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Das Forum zu "Zettels Raum"



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Dieses Thema hat 34 Antworten
und wurde 4.965 mal aufgerufen
 Kommentare/Diskussionen zu "Zettels Raum"
Seiten 1 | 2
Doeding Offline




Beiträge: 2.612

21.02.2014 09:34
Deutsche Tugenden Antworten

Ein KKK zu dem Facebook-WhatsApp-Deal.

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.424

21.02.2014 10:21
#2 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Eine schöne Argumentation; trotzdem werde ich mich nach Alternativen umsehen. Vor allem, weil ich Monopolen extrem ablehnend gegenüberstehe. Soziale Netzwerke sind Paradebeispiele für natürliche Monopole; aber das bedeutet auch, dass die intrinsischen Schutzmechanismen der Marktwirtschaft nicht funktionieren. Deswegen habe ich auch kein Problem damit, als Liberaler für die Überwachung und Kontrolle von Monopolen zu sein.

Manfred Sachs Offline




Beiträge: 109

21.02.2014 10:41
#3 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Frank2000 im Beitrag #2
Eine schöne Argumentation; trotzdem werde ich mich nach Alternativen umsehen. Vor allem, weil ich Monopolen extrem ablehnend gegenüberstehe. Soziale Netzwerke sind Paradebeispiele für natürliche Monopole; aber das bedeutet auch, dass die intrinsischen Schutzmechanismen der Marktwirtschaft nicht funktionieren. Deswegen habe ich auch kein Problem damit, als Liberaler für die Überwachung und Kontrolle von Monopolen zu sein.

Werter Frank,

wie denn nun? Hat Facebook/WhatsApp ein Monopol oder haben Sie die Möglichkeit, bei Bedarf auch Alternativen zu nutzen bzw. - wie im übrigen ein Großteil der Menschheit - auf derartige Dienste gänzlich zu verzichten? Und selbst wenn Sie beim Marktführer verweilen, wer oder was zwingt Sie, irgendwelche relevanten Daten über sich preiszugeben? Was das mit "Schutzmechanismen der Marktwirtschaft" (was auch immer diese sein mögen - mir jedenfalls sind keine bekannt) und deren Versagen zu tun haben soll, erschließt sich mir leider nicht...

MfG
M. S.
---
"[N]icht darauf kommt es an, daß die Menschen sich zum Liberalismus bekennen, sondern darauf, daß sie liberal werden und daß sie liberal denken und handeln." (Ludwig von Mises, Liberalismus, 1927)

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

21.02.2014 10:58
#4 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Lieber Andreas,

Zustimmung!

Facebook kann als pars pro toto für das Verhältnis der Deutschen zu den USA angesehen werden. Man pflegt seine Abneigung, ist aber nicht bereit, auf die Errungenschaften zu verzichten.

Übrigens frage ich mich ernsthaft, was gerade die Wutbürger ohne FB anstellen würden...

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

Erling Plaethe Offline




Beiträge: 4.660

21.02.2014 11:29
#5 RE: Deutsche Tugenden Antworten

19 Milliarden $ für ein 50 Mann Unternehmen. Das bedeutet aus deutscher Sicht ein Umverteilungstotalversagen.
Die Reaktionen hierzulande könnten mich glatt dazu bringen mich bei facebook anzumelden.
WhatsApp weiß ich ja schon zu schätzen.

Viele Grüße, Erling Plaethe

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

21.02.2014 12:01
#6 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Erling Plaethe im Beitrag #5
19 Milliarden $ für ein 50 Mann Unternehmen. Das bedeutet aus deutscher Sicht ein Umverteilungstotalversagen.



Der war gut.

Herzliche Grüße,
Andreas

Am_Rande Offline




Beiträge: 196

21.02.2014 12:05
#7 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Sehr geehrter "Frank2000",

Ich denke nicht, dass man am Beispiel der Sozialen Netzwerke den Begriff des Natürlichen Monopols am Sinnfälligsten diskutieren kann.

Denn, dass ein Sozialen Netzwerk (beinahe) Monopolstellung erreicht, macht ja gerade den Wert des Netzwerkes aus.

Jeder Nutzer will, um mit möglichst vielen Menschen vernetzt zu sein, in einem Netzwerk sein, das möglichst viele Nutzer hat.

