ein absolut zutreffender Kommentar zur gegenwärtigen politischen Situation.
Zitat Die einzige im machiavellischen Sinne ernst zu nehmende deutsche Politikerin (männlich/weiblich) hat mit sozialdemokratischer Politik so lange kein Problem, wie diese erfolgreich ist und in den maßgeblichen Kreisen goutiert wird.
Oder, wie man auch sagen könnte:
Frau Merkel ist eine Meisterin des Ledru-Rollinismus!
Zitat “Eh! Je suis leur chef, il fallait bien les suivre!” – „Nun! Ich bin ihr Führer, ich muss ihnen folgen!”
(Alexandre Ledru-Rollin, französischer Innenminister des 19. Jahrhunderts)
Vielen dank für diesen Beitrag! Bleibt die Frage, welche Ziele Merkel noch hat. Der pure Machterhalt erscheint mir als Antrieb zu wenig. Ich würde auf die Europapolitik tippen, die sie auf keinen Fall aus der Hand geben wird und die wirklich entscheidend für Deutschlands Zukunft ist. Ob ihre Priorität dabei letztendlich die Wahrung deutscher Interessen oder ein Aufgehen Deutschlands in der EU ist wird sich zeigen. Die Aufgabe einer eigenen minimalen Landesverteidigung in der letzten Legislaturperiode deutet auf letzteres hin. Bei der Energiewende bin ich mir nicht sicher. Sie macht Deutschland abhängiger, ist aber auch nicht wirklich EU konform.
Zitat von Jim im Beitrag #5Bleibt die Frage, welche Ziele Merkel noch hat. Der pure Machterhalt erscheint mir als Antrieb zu wenig.
Wieso? War doch auch bisher ihr offenbar einziger Antrieb.
Zitat Ich würde auf die Europapolitik tippen ...
Sie macht so viel Europa, wie ihr von irgendwelchen Krisen aufgedrückt wird. Ansonsten kann ich bei ihr genausowenig inhaltliches Interesse an Europa feststellen wie bei irgendeinem anderen Thema.
Es ist tatsächlich dramatisch, welches Ausmaß an Sozialismus mittlerweile bundesdeutscher Mehrheitswille zu sein scheint. Mir geht es wie Ihnen, lieber Noricus, ich bin da auch sehr erschüttert.
Aber um zumindest einmal einen Lichtblick aufzuzeigen: Mit großem Abstand sind die drei größten Probleme, mit denen Deutschland konfrontiert ist: (a) die Euro-Rettungs-Politik (b) die Energiewende (c) die demographische Entwicklung.
Mit "größten Problemen" meine ich, dass diese drei Bereiche unglaublich viel Geld kosten und Deutschland ganz nachhaltig schädigen können. Im Vergleich dazu sind die ganzen im Wahlkampf heiß diskutierten Themen - allen voran die PKW-Maut - vollkommen unbedeutende Nebenkriegsschauplätze.
(Interessanterweise sind übrigens zumindest a und b Probleme, die überhaupt erst durch politische Eingriffe entstanden sind. Aber natürlich hindert dies keinen Politiker daran, zu deren Lösung nach noch mehr politischen Eingriffen zu rufen).
Nun sehe ich zumindest bei (a) und (b) im Koalitionsvertrag schon die richtige Richtung.
(a) Die Euro-Rettungs-Politik bleibt wohl im direkten Zugriff der Kanzlerin. Es wird keine Schuldenvergemeinschaftung geben. Dies war ja eine Forderung der SPD, mit der sie sich nicht durchgesetzt hat. (Wobei mir ehrlich gesagt unklar ist, wie die SPD das ernsthaft fordern konnte. Das kann doch auch bei ihrer eigenen Klientel kaum populär gewesen sein). Im Rahmen des möglichen kann die Bundesregierung also nach wie vor deutsche Interessen vertreten. => Gut. Und spart uns womöglich VIELE Milliarden.
(b) Hier hat sich zu meiner großen Überraschung ausgerechnet Frau Krafft als Stimme der Vernunft erwiesen. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, dass nun wohl (moderate) Korrekturen an der unsäglichen EE-Subventionierung kommen werden, die die FDP bezeichnenderweise nicht einmal gefordert hat. Zumindest einmal hat man den Eindruck, dass das Argument "Energie muss bezahlbar bleiben" bei der neuen Regierung eher mehr Gewicht hat als bei der alten. => Gut. Und spart uns womöglich VIELE Milliarden.
