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Dieses Thema hat 11 Antworten
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Calimero Offline




Beiträge: 3.280

02.02.2014 19:14
Konservative sind zutiefst antiliberal Antworten

Konservativ ist nicht liberal. Alles bekannt. Aber eine schöne Zusammenfassung von Alexander Grau beim Cicero:

http://www.cicero.de/berliner-republik/k...tiliberal/56946

-------------------------------------------------------
Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

jana Offline




Beiträge: 348

02.02.2014 20:12
#2 RE: Konservative sind zutiefst antiliberal Antworten

Guten Abend, lieber Calimero,

mir ist der Artikel auch aufgefallen, und ich überlegte schon, ob ich ihn posten sollte. Da ich mich hier aber so selten melde und mich um den evtl. sich daraus entwickelnden Thread nicht kümmern kann, ließ ich das lieber sein. Schön also, dass Du den Link bringst.

Ich fand auch schon den vorherigen Artikel interessant:
http://www.cicero.de/berliner-republik/a...er-europa/56894

Letzterer gefiel mir gut, nur hatte ich einige Vorbehalte dagegen, insbesondere gegen diesen Absatz:

Zitat
Wo Bewahrenswertes noch lebendig ist, muss es gegen das weitere Fortschreiten der Korruption verteidigt werden. Wo aber der Amoklauf der Moderne sein „Krise“ genanntes Zerstörungswerk schon vollendet hat, müssen tradierungswürdige Zustände neu geschaffen werden. Eine Schlüsselrolle werden dabei unsere Landessprache und die Familie spielen. Beides sind essenzielle Bausteine der Kulturtradierung, ohne die aus dem „Wirtschaftsstandort Deutschland“ das zweite Wort schon bald zu streichen sein wird.



Wieso schmuggelt Marc Jongen hier "unsere Landessprache und die Familie" 'rein? Ich finde das nicht sachlich. Und zu „Wirtschaftsstandort Deutschland“, von dem das zweite Wort bald zu streichen sei: Soll das eine Drohung sein? Warum?

... Wie dem auch sei: Wg. der paar Vorbehalte gegen den Jongen-Essay freute ich mich so sehr über die Grau-Replik ...

Viele Grüße,
Jana

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.429

02.02.2014 23:38
#3 RE: Konservative sind zutiefst antiliberal Antworten

Je ne sais pas. Da ich hier ja den freilaufenden bekennenden Neocon gebe, kann ich auch zugeben, daß ich mit Herrn Graus Argmentation nicht viel* anfangen kann. Er argumentiert ausgesprochen verkürzt, d.h. er argumentiert gar nicht, sondern baut sich einen Popanz (auf höflich: "Strohmann"), den er grell anmalt & in dem man sich nicht wiedererkennt. Das ist sein gutes Recht: 3/4 aller politischen Positionierung auf dem medialen Rummelplatz (also jenseits der nüchternen Bestandsaufnahme) besteht daraus. Wo es ungustiös wird, ist in der Überblendung von a)

Zitat cicero.de
__________________
...Auf den ersten Blick scheint es tatsächlich so zu sein, als ob es programmatische Überschneidungen zwischen Liberalen und (Neo-)Konservativen gibt ... Die oberflächliche Nähe von liberalen und (neo-)konservativen Denkansätzen...
__________________

um dann umstandslos bei b) im Vormärz zu landen:
__________________
Denn der Konservative ist eigentlich gar nicht gegen den starken Staat. Er ist nur gegen den starken linken Staat. Solang der Staat in der Hand aristokratischer oder bürgerlicher Eliten war und beharrlich traditionelle Werte gegen Modernisierungstendenzen verteidigte, solang war der Konservative ein eifriger Verteidiger eines omnipräsenten und autoritären Staatswesens.
__________________