Der von Hayek so gerne vorgebrachte Vergleich von sozialen Phänomenen mit dem Phänomen Sprache hilft hier, glaube ich, weiter:

La lingvo germana havas monopolon en multa landoj de Eŭropo centra.
Nun estas la lingvo internacia ebleco de eviti tiu ĉi monopolon.
Sed, nur malmulteco de personoj parlas la lingvon internacia.
Do, se vi volas estas comprenata, vi devas utilizi la lingvo germana, do partopreni en la monopolon.


Wenn Sie verstanden haben, was ich geschrieben habe, haben Sie meinen Punkt verstanden.
Wenn nicht, dann auch.

R.A. Offline



Beiträge: 8.171

21.02.2014 12:46
#8 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Es ist schon erstaunlich, wie selbst ganz vernünftige Leute wegen des Whats-App-Deals nun in Datenschutzpanik verfallen.

Ansonsten bin ich der "ich habe nichts zu verbergen"-Argumentation wirklich abgeneigt. Der Schutz der Privatsphäre ist wichtig, in diesem Sinne hat jeder "etwas zu verbergen".

Aber doch wohl kaum bei Kommunikationsformen wie Whats-App und auch Twitter/Facebook. Die dort üblicherweise breit verteilten Schlicht-Infos sind viel zu belanglos, um unbefugte Dritte oder gar die NSA zu interessieren.
Vernünftigerweise sollte man dort ohnehin nie etwas schreiben, was man nicht gerade so gut auf dem Marktplatz plakatieren könnte.

Kritiker Offline



Beiträge: 274

21.02.2014 13:41
#9 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Lieber Andreas Doeding

Ich stimme ihnen im wesentlichen zu. Mich hat die Aufregung um den Deal ehrlich gesagt etwas verwundert. Vielleicht liegt das daran, dass ich weder Facebook noch Whats App benutze.
Allerdings gibt es in diesem Zusammenhang durchaus Dinge, die von dem wirtschaftlichen Erfolg unabhängig sind. So gibt es eine neue Währung im Internet und das ist die Information. Mit Geld weiß man umzugehen und dazu gibt es auch staatliche Regularien. So gibt es das Widerrufsrecht und das Rückgaberecht usw. Aber diese grundlegenden Verbraucherschutz Mechanismen auf die schöne neue Welt zu übertragen, ist eben schwierig und es wird noch einige Zeit brauchen, bis man überhaupt weiß, wie man damit umgehen soll, auch international.
Diese Bemerkung ist unabhängig von meiner Zustimmung, dass die Deutschen überreagieren.

Zitat von R.A. im Beitrag #8

Vernünftigerweise sollte man dort ohnehin nie etwas schreiben, was man nicht gerade so gut auf dem Marktplatz plakatieren könnte.


Wobei aber die Weisheit gilt: Nichts ist unvernünftiger als eine Masse von Menschen. Und im Internet läßt sich nur über Masse auch Geld verdienen.

Der Kritiker

Frank2000 Offline




Beiträge: 3.424

21.02.2014 13:58
#10 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Am_Rande im Beitrag #7
Sehr geehrter "Frank2000",
Ich denke nicht, dass man am Beispiel der Sozialen Netzwerke den Begriff des Natürlichen Monopols am Sinnfälligsten diskutieren kann.
Denn, dass ein Sozialen Netzwerk (beinahe) Monopolstellung erreicht, macht ja gerade den Wert des Netzwerkes aus.



Genau das ist die Definition eines natürlichen Monopols: Hohe Fixkosten, dann Kostendegression, Grenzkosten gegen Null, Konsumentengetriebene Konzentrationsprozesse, hohe Einstiegsschwelle für (gewinnfähige) Konkurrenten, kaum Exklusivität des Konsums. Soziale Netzwerke sind natürliche Monople.

Yossarian Offline




Beiträge: 99

21.02.2014 14:21
#11 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat
Lieber Andreas,

Zustimmung!

Facebook kann als pars pro toto für das Verhältnis der Deutschen zu den USA angesehen werden. Man pflegt seine Abneigung, ist aber nicht bereit, auf die Errungenschaften zu verzichten.

Übrigens frage ich mich ernsthaft, was gerade die Wutbürger ohne FB anstellen würden...

