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ZETTELS KLEINES ZIMMER

Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 36 Antworten
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 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Noricus Offline



Beiträge: 2.362

11.01.2014 19:14
Der Fall Heidegger Antworten

Wissenschaft und Feuilleton mühen sich immer wieder mit der Frage ab, wie sehr und wie lange Martin Heidegger mit dem Nationalsozialismus sympathisierte. Die bevorstehende Veröffentlichung seiner Schwarzen Hefte gießt neues Öl ins Feuer dieser Debatte. Dabei ist zu Heideggers Verstrickung in das braune Macht- und Gedankengebäude schon alles gesagt, nur nicht das, worum es eigentlich gehen sollte.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

11.01.2014 20:24
#2 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Vielen Dank für diesen Artikel, den man in geisteswissenschaftlichen Studiengängen zur Pflichtlektüre machen sollte. Na gut, nicht unbedingt Pflicht. Aber nahelegen sollte man ihn.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

patzer Offline



Beiträge: 359

11.01.2014 20:43
#3 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Ich bin beeindruckt.Danke.Ihre Einverständnis dreist voraussetzend,erlaube ich es mir dies Essay zu verlinken. Gruß Patzer

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

11.01.2014 20:52
#4 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von patzer im Beitrag #3
Ich bin beeindruckt.Danke.Ihre Einverständnis dreist voraussetzend,erlaube ich es mir dies Essay zu verlinken. Gruß Patzer


Danke, lieber Patzer. Verlinkungen sind willkommen.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

12.01.2014 13:47
#5 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Lieber Noricus, ich möchte mich dem Lob anschließen. Ein ausgezeichneter Artikel!

Viele Grüße, Erling Plaethe

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

12.01.2014 15:07
#6 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #1
Dabei ist zu Heideggers Verstrickung in das braune Macht- und Gedankengebäude schon alles gesagt, nur nicht das, worum es eigentlich gehen sollte.

Ein Artikel in bester Zettel-Tradition, lieber Noricus. Das Thema so fern von meinen normalen Interessensgebieten und ich so derart unbeleckt auf diesem Gebiet, dass ich in keinem Fall etwas auch nur anzudiskutieren hätte, aber der Text verleitet dazu, allen angebotenen Links zu folgen und noch selbst ein bissl rumzugooglen. Danke dafür!

Wenn ich den ganzen Komplex richtig verstanden habe, kritisiert die Linke (vereinfacht) bei Heidegger vor allem seine Machtnähe im Dritten Reich (also den nicht vorhandenen Widerstand in einer Zeit, in der alle heutigen Wortführer selbstverständlich im Widerstand gewesen wären), seine Volk-und-Führer-Rhetorik, sowie seinen rassischen Antisemitismus. Ansonsten passt er schon ganz gut ins bevorzugte Weltbild.
Nun geht Nummer 1 gar nicht, Nummer 2 geht (wieder) in Ordnung - solange weder Volk noch Führer deutsch resp. "weiß" sind - und Nummer 3 ginge als politischer Antizionismus, Antiglobalismus, Antikapitalismus und Antiliberalismus auch heute noch gut auf, um in allen Talkshows und Leitartikeln als kritischer Intellektueller gefeiert zu werden.

Verständlich, dass es da zu Irritationen kommt. Wahrscheinlich lohnt es sich, für den Fall der Fälle immer ein paar Heidegger-Zitate als Diskussionsbeitrag parat zu haben.

Beste Grüße, Calimero

-------------------------------------------------------
Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

12.01.2014 19:46
#7 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Vielen Dank an alle Kommentatoren für das positive Feedback!

Zitat von Calimero im Beitrag #6
aber der Text verleitet dazu, allen angebotenen Links zu folgen und noch selbst ein bissl rumzugooglen.


Lieber Calimero,

genau das sollte er auch, denn es dürfte kaum möglich sein, dieses Thema in einem Blogbeitrag erschöpfend und in allen Facetten darzustellen.

Im Übrigen kann ich all jenen, die gut Französisch sprechen bzw verstehen, das Anhören der verlinkten Radiosendung nur wärmstens empfehlen. Das ist ein typisches Streitgespräch französischer Intellektueller. Man wirft sich ohne Umschweife Dinge an den Kopf (etwa die Provinzialität des Dictionnaire), aber keiner verliert die Contenance. Hierzulande wäre mindestens einer der Kontrahenten schimpfend und fluchend aus dem Studio gerannt.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

13.01.2014 11:42
#8 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Danke für diese interessanten Einblicke zu einem Apekt unserer Welt, der mich schon seit jeher sehr bewegt:

Zitat
...weil dadurch die Trennlinie zwischen bösem Totalitarismus (Nationalsozialismus) und gutem Totalitarismus (Ökologismus) verschwimmt?


Warum verweigern die Menschen einfach die Wahrnehmung dieses Sachverhalts. Wobei da ja nicht einmal "etwas verschwimmt" in meinen Augen. Es ist glasklar. Es liegt so offen auf der Hand, es ist eindeutig. Trotzdem weigert man sich, es wahrzunehmen.

Man kennt diese "Geschichte":
"Auf dem Berliner Alexanderplatz steht 1933 ein Mann und hält ein Schild hoch. Auf dem Schild steht zu lesen: "An dem Unglück der Welt sind die Juden und die Radfahrer schuld." Ein Passant läuft vorüber, liest das Schild und Fragt den Mann: "Warum die Radfahrer?""

