Zitat von Kritiker im Beitrag #25- Jedes Produkt, das aus den USA erworben wird, enthält einen nicht abschaltbaren Internetzugang und meldet seine Standortdaten automatisch
Das neueste Produkt Made in U.S. kam gestern mit der Post: - Robert Nathan, Portrait of Jennie, New York 1962: Popular Library #G572, kleines Taschenbuchformat, 125 S., ursprünglicher Verkaufspreis 35 Cent, Erhaltungszustand "fair to good"; Händlerpreis $6.50. Ich bitte um Vorschläge, wie das auf Bluetooth nachzurüsten ist.
(Hätte ich das nicht als Privatperson beschafft, sondern für unser English Department, würde die Signatur in ~7 Tagen "AM XX Nathan 1962(3)" lauten & der Standort befände sich beständig im Raum 332, 4. Regalreihe linkerhand Bodennähe.)
Zitat von Kritiker im Beitrag #25Die NSA bricht auch amerikanische Gesetze ...
Wenn das stimmt (bisher sind das ja nur unbelegte Vorwürfe), wird ihr das auch auf die Füße fallen. Es ist aber wohl eher so, daß die Gesetze etwas mehr Grauzone hergeben als das im Verkaufskatalog beschrieben wurde. Das politische System der USA hat seine Fehler, aber bei der Kontrolle der Exekutive ist es wohl deutlich besser als in den meisten anderen Ländern.
Zitat ... und ignoriert völkerrechtlich bindende Verträge der USA.
Da kann ich nur Raysons Frage wiederholen: Welche Verträge sollen das sein?
Zitat Aber die USA hatten schon immer die Einstellung, dass ihre staatlichen Einrichtungen jenseits aller Gesetze stehen, egal welcher.
Das ist schlicht falsch. Die USA sind im Gegenteil das Land, in dem die Justiz sehr viel deutlicher als in anderen Ländern Gesetzesverstöße eben gerade auch durch staatliche Stellen ahndet.
Zitat Busch hat z.B. die Folter wieder eingeführt und auch Inhaftierung ohne gesetzliche Grundlage.
Das ist beides nicht richtig. Weder hat er das eingeführt noch gibt es solche Inhaftierungen. Die Gefangenen von Guantanamo sind illegitime feindliche Kämpfer, keine Strafgefangenen.
Zitat Ich finde auch die gegenseitige Bespitzelung unter Verbündeten nicht korrekt.
Muß man auch nicht. Mir persönlich wäre es auch lieber, wenn das aufhören würde. Aber man kann nicht empört den Amis vorhalten, was völlig normale und schon immer übliche Praxis ist und was alle anderen Staaten (incl. Deutschland) auch machen.
Zitat von R.A. im Beitrag #29Die Gefangenen von Guantanamo sind illegitime feindliche Kämpfer, keine Strafgefangenen.
Daß sie keine Strafgefangenen sind, ist mangels rechtskräftigen Urteils klar. Ich hatte sie ja immer für eine Art Untersuchungshäftlinge gehalten, habe ich mich da getäuscht?
"Illegitime feindliche Kämpfer" ist aber ein erstaunlicher Begriff: also eine Art Kriegsgefangene, nur ohne Krieg und (da "illegitim") ohne Kriegsteilnehmerstatus? Wer definiert so einen Begriff? Wer stellt, nach welchen Rechtsgrundsätzen, fest, ob ein bestimmtes Individuum dieser Definition entspricht? Wie kann man eine Internierung als "illegitimer feindlicher Kämpfer" von einem illegal verschleppten Rechtsverfahren oder von willkürlicher Schutzhaft verläßlich abgrenzen?
Lieber R.A., das sind keine polemischen rhetorischen Fragen, sondern Fragen, deren Antwort mich wirklich interessieren würde. Antiamerikanismus will ich vermeiden, aber was in G'tmo vor sich geht, kann ich nur schwer in den Zusammenhang mit dem Inhalt der US-Unabhängigkeitserklärung etc., kurz die Aufklärungstradition der US, einordnen.
Zitat von Kritiker im Beitrag #25Die NSA bricht auch amerikanische Gesetze ...
Wenn das stimmt (bisher sind das ja nur unbelegte Vorwürfe), wird ihr das auch auf die Füße fallen. Es ist aber wohl eher so, daß die Gesetze etwas mehr Grauzone hergeben als das im Verkaufskatalog beschrieben wurde. Das politische System der USA hat seine Fehler, aber bei der Kontrolle der Exekutive ist es wohl deutlich besser als in den meisten anderen Ländern.
Nun unter dem Vorwand der Terrosismusbekämpfung wurden ja Gesetze mit Freiheitsrechten der Bevölkerung aufgeweicht und ein Missbrauch möglich gemacht. Und ja, der Vorwurf, dass die NSA auch diese laschen Gesetze ignoriert, ist noch nicht bewiesen. Aber dass die, die sagen, dass Geheimdienste selbstverständlich Gesetze brechen müssen, nun annehmen, dass dieselben Leute eigene Gesetze beachten, das wiederum halte ich für naiv.
Zitat Aber die USA hatten schon immer die Einstellung, dass ihre staatlichen Einrichtungen jenseits aller Gesetze stehen, egal welcher.
Das ist schlicht falsch. Die USA sind im Gegenteil das Land, in dem die Justiz sehr viel deutlicher als in anderen Ländern Gesetzesverstöße eben gerade auch durch staatliche Stellen ahndet.
Ausser es geht um die "nationale Sicherheit". Wieso sonst kann Softwarefirmen verboten werden, auch nur darüber zu reden, dass sie gezwungen werden, Benutzerdaten herauszugeben?
Zitat Busch hat z.B. die Folter wieder eingeführt und auch Inhaftierung ohne gesetzliche Grundlage.