Gruß Petz



Lieber Herr Doeding, lieber Meister Petz,

erstmal Danke für diese KKK Herr Doeding. Sehr gut auf den Punkt gebracht. Die Absurditäten des deutschen "Empfindens" sind nicht zu übersehen. Darüberhinaus würde ich gerne den sehr guten Hinweis von Meister Petz aufnehmen und einen Wunsch äussern:

Könnte Sie Herr Doeding sich einmal beizeiten mit dem Phänomen der Wutbürger und Petitionisten auf FB beschäftigen. Mir scheint, die Petitionswut bei FB nimmt immer mehr überhand. Gerade junge Mütter (ja in meinem Bekanntenkreis auf FB sind es eigentlich nur junge Mütter, die sich der Petition hingeben, abgesehen von einem einzigen männlichen Apokalyptiker, der nahezu jede Woche einen Beitrag zum anstehenden Weltuntergang durch Fukushima postet) sind hier anfällig.

Da werden im Stundentakt Aufrufe und Angstbotschaften von Campact, change.org, Greenpeace oder "Kauft nicht bei Firmen, die von Monsanto Produkte beziehen) "geliked", geteilt und geposted. Wenn man die Chronik dieser Menschen ansieht, beschleicht einen das Gefühl, dass man nur von bösen Firmen/Bedrohungen umgeben ist. Ist das ein Zeichen einer Angsstörung, die sich hier auf FB manifestiert, genährt von immer neuen Hiobsbotschaften der NGOs und "Angstfabriken"? Wo liegt da der Reiz. Mich schreckt das ehrlich gesagt ab, insbesondere wenn ich Kampagnen mit falschen Anwürfen lese, die z.B. in mein Expertengebiet fallen. Da wird einfach mal lustig drauflos behauptet, und die Angstjünger stimmen dem (ohne jegliches Wissen, nur mit Glauben beglückt) zu.

Die Frage die sich dann schnell stellt ist die: entferne ich so jemanden aus meinem FB-Kreis? Meist stellt man dann die Chronik der Phobophiliker (im Sinne von angstliebend) dann auf unsichtbar, nur manchmal trifft es einen dann doch. Bricht man hier den Stab über einen eigentlich "kranken" Menschen?

Wird mit der ständigen "Teilung von Angstinhalten" (z.B. STOPP Todesgenmais) etwas kompensiert? Was macht der "gesunde" Teil der Bevölkerung, sollten die Phobophiliker einmal die Überhand nehmen?

Nun ab Schluss, ich hoffe, dies ist nicht zu sehr Offtopic. Wenn ja, mache ich einen eigenen Thread im offenen Forum auf.

Danke nochmals für die wunderbare KKK!

Yossarian

P.S.: und sind wir, die wir uns vor der Macht der Phobophiliker fürchten eigentlich co-abhängig? Im Sinne von, leiden wir dann nicht auch unter einer Phobie der Phobophiliker?

Ulrich Elkmann Online




Beiträge: 14.423

21.02.2014 14:56
#12 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Yossarian im Beitrag #11
Wo liegt da der Reiz.


Der Reiz dürfte in dem liegen, was in der Verhaltensforschung, bezogen auf die Spezies Homo sapiens sapiens () bezogen "Grooming Talk" genannt wird: die gegenseitige, in diesem Fall sprachliche, Fellpflege, die Zusammenheitsgefühl & soziale Partizipation suggeriert. Im RL entspricht das der stereotypen Konversation: : "Haben Sie von [X][Y][Z] gehört? Ist das nicht schrecklich?" - : "Ja, das ist ganz schrecklich!" - bei der gleichen Folgenlosigkeit & demselben mininalen Kommunikationsaufwand. Auch der Kreis der Kommunizierenden dürfte identisch sein -bzw. es werden, sobald jede Großmutter auch noch an facebook angeschlossen ist.

http://scienceblogs.de/panorama/2009/02/...des-social-web/

Thomas Pauli Offline




Beiträge: 1.486

21.02.2014 16:04
#13 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Ah, "Grooming Talk" heißt das. Ich hatte dafür einmal den Begriff "Soziale Geräusche" erfunden, weil ich darüber nichts gefunden habe.