Man ersetze in diesem Text "1933" durch "2013" und das Wort "Juden" wahlweise durch "Banker", "Klimaleugner", "Neoliberalen", "Raubtierkapitalisten", "Atomlobbyisten" oder ähnliches und die kleine "Geschichte" von oben hätte ein treffliches Pendant in neuerer Zeit.


"Warum?" frage ich mich immer, ist das so? Eine Mischung aus "Verbortheit", "Selbstschutz", "Selbstüberschätzung", "Selbstverliebtheit" und schlechtem Gewissen, welches viele Menschen treibt?

Die Menschen sollten endlich damit aufhören gesellschaftliche und politische Gruppierungen anhand ihrer Ziele zu beurteilen, sondern alleine an der Wahl ihrer "zulässigen Mittel" zum erreichen eben dieser. Das würde viel ungemach ersparen. Wobei alleine der Umstand "Ziele für eine Gesellschaft zu haben, die man glaubt strukturell umsetzen zu müssen" mir schon verdächtig erscheint.
Vielleicht sollte man (als provokante These) einfach die Moral (welche ja eine maßgebliche Motivation für Zielzustände ist) abschaffen, um aus dieser Welt eine bessere zu machen.

Trotzdem mußte ich vor wenigen Tagen wieder einmal hören: "Also die Ziele der Linken finde ich eigentlich gar nicht so schlecht."

Nicht begreifen. Nicht über den rudimentären Zustand des Ziels hinausdenkend. - Das ist alles was mir dazu einfällt. Es depremiert mich mitunter.

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

14.01.2014 19:31
#9 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Lieber nachdenken_schmerzt_nicht,

danke für Ihren Kommentar.

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht
Vielleicht sollte man (als provokante These) einfach die Moral (welche ja eine maßgebliche Motivation für Zielzustände ist) abschaffen, um aus dieser Welt eine bessere zu machen.



Ist es nicht vielmehr ein eklatanter Mangel an Moral, wenn man die Ansicht vertritt, dass der Zweck die Mittel heiligt? Würde ein wirklich moralischer Mensch nicht davor zurückschrecken, unmoralische Instrumente einzusetzen, um ein - wenn auch noch so - hehres Ziel zu erreichen? Bräuchten wir vielleicht nicht mehr Moral?

Beste Grüße

Noricus

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.01.2014 20:06
#10 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #9
Ist es nicht vielmehr ein eklatanter Mangel an Moral, wenn man die Ansicht vertritt, dass der Zweck die Mittel heiligt?

Es ist die Sicht der teleologischen Ethik.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.01.2014 20:09
#11 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #8

Die Menschen sollten endlich damit aufhören gesellschaftliche und politische Gruppierungen anhand ihrer Ziele zu beurteilen, sondern alleine an der Wahl ihrer "zulässigen Mittel" zum erreichen eben dieser. Das würde viel ungemach ersparen. Wobei alleine der Umstand "Ziele für eine Gesellschaft zu haben, die man glaubt strukturell umsetzen zu müssen" mir schon verdächtig erscheint.

Meiner Beurteilung nach ist dieses Ziel ein ganz wunderbares.
Mit welchen Mitteln gedenken Sie dieses zu erreichen, lieber nachdenken_schmerzt_nicht?

Viele Grüße, Erling Plaethe

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

14.01.2014 20:25
#12 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #10
Zitat von Noricus im Beitrag #9
Ist es nicht vielmehr ein eklatanter Mangel an Moral, wenn man die Ansicht vertritt, dass der Zweck die Mittel heiligt?

Es ist die Sicht der teleologischen Ethik.


Die für jemanden, der das Verhältnismäßigkeitsprinzip als eine geniale Entdeckung/Erfindung betrachtet, wohl nicht das Gelbe vom Ei ist.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.01.2014 20:54
#13 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #12
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #10
Zitat von Noricus im Beitrag #9
Ist es nicht vielmehr ein eklatanter Mangel an Moral, wenn man die Ansicht vertritt, dass der Zweck die Mittel heiligt?

Es ist die Sicht der teleologischen Ethik.


Die für jemanden, der das Verhältnismäßigkeitsprinzip als eine geniale Entdeckung/Erfindung betrachtet, wohl nicht das Gelbe vom Ei ist.

Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Verhäl...and)#Definition
Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn verlangt von jeder Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, dass sie einen legitimen öffentlichen Zweck verfolgt und überdies geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinn (auch „angemessen“ genannt) ist.


Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf die Folgen einer Handlung abstellt.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

14.01.2014 21:23
#14 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #13
Zitat von Noricus im Beitrag #12
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #10
Zitat von Noricus im Beitrag #9
Ist es nicht vielmehr ein eklatanter Mangel an Moral, wenn man die Ansicht vertritt, dass der Zweck die Mittel heiligt?

Es ist die Sicht der teleologischen Ethik.


Die für jemanden, der das Verhältnismäßigkeitsprinzip als eine geniale Entdeckung/Erfindung betrachtet, wohl nicht das Gelbe vom Ei ist.

Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Verhäl...and)#Definition
Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn verlangt von jeder Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, dass sie einen legitimen öffentlichen Zweck verfolgt und überdies geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinn (auch „angemessen“ genannt) ist.

Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf die Folgen einer Handlung abstellt.



Der legitime Zweck (wenn man ihn überhaupt schon zur Verhältnismäßigkeit zählt) bildet den Maßstab für die Geeignetheit eines Mittels. Ein Mittel, dem die Eignung fehlt, diesen Zweck zu erreichen, scheidet schon einmal aus. Von den geeigneten Mitteln kommt nur das gelindeste (= erforderliche) in Frage. Schon hier heiligt also der Zweck nicht jedes Mittel. Aber das erforderliche Mittel kann unangemessen sein. Dh auf dieser Stufe tritt - bei Feststellung der Unverhältnismäßigkeit im engeren Sinn - die Zweckerreichung komplett zurück.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

14.01.2014 21:39
#15 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #14
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #13
Zitat von Noricus im Beitrag #12
Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #10
Zitat von Noricus im Beitrag #9
Ist es nicht vielmehr ein eklatanter Mangel an Moral, wenn man die Ansicht vertritt, dass der Zweck die Mittel heiligt?

Es ist die Sicht der teleologischen Ethik.


Die für jemanden, der das Verhältnismäßigkeitsprinzip als eine geniale Entdeckung/Erfindung betrachtet, wohl nicht das Gelbe vom Ei ist.

Zitat von http://de.wikipedia.org/wiki/Verhäl...and)#Definition
Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn verlangt von jeder Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, dass sie einen legitimen öffentlichen Zweck verfolgt und überdies geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinn (auch „angemessen“ genannt) ist.

Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf die Folgen einer Handlung abstellt.


Der legitime Zweck (wenn man ihn überhaupt schon zur Verhältnismäßigkeit zählt) bildet den Maßstab für die Geeignetheit eines Mittels. Ein Mittel, dem die Eignung fehlt, diesen Zweck zu erreichen, scheidet schon einmal aus. Von den geeigneten Mitteln kommt nur das gelindeste (= erforderliche) in Frage. Schon hier heiligt also der Zweck nicht jedes Mittel. Aber das erforderliche Mittel kann unangemessen sein. Dh auf dieser Stufe tritt - bei Feststellung der Unverhältnismäßigkeit im engeren Sinn - die Zweckerreichung komplett zurück.


Davon dass der Zweck jedes Mittel heiligt, war ja nicht die Rede. Aber davon, dass der Bezug auf den Zweck oder das Ziel der teleologischen Ethik folgt. Also die Folgen einer Handlung und nicht wie bei der deontologischen Ethik, die Handlung selbst betrachtet. Bei letzterer ist der Zweck gar nicht Gegenstand der Betrachtung. Somit gäbe es gar keine Verhältnismäßigkeit. Die bekommen Sie nur in einer teleologischen Ethik.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.422

14.01.2014 21:40
#16 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #14
Von den geeigneten Mitteln kommt nur das gelindeste (= erforderliche) in Frage.


Wie bei Chamberlain 1938 in München & George Bush sen. 1991 in Kuwait?
Nb. setzt die Idee einer solchen Abwägung ein Wissen um alle Faktoren voraus, das schlicht nicht vorhanden ist. Vor allem der Faktor Zeit ist bei allen diesen Anwendungen der Spieltheorie völlig unwägbar. Machiavelli & Clausewitz haben das recht gut gewußt.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

15.01.2014 08:57
#17 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #11
Meiner Beurteilung nach ist dieses Ziel ein ganz wunderbares. Mit welchen Mitteln gedenken Sie dieses zu erreichen, lieber nachdenken_schmerzt_nicht?


Auch wenn es sicherlich eine rethorische Frage ist, lassen Sie mich bitte kurz antworten.

Ich weiß nicht wie ich dieses Ziel erreichen kann. Im Gegenteil es erscheint mir nicht erreichbar.

Im Gegenzug dazu finde ich den Sachverhalt so klar und eindeutig, dass es mich wirklich zutiefst bedrückt, dass er den meißten Menschen weder einleuchtet noch auf irgendeine Art zu vermitteln ist. Man mag mich arrogant nennen, aber ob dieser Dummheit könnte ich manchmal schreien vor Unglück und Schmerzen.

Wie oft habe ich mich mit Menschen schon über Politik unterhalten und wie oft habe ich es nicht geschafft zu verhindern, dass man sich bei der Bewertung am Ziel orientierte und nicht an dem Weg dorthin. Eigentlich immer. Es ist zum Mäuse melken.

Egal ob die Welt gerettet werden, Armut bekämpft werden oder ein Lebensumstand für eine spezielle Gruppe verbessert werden muß: Alles ausser diesem expliziten hehren Ziel wird ausgeblendet und nicht berücksichtigt bei der Einwertung.

Erst vor zwei Tagen machte ich zuhause eine Bemerkung über den Unsinn der 32h Woche für Eltern, vom Staat finianziert - Frau Schwesig lässt grüssen. Worauf meine Frau anmerkte: "Warum? Ich finde das eine gute Sache." -- Ich wußte, dass die Diskussion bereits an diesem Punkt verloren war.

Haben Sie, lieber Erling Plaethe, eine Idee wie man Menschen den von mir formulierten Gedanken näher bringen kann? Noch habe ich die Hoffnung, dass es an meiner eigenen Unfähigkeit liegt, eine einfach Wahrheit transportieren zu können.