(c) Politisch ist das ohnehin nicht stark zu beeinflussen. Natürlich gehen aber all die vielen Wahlgeschenke wie Mütterrente und Rente mit 63 hier in die falsche Richtung. Auch ein Mindestlohn ist problematisch, weil er die Beschäftigtenquote in Deutschland reduzieren wird, was wir uns angesichts der Demographie immer weniger leisten können. => Schlecht. Und kostet uns womöglich VIELE Milliarden.
Also: (a) Situation durch Regierungseintritt der SPD unverändert. (b) Situation verbessert. (c) Situation verschlechtert.
Das traurige an den Wahlgeschenken zur Rente ist ja: Wenn das Wolkenkukuksheim platzt, dann war wieder der böse Neoliberalismus schuld, den es dann noch mehr zu bekämpfen gilt.
Zitat von Jim im Beitrag #5Bleibt die Frage, welche Ziele Merkel noch hat. Der pure Machterhalt erscheint mir als Antrieb zu wenig.
Wieso? War doch auch bisher ihr offenbar einziger Antrieb.
Dann kann ihr das Siegen kaum schwerfallen. Oder anders gesagt: Wer sich kein Ziel setzt, wird es auch stets erreichen.
Frau Merkel gibt uns ein philosophisches Rätsel auf: Worin besteht Macht, die man nur um den Preis erhält, sie nicht zu gebrauchen? Ein Bergsteiger trotzt der Schwerkraft, um hohe Gipfel zu erreichen. Ein geschickter Bergsteiger findet vielleicht einen einfachereren Weg oder setzt seine Kräfte geschickter ein – er erreicht höhere Gipfel. Aber bloß der Schwerkraft zu folgen, und den Ort, den man so erreicht als Gipfel zu deklarieren – das hat noch niemand als Bergsteigen verkaufen können.
Zitat von Christoph im Beitrag #9Frau Merkel gibt uns ein philosophisches Rätsel auf (...) Aber bloß der Schwerkraft zu folgen, und den Ort, den man so erreicht als Gipfel zu deklarieren – das hat noch niemand als Bergsteigen verkaufen können.
Frau Merkel ist geschmeidig wie das Wasser, wenn der Stein gehöhlt werden soll, und hart wie der Fels, wenn die Brandung tobt. Sie erhält den Status Quo dadurch, daß sich alles ändert. Wir sehen in ihr eine perfekte Kombination der Prinzipien des Machiavellismus und der konfuzianischen Staatsräson, von Skrupellosigkeit im Dienst der Sache & der Sache als Leerstelle, unter Preisgabe jedes utopischen oder sozialklempnerischen telos oder Tradition. Mit anderen Worten: auf Preußens Thron sitzt eine wahre Philosophenkönigin.
Zitat: "Aber was soll eine Partei, die für alles und nichts steht, ohne einen beflissenen Handlanger machen, der ihr Füllhorn der Beliebigkeit mit Inhalten versieht?"
Dieser Einschätzung kann ich mich nicht anschließen.
Richtig ist, dass CDU und SPD in der Mitte, wo sie sich jetzt treffen mußten, in vielen Punkten nur noch schwer unterscheidbar sind. Richtig ist auch, dass diese "Mitte" nach links verrutscht ist. Dass Angela Merkel den wirtschafts-konservativen Flügel ihrer Partei einfach abschaffen konnte (jedenfalls alle führenden Köpfe, die ihr in irgendeiner Weise gefährlich werden konnten), ohne dadurch Schaden zu nehmen, kann einen wundern, aber dass sie damit selbst alle Grundsätze aufgegeben hätte, bestreite ich trotzdem. Dass die FDP leider in keiner Weise ein Gegengewicht bilden konnte, um dieses Manko auszugleichen - sieht jeder, kann man bedauern, über die Gründe kann man streiten, letztlich bleibt aber nichts anderes übrig, als zur Kenntnis zu nehmen, dass Frau Merkel alleine übrig geblieben ist. Aber dass die SPD Inhalte liefern würde, wo der Union solche abgehen, kann ich nicht erkennen. Auch wenn ich das Ergebnis der langen Koalitionsverhandlungen nicht bejubeln kann - man hat doch hart gearbeitet, um irgendwie zueinander zu finden und das muss ja auch erstmal einer machen.
Zitat von Martina im Beitrag #11man hat doch hart gearbeitet, um irgendwie zueinander zu finden und das muss ja auch erstmal einer machen.