Das ist beides nicht richtig. Weder hat er das eingeführt noch gibt es solche Inhaftierungen. Die Gefangenen von Guantanamo sind illegitime feindliche Kämpfer, keine Strafgefangenen.
Das ist rhetorische Trickserei. Die Folter wurde von der Busch Administration explizit angeordnet, vorher war sie nicht staatlich gedeckt (selbst wenn sie vorkommen konnte). Der Trick mit Guatanamo schreit doch zum Himmel. Busch mag formaljuristisch nicht zu belangen sein (er ist sowieso immun), aber ein Bruch von Recht und Gesetz ist das. Es ist sogar eine Schande für die westliche Welt.
Zitat Ich finde auch die gegenseitige Bespitzelung unter Verbündeten nicht korrekt.
Muß man auch nicht. Mir persönlich wäre es auch lieber, wenn das aufhören würde. Aber man kann nicht empört den Amis vorhalten, was völlig normale und schon immer übliche Praxis ist und was alle anderen Staaten (incl. Deutschland) auch machen.
Doch man kann Freiheit und Recht hoch halten, selbst wenn es üblich ist, Freiheit und Recht mit den Füßen zu treten. DAS sehe ich geradezu als Aufgabe für jemanden, der sich als liberal ansieht.
Zitat von Fluminist im Beitrag #30Daß sie keine Strafgefangenen sind, ist mangels rechtskräftigen Urteils klar. Ich hatte sie ja immer für eine Art Untersuchungshäftlinge gehalten, habe ich mich da getäuscht?
Das sind sie nun deutlich auch nicht, weil sie überhaupt nicht unter normale innerstaatliche Strafgesetze fallen.
Zitat "Illegitime feindliche Kämpfer" ist aber ein erstaunlicher Begriff: also eine Art Kriegsgefangene, nur ohne Krieg und (da "illegitim") ohne Kriegsteilnehmerstatus?
Eine Art Kriegsgefangene ja, auch mit Krieg (hier: Bürgerkrieg), aber ohne offiziellen Kombattantenstatus, weil sie nicht nach den Regeln des Kriegsrechts kämpfen.
Zitat Wer definiert so einen Begriff? Wer stellt, nach welchen Rechtsgrundsätzen, fest, ob ein bestimmtes Individuum dieser Definition entspricht?
Das ist ganz normales Kriegsvölkerrecht. Und nach genau diesem Recht wäre das übliche Vorgehen, diese Leute gleich nach Ergreifen an die Wand zu stellen. Wie es z. B. im zweiten Weltkrieg von allen Seiten auch gelebte Praxis war.
Der "Fehler" der Amis war, daß sie ihre Gefangenen eben nicht gleich in Afghanistan standrechtlich erschossen haben, sondern sie interniert haben. Und es gibt eben keine völkerrechtliche Festlegung für diesen Fall. Es sind so eine Art Kriegsgefangene, aber ohne die rechtlichen Schutzvorschriften, die sich reguläre Kriegsgefangene "verdient haben" (weil sie sich selber an die Regeln gehalten haben).
Zitat von Kritiker im Beitrag #31Nun unter dem Vorwand der Terrosismusbekämpfung wurden ja Gesetze mit Freiheitsrechten der Bevölkerung aufgeweicht und ein Missbrauch möglich gemacht.
Eben das ist der Punkt: Bei den Anti-Terror-Gesetzen hat der US-Gesetzgeber wohl deutlich übertrieben. Ich gehe davon aus, daß die Politik diese Gesetze deswegen auch wieder ändern wird. Aber es ist bisher völlig offen, ob die NSA tatsächlich US-Gesetze gebrochen hat - auf so etwas reagiert der Kongreß empfindlich.
Zitat Aber dass die, die sagen, dass Geheimdienste selbstverständlich Gesetze brechen müssen, nun annehmen, dass dieselben Leute eigene Gesetze beachten, das wiederum halte ich für naiv.
Die Gesetze eines Ziellandes zu brechen ist etwas völlig anderes als die eigenen Regeln zu mißachten. Man sollte auch nicht übersehen, daß die meisten westlichen Geheimdienstoperationen in Staaten stattfinden, deren "Gesetze" keine Beachtung verdient haben.
Zitat Das Swift Abkommen sieht explizit eine Überprüfung der Daten nur im konkreten Verdachtsfall vor. Was ignoriert wird.
Ist das belegt? Dann wäre das in der Tat ein konkreter Punkt.
Zitat Wieso sonst kann Softwarefirmen verboten werden, auch nur darüber zu reden, dass sie gezwungen werden, Benutzerdaten herauszugeben?
Solche Geheimhaltungsvorschriften können völlig legitim sein, müßte man im Einzelfall diskutieren. Ich sehe aber keinen Anhaltspunkt für gesetzwidriges Verhalten.
Zitat Busch mag formaljuristisch nicht zu belangen sein (er ist sowieso immun), aber ein Bruch von Recht und Gesetz ist das.
Wäre mir neu, daß ein US-Präsident strafrechtliche Immunität genießen würde. Wenn es einen Bruch der US-Gesetz gäbe, könnte man auch gegen Bush vorgehen.
Zitat von Kritiker im Beitrag #31Das ist rhetorische Trickserei. Die Folter wurde von der Busch Administration explizit angeordnet, vorher war sie nicht staatlich gedeckt (selbst wenn sie vorkommen konnte). Der Trick mit Guatanamo schreit doch zum Himmel.
Wie R.A. schon darstellte, ist das nicht bloße Trickserei, sondern ein - durchaus kritikwürdiges - Umgehen mit neuen Gegebenheiten. Darum fing es auch schon während Clintons Präsidentschaft an und nicht erst unter Bush. Darüber wurde in Deutschland als Clinton-Fan-Land nur nicht so gern berichtet. Auf Deutsch nachlesen kann man es aber beispielsweise in Jeremy Scahills BLACKWATER-Buch. Zwei entscheidende Zitate finden sich in meinem Blog, hier, auch eine Lesenotiz zu Scahills Buch.