Herzlichst


nachdenken_schmerzt_nicht

edit:
Erst jetzt ist mir aufgegangen, dass ihre Formulierung mit dem Ziel doppeldeutig ist. Ich habe das überlesen.

Es ist nicht mein Ziel. Ich wünsche mir Einsicht und muß ertragen wenn sie ausbleibt. Es wäre mein Wunsch übrzeugen zu können, daher habe ich ihre Antwort zunächst in diesem Sinne gelesen. Ich kann es nicht. Daher muß ich damit leben.

\\\"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit.\\\" - Montesquieu

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

15.01.2014 10:09
#18 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #9
Bräuchten wir vielleicht nicht mehr Moral


Lieber Noricus, bitte lassen sie mich etwas ausholen.

Ich bin ein christlich erzogener Mensch. Ich sage mit Absicht christlich und nicht religiös, auch wenn die Erziehung sicherlich religiös motiviert war. Dies vorangestellt, um zu vermitteln, dass Ich Ihren Gedanken / Ihre Frage durchaus verstehe. Ich kann auch nicht sagen, dass er falsch ist. Ich kann nur sagen, dass ich ihn mittlerweile nicht mehr glaube. Nicht, weil ich meinen Glauben an einen Gott verloren habe - ich bin diesbezüglich sehr ambivalent - sondern weil ich glaube dass Moral etwas zutiefst willkürliches ist, bzw. eine evolutionstechnisch bedingte Entwicklung, die dem Menschen Überlebensfähigkeit gab, ihn aber (heute) manschesmal gewaltig in die Irre führen kann.

Ich habe ein Faible für Naturwissenschaften, speziell die Physik. Mein Physikstudium hat dabei meine Sicht auf die Welt geprägt. Ich glaube wenn man einmal die Regeln der Physik verinnerlicht hat, kann man nichtmehr umhin festzustellen, dass sie auch in anderen Bereichen ihre Pendants haben. Entropie, Potenzialdifferenzen, Energieerhaltung sind meiner Meinung nach z.B. durchaus geeignete Größen um wesentliche Charakteristika eines sozialen Gefüges zu beschreiben (und die nebenbei bemerkt, zu meinem Entsetzen, in der Politik so gut wie keine Beachtung finden).

Darüber hinaus formuliert die Physik notwendiger Weise (ob Sie will oder nicht), die Frage nach dem Warum. Alleine durch die offenen Fragen, die ihr aktueller Stand des "Wissens" zurücklässt. Zum Beispiel sowas wie: "Was war vor dem Urknall"? Versucht man die aktuellen Ansätze der Physik nachzuvollziehen diese Frage anzugehen, fällt zumindest mir schwer darin irgendwo Platz für eine Moral zu finden.

Folgt man so interessanten Denkansätzen wie dem von Stephen Wolfram, könnte man das "Sein an sich" auf so etwas wie eine Digitale Information zurückführen. Das mutet "ungeheuer elegant und einfach" an, so einfach dass es fast "wahr" sein muß. Betrachtet man andere Bereiche der Mathematik / Physik, z.B. die Formulierung mathematischer Problemstellungen als Halteprobleme, wo man ebenfalls immer wieder auf eine "digitale Grundstruktur in ihrem Wesen stößt", hinterlässt das zumindest bei mir einen bleibenden Eindruck. Zum Beispiel auch den, dass Moral ein Konstrukt ist, kein Ding an sich. Und wie alle Konstrukte kann sie keinen absoluten Anspruch haben, der gerechtfertigt wäre.

Ich weiß, dass ist eine überaus theoretische Betrachtung aber ich kann mich nicht dagegen wehren, dass ich sie für sinvoll halte.

Um wieder mehr in die wahrgenommen Realität zu kommen.
"Ein mehr an Moral" heißt ja nur ein "mehr an Motivation" für ein bestimmtes Ziel und wie gesagt (auch in der Antwort an Erling Plaethe), halte ich die Zielorientierung an sich ja schon für äusserst problematisch.
Bewertung der anzuwendenden Mittel unter der Prämisse "Was du nicht willst, dass man dir tu das füg auch keinem anderen zu", reicht meines Ermessens völlig aus und ist auch die sicherste Methode ein soziales Gefüge in den bestmöglichen Zustand zu versetzen.
Mehr oder weniger ist dies auch das Prinzip der Nächstenliebe (liebe deinen Nächsten wie dich selbst) und vielleicht sogar ein anderer Ausdruck von "Liberalität", die ja nur dort vorsieht einzuschreiten, wo die Freiheit des anderen gefährdet ist (was sie nie müßte, wenn man dem anderen die gleiche Freiheit zugesteht, die man für sich selbst in Anspruch nimmt).

Vielleicht war also Christus der erste richtige Liberale. Es mag aber auch durchaus sein, dass hier nur meine christliche Erziehung durchschlägt.

Herzlichst


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Nola Offline



Beiträge: 1.719

15.01.2014 13:55
#19 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #18


(...)Bewertung der anzuwendenden Mittel unter der Prämisse "Was du nicht willst, dass man dir tu das füg auch keinem anderen zu", reicht meines Ermessens völlig aus und ist auch die sicherste Methode ein soziales Gefüge in den bestmöglichen Zustand zu versetzen.






