Mit Seitenblick auf Kollegen Elkmann, der ebenfalls schon einmal auf die großartige Matzbach-Serie von Gisbert Haefs verwiesen hat, der Lösungsansatz zu diesem Problem: Die Gesellschaft zur Stärkung der Verben!
Zitat Matzbach lauschte eine Weile den ringsumher ablaufenden Gesprächen, in denen immer wieder seltsame Imperfektformen seine Aufmerksamkeit heischten; dies um so mehr, als in normalen Gesprächen, im üblichen mündlichen Umgang, mit wenigen Ausnahmen, Vergangenes im zusammengesetzten Perfekt berichtet wird. In dieser Runde verwandten die Sprecher nicht nur Imperfekte, sondern diese fast immer in einer unüblichen Form. (...) Hauptanliegen der Gesellschaft schien es zu sein, alle schwachen Verben, die ihre Vergangenheitsformen durch ein angehängtes -t- bilden, derart zu stärken, dass saftige Konjunktive möglich wurden, wo die Sprache selbst sie nicht vorgesehen hatte; dass man das Licht ausknöpse, zerschülle; dass einige - wie eine sich im dekorativen Hosenanzug auf der Chaiselongue fläzende junge Dame bemerkte - wohl lieber durch die umliegenden Kneipen zögen und zöchen (zu: zechen, zoch, gezochen), als dass sie hier säßen, stünden oder, nach dem einen oder anderen Cocktail, schlöffen oder im Stehen schliefen. Mit besonderem Grimm vermork man, dass übles Gesindel, lichtloses Gelichter, jüngst sich dazu aufschwünge oder sich gar erdrisse, einerseits alle möglichen Konjunktive durch die ausschließlich der zukünftigen Unwahrscheinlichkeit vorbehaltene Bildung mit „würde“ zu ersetzen, andererseits ausgerechnet das schwache „brauchte“, das gar keinen Umlaut bilden dürfe, zu „bräuchte“ erhöbe. Man stimmte über mehrere Umbildungsvorschläge ab; die Gesellschafter schworen feierlich, nur noch „streben, strab, gestroben“ mit der Wahlmöglichkeit „sträbe/ströbe“, ferner „hoffen, huff (hüffe), gehuffen“ sowie „schmusen, schmos, geschmosen“ mit der bewegenden Möglichkeit „schmöse“ zu verwenden. Baltasar, als Gast des Abends, äußerte zwischendurch: „Ich verwünde es nimmer, enthöpfe meinem Gemäul jemals ein schwächlich ‚würde’, es sei denn, ich söffe derart, dass es mir Sprechen und Sein verschlüge“, wofür er geziemenden Beifall erhielt. Zur Lösung des Problems, wie solcherlei Bildungen erreichbar seien, wenn das zu stärkende Verb hinderliche Zwischenkonsonanten aufwiese, etwa in Fällen wie „zeichnen“ oder „speichern“, schlug ein pensionierter Oberförster in Tweed und grönem Hötchen vor, man solle dann den hemmenden Mitlaut an eine andere Stelle verschieben, so dass es etwa laute „zeichnen, zinch, gezinchen“ oder „speichern, spirch, gespirchen oder gespichern“; durch dieses listige Verfahren sei zwar kein Umlaut möglich gemacht, doch werde immerhin die Bildung eines eindeutigen Konjunktivs durch Anfügung eines -e erleichtert.
"Wer will, daß ich demnächst einen heiteren Artikel über das Kaufen von Kopfkissen verfassen soll, der hebe jetzt bitte die Hand. Aber natürlich nur, wenn Sie diese Zeilen in der Einsamkeit Ihrer Kammer lesen. Nicht, wenn Sie dies im Bus oder im Café tun. Das sähe doch saudumm aus, wenn Sie jetzt die Hand höben. "Höben" habe ich vorher noch nie geschrieben, aber "höben" ist nicht übel, so wie "büke". Ich wollte, man büke mir einen Klöben." (Max Goldt*, id Titanic, Nov. 1993)
* auch jemand, den die Furie des Verschwindens scheints ereilt hat. Wie Paris Hilton. Oder Peter Greenaway. Oder Ulrich Holbein. Oder Benjamin Lebert. Oder Daniel Kehlmann. Oder Kathrin Passig. Oder Raoul Schrott. Man müßte mal eine Liste solcher kurzperiodischer Irrsterne erstellen. Das Auskultieren von Gründen für die kurze Halbwertszeit dürfte wenig zielführend sein ("Notorischkeit" möchte 1 gewisse Rolle spielen); eher schon die Frage, ob ihre Menge im Laufe der letzten ~250 Jahre eher zu- oder abgenommen hat.