Salü, Thomas

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

21.02.2014 18:33
#14 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Yossarian im Beitrag #11


Könnte Sie Herr Doeding sich einmal beizeiten mit dem Phänomen der Wutbürger und Petitionisten auf FB beschäftigen. Mir scheint, die Petitionswut bei FB nimmt immer mehr überhand. Gerade junge Mütter (ja in meinem Bekanntenkreis auf FB sind es eigentlich nur junge Mütter, die sich der Petition hingeben, abgesehen von einem einzigen männlichen Apokalyptiker, der nahezu jede Woche einen Beitrag zum anstehenden Weltuntergang durch Fukushima postet) sind hier anfällig.


Lieber Yossarian, mir scheint, daß zum Thema bereits zwei ausgezeichnete Artikel auf ZR erschienen sind, denen ich wohl nicht viel Substanzielles hinzufügen kann. Zum einen der Text von Stefanolix, zum anderen der
etwas polemischere von R. A.

Vielleicht soviel dazu. Meine sehr persönliche, gänzlich unempirische "Theorie" dazu lautet, daß historische Ereignisse, d. h. die wechselvolle deutsche Geschichte mit dreißigjährigem Krieg, Pest, dem Wechsel von Aggression der Nachbarn gegen Deutschland bzw. seine kleinteiligen Vorläufer, und Aggression Deutschlands gegen die europäischen Nachbarn, die Entwicklung eines Nationalcharakters (ich glaube, daß es tatsächlich so etwas gibt) begünstigt haben, den ich verschiedentlich halb ernst, halb scherzhaft als Borderline-Nationalcharakter bezeichnet habe: Deutlich dichotomes "Schwarz-Weiß"-Denken, emotionale Wechselhaftigkeit und Instabilität (auch im Selbstbild und bezüglich eigener Präferenzen) bei einem Hang zur Selbstschädigung bis hin zur Selbstzerstörung; dabei häufiger Wechsel aus depressiven und Angstsymptmen sowie ausgeprägte Angst vor Verlassenwerden und Ablehnung. Bei Borderlinern liegen Angst und Haß übrigens ungewöhnlich dicht beieinander: Haß als Versuch der Kompensation/Überwindung von Angst. Auch dies meine ich bei "den Deutschen" beobachten zu können (das waren jetzt übrigens tatsächlich grob die WHO-Kriterien der Borderline-Störung). Ein Ausdruck dessen unter vielen, mögen die radikalisierten Wut- (oder gar Haß?-)petitionen zu sein.
Ach so, die Prognose gilt, bei frühzeitiger Behandlung als gar nicht so schlecht. Ich sehe nur keinen "therapeutischen Prozeß" weit und breit .

Herzliche Grüße,
Andreas

Calimero Offline




Beiträge: 3.280

21.02.2014 18:41
#15 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #14
Nationalcharakters (ich glaube, daß es tatsächlich so etwas gibt) begünstigt haben, den ich verschiedentlich halb ernst, halb scherzhaft als Borderline-Nationalcharakter bezeichnet habe:

gefällt mir

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Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

21.02.2014 19:08
#16 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #14
Borderline-Nationalcharakter [...]
Ach so, die Prognose gilt, bei frühzeitiger Behandlung als gar nicht so schlecht. Ich sehe nur keinen "therapeutischen Prozeß" weit und breit .

Herzliche Grüße,
Andreas


Eine sehr klar gestellte und überzeugende Diagnose. Für "frühzeitige Behandlung" wäre es allerdings nach mehreren exzessiv gewalttätigen bzw. selbstzerstörerischen Episoden, die zusätzlich zu einer Anhäufung von Schuldgefühlen geführt haben, wahrscheinlich längst zu spät, selbst wenn irgendjemand das Interesse und die Akribie dafür aufbringen würde.

NACHTRAG:
PS. Weil's gerade wieder einigermaßen aktuell ist: Bei olympischen Winterspielen vor einigen Perioden (genau weiß ich nicht mehr, welche) hat der BBC-Sportreporter die erfolgte Abfahrt des britischen Viererbobs "GB-1" mit den anerkennenden Worten kommentiert: "Twenty-second place! Well done, boys!"
So etwas möchte man einmal nur von einem deutschen Sportreporter hören. Aber nein, da ist ein 1. Platz Anlaß zur Hybris und schon jeder 2. Platz oder sogar ein 1. mit zuwenig Vorsprung eine abgrundtiefe Schande. Schwarzweißdenken eben.