Ich danke Ihnen, lieber nachdenken_schmerzt_nicht, für den Beitrag.

Für mich ist die obige Kernaussage tatsächlich zum Lebensmotto geworden. Sie steht so in keinem Gesetzbuch und dennoch ist es für mich allgegenwärtig, weil in meiner christlichen (und auch nicht religiösen) Erziehung auf diesen Leitspruch gebetsmühlenartig verwiesen wurde. Er gehört zu den ungeschriebenen "Gesetzen" die so klar und plausibel sind, das man sie fast nicht erwähnen müßte und die unser Leben ausmachen.

Meine Assoziation beim lesen:

Ich frage mich, kann man dann von Kultur oder Leitkultur getrennt von Religion und christlicher Erziehung sprechen? Nun die wesentlichen Punkte unseres Grundgesetzes finden sich ja im Christentum wieder (10 Gebote). Ich persönlich lasse die "Bezugsperson Gott" in meiner Lebensphilosophie zwar weg, trotzdem fühle ich mich als Christ verbunden mit zumeist 90% Übereinstimmung in meiner Grundhaltung. Das empfinde ich persönlich als Kultur. Aber auf dieses festverankerte Grundgefühl, welches die Nächstenliebe, aber auch Recht und Unrecht absolut einschließt, kann ich mich nicht mehr verlassen.

Grundsätzliche Gesetzmäßigkeiten, die vertraut und als gut und richtig empfunden, lösen sich auf. Eine andere Werteordnung fordert immer mehr Raum. Eine andere "Kultur" (ist Kultur hier der richtige Begriff?), eine gefühlt andere Auslegung unserer Grundgesetze, eine veränderte Weltanschauung in die wir gepresst werden und welche aus schwarz und weiß gleichmäßiges Grau machen soll, nein "muß", diese neuen "Werte" sind mit unbekanntem Ziele gesetzt worden. Ungeduldig wird erzwungen, was langsam wachsen sollte. Schlimmer noch, eine erkennbar verdammte Unfähigkeit die Begleitparameter zu schaffen, für ein auch nur annäherndes Gelingen einer neu angestrebten christlich/muslimischen Multikultur.

Wo also hört Kultur auf und fängt Religion an und wie weit ist beides tatsächlich losgelöst vom Staat? Oder halten derzeitige Politiker ihr eigenes linksgrüngestriktes, kulturreligiöses Bollwerk für stark genug als Ersatz der bisher geltenden Essenzen aus westlichen Errungenschaften wie sie aus Christentum und unserer "zivilisierten" Gesellschaft hervorgebracht wurden?

Wäre ich noch in der Kirche (ev.luth. ehemals) ich wäre zum xten Male wiederholt ausgetreten.
Die Kirche veräumt es geradezu, in dieser Zeit Halt zu geben. Einen Halt an ihren eigenen Werten und diese bestehen aus mehr als nur "Matthäus - Kapitel 5". Vielleicht fühlen sich Christen deshalb einsam, weil Kirche keinen Schutz bietet, einzelne Vertreter der christlichen Kirchen tun das ganz sicher, aber es ist nicht genug. Die eigene christliche Werteordnung aufrecht zu erhalten, würde der Kirche und den Christen gut tun, stattdessen bietet die Kirche eine "Friedensmesse" an, in welcher der Allahu-akhbar-Ruf vom Imam persönlich vorgetragen werden durfte.

Dennoch fühle ich mich als Christ, aber wohl nur weil unser Grundgesetz auf eben diesen christlichen Werten aufbaut.

Edit:
PS: Irgendwie ein guter Gedanke:

"Vielleicht war also Christus der erste richtige Liberale. Es mag aber auch durchaus sein, dass hier nur meine christliche Erziehung durchschlägt".

♥lich Nola

---------------------------

Status quo, nicht wahr, ist der lateinische Ausdruck für den Schlamassel, in dem wir stecken.
Zettel im August 2008

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

15.01.2014 15:29
#20 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Liebe Nola,

danke für ihre Gedanken.

Zitat von Nola im Beitrag #19

Ich frage mich, kann man dann von Kultur oder Leitkultur getrennt von Religion und christlicher Erziehung sprechen?....


Meiner Meinung nach nein.
Die beiden (Kultur und Religion) gehören untrennbar zusammen. Möglicherweise sind es Identitäten. Ich erinnere mich lebhaft an Streitgepräche mit einer guten Freundin, die die Kirche verachtete und die ich mit meiner Aussage auf die Palme brachte, sie sei trotzdem dominant durch die christliche Kultur geprägt.


Der Mensch ist meiner Auffassung nach ein spirituelles Wesen, welches ohne einen sinnstiftenden geistigen Überbau nicht sein kann. Diesen Überbau kann man Religion nennen. Eigentlich immer ist er mit einem Gott, einem höheren Wesen verbunden, das nur manchmal anders genannt wird. Eine „säkularisierte“ Gesellschaft glaubt zum Beispiel lieber an so etwas wie „Mutter Erde“ oder das „Primat der Natur“.
Dieser (ich nenne es einmal) geistige Überbau der Menschen, ist der Ursprung ihrer Moral – denn logischer Weise sollte der „größte geistige Wert“ eines sozialen Gefüges auch darüber entscheiden was „gut“ und was „böse“ ist. Und die Entscheidung über „gut“ und „böse“ bzw. „richtig“ und „falsch“ prägt das was wir als Kultur verstehen ganz wesentlich.