Tatsächlich gibt es aber ein paar grundlegende Unterschiede zwischen neokonservativ & paläokonservativ, an denen sich die beiden Pole, jedenfalls wenn man sie so essentialistisch karikiert, unterscheiden lassen. Dem Klischee nach, das Herr Grau hier bedient, speist sich der alte Konservatismus (eben "paläo-") aus 3 Schienen: Staat (hier gern auf monarchistisch gedreht), Religion, Familie. Alle als Absolutum gesetzt, als Axiom, das zu hinterfragen schon an den Garanten des Gedeihlichen sägt. (In der Praxis dürfte man wohl hohe Preise ausetzen können, um irgendwo noch 1 Exemplar aufzutreiben, das diesen Vorgaben entspricht.**) Für die meisten Neokonservativen gilt, daß sie diesen Instanzen eher distanziert gegenüber stehen (mir sind auf Anhieb reichlich geläufig, die ziemlich heftige Atheisten darstellen); die Familie ist ein großes Ideal, aber als solches als Normensetzung völlig ungeignet; der starke Staat wird (auch nicht von allen) als notwendig, aber auch als permanente Bedrohung gesehen, der in den eisernen Raubtierkäfig der Institutionen und eines auf das Nötigste beschränkten Aufgabenfelds gesperrt gehört. Das unterscheidet sich jetzt bestimmt irgendwo vom Ordoliberalismus, dürfte in der Praxis aber weitgehend deckungsgleich aufgehen.

Was hier konservativ ausschaut, ist zumeist die pragmatische Erkenntnis, daß sich diese Elemente aus dem "wertkonservativen" Katalog (es ist ja immer nur eine Teilmenge) auf die Dauer besser bewährt haben, um die Aporien der Moderne (die ja auch schon etwas länger andauert) unter einen Hut zu bringen, daß man mit ihnen besser die Freiheit auf allen Gebieten jenseits der Politik (also bei 95% aller Angelegenheiten) umsetzen kann & daß man sie beim Über-die-Stränge-Schlagen leichter wieder in den Eisernen Käfig pferchen kann. Ach ja: und daß die Wirklichkeit und das Leben dann doch nicht so progressiv sind, wie das mit 16 ausschaut. 4 wechselnde Musikmoden & 15 Jahre des immergleichen rotierenden Jugendirreseins reichen aus, diesen Star zu stechen.

*im Englischen nennt man derartige Beträge meines Wissens nach "zero".
** außer im Bereich des Religiös-Sektierischen, aber das ist eine ganz andere Baustelle. Und außerdem per definitionem eine absolute Minderheitenposition.

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

02.02.2014 23:50
#4 RE: Konservative sind zutiefst antiliberal Antworten

Für deutsche Konservative ist die These zu meinem tiefsten Bedauern leider viel zu oft zutreffend.
Aber die Argumentation bedient auch m.E. nur den Strohmann, da stimme ich Ulrich Elkmann zu. Sie kann aber auch anders geführt werden...Dr. Karlheinz Weißmann zu lauschen (wer es denn erträgt) ist da viel aufschlussreicher...

Viele Grüße, Erling Plaethe

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.429

03.02.2014 01:04
#5 RE: Konservative sind zutiefst antiliberal Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #3
...baut sich einen Popanz (auf höflich: "Strohmann"), den er grell anmalt & in dem man sich nicht wiedererkennt.


Zitat cicero
____________________
Wie scheinheilig die konservative Empörung über linke Reglementierungswut ist, zeigt sich spätestens bei Themen wie Abtreibung, Pränataldiagnostik oder Sterbehilfe. Plötzlich nämlich kann gar nicht genug vorgeschrieben, verboten oder dirigiert werden. Und es ist daher auch kein Zufall, dass etwa bei vielen bioethischen Themen konservative Standpunkte und linksökologische Positionen kaum noch voneinander zu unterscheiden sind. ... Wissenschaftliche und technische Rationalität gelten dem Liberalen – anders als dem Konservativen – nicht als Zeugnisse einer degenerierten, entfremdeten und zerstörerischen Vernunft, sondern als Ausdruck menschlicher Kreativität, Gestaltungskraft und Fantasie. Zugleich ist der wissenschaftliche Rationalismus ein Bollwerk gegen Ideologien, Aberglaube und Mystizismus – weshalb Ideologen von links und rechts immer wieder versuchen, ihn seinerseits als Ideologie zu entlarven.
____________________

Und 97% aller Wissenschaftler sind vom katastrophalen Klimawandel überzeugt... Und allen anderen pauschal das Vertrauen in die Wissenschaft, und gleich der Vernunft insgesamt, abzusprechen, scheint auch wenig hilfreich. Und "Bioethik"... Könnte es sein, daß dergleichen Fragen per se außerhalb des politischen Spektrums anzusiedeln sind, nicht als Ausweis für eine vermeintliche "rechts/links"-Dichotomie? Die Haltung z.B. zur Atomenergie wird hierzulande weder links noch rechts noch liberal=mittig von Vernunft & Wissenschaft bestimmt, sondern nur von Aberglaube & Ideologie.