Das Problem ist nicht, dass man zueinander gefunden hat, sondern wo.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Uwe Richard im Beitrag #13Das mit dem wo erinnert mich an den seinerzeit gloriosen Mehrwersteuererhöhungskompromiss [mokin]
Nachvollziehbar. Der kleinste gemeinsame Nenner ist in der Regel der größte.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Martina im Beitrag #11Zitat: "Aber was soll eine Partei, die für alles und nichts steht, ohne einen beflissenen Handlanger machen, der ihr Füllhorn der Beliebigkeit mit Inhalten versieht?"
Dieser Einschätzung kann ich mich nicht anschließen.
Richtig ist, dass CDU und SPD in der Mitte, wo sie sich jetzt treffen mußten, in vielen Punkten nur noch schwer unterscheidbar sind. Richtig ist auch, dass diese "Mitte" nach links verrutscht ist. Dass Angela Merkel den wirtschafts-konservativen Flügel ihrer Partei einfach abschaffen konnte (jedenfalls alle führenden Köpfe, die ihr in irgendeiner Weise gefährlich werden konnten), ohne dadurch Schaden zu nehmen, kann einen wundern, aber dass sie damit selbst alle Grundsätze aufgegeben hätte, bestreite ich trotzdem. Dass die FDP leider in keiner Weise ein Gegengewicht bilden konnte, um dieses Manko auszugleichen - sieht jeder, kann man bedauern, über die Gründe kann man streiten, letztlich bleibt aber nichts anderes übrig, als zur Kenntnis zu nehmen, dass Frau Merkel alleine übrig geblieben ist. Aber dass die SPD Inhalte liefern würde, wo der Union solche abgehen, kann ich nicht erkennen. Auch wenn ich das Ergebnis der langen Koalitionsverhandlungen nicht bejubeln kann - man hat doch hart gearbeitet, um irgendwie zueinander zu finden und das muss ja auch erstmal einer machen.
Liebe Martina,
wo sehen Sie denn noch eigenständige Inhalte der CDU? Die CSU mag solche noch haben und bisweilen so vehement vertreten, dass sie sie auch durchsetzt (Betreuungsgeld, Mütterrente, PKW-Maut). Aber das sind doch keine großen Entwürfe mehr, und das Betreuungsgeld und die Mütterrente folgen ihrerseits der allgegenwärtigen Logik der Umverteilung, anstatt eine Lösung anzubieten oder wenigstens ernsthaft zu suchen, die den gewünschten Effekt mit weniger staatlicher Intervention erzielt. Es fehlt den C-Parteien mittlerweile am grundsätzlichen Bemühen, ein vom linken Lager unterschiedliches politisches Instrumentarium einzusetzen. Und dies war ja auch schon in der Koalition mit der FDP nicht anders.
Merkels Erfolg gründet allein auf dem Vertrauen, das sie persönlich genießt. Dieses Ansehen gestattet ihr auch die thematischen und ideologischen Volten, die sie im Laufe der letzten Jahre vollzogen hat. Nur ist dadurch die Union komplett entkernt worden. Wenn Merkel mal die Kommandobrücke verlässt, wird es in der Union (auch aufgrund des erfolgreichen Machtkampfes gegen jeglichen Konkurrenten) keine Persönlichkeit mehr geben, die auch nur annähernd Merkels politische Statur aufweist. Diese Union, die für alles und nichts steht, und die ihre Erfolge nur dem Charisma ihrer derzeitigen Chefin zu verdanken hat, wird dann in das Tal der geringen Zustimmung hinabfallen. Man wird dann nur zu deutlich sehen, dass der Kaiser nackt ist.
Zitat von NoricusMerkels Erfolg gründet allein auf dem Vertrauen, das sie persönlich genießt. Dieses Ansehen gestattet ihr auch die thematischen und ideologischen Volten, die sie im Laufe der letzten Jahre vollzogen hat. Nur ist dadurch die Union komplett entkernt worden. Wenn Merkel mal die Kommandobrücke verlässt, wird es in der Union (auch aufgrund des erfolgreichen Machtkampfes gegen jeglichen Konkurrenten) keine Persönlichkeit mehr geben, die auch nur annähernd Merkels politische Statur aufweist. Diese Union, die für alles und nichts steht, und die ihre Erfolge nur dem Charisma ihrer derzeitigen Chefin zu verdanken hat, wird dann in das Tal der geringen Zustimmung hinabfallen. Man wird dann nur zu deutlich sehen, dass der Kaiser nackt ist.
