Freiheit ist ein viel zu schöner Begriff, als dass man seine Definition denjenigen überlassen könnte, die mit ihm nichts anzufangen wissen. Zu einem jüngst in Zettels Raum veröffentlichten Artikel hat nachdenken_schmerzt_nicht ein solches Feuerwerk an interessanten Ideen gezündet, dass ich ihn gebeten habe, diese Gedanken zu einem Blogbeitrag zu aggregieren. Herausgekommen ist dabei ein schöner philosophischer Essay, den ich Ihnen hiermit präsentieren darf.
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im BlogbeitragIn diesem Zusammenhang erscheint mir folgender implizit enthaltener Gedanke bemerkenswert: Die Bedrohung der Freiheit ginge von Einzelnen aus und nur das Kollektiv ist imstande, die Freiheit zu schützen. Es ist zwar richtig, daß historisch betrachtet brutale Unterdrückung der Freiheit oft von Diktatoren ausging, daraus aber abzuleiten, die große Gefahr für die Freiheit ginge von Einzelnen aus, ist ein fataler Fehlschluß. Grundlegende Angriffe auf das Wesen der (persönlichen) Freiheit erfolg(t)en (fast) immer durch das Kollektiv.
Vielleicht liegt diesem Fehlschluss auch Folgendes zugrunde: Nach außen hin, also gegen fremde Mächte, schützt natürlich das Kollektiv unsere Freiheit, weil wir als Einzelne nicht in der Lage sind, uns gegen den Angriff bewaffneter Kräfte zu wehren. Nach innen hin schützt zum Teil auch das Kollektiv unsere Freiheit, etwa wenn es gegen Kriminelle vorgeht, die in unsere Rechtspositionen eingreifen. Aber nach innen geht vom Kollektiv natürlich auch eine Gefahr für die Freiheit aus. Das Kollektiv ist, was seine Wirkung nach innen betrifft, janusköpfig. Um es pointiert zu formulieren: Der Staat schützt das Individuum A vor dem Individuum B, das A um sein Geld bringen möchte. Aber wenn es darum geht, Abgaben einzutreiben, tritt der Staat selbst zunehmend skrupellos auf.
Der linke Mainstream wünscht sich nun einen Staat, der nach außen hin und z.B. gegen Kriminalität, die Einzelne betrifft, schwach auftritt, der aber seine volle Stärke entfaltet, wenn es darum geht, die (vermeintlichen) Ansprüche des Kollektivs gegen das Individuum durchzusetzen.
Für denjenigen, der die Freiheit des Einzelnen vom Kollektiv her definiert, nämlich als "eingeschränkte Formen der Freiheit, die er persönlich noch für Freiheit hält" (nachdenken_schmerzt_nicht im Blogbeitrag) ist natürlich das Kollektiv Garant der Freiheit, denn bei ihm liegt ja die Definitionsmacht über diesen Begriff: Freiheit ist, was das Kollektiv dem Einzelnen an Freiheit gewährt. Wir haben unsere Freiheit also nur von den anderen gepachtet. Ein grässlicher Gedanke, der aber hierzulande weit verbreitet ist.
Zitat von Lisa Herzog, zitiert im BlogbeitragFür diese Debatte wollte ich in meinem Buch Denkanstöße geben, ohne konkrete Politikvorschläge zu machen […], weil es in einer liberalen Gesellschaft nicht die Aufgabe von Philosophen (oder Ökonomen!), sondern die aller Individuen ist, diese Fragen zu stellen und konkrete Lösungen zu finden.
Zitat von n_s_n im BlogbeitragFür mich klingt dies wie eine Flucht vor den Konsequenzen ihrer eigenen Gedanken. Frau Herzog verwehrt sich selbst einen Vorschlag mit der Begründung, einen solchen zu unterbreiten sei die Aufgabe aller. Wie sollen alle aber dieser Aufgabe gerecht werden, wenn nicht jeder einzelne, also auch sie, seine Vorschläge zur Diskussion stellt?
Völlig richtig, lieber n_s_n; das deckt sich schon mit der Alltagserfahrung, etwa aus dem Wirtschaftsleben: Wenn alle verantwortlich sind, dann ist es am Ende keiner (gewesen) . Sozialpsychologisch entspricht das dem Konzept der Verantwortungsdiffusion: wenn eine Frau bedrängt wird und um Hilfe ruft, dann sind ihre Chancen, Hilfe zu bekommen deutlich besser, wenn lediglich ein oder zwei Passanten dies sehen, als wenn eine große Menschentraube drum herum steht. Der eine orientiert sich am anderen und an der Gruppe, und wenn die anderen nichts tun, dann wird das wohl das der Situation gemäße Verhalten sein. Je stärker man sich dagegen auf seine Individualität besinnt (oder darauf zurückgeworfen ist), desto stärker handelt man nach den intrinsischen Überzeugungen, d. h. nach den eigenen Wertmaßstäben.