Ich stelle das Zitat, das in diesem Zusammenhang wichtig ist, auch hier ein:
Zitat Das Überstellungsprogramm wurde nicht von der Bush-Regierung erfunden, sondern stammt aus der Ära Clinton und begann Mitte der 1990er-Jahre. Seit dieser Zeit verschleppte die CIA mit Billigung der Clinton-Regierung Terrorismusverdächtige nach Ägypten, wo sie außer Reichweite amerikanischer Gesetze und Gerichtsbarkeit von Mukhabarat-Agenten verhört werden konnten.
Wenn Sie mehr wissen wollen, können Sie die Links aufsuchen.
Zitat von R.A. im Beitrag #29Die Gefangenen von Guantanamo sind illegitime feindliche Kämpfer, keine Strafgefangenen.
"Illegitime feindliche Kämpfer" ist aber ein erstaunlicher Begriff: also eine Art Kriegsgefangene, nur ohne Krieg und (da "illegitim") ohne Kriegsteilnehmerstatus? Wer definiert so einen Begriff? Wer stellt, nach welchen Rechtsgrundsätzen, fest, ob ein bestimmtes Individuum dieser Definition entspricht?
Zitat von Fluminist im Beitrag #30"Illegitime feindliche Kämpfer" ist aber ein erstaunlicher Begriff: also eine Art Kriegsgefangene, nur ohne Krieg und (da "illegitim") ohne Kriegsteilnehmerstatus?
Eine Art Kriegsgefangene ja, auch mit Krieg (hier: Bürgerkrieg), aber ohne offiziellen Kombattantenstatus, weil sie nicht nach den Regeln des Kriegsrechts kämpfen.
Zitat Wer definiert so einen Begriff? Wer stellt, nach welchen Rechtsgrundsätzen, fest, ob ein bestimmtes Individuum dieser Definition entspricht?
Das ist ganz normales Kriegsvölkerrecht. Und nach genau diesem Recht wäre das übliche Vorgehen, diese Leute gleich nach Ergreifen an die Wand zu stellen. Wie es z. B. im zweiten Weltkrieg von allen Seiten auch gelebte Praxis war.
Der "Fehler" der Amis war, daß sie ihre Gefangenen eben nicht gleich in Afghanistan standrechtlich erschossen haben, sondern sie interniert haben. Und es gibt eben keine völkerrechtliche Festlegung für diesen Fall. Es sind so eine Art Kriegsgefangene, aber ohne die rechtlichen Schutzvorschriften, die sich reguläre Kriegsgefangene "verdient haben" (weil sie sich selber an die Regeln gehalten haben).
Vielen Dank für die Klärung, aber vollkommen klar sehe ich es doch noch nicht. Wo fängt der "Krieg" (insbesondere "hier: Bürgerkrieg") an, und wer hat hier die Deutungshoheit? Das ist heutzutage, da formelle Kriegserklärungen außer Mode gekommen sind, wahrscheinlich nicht leicht zu beantworten. Aber als Beispiel: Wäre es also damals völlig in Ordnung gewesen, gefaßte RAF-Mitglieder gleich nach Ergreifen an die Wand zu stellen? Schließlich haben sie eine Art Krieg (oder meinetwegen Bürgerkrieg) gegen Westdeutschland geführt und sich dabei nicht an die Regeln des Kriegsrechts gehalten.
Der Vergleich mit dem zweiten Weltkrieg wäre stichhaltiger, wenn sich die USA hier wirklich in einem erkennbaren Kriegszustand mit einem definierten Gegner befänden. Der "Krieg gegen den Terrorismus" ist da ein etwas seltsamer Ersatz, da "der Terrorismus" ein Abstraktum ist und man Personen dadurch, daß man sie für Terroristen hält oder dazu deklariert, zu realen Stellvertretern dieses Abstraktums macht, was dann wieder die Deklaration und Behandlung rechtfertigt. Ein so Beschuldigter kann sich ebenso wenig wehren wie im 2. Weltkrieg jemand, der der Sabotage oder des Spionierens für den Feind bezichtigt und sofort hingerichtet wurde.
C'est la guerre, kann man natürlich sagen, aber man würde sich doch wünschen, daß so eine Praxis lieber heute als morgen wieder eingestellt wird.
NACHTRAG: Danke an Uwe Richard! Ja, das ist tatsächlich eine Art Definition.
Zitat von Fluminist im Beitrag #36Wo fängt der "Krieg" (insbesondere "hier: Bürgerkrieg") an, und wer hat hier die Deutungshoheit?
Lieber Fluminist, das Problem liegt m.E. vor allem darin, dass das Kriegsvölkerrecht noch gar nicht an die sog. asymmetrischen Kriege angepasst worden ist, sondern eigentlich immer noch von bewaffneten Konflikten zwischen zwei Staaten oder klassischen Bürgerkriegen ausgeht. Mangels gesatzter Vereinbarungen müsste sich hier Völkergewohnheitsrecht entwickeln, für das eine langanhaltende, allgemeine Übung (consuetudo) und eine entsprechende Überzeugung, dass das geübte Verhalten auf einer rechtlichen Grundlage beruht (opinio iuris), vonnöten sind.
Es gibt meines Wissens aber durchaus Völkerrechtler, denen zufolge das III. Genfer Abkommen auch auf die Guantánamo-Häftlinge anwendbar ist.
Zitat Aber als Beispiel: Wäre es also damals völlig in Ordnung gewesen, gefaßte RAF-Mitglieder gleich nach Ergreifen an die Wand zu stellen?
Zitat Aber die USA hatten schon immer die Einstellung, dass ihre staatlichen Einrichtungen jenseits aller Gesetze stehen, egal welcher.