Lieber Noricus, Wie Ihrem Ursprungsbeitrag, mag ich Ihnen auch hier grundsätzlich zustimmen. Allein, galt dieser Alleinvertretungsanspruch bzw. die Sache mit der Kommandobrücke nicht dereinst auch für Helmut Kohl? Und dann kam die Spendengeschichte. Nun ist natürlich unklar, ob Merkel jemals eine solche Flanke bieten wird, aber mein Eindruck war immer, daß damals "Skandal" und "Öffentliches Bedürfnis zum Niederreißen des Denkmals" eine gewisse Allianz eingegangen waren. Auch Kohl hat sich vor 1990 mit dem persönlichen Vertrauen aus der innerparteilichen Geißler-Schlinge gezogen. Nach 1990 hat er dann allen alles versprochen. Stand Kohl damals nicht auch für alles und nichts? Soll heißen: das Elend seiner gelehrigen Schülerin kann noch ewig andauern
Zitat von NoricusMerkels Erfolg gründet allein auf dem Vertrauen, das sie persönlich genießt. Dieses Ansehen gestattet ihr auch die thematischen und ideologischen Volten, die sie im Laufe der letzten Jahre vollzogen hat. Nur ist dadurch die Union komplett entkernt worden. Wenn Merkel mal die Kommandobrücke verlässt, wird es in der Union (auch aufgrund des erfolgreichen Machtkampfes gegen jeglichen Konkurrenten) keine Persönlichkeit mehr geben, die auch nur annähernd Merkels politische Statur aufweist. Diese Union, die für alles und nichts steht, und die ihre Erfolge nur dem Charisma ihrer derzeitigen Chefin zu verdanken hat, wird dann in das Tal der geringen Zustimmung hinabfallen. Man wird dann nur zu deutlich sehen, dass der Kaiser nackt ist.
Lieber Noricus, Wie Ihrem Ursprungsbeitrag, mag ich Ihnen auch hier grundsätzlich zustimmen. Allein, galt dieser Alleinvertretungsanspruch bzw. die Sache mit der Kommandobrücke nicht dereinst auch für Helmut Kohl? Und dann kam die Spendengeschichte. Nun ist natürlich unklar, ob Merkel jemals eine solche Flanke bieten wird, aber mein Eindruck war immer, daß damals "Skandal" und "Öffentliches Bedürfnis zum Niederreißen des Denkmals" eine gewisse Allianz eingegangen waren. Auch Kohl hat sich vor 1990 mit dem persönlichen Vertrauen aus der innerparteilichen Geißler-Schlinge gezogen. Nach 1990 hat er dann allen alles versprochen. Stand Kohl damals nicht auch für alles und nichts? Soll heißen: das Elend seiner gelehrigen Schülerin kann noch ewig andauern
Herzliche Grüße, Andreas
Selbst wenn es mit der CDU nach Merkel noch auf vernünftigen Umfragewerten weiter geht: Was ist das dann für eine CDU? Wer marktwirtschaftlich dachte ist doch weg. Einer nach dem anderen. Die CDU ist tatsächlich entkernt, was liberale Einflüsse angeht und sei es nur im wirtschaftlichen Bereich. Und das war zumindest nach Kohls Abgang anders.
Zitat von Doeding im Beitrag #16... aber mein Eindruck war immer, daß damals "Skandal" und "Öffentliches Bedürfnis zum Niederreißen des Denkmals" eine gewisse Allianz eingegangen waren.
Das würde ich auch so sehen. Wobei der "Skandal" den meisten Bürgern ziemlich egal war - das war eher eine Sache der hyperventilierenden Medien. Aber es gab eine allgemeine Überdrüssigkeit am Alten, die Leute wollten Wechsel - da war der "Skandal" nur Anlaß. Bzw. der "Skandal" kam erst, als Kohl schon längst abgewählt war. Vorher hatten sich die Medien nicht an dieses (durchaus in vielen Facetten schon bekannte) Thema drangetraut.
Zitat Stand Kohl damals nicht auch für alles und nichts?
Es gab Themen, die waren Kohl recht egal und da hat er auch populistische Wendungen gemacht. Wie das wohl auch unvermeidlich ist, wenn man über längere Zeit erfolgreich an der Spitze bleiben will. Auch Adenauer hatte nur bei einigen Kernthemen seine Linie, ist ansonsten auf die zeitgeistigen Wünsche eingegangen.