Es gibt Artikel, die in sich derart rund sind, dass man dem Autor erstmal nur danken und zustimmen möchte ohne noch etwas hinzufügen oder erwidern zu wollen. Das hier ist so einer, lieber nachdenken_schmerzt_nicht.
Habe erstmal ein Bookmark gesetzt und finde bei nochmaligem Durchlesen vielleicht doch noch einen Anker für einen inhaltlichen Kommentar. Erstmal aber nur meinen
Beste Grüße, Calimero
------------------------------------------------------- Vertrauen in das Volk ist fast immer unbegründet; Kultur ist das Werk weniger. - Zettel
Dazu passt mal wieder eines meiner Lieblingszitate:
"Die kleinste Minderheit auf der Erde ist das Individuum. Jene, welche Individualrechte bestreiten, können nicht für sich beanspruchen, Verteidiger von Minderheiten zu sein." (Ayn Rand)
Zitat von Joachim im Beitrag #5"Die kleinste Minderheit auf der Erde ist das Individuum. Jene, welche Individualrechte bestreiten, können nicht für sich beanspruchen, Verteidiger von Minderheiten zu sein." (Ayn Rand)
Danke für dieses Zitat, auch wenn es mir fast ein bißchen peinlich ist, wenn mein einer Satz im Beitrag nun wie "abgeschrieben" ausschaut.
Ich habe Ayn Rand leider noch nie gelesen und kannte daher auch dieses Zitat nicht. Was daher wie Abschreiben ausschaut, war im Moment des Schreibens meines Beitrags nur der Zwangsläufigkeit meines eigenen Gedankengangs in diesem Moment geschuldet. Hätte ich das Zitat Ayan Rands gekannt, hätte ich es sicherlich als solches gekennzeichnet.
Allredings ein Grund mehr für mich Atlas Shrugged weiterhin auf meiner Liste zu lesender Bücher zu belassen und gegebnenfalls zeitlich weiter nach vorn zu ziehen.
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von Calimero im Beitrag #4Das hier ist so einer, lieber nachdenken_schmerzt_nicht.
Lieber Calimero,
für ein solches Kompliment sei es mir gestattet, an dieser Stelle "dankeschön" zu sagen.
Ich weiß nicht ob der Beitrag rund ist (so ein paar Kanten, machen mir schon Bauchschmerzen) und auch nicht ob die runden Beiträge immer die "besten" sind (egal wie sehr ich mich über Ihr Kompliment grade freue ). Einige meiner Gedanken sind "steil" und fordern geradezu heraus sie anzugreifen, aber ich hoffe das wird schwer sein, Präzision erfordern und damit Erkenntnisgewinn bringen. In diesem Sinne auch Noricus danke, für seine Betrachtungen und sinnvolle Erweiterung meiner Gedanken zu Kollektiv und Freiheit im Wechselspiel von Notwendigkeit und Gefahr.
Desweiteren hat mir auch Lisa Herzogs Beitrag viel Erkenntnis beschert, obwohl ich ihn alles andere als "rund" fand. Über Freiheit neu nachzudenken und zu helfen die offenen Flanken derer aufzudecken, die sie neu, im Zeitgeist definieren wollen, sind die beiden Dinge welche zu erreichen eine wunderbare Sache wäre. Als ich damals in der FAZ zur Einleitung der beiden im Beitrag zitierten Artikel die Frage las "Was ist zeitgemäser Liberalismus?", hat es mich schon geschüttelt.
Mich widert diese "zeitgemäß Frage" an: Was ist zeitgemäßer xyz? (beliebigen Wert für xyz einsetzen) Mich widert diese Frage deswegen an, weil sie implizit zum Ausdruck bringt, dass es keinen anderen Wert mehr als "zeitgemäß" gibt. "Zeitgemäß" ist der aboluten Wert an dem sich alles zu orientieren hat, das Fundament der Moral, welche über alles herrscht. Und da es in der Natur der Zeit liegt zu vergehen, liegt es auch in der Natur dieser Moral, dass sie so beliebig wie vergänglich ist. Was sie leider nicht davon abhalten kann, auch Unheil anzurichten.