In dieser Logik ist für mich selbstverständlich, dass es absolut unsinnig ist zu versuchen Kultur und Religion getrennt sehen zu wollen.

Unser Begriff von „gut“ und „böse“ bzw. „richtig“ und „falsch“ ist derzeit geprägt vom christlichen und jüdischen Glauben. Das macht unser „gut“ und „böse“ zunächst einmal nicht grundsätzlich besser als jeden beliebigen anderen Begriff von „gut“ und „böse“, obwohl er das in unserem eigenen Bezugssystem aber natürlich ist.
Trotzdem glaube ich, dass der christliche Begriff von „gut“ und „böse“ dem einiger anderer Kulturen aber auch grundsätzlich überlegen ist. Warum?

Unser Begriff, unsere Moral, tendiert noch am ehesten (wenn auch bei weitem nicht vollkommen) zu dem Mantra (auch aus meiner Erziehung): "Was du nicht willst, dass man dir tu das füg auch keinem anderen zu".
Und dieses Mantra ist in meinen Augen Teil der Lehre Christus. Es ist gleichzeitig eine Umschreibung "der Forderung" nach Freiheit und Gleichheit, soweit sie sich vereinen lassen -- wie in der Definition des Liberalismus.
Konsequent angewandt sollte dieses Mantra, nach meiner Meinung, kultur-/ religionsübergreifend zu den bestmöglichen Zuständen einer Gesellschaft führen, gleichgültig welche Begriffe sie von „gut“ und „böse“ hat. Die herrschende Moral spielt dann also keine Rolle mehr was den Zielzustand betrifft.

Deswegen (weil sich Freiheit und Gleichheit in unserer Moral noch am ehesten wieder finden) finde ich es auch richtig für unsere Werte offensiv einzutreten und sehe den Werte Relativismus, welcher vor allem vom linken politischen Spektrum betrieben wird, sehr kritisch.


Herzlich

Nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

Kritiker Offline



Beiträge: 274

15.01.2014 16:45
#21 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Lieber nachdenken_schmerzt_nicht

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #18

Ich bin ein christlich erzogener Mensch. Ich sage mit Absicht christlich und nicht religiös, auch wenn die Erziehung sicherlich religiös motiviert war. Dies vorangestellt, um zu vermitteln, dass Ich Ihren Gedanken / Ihre Frage durchaus verstehe. Ich kann auch nicht sagen, dass er falsch ist. Ich kann nur sagen, dass ich ihn mittlerweile nicht mehr glaube. Nicht, weil ich meinen Glauben an einen Gott verloren habe - ich bin diesbezüglich sehr ambivalent - sondern weil ich glaube dass Moral etwas zutiefst willkürliches ist, bzw. eine evolutionstechnisch bedingte Entwicklung, die dem Menschen Überlebensfähigkeit gab, ihn aber (heute) manschesmal gewaltig in die Irre führen kann.

Ich habe ein Faible für Naturwissenschaften, speziell die Physik. Mein Physikstudium hat dabei meine Sicht auf die Welt geprägt. Ich glaube wenn man einmal die Regeln der Physik verinnerlicht hat, kann man nichtmehr umhin festzustellen, dass sie auch in anderen Bereichen ihre Pendants haben. Entropie, Potenzialdifferenzen, Energieerhaltung sind meiner Meinung nach z.B. durchaus geeignete Größen um wesentliche Charakteristika eines sozialen Gefüges zu beschreiben (und die nebenbei bemerkt, zu meinem Entsetzen, in der Politik so gut wie keine Beachtung finden).


Da auch ich Physiker bin und Christ (wenn auch nicht-christlich erzogen) haben mich ihre Ausführungen sehr interessiert.

Zunächst einmal glaube ich, dass sie mit ihrer Analogie zu weit gehen. In der Naturwissenschaft gilt das starke Prinzip des experimentellen Nachweises, das für soziale Systeme so nicht gelten kann. Wenn wir in der Physik ein Experiment machen, dann nehmen wir mit Recht an, dass das Ergebnis überall und immer gilt. Macht man ein Experiment auf einem sozialen System ist eine solche Übertragung nicht möglich bzw. nicht unbedingt möglich. Was ich heute in den USA des 21. Jahrhunderts beobachte muss gar nicht für China im 25. Jahrhundert gelten.

Damit wäre zuerst zu definieren, was wir mit Moral meinen. Ich verstehe darunter einen Satz von Regeln, die in einem sozialen System das Zusammenleben der Individuen regelt, also festlegt, was erlaubt (gut) oder nicht erlaubt (böse) ist. Dass das Kultur und zeitbezogen ist, sollte eine Binsenweisheit sein.

Da das aber zeitbezogen ist, merken wir auch innerhalb einer Generation, dass sich die Moral wandelt. Und sie wandelt sich in unserer Informationsgesellschaft immer schneller. Damit haben wir dann ein Problem. Denn die Alten halten die Jungen für unmoralisch (weil diese die Moral der Alten nicht mehr befolgen) und die Jungen haben wenig Orientierung (weil sich Moral zu schnell ändert bzw. in unserer offenen Gesellschaft zu viele Moralsysteme nebeneinander existieren). Aber Moral ist Gemeinschafts-fördernd und daher ist ein Ausdruck wie "wir brauchen mehr Moral" durchaus korrekt.