Aber Kohl hatte ganz klare politische Grundüberzeugungen, insbesondere die deutsche und die europäische Einheit. Dafür hat er mit echtem Engagement gekämpft, da steckte Herzblut drin. Und um da etwas durchzukriegen, hat er auch an anderen Stellen Zugeständnisse gemacht.
Bei Merkel (oder Schröder) habe ich noch nie irgendwelche Grundüberzeugungen ausmachen können.
Zitat von R.A. im Beitrag #18Aber Kohl hatte ganz klare politische Grundüberzeugungen, insbesondere die deutsche und die europäische Einheit. Dafür hat er mit echtem Engagement gekämpft, da steckte Herzblut drin. Und um da etwas durchzukriegen, hat er auch an anderen Stellen Zugeständnisse gemacht.
Bei Merkel (oder Schröder) habe ich noch nie irgendwelche Grundüberzeugungen ausmachen können.
Was ich mich da ehrlich gesagt frage: Ist das Bug oder Feature?
Natürlich wird immer über die Prinzipienlosigkeit der heutigen Politiker gejammert. Aber letzten Endes sind es ja wir Wähler, die genau diesen Politiker-Typ wählen. Und zwar nicht nur entsprechende Kanzler, sondern auch entsprechende Ministerpräsidenten, Oberbürgermeister, etc.. Gegenüber dem geschmeidigen modernen Politiker-Typ hat doch der prinzipienfeste Haudegen an der Urne kaum noch eine Chance. Will der Wähler es also nicht vielleicht genau so?
Aus Wählersicht hat der geschmeidige Typ nämlich schon auch Vorteile. Erstens einmal ist das jemand, der den Zeitgeist aufgreift statt ihn zu bekämpfen. Natürlich findet das nicht jeder gut, aber wohl schon eine Mehrheit der Wähler (schließlich handelt es sich ja eben um den Zeitgeist...). Konkret finden zwar wir Zimmer-Bewohner Merkels Energiewende nach Fukushima mehrheitlich eine Katastrophe. Aber die Mehrheit der Deutschen fand das gut und richtig. Die Mehrheit hat also durch Merkels Prinzipienlosigkeit genau das bekommen, was sie wollte.
Zweitens ist es jemand, der auf unerwartete Situationen flexibel reagieren kann. Ideologisch gefestigte Charaktere haben es da schwerer. (Konkretes Beispiel: Nehmen wir mal an, es gäbe irgendeine völlig unerwartete Wende in der Euro-Krise. Wer würde da wohl situationsgerechter agieren? die prinzipienlose Frau Merkel oder der prinzipienfeste Herr Lucke?)
Außerdem ist das fast per Definition ein mittiger Kandidat, der entsprechend viele Wähler anspricht und sich auch leichter bei der Koalitionsbildung tut.
Zu geringe Prinzipienfestigkeit wird daher einem Politiker erfahrungsgemäß meist aus dem eigenen Lager (insbesondere aus dessen traditionellem Rand) vorgeworfen. Aber dies gefährdet die (auch innerparteilichen) Wahlchancen des Politikers nicht unbedingt. Denn instinktiv weiß der traditionelle Rand, dass er mit einem Kandidaten aus seinen eigenen Reihen noch viel schlechtere Chancen an der Urne hätte.
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #17Selbst wenn es mit der CDU nach Merkel noch auf vernünftigen Umfragewerten weiter geht: Was ist das dann für eine CDU? Wer marktwirtschaftlich dachte ist doch weg. Einer nach dem anderen. Die CDU ist tatsächlich entkernt, was liberale Einflüsse angeht und sei es nur im wirtschaftlichen Bereich. Und das war zumindest nach Kohls Abgang anders.
Ich frage mich in solchem Momenten immer wieder was Friedrich Merz eigentlich so treibt. Lange Zeit hegte ich die Hoffnung, dass die CDU irgendwann genug von Mutti hat und mit Merz dann der wirtschaftsliberale Flügel der CDU ein Comeback feiert. Langsam schwindet mir allerdings die Hoffnung, dass es diesen Flügel überhaupt noch gibt, vor allem nach diesem Koalitionsvertrag.
Obwohl ein nicht unwesentlicher Teil der Deutschen wirtschaftsliberal denkt findet er keine Entsprechung mehr in der Politik. Ob der mitfühlende Liberalismus der Lindner FDP oder die AfD (die momentan scheinbar mit sich selbst beschäftigt ist) diese Lücke füllen können und die CDU dann gezwungenermaßen wieder nach rechts schwenkt ist für mich momentan nicht abzusehen und mehr als zweifelhaft.