Daher frage ich mich auch immer noch, ob diese einleitende Frage in der FAZ ernst gemeint oder mit ironischem Unterton gestellt ist. Ich befürchte aber, sie ist ernst gemeint.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Ich habe Ayn Rand leider noch nie gelesen und kannte daher auch dieses Zitat nicht. Was daher wie Abschreiben ausschaut, war im Moment des Schreibens meines Beitrags nur der Zwangsläufigkeit meines eigenen Gedankengangs in diesem Moment geschuldet. Hätte ich das Zitat Ayan Rands gekannt, hätte ich es sicherlich als solches gekennzeichnet.
Allredings ein Grund mehr für mich Atlas Shrugged weiterhin auf meiner Liste zu lesender Bücher zu belassen und gegebnenfalls zeitlich weiter nach vorn zu ziehen.
Aber ganz nach vorn, lieber Nachdenken_schmerzt_nicht, ganz nach vorn. Und möglichst auf Englisch. Ich kenne die deutsche Übersetzung zwar nicht, aber hier erscheint mir die Originalsprache angemessen. Ich darf übrigens auch mal auf ein weiteres Werk von Ayn Rand verweisen, We the Living, aus meiner Sicht eine der besten Beschreibungen der postrevolutionären Phase im St. Petersburg der 20er Jahre. Und der Entgleisungen, bzw. besser gesagt der logischen Folgen des Wirkens von Totalitarismus ganz allgemein. Hat mich sehr beeindruckt.
Ich habe Ayn Rand leider noch nie gelesen und kannte daher auch dieses Zitat nicht. Was daher wie Abschreiben ausschaut, war im Moment des Schreibens meines Beitrags nur der Zwangsläufigkeit meines eigenen Gedankengangs in diesem Moment geschuldet. Hätte ich das Zitat Ayan Rands gekannt, hätte ich es sicherlich als solches gekennzeichnet.
Allredings ein Grund mehr für mich Atlas Shrugged weiterhin auf meiner Liste zu lesender Bücher zu belassen und gegebnenfalls zeitlich weiter nach vorn zu ziehen.
Aber ganz nach vorn, lieber Nachdenken_schmerzt_nicht, ganz nach vorn. Und möglichst auf Englisch. Ich kenne die deutsche Übersetzung zwar nicht, aber hier erscheint mir die Originalsprache angemessen. Ich darf übrigens auch mal auf ein weiteres Werk von Ayn Rand verweisen, We the Living, aus meiner Sicht eine der besten Beschreibungen der postrevolutionären Phase im St. Petersburg der 20er Jahre. Und der Entgleisungen, bzw. besser gesagt der logischen Folgen des Wirkens von Totalitarismus ganz allgemein. Hat mich sehr beeindruckt.
Freundlichst, Krischan
Beiden Empfehlungen schließe ich mich vollumfänglich an. We the Living ist absolute Pflichtlektüre für jeden, der hinsichtlich des Charakters des Sozialismus noch die geringsten Illusionen hat. Apropos Umfang - die Länge der Bücher (insbesondere Atlas Shrugged) sollte nicht abschrecken, denn sie sind sehr flüssig und lesbar geschrieben, und Atlas Shrugged hat so viele so auffällige Parallelen zur gegenwärtigen Situation, daß man gebannt immer weiterliest - so ging es mir jedenfalls.
(Eine kleine Anmerkung allerdings, die hoffentlich kein Spoiler ist: Ayn Rands positive Hauptfiguren wirken auf mich als arrogante Ar...cher in einem Maße, das m.E. nicht notwendig ist, und geben dem Individualismus so einen schlechteren Anstrich als beabsichtigt. Die Gute war eben ein bißchen extrem.)
Zweifelsohne ein schöner philosophischer Essay, wie Noricus anführt. Ich bin sehr dankbar für Ihre Erörterung, lieber nachdenken_schmerzt_nicht.
U.a. haben Sie das ständige begriffliche Zusammenkleistern (das ärgert mich immer wieder) von "Markt" und "Moral" kritisch beleuchtet . Es ist doch klar (m.E. jedenfalls ), dass eine Metapher für menschliches Verhalten (= Markt) ihrerseits keine handelnde Entität darstellt und deshalb auch kein Moralträger sein kann, vielmehr tragen die Marktteilnehmer IHRE Moral in den Markt hinein, die dadurch mitnichten eine Moral "des Marktes" wird, eine Verwechslung von Schauplatz und Handlung am Schauplatz also.
Die Herzog'sche Grundidee zeigt sich (implizit) auch in ihren weiteren Argumenten: Das Kollektiv ist eine Entität, die unabhängig von den Individuen zu beurteilen ist, aus denen es sich zusammensetzt und im Zweifelsfall weiser ist als die unterbelichteten Individuen.