Nun ist Moral auch nicht gleich Moral. Man könnte auf die Idee kommen (und da kommt das Christentum ins Spiel), dass es einen Minimalsatz von moralischen Regeln gibt, die unabhängig von dem konkreten sozialen System gilt. Das wäre dann die fundamentale "natürliche" Moral. Ich lasse jetzt mal offen, ob es so etwas tatsächlich gibt. Christen tendieren dazu, hier ja zu antworten, die meisten Sozialtheoretiker sagen hierzu nein. Meine persönliche Meinung ist "ja, aber nur ganz wenige Regeln".

Das Problem, dass bei uns verschiedene Moralsysteme nebeneinander existieren, wirft auch die Frage auf, welches System für unsere Gesellschaft dominierend sein soll. Das ist die Frage nach der Leit-Kultur, die in den konservativen Kreisen gerne beschworen wird. Diese Idee haben auch die nicht-Konservativen, aber die nennen es nicht so (die nennen es eher "offene Gesellschaft", was aber auch eine Leit-Kultur ist).

Wie man die Probleme löst und was mit der Gesellschaft geschieht, wenn man sie nicht löst, wäre eine separate Diskussion.

Der Kritiker

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

15.01.2014 17:48
#22 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #17
Haben Sie, lieber Erling Plaethe, eine Idee wie man Menschen den von mir formulierten Gedanken näher bringen kann? Noch habe ich die Hoffnung, dass es an meiner eigenen Unfähigkeit liegt, eine einfach Wahrheit transportieren zu können.

Nein, sicher nicht. Gerade wenn man nicht das tun möchte, was man kritisiert, bleibt einem so zu handeln wie man es favorisiert. Und die Mittel welche dem Zweck dienen, kritisch zu betrachten. Sie haben m.E. völlig recht, wenn Sie darauf Ihren Fokus legen. Ich will hier gar nicht von dem Niedergang der Moral in Diktaturen sprechen denen jedes Mittel recht ist, wenn es nur einem moralisierten Ziel dient.
Andererseits kann ich ganz leicht mich selbst kritisieren (z.B. meine Ansicht zur NSA-Affäre) und daran zeigen, wie schwer es fallen kann, sich auf die Mittel zu konzentrieren. Was ja nichts anderes heißt als auf die Handlung selbst abzustellen.

Dieses Thema wurde hier in der einen oder anderen Diskussion immer wieder angeschnitten: Es geht im Kern um einen sehr alten Streit: teleologische vs. deontologische Ethik.

Weder die eine noch die andere funktioniert aber absolut, jedenfalls aus meiner Sicht.
Um Ihre These aufzugreifen: Wenn man einem Ziel, einem Ideal vielleicht sogar, anhängt, kommt man aufgrund von Widerständen in die Situation die rechtlichen Möglichkeiten auszureizen, vielleicht sogar sie zu übertreten.
Dieses Verhalten lässt sich nicht pauschal moralisch verurteilen. Als Beispiel möchte ich hier an die Diskussion um den Daschner-Prozess erinnern.
Mir sind die Mittel wichtiger als die Ziele, aber mir ist es unmöglich dies pauschal und absolut zu nehmen. Nicht für mich und für andere schon gar nicht.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

15.01.2014 20:00
#23 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Werte Kommentator(inn)en,

ich hoffe, es wird nicht als unhöflich empfunden, wenn ich jetzt nur schnell auf einen Beitrag antworte. Leider ist mein Kleines-Zimmer-Deputat heute arg begrenzt.

Ich danke allen für die schöne philosophische Diskussion, die sich hier entsponnen hat.

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #22

Dieses Thema wurde hier in der einen oder anderen Diskussion immer wieder angeschnitten: Es geht im Kern um einen sehr alten Streit: teleologische vs. deontologische Ethik.

Weder die eine noch die andere funktioniert aber absolut, jedenfalls aus meiner Sicht.


Das trifft m.E. genau den Punkt, lieber Erling.

Relativ berühmt ist ja Kants Beispiel, dass der Hausherr, wenn der Mörder an die Tür klopft und fragt, ob sein prospektives Opfer sich dort versteckt habe, die Wahrheit sagen und den Dritten ans Messer liefern müsse. Das wäre deontologische Ethik in Reinform. Wer nun vorbringt, dass man hier bedenken müsse, dass das Leben eines Menschen auf dem Spiel steht, begibt sich schon auf das Feld der teleologischen Argumentation.

Das Problem mit der Moral ist wohl, dass kategorische Imperative bisweilen ein höchst unbefriedigendes Ergebnis zeitigen. Wenn ich partout nicht lügen darf und folglich das unschuldige Opfer seinem Mörder ausliefern muss, dann habe ich mit diesem Gebot meine liebe Not. Die Lüge wäre hier m.E. durch einen rechtfertigenden Notstand (um es juristisch zu formulieren) gedeckt. Aber was soll ich machen, wenn der Gläubiger an die Tür klopft und sich sein (in Verzug geratener) Schuldner bei mir versteckt? Kommt es für meine Entscheidung dann nicht vielleicht darauf an, welche Mittel der Gläubiger anzuwenden gedenkt? Dh muss ich den Schuldner schützen, wenn ihm der Gläubiger ans Leder will? Muss ich den Schuldner ausliefern, wenn der Gläubiger nur ganz ruhig und friedlich seine Forderung geltend machen möchte?