Das ist schlicht falsch. Die USA sind im Gegenteil das Land, in dem die Justiz sehr viel deutlicher als in anderen Ländern Gesetzesverstöße eben gerade auch durch staatliche Stellen ahndet.
Ausser es geht um die "nationale Sicherheit". Wieso sonst kann Softwarefirmen verboten werden, auch nur darüber zu reden, dass sie gezwungen werden, Benutzerdaten herauszugeben?
Weil es der FISAct so explizit vorsieht? Ein vom Kongress, als mit Übereinstimmung von Reprästentantenhaus und Senat, erlassenes Gesetz, das mit Unterzeichnung durch den US-Präsidenten in Kraft getreten ist.
Zitat Der Trick mit Guatanamo schreit doch zum Himmel. Busch mag formaljuristisch nicht zu belangen sein (er ist sowieso immun), aber ein Bruch von Recht und Gesetz ist das. Es ist sogar eine Schande für die westliche Welt.
Busch hat keine besondere Immunität. Die Inhaftierung ausländischer Kombatanten, die gegen die USA Krieg führen, steht dem Präsidenten als Oberbefehlshaber zu. Der Status als unrechtmäßiger Kombatant (unrechtmäßig deshalb, weil die feindlichen Kombatanten ohne Uniform oder sonstige Kennzeichnung gekämpft haben) kann gerichtlich Überprüft werden, in erster Instanz von einem besonderen Militärgericht (*) und in zweiter Instanz vom zuständigen ordentlichen Zivilgericht in Washington D.C. Dies ist notwendig um das verfassungsmäßige Recht auf den writ of habeas corpus zu gewährleisten, dessen Gültigkeit der Supreme Court explizit in Boumediene v. Bush auf Guantanamo ausgedehnt hat, obwohl es nicht innerhalb des inkorporierten Hoheitsgebietes der USA liegt.
(*) Die ebensowenig grundsätzlich unrechtsstaatlich sind, nur weil ihre Richter Militäruniformen tragen, wir zivile Gerichte grundsätzlich rechtsstaatlich wären, nur weil die Richter zivile Richterroben tragen.
Zitat von Fluminist im Beitrag #36Wo fängt der "Krieg" (insbesondere "hier: Bürgerkrieg") an, und wer hat hier die Deutungshoheit?
Lieber Fluminist, das Problem liegt m.E. vor allem darin, dass das Kriegsvölkerrecht noch gar nicht an die sog. asymmetrischen Kriege angepasst worden ist, sondern eigentlich immer noch von bewaffneten Konflikten zwischen zwei Staaten oder klassischen Bürgerkriegen ausgeht. Mangels gesatzter Vereinbarungen müsste sich hier Völkergewohnheitsrecht entwickeln, für das eine langanhaltende, allgemeine Übung (consuetudo) und eine entsprechende Überzeugung, dass das geübte Verhalten auf einer rechtlichen Grundlage beruht (opinio iuris), vonnöten sind.
Es gibt meines Wissens aber durchaus Völkerrechtler, denen zufolge das III. Genfer Abkommen auch auf die Guantánamo-Häftlinge anwendbar ist.
Vielen Dank für die Aufklärung! Unter dem Aspekt, daß es sich um Kriegsgefangene handelt (auch wenn der Krieg hauptsächlich in den Köpfen stattfindet), entspräche das auch meinem laienhaften Bauchempfinden.
Es schiene mir nur etwas willkürlich, wenn man jemanden, der sich selbst gar nicht als Teilnehmer eines Krieges auffaßt (weil er eigentlich ein ideologisch überdrehter Spinner ist, der mit Greueltaten Aufmerksamkeit gewinnen und/oder Schrecken verbreiten will) und deshalb auch keine Uniform einer staatlichen Armee trägt, folglich als "illegitimen" Kombattanten eines Kriegs, den man sich um die Greueltat herum dazudenkt, betrachtet und ihn zwar zum Kriegsgefangenen macht, ihm aber dann wegen seiner "Illegitimität" die wenigen Rechte eines "legitimen" Kriegsgefangenen verweigert. Dazu käme noch, daß ein Krieg, der fast nur im Kopf stattfindet, relativ billig ist und deshalb praktisch ewig dauern kann, so daß die Kriegsgefangenschaft kein natürliches Ende hat.
Das eben geschilderte Vorgehen allgemein zu billigen wäre bedauerlich. Schließlich gibt es genug paranoide Regimes in der Welt, die es sich vorbehalten jede Form freier Meinungsäußerung als (bürger)kriegerischen Akt zu interpretieren, und die nach diesem Prinzip jeden Kritiker als "illegitimen Kombattanten" in endlose Kriegsgefangenschaft nehmen könnten. Solange alles nach einer passend formulierten Verordnung abläuft und durch ein hierfür zuständiges Gericht abgesegnet wird, wäre dann nichts einzuwenden. Damit entfiele aber jede moralische Berechtigung, solchen Regimes gegenüber "Menschenrechte" u. dgl. einzufordern.
Zitat von Fluminist im Beitrag #36Wo fängt der "Krieg" (insbesondere "hier: Bürgerkrieg") an, und wer hat hier die Deutungshoheit?
Lieber Fluminist, das Problem liegt m.E. vor allem darin, dass das Kriegsvölkerrecht noch gar nicht an die sog. asymmetrischen Kriege angepasst worden ist, sondern eigentlich immer noch von bewaffneten Konflikten zwischen zwei Staaten oder klassischen Bürgerkriegen ausgeht. Mangels gesatzter Vereinbarungen müsste sich hier Völkergewohnheitsrecht entwickeln, für das eine langanhaltende, allgemeine Übung (consuetudo) und eine entsprechende Überzeugung, dass das geübte Verhalten auf einer rechtlichen Grundlage beruht (opinio iuris), vonnöten sind.