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

21.02.2014 19:32
#17 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #14
Meine sehr persönliche, gänzlich unempirische "Theorie" dazu lautet, daß historische Ereignisse, d. h. die wechselvolle deutsche Geschichte mit dreißigjährigem Krieg, Pest, dem Wechsel von Aggression der Nachbarn gegen Deutschland bzw. seine kleinteiligen Vorläufer, und Aggression Deutschlands gegen die europäischen Nachbarn, die Entwicklung eines Nationalcharakters (ich glaube, daß es tatsächlich so etwas gibt) begünstigt haben,


In dem von Ihnen definierten Sinn - also als historisch bedingte Kulturtradition - würde ich ebenfalls von der Existenz eines Nationalcharakters ausgehen, lieber Andreas. Sonst wäre ja kaum zu erklären, weshalb in Deutschland sehr viele Fußgänger trotz einer bei 0 liegenden Verkehrsdichte an roten Ampeln stehen bleiben, während Menschen anderer Sozialisierung (u.a. auch Amerikaner deutscher Abstammung) in dieser Situation den Lichtzeichen keine Beachtung schenken.

Zitat
den ich verschiedentlich halb ernst, halb scherzhaft als Borderline-Nationalcharakter bezeichnet habe



Wunderbar, vielen Dank für diesen Terminus, der den Sachverhalt recht gut beschreibt.

Zitat
Ach so, die Prognose gilt, bei frühzeitiger Behandlung als gar nicht so schlecht. Ich sehe nur keinen "therapeutischen Prozeß" weit und breit .



Ich denke, nach 1945 wurde so etwas von den Amerikanern schon einmal versucht. Aber der Patient erwies sich als unglaublich resistent. Wir waren geheilt, all right ...

Noricus Offline



Beiträge: 2.362

21.02.2014 19:36
#18 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Kritiker im Beitrag #9
Vielleicht liegt das daran, dass ich weder Facebook noch Whats App benutze.


Ach, Sie sind der andere Deutsche, der weder FB noch WA nutzt?

Yossarian Offline




Beiträge: 99

21.02.2014 19:55
#19 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat
Meine sehr persönliche, gänzlich unempirische "Theorie" dazu lautet, daß historische Ereignisse, d. h. die wechselvolle deutsche Geschichte mit dreißigjährigem Krieg, Pest, dem Wechsel von Aggression der Nachbarn gegen Deutschland bzw. seine kleinteiligen Vorläufer, und Aggression Deutschlands gegen die europäischen Nachbarn, die Entwicklung eines Nationalcharakters (ich glaube, daß es tatsächlich so etwas gibt) begünstigt haben,



Das ist eine gute Erklärung lieber Andreas. Wenn dies jedoch eigentlich bedeuten würde, dass da ein kulturelle Imprint vorliegt oder noch schlimmer ein epigenetischer Einfluss. Den gibt es ja bei Individuuen durchaus. Der kulturelle Imprint würde ja für einige Kulturkreise eine katastrophale Implikation haben: daraus kann man sich offensichtlich nicht befreien, weder durch zwei Weltkriege, noch durch demokratischen Aufbau, noch durch Reichtum. Somit ist ihre Diagnose doch ein echter Hammer.

Aber ernsthaft, ich gebe Ihnen da vollkommen recht. Gilt ja auch für uns hier, wenn wir Angst vor dem Untergang durch die Handlungen der Untergangspropheten haben.

Manchmal wäre ich gerne in einen anderen Kulturkreis hineingeboren worden. Nicht unbedingt ein schattiges Tal am Hindukusch, aber gerne etwas mehr "lebensbejahend".