Auch die Hoffnung, dass die SPD zum Fortschrittsoptimismus zurückfinden und mit einer erstarkten FDP einen Gegenpol zum Ökokonservatismus von Grünen und zunehmend auch CDU bilden könnte hat sich in Rauch aufgelöst. Ich sehe weder den Willen in den Reihen der SPD noch eine geeignete Führungsfigur die dies bewerkstelligen könnte.
Ich befürchte leider, dass die Große Koalition vor allem dem Medienliebling "Die Grünen" nutzen wird.
Lieber Noricus, Sie haben ja nicht unrecht. Aber was wäre Ihnen denn lieber als Angela Merkels Geschmeidigkeit: eine so prinzipienfeste christlich-demokratische Regierungschefin, dass nach dem Wahlergebnis gar keine Regierung zustande gekommen wäre? Trotz aller Taktiererei, die nun einmal dazu gehört, haben die Koalitionsverhandler (das meinte ich mit meinem Schlußsatz) doch immerhin ihre Verantwortung wahrgenommen. Schauen Sie doch mal in unsere Nachbarländer: ob das Frankreich ist, Italien oder England - sehen Sie irgendwo einen prinzipienfesten Regierungschef, der irgendetwas Vernünftiges für sein Land zustande bringt? In Europa gibt es m.E. nur das kleine Lettland, das sich wirklich konsequent in den Euro hinein gespart hat - und die wissen warum: um endgültig Putins Zugriff zu entfliehen!
Und die "Inhalte" der SPD, sprich die Rückkehr zur alten Umverteilungssystematik (die noch nie eine einzige Bewährungsprobe bestanden hat und doch immer wieder als Heilmittel herausgekramt wird), sind doch gerade das, was Herrn Gabriel - wie von Ihnen treffend analysiert - so in seiner Bewegungsfreiheit einengt ...
Obwohl Frau Merkel nun schon eine ganze Weile ohne Wirtschaftsflügel regiert, geht es der deutschen Wirtschaft vergleichsweise recht gut. Und warum? Ich nehme mal an, dass der prinzipienlose Bundeskanzler Schröder (den ich überhaupt nicht schätze) mit der Durchsetzung seiner Agenda 2010 einen gewissen Anteil daran hat.
Und jetzt warten wir mal ab, ob sich der Mindestlohn wirklich als Jobkiller erweist - ich glaube fast, dass im wirklichen Leben soviel mehr Einflüsse zusammenspielen als das, was in so einem Koalitionspapier steht, dass noch gar nicht ausgemacht ist, was am Ende dabei wirklich heraus kommt.
Zitat von Nikosch im Beitrag #21Auch die Hoffnung, dass die SPD zum Fortschrittsoptimismus zurückfinden und mit einer erstarkten FDP einen Gegenpol zum Ökokonservatismus von Grünen und zunehmend auch CDU bilden könnte hat sich in Rauch aufgelöst. Ich sehe weder den Willen in den Reihen der SPD noch eine geeignete Führungsfigur die dies bewerkstelligen könnte.
Das ist keine Frage von SPD/CDU, lechts/rinks, posthistorisch oder poststrukturalistisch. "Fortschrittsoptmismus" ist als zulässiges Paradigma seit 1970 vom Spielfeld gewiesen, nichtministrabel & mit zeitgeistlichem Kirchenbann belegt. in der Verkürzung der Perspektiven, auf die solche "gesellschaftliche Verständigungen" (neudt. "Diskurse": "wohin wollen wir eigentlich, so als Gesellschaft, sach ich ma'?") nunmal hinauslaufen, ist das im Nachklapp von '68 auf reinen Technikoptimismus eingedampft worden & als unheilvolles Symptom all dessen, was die Welt (& mich ganz besonders) zerstört: Konsumterror, militärisch-industrieller Komplex, die böse Pharmaindustrie... Progress ist seitdem nur noch als gesellschaftliche Sozialklempnerei zu haben: mehr Teilhabe, Empowerment, Stimme-verleihen, Diversity & Inclusion. Historisch ist das leicht begründbar: Die Aufmischer & Revoluzzer konnten ja nicht gut mit vermehrtem materiellen Wohlstand dienen, aber mit Kinderläden, Be-ins & dergleichen kostenfreiem Halligalli. Das ist natürlich ein Prozeß, der nicht abschließbar ist (der kleine Zyniker sagt: nicht abgeschlossen werden darf) - deswegen die beständige Verlängerung & Ausweitung des Betätigungsfelds, von der Zugangsberechtigung für [***] zum Rechtsanspruch & zur Quotenfestschreibung & ganz viel Schulungsprogrammen, wenn die Quote nicht nach Oktroi ausfällt. (Daß dabei viele neue Pöstchen für die Anstoßer & Einforderer entstehen, ist nur üble Nachrede.) Insofern ist das "Projekt Europa" die größtmögliche Umsetzung dieses speziellen Utopiebastelns.