Es gibt meines Wissens aber durchaus Völkerrechtler, denen zufolge das III. Genfer Abkommen auch auf die Guantánamo-Häftlinge anwendbar ist.
Vielen Dank für die Aufklärung! Unter dem Aspekt, daß es sich um Kriegsgefangene handelt (auch wenn der Krieg hauptsächlich in den Köpfen stattfindet), entspräche das auch meinem laienhaften Bauchempfinden.
Es schiene mir nur etwas willkürlich, wenn man jemanden, der sich selbst gar nicht als Teilnehmer eines Krieges auffaßt (weil er eigentlich ein ideologisch überdrehter Spinner ist, der mit Greueltaten Aufmerksamkeit gewinnen und/oder Schrecken verbreiten will) und deshalb auch keine Uniform einer staatlichen Armee trägt, folglich als "illegitimen" Kombattanten eines Kriegs, den man sich um die Greueltat herum dazudenkt, betrachtet und ihn zwar zum Kriegsgefangenen macht, ihm aber dann wegen seiner "Illegitimität" die wenigen Rechte eines "legitimen" Kriegsgefangenen verweigert. Dazu käme noch, daß ein Krieg, der fast nur im Kopf stattfindet, relativ billig ist und deshalb praktisch ewig dauern kann, so daß die Kriegsgefangenschaft kein natürliches Ende hat.
Das eben geschilderte Vorgehen allgemein zu billigen wäre bedauerlich. Schließlich gibt es genug paranoide Regimes in der Welt, die es sich vorbehalten jede Form freier Meinungsäußerung als (bürger)kriegerischen Akt zu interpretieren, und die nach diesem Prinzip jeden Kritiker als "illegitimen Kombattanten" in endlose Kriegsgefangenschaft nehmen könnten. Solange alles nach einer passend formulierten Verordnung abläuft und durch ein hierfür zuständiges Gericht abgesegnet wird, wäre dann nichts einzuwenden. Damit entfiele aber jede moralische Berechtigung, solchen Regimes gegenüber "Menschenrechte" u. dgl. einzufordern.
Sehr gut herausgearbeitet, lieber Fluminist. Das hat was. Volle Zustimmung. Zu den Regimes fiele mir sofort die Türkei ein als Beispiel, welche jeglichen "Verstoß" gegen das Türkentum per Gesetz ahnden kann. Das, ist ein Selbstgänger um kritische Meinungen seiner Bürger zu unterbinden.
♥lich Nola
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Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken. Zettel im August 2008
Zitat von Fluminist im Beitrag #36Wo fängt der "Krieg" (insbesondere "hier: Bürgerkrieg") an, und wer hat hier die Deutungshoheit? Das ist heutzutage, da formelle Kriegserklärungen außer Mode gekommen sind, wahrscheinlich nicht leicht zu beantworten.
Das ist tatsächlich eine schwierige Frage und es gibt m. W. keine Antwort der Exaktheit, wie sie früher durch die formale Kriegserklärung gegeben war. Aber es gehört wohl schon dazu, daß es nicht nur vereinzelte Terrorangriffe gibt, sondern "echte" militärische Auseinandersetzungen mit organisierten Gruppen von Bewaffneten auf beiden Seiten.
In Afghanistan ist das deutlich der Fall. Wobei man im Hinterkopf behalten muß, daß es sich hier nicht mehr um den "war on terror" bzw. die direkte Reaktion auf 9/11 handelt. Sondern um einen Bürgerkrieg, in dem die Taliban mit militärisch ausgerüsteten Einheiten die international anerkannte Zentralregierung angreifen. Die Alliierten sind ja formal "nur" Hilfstruppen, die nach Bitte der Zentralregierung Unterstützung leisten. Es ist auf jeden Fall unstrittig, daß es dort um einen (Bürger-)Krieg geht und die Regeln des Kriegsrechts anzuwenden sind. Auch wenn die Bundesregierung einige Zeit so tat, als wüßte sie davon nichts, nur weil damals im Bereich des Bundeswehreinsatzes die Gegend noch friedlich war.
Die RAF war dagegen nur eine Gruppe Krimineller, sie hat nie so etwas wie einen militärischen Angriff durchführen können und wurde auch immer nur mit polizeilichen Mitteln bekämpft. Es gab seinerzeit keinen Kriegszustand, deswegen galt auch der schon zitierte Paragraph mit dem Verbot von Sondergerichten.
Zitat Das eben geschilderte Vorgehen allgemein zu billigen wäre bedauerlich. Schließlich gibt es genug paranoide Regimes in der Welt, die es sich vorbehalten jede Form freier Meinungsäußerung als (bürger)kriegerischen Akt zu interpretieren, und die nach diesem Prinzip jeden Kritiker als "illegitimen Kombattanten" in endlose Kriegsgefangenschaft nehmen könnten. Solange alles nach einer passend formulierten Verordnung abläuft und durch ein hierfür zuständiges Gericht abgesegnet wird, wäre dann nichts einzuwenden.
Aber natürlich wäre es das. Grundsätzlich legitime Argumentationen lassen sich missbrauchen und missbrauchte Argumentationen sind deshalb nicht immer illegitim.
So hat zum Beispiel der DDR behauptet ihre Wahlen würden nicht gefälscht und wären fair. Systemgegner haben das bestritten. Die Gegner hatten hier recht.
Die Bundesrepublik hat behauptet ihre Wahlen würden nicht gefälscht und wären fair. Systemgegner bestreiten das. Sie haben unrecht.
In der Logik der formellen Gleichsetzung könnten aber nur entweder in beiden Fällen die Regierungen recht haben oder in beiden Fällen die Systemgegner. In der rein rhetorischen Argumentation kommt die Realität mit ihren komplexen Kontext als entscheidendes Merkmal nicht vor.