Moral ist vermutlich viel intuitiver (man verzeihe den Komparativ), als man sich das gemeinhin eingesteht. Dies ist vielleicht der Grund, warum es bisweilen so schwer ist, moralisch gut zu handeln.

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

16.01.2014 10:20
#24 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #22
Weder die eine noch die andere funktioniert aber absolut, jedenfalls aus meiner Sicht.
Aus meiner Sicht muß man Ihnen hier zustimmen, weil Sie eine Wahrheit ausprechen.

Unsere Gesellschaft aber neigt zu einem der zwei Extremen (der teleologischen Sicht) und produziert damit viel Unsinn. Ich glaube vor allem deshalb ist mir die deontologische Ethik intuitiv die liebere. Frei nach Konfuzius: "Dort wo kritisiert wird lobe und dort wo gelobt wird kritisiere."

Ich mag Extreme nicht.


Zitat von Noricus im Beitrag #23
Relativ berühmt ist ja Kants Beispiel, dass der Hausherr, wenn der Mörder an die Tür klopft und fragt, ob sein prospektives Opfer sich dort versteckt habe, die Wahrheit sagen und den Dritten ans Messer liefern müsse. Das wäre deontologische Ethik in Reinform. Wer nun vorbringt, dass man hier bedenken müsse, dass das Leben eines Menschen auf dem Spiel steht, begibt sich schon auf das Feld der teleologischen Argumentation.


Ich hoffe man verzeiht mir meine im Geiste einfach strukturierte Anmerkung hierzu.

Die Begriffe teleologisch und deontologisch waren mir neu, auch wenn ich mir selbst (ohne zu wissen, dass man es so nennt) schon einige Gedanken dazu gemacht habe. Da ich in diesen beiden Kategorien aber nicht gedacht habe, sondern einfach in der Kategorie "was ist ein zulässiges Handeln", war ich weder der Anhänger der einen, noch der anderen Richtung.
Ich kam dabei zu der Einsicht das mein Mantra, welches ich nun schon peinlich oft wiederhole. "Was du nicht willst, dass man dir tu das füg auch keinem anderen zu", selten ganz falsch liegt. Und für mein Empfinden, gäbe es mir auch für die Situation in Kants Beispiel eine sinvolle "Handlungsempfehlung" (den Mann nicht auszuliefern), ohne in den Konflikt der möglichen Ethiken zu geraten.

Ich gebe allerdings zu, dass "mein Mantra" auf den "Fall Daschner" angewand zu einem Ergebnis führen würde, mit dem ich nicht zufrieden wäre. Nach "meinem Mantra" hat Daschner falsch gehandelt. Nach unserem Rechtsstaat beurteilt sowieso. Nach meinem persönlichen Empfinden bin ich mir nicht sicher, ob ich ähnlich gehandelt hätte wie Daschner, bzw. wäre meine Tochter betroffen, ob ich sein Handeln mir nicht genau so gewünscht hätte. Sicher hätte ich das - was eine dämliche Frage.

Vielleicht kommt es letztendlich zu der Frage, ob man sein Recht verwirken kann im Rahmen der Regeln einer Gesellschaft behandelt zu werden, wenn man diese verletzt. Diese Frage ist deswegen aber gefährlich, weil letztendlich ein Mensch darüber entscheiden muß, ob die Regeln "ausreichend veletzt" wurden oder nicht.

Ja. Ich gestehe, man kann es immer auf die Spitze treiben und schwierig machen, "unentscheidbar". Um darauf zurück zu kommen, passt das ja auch in die Physik und Mathematik. Auch dort stößt man immer mehr auf die Erkenntnis, dass es so etwas wie einen "willkürlichen Anfang" gibt.

Die Frage ist, ob das notwenig ist als Leitfaden für den Alltag.

Für diesen bleibe ich dabei: Unserer Gesellschaft tut mehr Not die deontologische Ethik zu beherzigen (zu begreifen, dass es eine gibt), denn die teleologische. Zwei schöne neue Begriffe und wieder was gelernt.



Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu

nachdenken_schmerzt_nicht Offline




Beiträge: 2.007

16.01.2014 10:30
#25 RE: Der Fall Heidegger Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #21
Was ich heute in den USA des 21. Jahrhunderts beobachte muss gar nicht für China im 25. Jahrhundert gelten.


Lieber Kritiker,

Ohne die Diskussion in diese Richtung vertiefen zu wollen:

Genau das Gegenteil glaube ich aber. Es gibt Regeln die für alle gelten. So glaube ich zum Beispiel, dass keine Gesellschaft ohne eine ungleiche Verteilung des Vermögens (oder nennen Sie es "arm und reich") auf Dauer existieren, bzw. produktiv sein kann. Für mich ist daher keine Frage, dass der Kommunismus / Sozialismus systemimmanent zum Scheitern veruteilt ist.

In der Physik würden ich das Pendat dazu darin sehen, dass ohne Potenzialdifferenzen keine Kraftfelder entstehen können.

Kommunisten hätten nur im Physikunterricht aufpassen müssen und es wären stattdessen neoliberale Raubtierkapitalisten geworden.


Herzlich


nachdenken_schmerzt_nicht

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