Ist den der Drang der Deutschen nach Ordnung auch ein Imprint aus dem 30-jährigen Krieg? Wäre dann ja ein Jahrtausendereignis gewesen. Hierzu noch eine Empfehlung: zur Schlacht am Wittstock gibt/gab es eine Ausstellung und ein sehr gutes Buch (ist mir letztens unter die Augen gekommen). Darin wird die Schlacht, die Verletzungen (auch psychsisch) der Bevölkerung/Soldaten sehr eindrucksvoll aufgezeigt.

http://www.1636.de/category/schlacht-bei...-von-wittstock/

Yossarian

Edit: Rechtschreibung

Kallias Offline




Beiträge: 2.309

21.02.2014 21:19
#20 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Doeding im Beitrag #14
Meine sehr persönliche, gänzlich unempirische "Theorie"
Ha, sowas habe ich auch.
Zitat von Doeding im Beitrag #14
Borderline-Nationalcharakter
Gehört die Selbstablehnung, von der Sie anschaulicherweise hier gleich ein gutes Beispiel geben, lieber Andreas, ebenfalls zur Borderline-Störung?
Zitat von Doeding im Beitrag #14
Deutlich dichotomes "Schwarz-Weiß"-Denken
Sehe ich nicht. Ich sehe die Deutschen eher als Synthetisierer. Schauen Sie sich die Musikgeschichte an: z.B. Muffat oder Bach, oder die Philosophiegeschichte: Leibniz, Kant, Hegel (der es damit mächtig übertrieb). Schauen Sie sich in der Politik die SPD an mit ihrem traditionellen Gewurschtel unterschiedlichster Positionen und Prinzipien; was nach dem Krieg die CDU dann nachgeahmt hat. Schwarzweißdenken kommt schon auch vor, wird aber ausgeglichen durch den Hang zur Kleinteiligkeit, Vielfalt und einer Vorliebe für Ausländisches.
Zitat von Doeding im Beitrag #14
emotionale Wechselhaftigkeit und Instabilität (auch im Selbstbild und bezüglich eigener Präferenzen)
Zum Teil ja. Schon Madame de Stael (oder war es Kant?) bescheinigte den Deutschen Unsicherheit als Hauptmerkmal. Das trifft wohl zu, wenn solche Gewährsleute es sagen, wird jedoch ausgeglichen durch die typisch deutsche Sturheit, Stetigkeit und Nibelungentreue. Mir scheint sogar, was Sie als Schwarzweißdenken missdeuten, beruht auf eben dieser Neigung zum Geradeausgehen.
Zitat von Doeding im Beitrag #14
bei einem Hang zur Selbstschädigung bis hin zur Selbstzerstörung
Letzteres sehe ich wieder nicht. Sondern eher den Hang zu langfristigem Aufbau in kleinen Schritten. Der Russe, meinte Dostojewski, versaufe umgehend jede Kopeke, und komme daher aus seiner elenden Hütte niemals heraus, während der Deutsche sich sein schmuckes Häuschen vom Essen abspare. Dieses Merkmal ist sicher auch Folge der Verarmung nach verlorenen Kriegen.
Zitat von Doeding im Beitrag #14
dabei häufiger Wechsel aus depressiven und Angstsymptmen sowie ausgeprägte Angst vor Verlassenwerden und Ablehnung
Das trifft wohl alles zu.



Auf ihrer schlechten Seite sind die Deutschen verunsicherte Dorfmenschen. Auf ihrer guten sind sie verlässlich, weltoffen und einfallsreich.

Mir scheint, wenn es politisch gerade mal nicht so gut läuft, schlägt der Deutsche gern auf die Deutschen ein. Zwischen 1990 und 2005 taten das die Linken vorwiegend, seitdem mehr die Bürgerlichen. Sogar unserem verehrten Zettel, sonst ein Musterbild der Rationalität, unterlief dieser Lapsus nach dem Fukushima-Desaster.

Herzliche Grüße,
Kallias

Meister Petz Offline




Beiträge: 3.923

21.02.2014 23:00
#21 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Noricus im Beitrag #18
Zitat von Kritiker im Beitrag #9
Vielleicht liegt das daran, dass ich weder Facebook noch Whats App benutze.


Ach, Sie sind der andere Deutsche, der weder FB noch WA nutzt?


Um die tugendhafteste und deutscheste aller Balladen zu zitieren: "Ich sei, gewährt mir die Bitte..."

