindert DARF ist der Skandal.



Das nichts, aber auch rein gar nichts, mit einem Verbot von Verschlüsselung zu tun. Das gibt es in den USA nicht! End-zu-End-Verschlüsselung ist in den USA, sowie in Deutschland legal. Auch in UK ist es legal, allerdings muss man im Vereinigten Königreich der Polizei auf Anfrage die notwendigen Daten zum Entschlüsseln überlassen, ohne sich dabei auf sein Recht zu schweigen berufen zu dürfen, sonst macht man sich strafbar. Das darf aber mW auch in Großbritannien und Nordirland nicht präventiv für zukünftige Kommunikation verlangt werden, sondern nur für bereits getätigte Kommunikation oder zur Entschlüsselung beschlagnahmter Datenträger.

In dem Zeit-Artikel geht es um die Weigerung Daten herauszugeben - trotz Gerichtsbeschluss. Mit Verschlüsselung hat das, anders als der bedauernswert schlechte Journalismus der Zeit in diesem Fall suggeriert, nichts zu tun. Aber selbst dort steht nicht, dass Verschlüsselung verboten sei.

Nachträglicher Einschub: So entstehen Enten, lieber Kritiker. Hilft das denn ihrer Sache?

Im übrigen steht es ihnen frei, mir die konkrete Gesetzesstelle im United States Code zu nennen, die Verschlüsselung - außer für verurteilte Sexualstraftäter - verbietet.

Gerne mit Link.

Es gab zwar mal sehr regiede Exportbeschränkungen für Verschlüsselungssoftware. Aber auch die haben nicht die verschlüsselte Kommunikation verboten, sondern den Export dazu nutzbarer Software ins Ausland. Und selbst diese Exportbeschränken sind inzwischen so weit gelockert, dass sie Open Source Software quasi nicht mehr betreffen (Hervorhebungen von mir):

Zitat
3. Also in §740.13, to, in part, take into account the "open source" approach to software development, unrestricted encryption source code not subject to an express agreement for the payment of a licensing fee or royalty for commercial production or sale of any product developed using the source code can, without review, be released from "EI" controls and exported and reexported under License Exception TSU. Intellectual property protection (e.g., copyright, patent, or trademark) would not, by itself, be construed as an express agreement for the payment of a licensing fee or royalty for commercial production or sale of any product developed using the source code. To qualify, exporters must notify BXA of the Internet location (e.g., URL or Internet address) or provide a copy of the source code by the time of export. These notifications are only required for the initial export; there are no notification requirements for end-users subsequently using the source code. Notification can be made by e-mail to crypt@bxa.doc.gov.

Review and classification are not required for foreign made products using this source code. Moreover, under §744.9, exporters of unrestricted encryption source code are not restrained from providing technical assistance to foreign persons working with such source code. In addition, exporters of source code are not subject to Internet download screening requirements under §734.2(b)(9)(iii). Posting of the source code on the Internet (e.g., FTP or World Wide Web site), where it may be downloaded by anyone, would not establish "knowledge" [...] of a prohibited export or reexport. Such posting would not trigger "red flags" necessitating the affirmative duty to inquire under the "Know Your Customer" guidance provided in Supplement No. 3 to Part 732. Otherwise, compliance with EAR requirements as to prohibited exports and reexports still apply.



http://epic.org/crypto/export_controls/regs_1_00.html

Also letztendlich nur eine riesige Bevorzugung freie Software gegenüber kommerziellen Produkten. Eine einfache eMail, einmalig für jede Version des relevanten Programmcode(teils) die im Internet frei zugänglich veröffentlicht wird, und nahezu alle Beschränkungen für Exporte entfallen ohne weitere Genehmigung oder auch nur Bestätigung der Kenntnisnahme (die man aber vielleicht doch besser abwarten sollte). Aber nur wenn die Software Open Source ist, proprietäre Software steht dieser Weg nicht offen. Für die wurden die Regularien zwar auch gelockert, aber nicht auf dieses Nahe-Null-Niveau.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

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