Calimero
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27.02.2014 20:06
#5 RE: Zu Zettels Todestag (3): Die starken Verben schwächeln. Wie sich das Fauldeutsche ausbreitet
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #4"[...]"Höben" habe ich vorher noch nie geschrieben, aber "höben" ist nicht übel, so wie "büke". [...]" (Max Goldt*, id Titanic, Nov. 1993)
Ich wäre ja für das veraltete hüben (ungeachtet der ärgerlichen Homonymie mit dem hüben, das in hüben und drüben begegnet). Das wäre doch wirklich herzerhübend, oder?
Zitat von Ulrich Elkmann im Beitrag #4"* auch jemand, den die Furie des Verschwindens scheints ereilt hat. Wie Paris Hilton. Oder Peter Greenaway. Oder Ulrich Holbein. Oder Benjamin Lebert. Oder Daniel Kehlmann. Oder Kathrin Passig. Oder Raoul Schrott.
Nur mit dem Unterschied, dass es um Herrn Goldt ziemlich schade ist. Schließlich verdanken wir ihm nicht zuletzt die Erkenntnis, dass sich statistisch gesehen in jeder größeren Runde eine Person findet, die ständig irgendetwas mit dem Begriff "Guter Bandname!!" versieht. Beispiel: "250 knickbare Trinkhalme - Guter Bandname!!"
Gruß Petz
PS: Die Tatsache, dass die Max Goldt-Textsammlung (ein recht dünnes Büchlein, http://www.amazon.de/F%C3%BCr-N%C3%A4cht...n/dp/3498024965 ) den Zeitraum von 1988 bis 2002 umfasst, spricht eher gegen den kurzperiodischen Irrstern als vielmehr für einen ausgesprochenen Wenigschreiber.
"The problem with quotes from the Internet is that it is difficult to determine whether or not they are genuine" - Abraham Lincoln
Calimero
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28.02.2014 07:57
#8 RE: Zu Zettels Todestag (3): Die starken Verben schwächeln. Wie sich das Fauldeutsche ausbreitet
Zitat von Meister Petz im Beitrag #7Nur mit dem Unterschied, dass es um Herrn Goldt ziemlich schade ist. Schließlich verdanken wir ihm nicht zuletzt die Erkenntnis, dass sich statistisch gesehen in jeder größeren Runde eine Person findet, die ständig irgendetwas mit dem Begriff "Guter Bandname!!" versieht. Beispiel: "250 knickbare Trinkhalme - Guter Bandname!!"
Der von ihm erfundene, treffliche Begriff Klofußumpuschelung hat sich auf jeden Fall nachhaltig in meinem aktiven Wortschatz verankert.
------------------------------------------------------- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Ich weiß nicht mehr genau, wann, und noch weniger auf welchen Wegen ich das erste Mal auf "Zettels Raum" stieß, und abgesehen von den klugen Gedanken, denen ich zwar nicht immer zustimmte, die aber dennoch bedenkenswert waren, war ich nicht zuletzt von dem ausgezeichneten Deutsch angetan. Da gab es keine schludrige Rechtschreibung (vor allem keine "reformierte"), keine unordentliche Grammatik, sondern wohlformulierte Sätze, so daß ich zuerst jemand ganz anderen hinter "Zettel" vermutete. Zwar weiß ich immer noch nicht, wer Zettel war, aber soviel sickerte doch durch, daß er Naturwissenschaftler war, womit sich meine Vermutung erledigte. Zu den starken Verben bekam ich gestern ein paar Kostproben: "Brech dir ruhig was ab und eß es mit Genuß", sagte eine Freundin, die ich nicht verbessern wollte, obwohl ich einen kleinen Schlag im Nacken verspürte.
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