Hier springt der entscheidende Unterschied aber auch schon durch die Wortwahl ins Gesicht:
Zitat Schließlich gibt es genug paranoide Regimes in der Welt, die es sich vorbehalten jede Form freier Meinungsäußerung als (bürger)kriegerischen Akt zu interpretieren
Ja, die gibt es. Es geht hier aber nicht um islamistische Meinungsäußerungen, sondern in Anschläge die neben Eigentum insbesondere Leib, Leben und Gesundheit anderer Menschen gefährden. Sie merken schon, was für unhaltbare Gleichsetzungen hier nötig sind, um die USA mit einer Diktatur gleichzusetzen?
Zitat Das eben geschilderte Vorgehen allgemein zu billigen wäre bedauerlich. Schließlich gibt es genug paranoide Regimes in der Welt, die es sich vorbehalten jede Form freier Meinungsäußerung als (bürger)kriegerischen Akt zu interpretieren, und die nach diesem Prinzip jeden Kritiker als "illegitimen Kombattanten" in endlose Kriegsgefangenschaft nehmen könnten. Solange alles nach einer passend formulierten Verordnung abläuft und durch ein hierfür zuständiges Gericht abgesegnet wird, wäre dann nichts einzuwenden.
Aber natürlich wäre es das. Grundsätzlich legitime Argumentationen lassen sich missbrauchen und missbrauchte Argumentationen sind deshalb nicht immer illegitim.
So hat zum Beispiel der DDR behauptet ihre Wahlen würden nicht gefälscht und wären fair. Systemgegner haben das bestritten. Die Gegner hatten hier recht.
Die Bundesrepublik hat behauptet ihre Wahlen würden nicht gefälscht und wären fair. Systemgegner bestreiten das. Sie haben unrecht.
In der Logik der formellen Gleichsetzung könnten aber nur entweder in beiden Fällen die Regierungen recht haben oder in beiden Fällen die Systemgegner. In der rein rhetorischen Argumentation kommt die Realität mit ihren komplexen Kontext als entscheidendes Merkmal nicht vor.
Hier springt der entscheidende Unterschied aber auch schon durch die Wortwahl ins Gesicht:
Zitat Schließlich gibt es genug paranoide Regimes in der Welt, die es sich vorbehalten jede Form freier Meinungsäußerung als (bürger)kriegerischen Akt zu interpretieren
Ja, die gibt es. Es geht hier aber nicht um islamistische Meinungsäußerungen, sondern in Anschläge die neben Eigentum insbesondere Leib, Leben und Gesundheit anderer Menschen gefährden. Sie merken schon, was für unhaltbare Gleichsetzungen hier nötig sind, um die USA mit einer Diktatur gleichzusetzen?
Das merke ich schon, aber es liegt mir auch fern, hier irgendetwas gleichsetzen zu wollen. (Das Konzept der "Meinungsäußerung" war hier allerdings sehr allgemein gedacht, so daß es auch tätliche Übergriffe auf Personen und ihr Eigentum einschließt.)
Es geht ja gar nicht um die Frage, ob die Kritiker/Gegner/Terroristen recht haben oder nicht, sondern bloß darum, wie man mit ihnen verfährt.
Aber da Sie den Gedanken einer Gleichsetzung aufwerfen, können wir den Vergleich gern noch etwas konkreter machen:
Wenn beispielsweise ein Diktator XY die Mitglieder einer Widerstandsgruppe, die Sabotageakte durchführen, welche auch Beschädigung von Leib und Gut ihrer Mitbürger einschließen, für Kombattanten in einem von ihm so aufgefaßten Krieg gegen seine Regierung/Ideologie/Ethnie etc. hält und sie in Kriegsgefangenschaft nimmt, dann aber feststellt, daß sie ja eigentlich keine Soldaten sind, also auch die Genfer Konvention nicht zutrifft und er sich daher seine eigenen Regeln für die Behandlung der Gefangenen ausdenken darf, dann wird das (meines Erachtens zu Recht) als Menschenrechtsverletzung verurteilt werden.
Der Unterschied zu den USA und der Grund für die Unhaltbarkeit eines Vergleichs besteht, wenn ich Sie richtig verstanden habe, allein (und das wäre mir ausgesprochen unangenehm) darin, daß die USA recht haben und Herr XY unrecht? Sein paranoider Umgang mit Dissidenten ist verwerflich, nicht weil der Vorgang an sich inakzeptabel ist, sondern bloß weil XY ein böser Diktator ist? Das steht doch auf Messers Schneide. Ein bißchen größerer moralischer Sicherheitsabstand wäre mir da ehrlich gesagt lieber.
Wenn die Art des Verfahrens davon abhängt, wer recht hat, erscheint mir das problematisch. Es ist so wie wenn man nur unschuldigen Angeklagten einen rechtsstaatlichen Prozeß zusichern würde (NB. das ist eine Analogie! keine Gleichsetzung der Fragestellungen).
Zitat von Fluminist im Beitrag #43 Wenn beispielsweise ein Diktator XY die Mitglieder einer Widerstandsgruppe, die Sabotageakte durchführen, welche auch Beschädigung von Leib und Gut ihrer Mitbürger einschließen, für Kombattanten in einem von ihm so aufgefaßten Krieg gegen seine Regierung/Ideologie/Ethnie etc. hält und sie in Kriegsgefangenschaft nimmt, dann aber feststellt, daß sie ja eigentlich keine Soldaten sind, also auch die Genfer Konvention nicht zutrifft und er sich daher seine eigenen Regeln für die Behandlung der Gefangenen ausdenken darf, dann wird das (meines Erachtens zu Recht) als Menschenrechtsverletzung verurteilt werden.