Pro domo gesprochen: ich stehe für die Atomenergie ein, aber auch für Fracking, daß die Schwarte kracht. Es ist sehr wahrscheinlich, daß, wenn letzteres der Fall wäre, die Atomenergie ein sofortiges Auslaufmodell wäre, weil sie sich schlicht nicht mehr lohnte. Zudem so viel Gentechnik wie möglich, nicht nur in solch unbezweifelten Fällen wie dem Goldenen Reis. Pränatale Diagnostik scheint eine zwielichtige Angelegenheit: weil hier die Gefahr besteht, daß (wir reden hier von genetischen Analysen, nicht von Blutanalysen oder Ultraschall) aus einer geringen Wahrscheinlichkeit einer Mißbildung (deren Häufigkeitsangaben oft auf sehr zweifelhaften Korrelationen beruhen) einen Zwang werden lassen. Ansonsten scheint "Bioethik" ein elefantös aufgeblasener Papiertiger zu sein, dessen tatsächliche Relevanz in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu seiner Eignung als politischer Holzhammer steht. Bin ich damit überhaupt ein richtiger Neocon? Sh. Kein wahrer Schotte.

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.429

04.02.2014 15:40
#6 RE: Konservative sind zutiefst antiliberal Antworten

"UKIP, Neo-Conservatism, and Douglas Murray"

"Finally, it is true that populist conservative movements such as UKIP and Patriot Voices don't themselves use the phrase “neoconservative” – a phrase that has become dirty and widely associated with unpopular military intervention overseas. But this may be of little importance. Indeed, as one of the final sentences of Murray's book reads: “Neonservatism – whether or not it is called as such – is the route back to the right path by which true liberalism returns, strengthened and defended”."

Ulrich Elkmann Offline




Beiträge: 14.429

04.02.2014 21:38
#7 RE: Konservative sind zutiefst antiliberal Antworten

Andererseits: Autsch:

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #6
"UKIP, Neo-Conservatism, and Douglas Murray"


"By contrast, many on the left, and many libertarians, support a kind of moral relativism – the idea that in a liberal society no lifestyle can be looked upon by government to be objectively better than any other. For libertarians this leads to the strict value pluralism of Isiah Berlin. For the left, it has led to support for state-sponsored multiculturalism. Murray challenges these ideas by stating that government must engage with society to nudge it in the right direction for the common good."



Gibt es 1) im Dutzend billiger, 2) klassischer Anwendungsfall der Wissensanmaßung, 3) handelt es sich um >100% wirkungslosen Aktionismus, mithin 4) bloot rutsmeten Geld, mit 5) Ende nach oben hin offen, 6) wie buchstabiert man noch mal "Tugendausschuß"?

Mosaiksteinchen im laufenden Definitionsversuch des Wesens des Neokonservatismus:
Es handelt sich um die Suche nach einer systemischen Evolutionär Stabilen Strategie, die wie alle evolutiven Strategien nicht-teleologisch verfaßt ist, aber das Resultat wirksamer ESS darstellt. Diese haben daher bei der zukünftigen Weichenstellung höhere Priorität als der unsichere Pfad voraus, der mgw. auch noch falsch ausgeschildert ist (das ist jetzt der "konservative" Part), ohne daß diesen ESS ein absoluter Wert eignet (der "neo"-Part).

Gesetzte Axiome: a) Soziale Systeme sind komplexe evolutive Systeme wie biologische und technologische; "ungeplant" (und unplanbar) als Nebenbedingung mitgedacht; b) es handelt sich um "unendliche Spiele" im Sinne von James P. Carse.

"In the rules of a finite game are unique to that game it is evident that the rules may not change in the course of play - else a different game is being played. It is on ths point that we find the most critical distinction between finite and infinite play: The rules of an infinite games must change in the course of play. The rules are changed when the playes of an infinite game are that the game is imperiled by a finite outcome - that is, by the victory of some players and the defeat of others.
The rules of a finite game are changed to prevent anyone from wining the game and to bring as many persons as possible into the play." (Finite and Infinite Games [1986], §10)

adder Offline




Beiträge: 1.073

05.02.2014 08:46
#8 RE: Konservative sind zutiefst antiliberal Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7
Andererseits: Autsch:

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #6
"UKIP, Neo-Conservatism, and Douglas Murray"


"By contrast, many on the left, and many libertarians, support a kind of moral relativism – the idea that in a liberal society no lifestyle can be looked upon by government to be objectively better than any other. For libertarians this leads to the strict value pluralism of Isiah Berlin. For the left, it has led to support for state-sponsored multiculturalism. Murray challenges these ideas by stating that government must engage with society to nudge it in the right direction for the common good."