Gruß Petz

"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln

Rayson Offline




Beiträge: 2.367

22.02.2014 00:09
#22 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Fluminist im Beitrag #16
Bei olympischen Winterspielen vor einigen Perioden (genau weiß ich nicht mehr, welche) hat der BBC-Sportreporter die erfolgte Abfahrt des britischen Viererbobs "GB-1" mit den anerkennenden Worten kommentiert: "Twenty-second place! Well done, boys!"
Ich bin mir ziemlich sicher, dass derselbe Platz bei einem Cricket-Turnier einen anderen Kommentar zur Folge gehabt hätte... Alles eine Frage der Zielsetzung.

--
L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat)
Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)

Llarian Offline



Beiträge: 7.115

22.02.2014 02:06
#23 Angst Antworten

Bevor Edward Snowden den größten Informationsskandal der letzten 20 Jahre lostrat hat man etwas genau so argumentiert, wenn jemand auf die Gefahren von Geheimdiensten hinwies: Da hat ja jemand nur Angst. Es konnte sich ja auch keiner vorstellen, dass von dem, was Verschwörungstheoretiker sich da so zusammengezimmert haben, auch nur ein Bruchteil stimmen könnte. Die haben halt alle Angst. Tatsächlich stimmten sehr große Teile. Das macht aber nichts: Schließlich hat Pofalla die Affäre für beendet erklärt, und wenn Frau Merkel jetzt noch Angst um ihre Abhörsicherheit hat, dann hat sie eben Angst. Ist halt deutsch.

Ich nutze WhattsApp auch nicht. Weil ich nie einen Messenger gebraucht habe und im Monat vielleicht 5 SMS schreibe, die sich im Allgemeinen auf weniger als 20 Symbole beschränken. Ich bevorzuge das direkte Gespräch und in Ausnahmefällen das Telefon. Ich würde allerdings, wenn ich jemals WhattsApp genutzt hätte, spätestens heute abend alle Nachrichten löschen und die Applikation hinterher. Das hat mit der Character der Firma Facebook und ihres Übervaters Mark Zuckerberg zu tun, der, wie seine Firma ja auch, nie einen Hehl daraus gemacht hat, was er von Privatssphäre hält (ungefähr soviel wie die NSA). Mangelnde Ehrlichkeit kann man Facebook nicht vorwerfen. Ich konnte und kann bis heute nicht verstehen, wie Leute einer Firma wie Facebook private Daten anvertrauen können. Das ist wie eine Einladung zum Missbrauch und ebenso ein Bekenntnis das einem die Privatssphäre entweder nicht wichtig ist oder man nicht verstanden hat was das Geschäftsmodell von Facebook ist. Wenn sich dieses Geschäftsmodell jetzt auf einen Messenger ausdehnt, dann sollte man sich schon klar sein, dass man nie wieder private Nachrichten damit verschicken sollte. Klar, kann man machen, aber wenn ich mal eine wirklich private Nachricht habe, soll ich dafür einen zweiten Messenger vorhalten ? Dann kann ich auch direkt nur den zweiten nutzen.

Aus meiner Sicht ist es in nahezu allen Fällen sehr unvernünftig (höflich ausgedrückt) sich auf Facebook zu setzen. Und der Sinn ist für viele auch nicht gegeben. Nun gibt es aber durchaus eine Menge Leute, die diesen Sinn auch nicht sehen, aber Verwendung für einen Messenger haben (warum hat wohl Zuckerberg WhattsApp gekauft, der ist auch nicht blöd). Und für diese Leute ist es in der Tat eine gute Idee, jetzt einen anderen Messenger zu suchen. Nicht weil der soviel sicherer ist. Sondern weil ein Facebook Messenger von vorneherein nicht sicher sein wird. Zuckerberg zahlt nicht 42 Euro pro Kunde, damit ein freier Dienst weiter sicher laufen wird. Das macht überhaupt keinen Sinn. Was Sinn macht ist diese neuen Kunden mit dem Geschäftsmodell von Facebook zu versorgen.

Aber vermutlich habe ich nur Angst. Naja, nicht wirklich, ich nutze den Kram ja nicht. Und dennoch habe ich eine, vielleicht nicht ganz unkundige, Meinung dazu. Alles nur Angst. Vor was eigentlich ? Vor der Naivität anderer ? Nicht wirklich.