Lieber Fluminist, wenn XY-Land Partei des UN-Paktes II ist, so sind dem Diktator jedenfalls willkürliche Tötungen und Folter verboten (siehe Art 4 Abs 1, Abs 2 iVm Art 6 und 7 des Paktes). Als Vertragspartei des III. Genfer Abkommens 1949 wäre XY-Land zudem an den "Bürgerkriegs"-Artikel 3 gebunden, der zur menschlichen Behandlung der aufgrund Gefangennahme nicht mehr an den Kampfhandlungen Teilnehmenden verhält. Ist XY-Land Partei des IStGH-Statuts, wäre - je nach Lage des Falls - uU auch eine Anklage von Diktator XY vor dem Internationalen Strafgerichtshof denkbar.
Mit anderen Worten: XY darf sich nicht nach Schlechtdünken eine grausame Behandlung für die Gefangenen ausdenken.
Zitat von Fluminist im Beitrag #43 Wenn beispielsweise ein Diktator XY die Mitglieder einer Widerstandsgruppe, die Sabotageakte durchführen, welche auch Beschädigung von Leib und Gut ihrer Mitbürger einschließen, für Kombattanten in einem von ihm so aufgefaßten Krieg gegen seine Regierung/Ideologie/Ethnie etc. hält und sie in Kriegsgefangenschaft nimmt, dann aber feststellt, daß sie ja eigentlich keine Soldaten sind, also auch die Genfer Konvention nicht zutrifft und er sich daher seine eigenen Regeln für die Behandlung der Gefangenen ausdenken darf, dann wird das (meines Erachtens zu Recht) als Menschenrechtsverletzung verurteilt werden.
Lieber Fluminist, wenn XY-Land Partei des UN-Paktes II ist, so sind dem Diktator jedenfalls willkürliche Tötungen und Folter verboten (siehe Art 4 Abs 1, Abs 2 iVm Art 6 und 7 des Paktes). Als Vertragspartei des III. Genfer Abkommens 1949 wäre XY-Land zudem an den "Bürgerkriegs"-Artikel 3 gebunden, der zur menschlichen Behandlung der aufgrund Gefangennahme nicht mehr an den Kampfhandlungen Teilnehmenden verhält. Ist XY-Land Partei des IStGH-Statuts, wäre - je nach Lage des Falls - uU auch eine Anklage von Diktator XY vor dem Internationalen Strafgerichtshof denkbar.
Mit anderen Worten: XY darf sich nicht nach Schlechtdünken eine grausame Behandlung für die Gefangenen ausdenken.
Vielen Dank für die kompetente Auskunft! Dann wäre ja, wenn man statt an XY-Land an die USA denkt, alles klar und above board, da diese ja Vertragspartei beider Abkommen sind. Der Haken an der Sache ist dann allenfalls noch die Geschichte mit dem Begriff des "illegitimate combattant", der einen solchen irgendwie zwischen die Stühle des III. Genfer Abkommens (über Kriegsgefangene) und des IV. Genfer Abkommens (über Zivilpersonen) setzt. Über die eigenartige Personengruppe der "illegitimate combattants" scheinen die Genfer Abkommen solange keine klare Aussage zu machen, solange man sie nicht eindeutig als Kriegsgefangene oder nicht Kriegsgefangene definiert. Da scheinen die USA also im Moment doch noch freiere Hand zu haben als XY.
Wenn die 'asymmetrischen' (und natürlich unerklärten) Kriege ein Modell der Zukunft sein sollten, dann wäre es vielleicht Zeit für ein weiteres Genfer Abkommen, das die Behandlung der "illegitimate combattants" verbindlich regelt. Dann wäre endlich auch Schluß mit den Nörgeleien Rußlands und anderer Kontrahenten der USA wegen G'tmo.
Zitat von Fluminist im Beitrag #45Dann wäre ja, wenn man statt an XY-Land an die USA denkt, alles klar und above board, da diese ja Vertragspartei beider Abkommen sind.
Nun, Art. 3 des III. Genfer Abkommens bezieht sich nur auf interne Konflikte (Bürgerkriege). Das Problem liegt wirklich in Folgendem, wie Sie richtig schreiben:
Zitat Der Haken an der Sache ist dann allenfalls noch die Geschichte mit dem Begriff des "illegitimate combattant", der einen solchen irgendwie zwischen die Stühle des III. Genfer Abkommens (über Kriegsgefangene) und des IV. Genfer Abkommens (über Zivilpersonen) setzt. Über die eigenartige Personengruppe der "illegitimate combattants" scheinen die Genfer Abkommen solange keine klare Aussage zu machen, solange man sie nicht eindeutig als Kriegsgefangene oder nicht Kriegsgefangene definiert.
Zitat Wenn die 'asymmetrischen' (und natürlich unerklärten) Kriege ein Modell der Zukunft sein sollten, dann wäre es vielleicht Zeit für ein weiteres Genfer Abkommen, das die Behandlung der "illegitimate combattants" verbindlich regelt.
Ja, bzw. es wäre ja auch schon damit getan, dass man die i.c. einer der beiden Gruppen (Kriegsgefangene bzw. Zivilisten) zuschlägt. M.E. wird ein solches Abkommen bzw eine solche Klarstellung noch etwas auf sich warten lassen. Der ungeklärte Status der i.c. ist für die Staaten ja eher von Vorteil, da einen rechtlichen Graubereich öffnend, an dem insbesondere auch Russland (Stichwort Tschtschenien) und China ein großes Interesse haben dürfte.
Falls Sie diesbezügliche Entwicklungen im Völkerrecht interessieren, lieber Fluminist, darf ich Sie vielleicht auf diesen öffentlich zugänglichen Aufsatz verweisen.
Zitat von Fluminist im Beitrag #45Über die eigenartige Personengruppe der "illegitimate combattants" scheinen die Genfer Abkommen solange keine klare Aussage zu machen, solange man sie nicht eindeutig als Kriegsgefangene oder nicht Kriegsgefangene definiert.