Gibt es 1) im Dutzend billiger, 2) klassischer Anwendungsfall der Wissensanmaßung, 3) handelt es sich um >100% wirkungslosen Aktionismus, mithin 4) bloot rutsmeten Geld, mit 5) Ende nach oben hin offen, 6) wie buchstabiert man noch mal "Tugendausschuß"?

Mosaiksteinchen im laufenden Definitionsversuch des Wesens des Neokonservatismus:
Es handelt sich um die Suche nach einer systemischen Evolutionär Stabilen Strategie, die wie alle evolutiven Strategien nicht-teleologisch verfaßt ist, aber das Resultat wirksamer ESS darstellt. Diese haben daher bei der zukünftigen Weichenstellung höhere Priorität als der unsichere Pfad voraus, der mgw. auch noch falsch ausgeschildert ist (das ist jetzt der "konservative" Part), ohne daß diesen ESS ein absoluter Wert eignet (der "neo"-Part).

Gesetzte Axiome: a) Soziale Systeme sind komplexe evolutive Systeme wie biologische und technologische; "ungeplant" (und unplanbar) als Nebenbedingung mitgedacht; b) es handelt sich um "unendliche Spiele" im Sinne von James P. Carse.

"In the rules of a finite game are unique to that game it is evident that the rules may not change in the course of play - else a different game is being played. It is on ths point that we find the most critical distinction between finite and infinite play: The rules of an infinite games must change in the course of play. The rules are changed when the playes of an infinite game are that the game is imperiled by a finite outcome - that is, by the victory of some players and the defeat of others.
The rules of a finite game are changed to prevent anyone from wining the game and to bring as many persons as possible into the play." (Finite and Infinite Games [1986], §10)



Zitat
the idea that in a liberal society no lifestyle can be looked upon by government to be objectively better than any other. For libertarians this leads to the strict value pluralism of Isiah Berlin.



Ich glaube fest daran, dass dieses nichts schlechtes ist. Ich bewerte lifestyles durchaus ambivalent, was ihren Einfluss auf mich betrifft. Allerdings habe ich - als Anhänger eines non-conformist lifestyle, nämlich der althergebrachten Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, noch dazu wo meine Frau zu Hause bleibt, um sich um Haus und Haushalt zu kümmern - natürlich ein großes Interesse daran, dass sich Mutter Staat aus allem heraushält, was zwischen zwei Menschen passiert, solange alles consensual läuft (und nicht absolut verrückt ist*). Oder um im Jargon eines anderen non-conformist lifestyle zu sprechen: everything between two adults is ok as long as it is safe, sane and consensual".

(* so Dinge wie beim "Kannibalen von Rothenburg" gehören trotz allem Liberalismus zur Kategorie "verrückt" und vor allem "non-consensual". Das "Opfer" dieser Vereinbarung kann gar nicht bei klarem Verstand seine Einwilligung gegeben haben, sein Genital ohne Betäubung entfernt zu bekommen und dann zuzusehen, wie es gegrillt und gegessen wird...)


Gerade aber auch deshalb bin ich kein [i]neo-con
oder Konservativer. Genauso wenig bin ich ein Sozialist oder auch nur Links-"Liberaler" Sozialdemokrat. Klar hat der Staat die Pflicht, bestimmte Grenzen vorzugeben, aber diese haben - wie oben beschrieben - vor allem der Zementierung des gesunden Menschenverstands zu dienen, und innerhalb dieser Grenzen hat alles erlaubt zu sein, was nicht explizit und aus gutem Grund verboten ist. Und der Staat soll(te) sich bei seinen Ausgaben auf das Notwendige beschränken. Nicht dieser bevormundende Sozialstaatswahn, den wir im Moment haben. Ludwig Erhard und Walter Eucken waren weitsichtig und haben ein gutes Modell erstellt und in Gesetze gegossen. Leider aber sind ihre Nachfolger nicht so weitsichtig gewesen und ihre "Enkel" sind nur noch darauf bedacht, den Wohlfahrtsstaat auszuweiten und damit eine Rechtfertigung für ihr Dasein und ihre hohen Bezüge zu finden.