Doeding Offline




Beiträge: 2.612

22.02.2014 09:37
#24 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Kallias im Beitrag #20
Zitat von Doeding im Beitrag #14
Meine sehr persönliche, gänzlich unempirische "Theorie"
Ha, sowas habe ich auch.
Zitat von Doeding im Beitrag #14
Borderline-Nationalcharakter
Gehört die Selbstablehnung, von der Sie anschaulicherweise hier gleich ein gutes Beispiel geben, lieber Andreas, ebenfalls zur Borderline-Störung?


Net schlecht, lieber Kallias .

Zitat
Auf ihrer schlechten Seite sind die Deutschen verunsicherte Dorfmenschen.



Zustimmung. Wobei das dann ja eben nicht die Geistesgrößen und Synthetisierer sind, sondern ggf. der studierte Germanist und Historiker Dr. Joseph Goebbels. Also eher Lynchmob, wobei das natürlich kein spezifisch deutsches Phänomen ist, aber hier möglicherweise besonders ausgeprägt in seinen "Amplituden"; instabil eben.

Zitat
Auf ihrer guten sind sie verlässlich, weltoffen und einfallsreich.



Ja, und zwischen diesen beiden Zügen scheint mir der Deutsche eben zu alternieren. Sie haben aber m. E. recht. Letztgenannte Eigenschaften, neben den Lafontaine`schen Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit, Fleiß, Gründlichkeit etc., dürften wesentlich der Grund für den unzweifelhaften wirtschaftlichen Erfolg der Bundesrepublik sein. Spätestens hier paßt mein obiges Beispiel nicht mehr besonders. Andererseits: Wo ein Wille (zur Pathologisierung) ist, da findet sich auch immer ein (formulierbarer) Weg. Wie wäre es mit: Emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ mit zwanghaften Verarbeitungsmechanismen?

Zitat
Mir scheint, wenn es politisch gerade mal nicht so gut läuft, schlägt der Deutsche gern auf die Deutschen ein.



Ist das nicht eher Ausdruck einer anderen deutschen Eigenart, nämlich des Hangs zur Beschäftigung der Deutschen mit sich selbst, die aber eben auch Quelle von Kunst, Literatur und Philosophie sein mag?

Herzliche Grüße,
Andreas

Fluminist Offline




Beiträge: 2.015

22.02.2014 11:40
#25 RE: Deutsche Tugenden Antworten

Zitat von Rayson im Beitrag #22
Zitat von Fluminist im Beitrag #16
Bei olympischen Winterspielen vor einigen Perioden (genau weiß ich nicht mehr, welche) hat der BBC-Sportreporter die erfolgte Abfahrt des britischen Viererbobs "GB-1" mit den anerkennenden Worten kommentiert: "Twenty-second place! Well done, boys!"
Ich bin mir ziemlich sicher, dass derselbe Platz bei einem Cricket-Turnier einen anderen Kommentar zur Folge gehabt hätte... Alles eine Frage der Zielsetzung.


Das ist sicher richtig, wobei allerdings die Engländer genug Selbstironie entwickelt haben, auch die regelmäßigen Niederlagen gegen all die ehemaligen Kolonien, denen sie unvorsichtigerweise das Cricketspiel beigebracht haben, mit Sportsgeist und Großmut wegzustecken.

An den Deutschen (und damit meine ich nicht die einzelnen deutschen Personen, sondern die aus der Geschichte bekannte und unbeliebte Karikatur-Germania) ist aber schon auffällig, daß sie meinen, immer, überall und bei allem die Besten sein zu müssen, und dabei gleichzeitig all das, was sie tatsächlich an Gutem haben, ablehnen und zugunsten dessen, was sie bei anderen sehen oder zu sehen meinen, geringschätzen. Eine paradoxe Verquickung von Größenwahn mit Neidkomplex.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Universitätenreform vor einigen Jahren. Der deutsche Diplomstudiengang war eine runde und anspruchsvolle Sache, weltweit anerkannt und bewundert, nur eben in Deutschland nicht, wo man ihn als zu deutsch und nicht weltmännisch genug empfand und endlich abschaffte. Jetzt haben wir den kosmopolitisch englisch betitelten Bachelorstudiengang, aber nicht irgendeinen, sondern natürlich den anspruchvollsten, vollgestopftesten, starrsten und bolognakonformsten, kurz den besten von allen. So nach dem Motto, jetzt zeigen wir den Engländern mal, wie man einen Bachelor richtig macht.

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