Der Treppenwitz, der historische, liegt darin, daß es sehr gut möglich ist, daß all der gesellschaftliche Wandel, auf den man zurückschauen kann, letztendlich dem technischen Fortschritt zu verdanken ist, nicht irgendwelcher "Befreiung der Köpfe": das Wachstum der Großstädte im 19. Jhdt. den Eisenbahnen (samt Einbindung des dörflichen Umlands zur Versorgung & entsprechender größerer geistiger Freilandhaltung). Ausweitung/Auflösung der alten Familienstrukturen durch individuelle Mobilität ("Henry Ford did more for sexual emancipation when he invented the Model T than all the high-minded reformers"). Die Ahnung von Lösungsmöglichkeiten anderswo Telegraph, internationaler Presse, Radio/TV, heute dem Netz. Die Frauenbeschäftigung den Büromaschinen. Die Anhebung der Lebenserwartung (& Lebensqualität) durch medizinischen Fortschritt dürfte das schlagenste Exempel sein (& das ist nur Antibiotika & technischen Analyseverfahren zu verdanken; nicht irgendwelchen Kneippkuren & Zauberbergen) - selbst die Zunahme der Hygiene dürfte eher der beständigen Verfügbarkeit von warmem Wasser & Desinfektionsmitteln denn Oberlehrerattitüden geschuldet sein. Sogar die Einhegung des Krieges samt Überlebenschancen aller Beteilgter dürfte eher auf Fortschritte der Waffentechnik als auf das "Die Waffen nieder!" der Friedensbewegten zurückgehen.
Treppenwitz, 2. Etage, ist, daß in der persönlichen Lebensführung dieser Optimismus durchaus an der Technik festgemacht wird (& nicht an Stuhlkreisen) & sich Neuerungen mit breitem Nutzen auch in einem Tempo durchsetzen, daß es Darwin schwindeln machen würde : PCs, Smartphones, Genfood (außer in Reservaten, in denen die grünen Brüder ihr Stammesleben unter Naturschutz gestellt haben). Nur ist es im politisch zulässigen Diskurs ein Tabu, dessen Namensnennung eigentlich schon ein rhetorisches Foulspiel darstellt. Vielleicht ist es so, daß jede hinreichend komplexe Gesellschaft solche Tabus braucht, um funktionieren zu können; Elefanten, die unübersehbar im Raum stehen, die man aber nicht mal ignorieren soll: für das 19. Jhdt. gilt das, wenn man die Sozialhistoriker fragt, für die Sexualität; für das 20., je nach Perspektive, für den "Imperialismus" (lt. allen Wassermelonen), aber vielleicht doch eher auf dem Bündnis der Guten & Edlen mit der linken Gewalt; für das 21. s.o.
P.S. Nur zur Sicherheit: obwohl das vor genau 100 Jahren erschienen ist, hat der obige Gebrauch des t-Worts nichts mit Freuds Totem und Tabu zu tun.
Zitat von Techniknörgler im Beitrag #17Selbst wenn es mit der CDU nach Merkel noch auf vernünftigen Umfragewerten weiter geht: Was ist das dann für eine CDU? Wer marktwirtschaftlich dachte ist doch weg. Einer nach dem anderen. Die CDU ist tatsächlich entkernt, was liberale Einflüsse angeht und sei es nur im wirtschaftlichen Bereich. Und das war zumindest nach Kohls Abgang anders.
Ich frage mich in solchem Momenten immer wieder was Friedrich Merz eigentlich so treibt. Lange Zeit hegte ich die Hoffnung, dass die CDU irgendwann genug von Mutti hat und mit Merz dann der wirtschaftsliberale Flügel der CDU ein Comeback feiert. Langsam schwindet mir allerdings die Hoffnung, dass es diesen Flügel überhaupt noch gibt, vor allem nach diesem Koalitionsvertrag.