Solus Offline



Beiträge: 384

05.02.2014 10:23
#9 RE: Konservative sind zutiefst antiliberal Antworten

Zitat von adder im Beitrag #8
(* so Dinge wie beim "Kannibalen von Rothenburg" gehören trotz allem Liberalismus zur Kategorie "verrückt" und vor allem "non-consensual". Das "Opfer" dieser Vereinbarung kann gar nicht bei klarem Verstand seine Einwilligung gegeben haben, sein Genital ohne Betäubung entfernt zu bekommen und dann zuzusehen, wie es gegrillt und gegessen wird...)

Was ist dann mit denjenigen, die sich ihr Genital nicht nur entfernen, sondern auch noch eine tiefe Öffnung in ihren Körper schneiden lassen? Auch Transfrau genannt.
Andererseits, was ist mit denen, die sich freiwillig auspeitschen oder mit dem Stock schlagen lassen, ganz ohne Betäubung?
Was ist dann mit der Kombination aus beidem?

Aber viel grundlegender: Wenn Sie dem Herren seinen klaren Verstand absprechen, muss er ihn ja durch etwas verloren haben - seine Gehirnchemistrie etwa, salopp gesagt. Wenn Sie aber da sagen, dass er davon abhängig und daher nicht der Einwilligung fähig ist, wo ziehen Sie dann die Linie zwischen ihm und einem normalen Menschen?
Ich würde ja sagen da ist es die bei weitem bessere Alternative, ihm einfach seine Freiheit zu lassen. Wenn er sich damit selbst zu Grunde richtet, ist das ja nun wirklich nicht Ihr Problem.

Techniknörgler Offline



Beiträge: 2.738

05.02.2014 10:41
#10 RE: Konservative sind zutiefst antiliberal Antworten

Zitat von adder im Beitrag #8
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #7
Andererseits: Autsch:

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #6
"UKIP, Neo-Conservatism, and Douglas Murray"


"By contrast, many on the left, and many libertarians, support a kind of moral relativism – the idea that in a liberal society no lifestyle can be looked upon by government to be objectively better than any other. For libertarians this leads to the strict value pluralism of Isiah Berlin. For the left, it has led to support for state-sponsored multiculturalism. Murray challenges these ideas by stating that government must engage with society to nudge it in the right direction for the common good."



Gibt es 1) im Dutzend billiger, 2) klassischer Anwendungsfall der Wissensanmaßung, 3) handelt es sich um >100% wirkungslosen Aktionismus, mithin 4) bloot rutsmeten Geld, mit 5) Ende nach oben hin offen, 6) wie buchstabiert man noch mal "Tugendausschuß"?

Mosaiksteinchen im laufenden Definitionsversuch des Wesens des Neokonservatismus:
Es handelt sich um die Suche nach einer systemischen Evolutionär Stabilen Strategie, die wie alle evolutiven Strategien nicht-teleologisch verfaßt ist, aber das Resultat wirksamer ESS darstellt. Diese haben daher bei der zukünftigen Weichenstellung höhere Priorität als der unsichere Pfad voraus, der mgw. auch noch falsch ausgeschildert ist (das ist jetzt der "konservative" Part), ohne daß diesen ESS ein absoluter Wert eignet (der "neo"-Part).

Gesetzte Axiome: a) Soziale Systeme sind komplexe evolutive Systeme wie biologische und technologische; "ungeplant" (und unplanbar) als Nebenbedingung mitgedacht; b) es handelt sich um "unendliche Spiele" im Sinne von James P. Carse.

"In the rules of a finite game are unique to that game it is evident that the rules may not change in the course of play - else a different game is being played. It is on ths point that we find the most critical distinction between finite and infinite play: The rules of an infinite games must change in the course of play. The rules are changed when the playes of an infinite game are that the game is imperiled by a finite outcome - that is, by the victory of some players and the defeat of others.
The rules of a finite game are changed to prevent anyone from wining the game and to bring as many persons as possible into the play." (Finite and Infinite Games [1986], §10)



Zitat
the idea that in a liberal society no lifestyle can be looked upon by government to be objectively better than any other. For libertarians this leads to the strict value pluralism of Isiah Berlin.