Richtig. Der Sinn dieser Abkommen war es ja, den regulären Krieg zu "zähmen" und allen daran "ordentlich" Beteiligten so viel Schutz wie möglich zu bieten. Wer sich außerhalb dieser Regeln stellt, hat eben keinen Schutz.
Zitat Wenn die 'asymmetrischen' (und natürlich unerklärten) Kriege ein Modell der Zukunft sein sollten, dann wäre es vielleicht Zeit für ein weiteres Genfer Abkommen, das die Behandlung der "illegitimate combattants" verbindlich regelt.
Das wird schwierig. Erstens einmal haben nur wenige Staaten (insbesondere eben die USA) ein Problem mit dieser Regelungslücke. Während eine Mehrzahl von Staaten sich nicht für das Problem interessieren und insbesondere einige große Staaten es sogar gut finden, wenn die USA hier in der öffentlichen Meinung schlecht dastehen.
Es sind ja auch nur die USA, die sich dieses Problem aufladen, weil sie auf die vom Kriegsrechts zulässige Lösung (standrechtliche Erschießung) verzichten. Weder Rußland noch sonst irgendein nicht-westliches Land haben irgendein Problem mit "asymmetrischer Kriegsführung". Die rote Armee hatte in Afghanistan jedenfalls keines - die hat halt keine unnötigen Gefangenen gemacht.
Und dann ist JEDES Abkommen nur dann sinnvoll und funktionsfähig, wenn sich alle Seiten daran halten. Und genau das tun ja die Taliban etc. nicht. Es wäre ihnen grundsätzlich ja durchaus möglich, mit ihren Bürgerkriegseinheiten in Afghanistan nach den Regeln des Kriegsrechts zu kämpfen. Dazu reicht ja schon eine eindeutige Kennzeichnung der Kombattanten, das geht auch ohne reguläre Uniformen. Aber sie wollen ja bewußt nicht nach diesen Regeln kämpfen (weil sie dann verlieren). Ein neues Abkommen würde da gar nichts helfen.
Zitat von Noricus im Beitrag #46Falls Sie diesbezügliche Entwicklungen im Völkerrecht interessieren, lieber Fluminist, darf ich Sie vielleicht auf diesen öffentlich zugänglichen Aufsatz verweisen.
Vielen Dank, das ist ein sehr interessanter Hinweis! Der Terrorist als "Feind des Menschengeschlechts", ein Gedanke, der mit dem Eindruck, den ich aus unserer Diskussion mitnehme, zusammenstimmt. Nämlich daß die Sache eigentlich über das Rechtliche, auch Völkerrechtliche hinausgeht und man hier an ein putatives universales (früher hätte man sagen können: göttliches) Recht appelliert. In dieser Instanz kommt es dann tatsächlich nicht mehr auf Verfahrensfragen* an, sondern darauf, welche Partei auf der rechten moralischen Seite steht.
Da bin ich, aus relativistischer Gewohnheit (die die Vorstellung eines absoluten Universalrechts vergessen läßt), nun lange auf dem Schlauch gestanden und war der Albtraum des Experten, nämlich ein "interessierter Laie", der mit seinen hohlen Bauchgefühlen im Porzellanladen herumtölpelt. Aber jetzt ist mir vieles klarer. Danke an Noricus, R.A. und Techniknörgler für ihre Geduld! _________________________
* Die verfahrensrechtliche Verbrämung der "illegitime combattants"-Frage ist eine rein praktische Regelung, die auch dem gewohnheitsmäßigen Bedürfnis nach Ordentlichkeit Rechnung trägt. Die sich ergebenden Unklarheiten durch den unkanonischen Status der Gefangenen kommen im Grunde allen Seiten (außer vielleicht den Gefangenen selbst) zupaß; nichts wäre langweiliger und für internationale Spielereien ungünstiger als eine klare unbestrittene Rechtslage.
Zitat von Fluminist im Beitrag #48Der Terrorist als "Feind des Menschengeschlechts", ein Gedanke, der mit dem Eindruck, den ich aus unserer Diskussion mitnehme, zusammenstimmt. Nämlich daß die Sache eigentlich über das Rechtliche, auch Völkerrechtliche hinausgeht und man hier an ein putatives universales (früher hätte man sagen können: göttliches) Recht appelliert.
Das ist ein sehr schöner philosophischer Gedanke, lieber Fluminist. Allerdings glaube ich, dass das Konzept des hostis humani generis seinen Ursprung woanders hat. Es sollte wohl die Staaten dazu ermächtigen, über Piraten zu Gericht zu sitzen, ohne darauf Rücksicht nehmen zu müssen, ob der gefasste Seeräuber überhaupt der Jurisdiktion des betreffenden Staates unterfiel. Diese Regelung mag zu Zeiten, als das Personalitätsprinzip noch viel stärker in der Rechtsordnung verhaftet war (also auch in Bereichen, die heute als öffentliches Recht angesehen werden), eine effektive Strafverfolgung wesentlich erleichtert haben: Man brauchte nicht darauf zu achten, ob der Delinquent Untertan eines fremden Herrn war, sondern konnte ihn ohne Prüfung der eigenen Zuständigkeit und ohne viel diplomatischen Federlesens einen Kopf kürzer machen.
Möglicherweise liegt im hostis humani generis ja auch schon das Konzept des crime against humanity begründet. (Die richtige Übersetzung dieses Terminus wäre - ich glaube, Zettel hat darauf auch einmal hingewiesen: "Verbrechen gegen die Menschheit".)
Zitat Da bin ich, aus relativistischer Gewohnheit (die die Vorstellung eines absoluten Universalrechts vergessen läßt), nun lange auf dem Schlauch gestanden und war der Albtraum des Experten, nämlich ein "interessierter Laie", der mit seinen hohlen Bauchgefühlen im Porzellanladen herumtölpelt.
Mitnichten, lieber Fluminist. Die Fragen, die Sie aufwerfen, treffen durchaus ins Schwarze.
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