Obwohl ein nicht unwesentlicher Teil der Deutschen wirtschaftsliberal denkt findet er keine Entsprechung mehr in der Politik. Ob der mitfühlende Liberalismus der Lindner FDP oder die AfD (die momentan scheinbar mit sich selbst beschäftigt ist) diese Lücke füllen können und die CDU dann gezwungenermaßen wieder nach rechts schwenkt ist für mich momentan nicht abzusehen und mehr als zweifelhaft.
Auch die Hoffnung, dass die SPD zum Fortschrittsoptimismus zurückfinden und mit einer erstarkten FDP einen Gegenpol zum Ökokonservatismus von Grünen und zunehmend auch CDU bilden könnte hat sich in Rauch aufgelöst. Ich sehe weder den Willen in den Reihen der SPD noch eine geeignete Führungsfigur die dies bewerkstelligen könnte.
Ich befürchte leider, dass die Große Koalition vor allem dem Medienliebling "Die Grünen" nutzen wird.
Edit: Fehlendes Wort ergänzt
Was die Frage nach dem "Warum?" aufwirft: Warum sind alle Bundestagsparteien etatistisch geprägt? Warum kommt niemand aus der politmedialen Elite auf die Idee, das es vielleicht doch wirtschaftsliberales Wählerpotential gibt? Und falls doch: Warum will es niemand nutzen?
Zitat von Martina im Beitrag #22Lieber Noricus, Sie haben ja nicht unrecht. Aber was wäre Ihnen denn lieber als Angela Merkels Geschmeidigkeit: eine so prinzipienfeste christlich-demokratische Regierungschefin, dass nach dem Wahlergebnis gar keine Regierung zustande gekommen wäre? Trotz aller Taktiererei, die nun einmal dazu gehört, haben die Koalitionsverhandler (das meinte ich mit meinem Schlußsatz) doch immerhin ihre Verantwortung wahrgenommen.
Liebe Martina,
meines Erachtens sollte eine Partei einen - gern auch kurzen - Katalog an Kernpositionen haben, die für sie nicht verhandelbar sind. Das wäre dann wohl so etwas wie das Profil der Partei. Merkel hat dieses Profil der CDU total aufgegeben. Sie lebt von dem Vertrauen, das ihr entgegengebracht wird. Wenn Merkel einmal von Bord geht und es keine(n) adäquate(n) Nachfolger(in) gibt, wird die CDU gnadenlos abstürzen. Das ist freilich nur schlecht für die Partei. Für die Demokratie schlecht ist, wenn der Wähler befürchten muss, dass er nach der Wahl etwas signifikant anderes erhält, als ihm vor der Wahl versprochen worden ist. Dies erzeugt Politikverdrossenheit, weil es dem Bürger zeigt, dass er letztlich nur Königsmacher ist und seine Stimme in inhaltlicher Hinsicht keine Bedeutung hat. Zur Verantwortung von Politikern gehört es auch, den Bürger der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht abspenstig zu machen.
Ich werfe Merkel nicht vor, dass sie sich mit der SPD geeinigt hat. Ich bezweifle jedoch, dass sie den Genossen so weit hätte entgegenkommen müssen. Wenn nach einem "Keine-Experimente"-Wahlkampf der eindeutig stärksten Partei ein Koalitionsvertrag mit einem flächendeckenden Mindestlohn, einer Langzeitversichertenrente mit 63, Doppelpass etc. herauskommt, dann ist das doch etwas merkwürdig.
Im Übrigen ist eine Regierung ja noch nicht zustande gekommen: Die SPD-Mitgliederbefragung könnte dem ja noch einen Strich durch die Rechnung machen.
Zitat Obwohl Frau Merkel nun schon eine ganze Weile ohne Wirtschaftsflügel regiert, geht es der deutschen Wirtschaft vergleichsweise recht gut. Und warum? Ich nehme mal an, dass der prinzipienlose Bundeskanzler Schröder (den ich überhaupt nicht schätze) mit der Durchsetzung seiner Agenda 2010 einen gewissen Anteil daran hat.
Absolut. Merkel hat bislang die Früchte geerntet, die Schröder gesät hatte. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Reformen seinerzeit beim Gros der Bevölkerung auf Verständnis und Zustimmung stießen. Es gab hierzulande eben keine Massenstreiks, Unruhen etc. Wenn es jetzt in den Medien oder von der SPD selbst so dargestellt wird, als habe Schröder die Agenda 2010 gegen die Menschen und deren Interessen durchgedrückt, dann enstpricht das zumindest meiner Wahrnehmung nicht. Die Leute haben nur schon wieder vergessen, wie es vor 10 Jahren war.
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