Ich glaube fest daran, dass dieses nichts schlechtes ist. Ich bewerte lifestyles durchaus ambivalent, was ihren Einfluss auf mich betrifft. Allerdings habe ich - als Anhänger eines non-conformist lifestyle, nämlich der althergebrachten Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau, noch dazu wo meine Frau zu Hause bleibt, um sich um Haus und Haushalt zu kümmern - natürlich ein großes Interesse daran, dass sich Mutter Staat aus allem heraushält, was zwischen zwei Menschen passiert, solange alles consensual läuft (und nicht absolut verrückt ist*). Oder um im Jargon eines anderen non-conformist lifestyle zu sprechen: everything between two adults is ok as long as it is safe, sane and consensual".

(* so Dinge wie beim "Kannibalen von Rothenburg" gehören trotz allem Liberalismus zur Kategorie "verrückt" und vor allem "non-consensual". Das "Opfer" dieser Vereinbarung kann gar nicht bei klarem Verstand seine Einwilligung gegeben haben, sein Genital ohne Betäubung entfernt zu bekommen und dann zuzusehen, wie es gegrillt und gegessen wird...)


Gerade aber auch deshalb bin ich kein [i]neo-con
oder Konservativer. Genauso wenig bin ich ein Sozialist oder auch nur Links-"Liberaler" Sozialdemokrat. Klar hat der Staat die Pflicht, bestimmte Grenzen vorzugeben, aber diese haben - wie oben beschrieben - vor allem der Zementierung des gesunden Menschenverstands zu dienen, und innerhalb dieser Grenzen hat alles erlaubt zu sein, was nicht explizit und aus gutem Grund verboten ist. Und der Staat soll(te) sich bei seinen Ausgaben auf das Notwendige beschränken. Nicht dieser bevormundende Sozialstaatswahn, den wir im Moment haben. Ludwig Erhard und Walter Eucken waren weitsichtig und haben ein gutes Modell erstellt und in Gesetze gegossen. Leider aber sind ihre Nachfolger nicht so weitsichtig gewesen und ihre "Enkel" sind nur noch darauf bedacht, den Wohlfahrtsstaat auszuweiten und damit eine Rechtfertigung für ihr Dasein und ihre hohen Bezüge zu finden.



Lieber adder,

ich denke nahezu jeder Liberale erkennt an, dass es für den Liberalismus gewissen zivilisatorische Grundvoraussetzungen gibt, die auch konservativ zu erhalten sind. Der Liberale beschränkt es nur auf die wirklich dazu notwendigen Sachen, im Gegensatz zum Konservativen, für den - was auch immer gerade aus Sicht seiner von ihm favorisierten Kultur als zivilisiert gilt - Selbstzweck wird.

Kannibalismus wäre aber ein zu starker Zivilisationsbruch...

Edit: Verkorkste Satzkonstruktion repariert.

______________________________________________________________________________

“Being right too soon is socially unacceptable.”
― Robert A. Heinlein

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

05.02.2014 19:36
#11 RE: Konservative sind zutiefst antiliberal Antworten

Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #3
Je ne sais pas. Da ich hier ja den freilaufenden bekennenden Neocon gebe, kann ich auch zugeben, daß ich mit Herrn Graus Argmentation nicht viel* anfangen kann.

Lieber Ulrich Elkmann,
ich habe mir den Cicero-Artikel erst erneut durchlesen müssen, um zu registrieren, dass A.Grau explizit von Neo-Konservativen schreibt. Das habe ich bei der ersten Lektüre genauso ausgeblendet, wie ich das ständige "neo-" vorm "liberal" mittlerweile überlese. Diese Vorsilbe bedeutet im Pressejargon ja meist nur sowas wie "jetzt existierend" und hat mit tatsächlichen Unterschieden zu früheren Versionen des jeweiligen -ismus nicht viel zu tun.

Wenn Sie sich als bekennender Neocon gegen Graus Beschreibung verwehren haben Sie natürlich recht. Im von Ihnen verlinkten Selbsverortungsbeitrag schreiben Sie ja:

Zitat
zum Neocon wird man erst, man wird nicht in diese Position hineingeboren

Das heißt ja nichts anderes, als dass man durch Nachdenken und Erfahrung zu eben dieser Sichtweise gelangen muss, genauso wie es linken Renegaten, welche später zum Liberalismus konvertiert sind, ergangen ist.

Das sind dann auch nicht die Konservativen, die ich im Sinne hatte, als ich den Artikel verlinkte. Mir schwebte da eher das Bild derer vor, mit denen man sich bei der kopfschüttelnden Betrachtung der Auswüchse des linken Mainstreams einig ist, bis man ihre piefigen, ressentimentgeladenen Ergüsse in anderer Hinsicht registrieren muss. Frauen (nicht Feminismus), Ausländer, Kapitalismus, USA (Ostküste!) und Gentechnik/Fracking sind da nur einige Beispiele des Hausmeister-Rumpelstilzchenismus. Da weiß man dann sofort, warum man sich in seiner Jugend niemals hätte vorstellen können, jemals etwas anderes als links zu sein.

Mit selbsterklärt konservativen Intellektuellen wie z.B. Fleischhauer, Matussek oder Klonovsky hat dieser engstirnige Gartenzwerg-Typus eigentlich nichts gemein. Deren Konservatismus, wie auch der einiger Blogger-Kollegen passt dagegen sehr angenehm zu meinem eigenen Weltbild, und ergänzt es auch durchaus mit eigenen Perspektiven.

Beste Grüße, Calimero

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

adder Offline




Beiträge: 1.073

05.02.2014 21:42
#12 RE: Konservative sind zutiefst antiliberal Antworten

Zitat von Solus im Beitrag #9
Zitat von adder im Beitrag #8
(* so Dinge wie beim "Kannibalen von Rothenburg" gehören trotz allem Liberalismus zur Kategorie "verrückt" und vor allem "non-consensual". Das "Opfer" dieser Vereinbarung kann gar nicht bei klarem Verstand seine Einwilligung gegeben haben, sein Genital ohne Betäubung entfernt zu bekommen und dann zuzusehen, wie es gegrillt und gegessen wird...)

Was ist dann mit denjenigen, die sich ihr Genital nicht nur entfernen, sondern auch noch eine tiefe Öffnung in ihren Körper schneiden lassen? Auch Transfrau genannt.
Andererseits, was ist mit denen, die sich freiwillig auspeitschen oder mit dem Stock schlagen lassen, ganz ohne Betäubung?
Was ist dann mit der Kombination aus beidem?

Aber viel grundlegender: Wenn Sie dem Herren seinen klaren Verstand absprechen, muss er ihn ja durch etwas verloren haben - seine Gehirnchemistrie etwa, salopp gesagt. Wenn Sie aber da sagen, dass er davon abhängig und daher nicht der Einwilligung fähig ist, wo ziehen Sie dann die Linie zwischen ihm und einem normalen Menschen?
Ich würde ja sagen da ist es die bei weitem bessere Alternative, ihm einfach seine Freiheit zu lassen. Wenn er sich damit selbst zu Grunde richtet, ist das ja nun wirklich nicht Ihr Problem.


Lieber Solus,
wie schon bemerkt, ist der Zivilisationsbruch "Kannibalismus" dabei auch der Bruch des "sane, safe and consentual". Transfrauen lassen sich nicht ohne Betäubung verstümmeln, sie lassen ihren Körper an ihr gefühltes Geschlecht anpassen. Hier einen Vergleich zu bemühen, ist vollkommen abwegig - sogar meiner Ansicht nach unredlich - wobei ich einschränken will, dass das Leiden der Damen und Herren, die ein anderes körperliches als psychisches/emotionales Geschlecht haben, von uns "normalen" Menschen wohl nicht vollständig nachempfunden werden kann, ohne tiefe Einblicke in Psychologie oder eingehende Beschäftigung mit dem Thema.

Meiner Meinung nach nicht einmal ansatzweise vergleichbar ist auch der von Ihnen angesprochene Sadismus oder Masochismus. Und zwar aus dem Grund, dass auch hier Grenzen eingehalten werden. Um genau zu sein wird in dieser Szene (auf die ich eben auch anspielte) das "safe, sane and consensual" schon fast sklavisch (no pun intended) eingehalten - von Kondomen über Desinfektionen bis hin zu Schutzhandschuhen bei blutenden Verletzungen.

Und ja: wegen meiner soll jeder nach seiner Facon glücklich werden - aber wie Techniknörgler bereits klargestellt hat: Kannibalismus ist der Freiheit dann zuviel. Das ist außerhalb jeder zivilisatorischen Norm.

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