Beispiel, O-Ton Herzog:
Zitat Reale Menschen dagegen leben in sozialen Gemeinschaft. Sie werden in bestimmte Kulturen hinein sozialisiert, und internalisieren die in ihnen vorherrschenden Normen
Wo aber kommen die vorherrschenden Normen denn her? Von Gott? könnte ja sein, wäre eine nicht illegitime Auffassung, aber in diesem Sinne äußert sich Frau Herzog nicht. Ist das "Internalisieren" ein Schicksal? Wenn Internalisieren geht, geht Externalisieren genauso, aber das wäre natürlich böse, weil alles Hergebrachte und/oder vermeintlich Überindividuelle automatisch irgendwie besser ist. Frau Herzog argumentiert paternalistisch, wenngleich auf die eher nette Art, also garniert mit ein paar eher schein-liberalen als liberalen Andeutungen. Sie hat schlicht kein Vertrauen in die Fähigkeiten, namentlich in die moralischen Fähigkeiten, von Individuen, die man nicht ohne Kontrolle einfach so rumlaufen lassen darf. Wie alle Kollektivisten kann sie nicht schlüssig erklären, wo das weise Kollektiv seine Weisheiten eigentlich herhaben will, wenn nicht von den verdächtigen, eher dummen Individuen.
in diesem Sinne ist sie offenbar auch der Auffassung, dass individuelle Freiheit keine Moralgenese zustande bringen kann, erklärt die Genese aber nicht. "Gesellschaftlich", "gemeinschaftlich", "kollektiv" sind Nebelkerzen, die nichts erhellen.
Was mir entgangen war: Karen Horn hat wiederum auf den Beitrag Lisa Herzogs geantwortet. Hier ihr neuerlicher Beitrag .
Ich kann an manchen Stellen folgen, aber an einer Stelle möchte ich wirklich laut aufschreien. Karen Horn scheibt:
Zitat von Karen Horn in der FAZ Wenn der Liberalismus zeitgemäß werden soll, was ich mir genauso wie Lisa Herzog wünsche…
Warum dieser Wunsch? Warum soll der Liberalismus zeitgemäß werden?
Ich habe es weiter oben schon geschrieben: Dieses fürchterliche Modewort ist die Geisel unserer Gesellschaft. Zeitgemäße Religionsausübung war auch einmal die Hexenverbrennung und das meine ich durchaus so wie ich es schreibe. Hätte man sich an Christus orientiert, seiner Lehre und ihren Werten, anstatt an seiner eigenen „zeitgemäßen“ Auslegung, hätte es keine Hexenverbrennungen gegeben.
Es liegt in der Natur eines Wertes, daß er zeitlos, daß er unabhängig von äußeren Umständen ist. Hat man einen Wert als solchen erkannt, dann ist man gut beraten die wahrgenommene Wirklichkeit an ihm auszurichten und nicht den Wert anhand der wahrgenommenen Wirklichkeit neu zu definieren.
Ist es wirklich so schwierig zu verstehen, daß es per definitionem keine zeitgemäßen Werte geben kann? Wenn Werte zeitgemäß werden (können), bedeuten sie Beliebigkeit. Sie sind damit keine Werte mehr. Ein Wert ist ja gerade durch die Konstanz über Zeit und Umstände definiert.
Wer an den Liberalismus und damit an die persönlich Freiheit als Wert an und für sich glaubt, welcher nur durch die Freiheit des anderen beschränkt wird, muß sich gegen die Idee eines zeitgemäßen Liberalismus verwehren. Es darf ihn nicht geben, diesen zeitgemäßen Liberalismus. Es wäre sein Tod durch eine kulturelle Relativierung des Wertes an sich.
Es steht außer Frage, dass jede Gesellschaft, so wie jede Zeit ihren Umgang mit dem Liberalismus finden muß. Keiner ist frei von seiner kulturellen und edukativen Prägung, woher immer sie auch ihren Ursprung nimmt. Nicht Frau Herzog, nicht Frau Horn und auch ich nicht. Konsequent liberal zu sein, in seiner ursprünglichsten Definition, dem „kleinsten gemeinsamen Nenner“ ist eine Herkulesaufgabe, der in der Realität kein Individuum gewachsen sein dürfte. Aber diese Erkenntnis darf nicht dazu führen, dass wir den erkannten Wert anhand dieser Tatsache neu definieren, schon gar nicht immer weiter und weiter gefaßt, damit sich möglichst viele mit diesem „neuen Wert“ wohlfühlen und / oder sich unter seinem Banner zusammen finden können. Diese Erkenntnis muß die Aufforderung sein, sich ständig gegen diesen unveränderlichen, absoluten Wert (den Liberalismus) zu messen und messen zu lassen, damit man ihn in Denken und Handeln nicht aus den Augen verliert.
Wer an den Liberalismus und die persönliche Freiheit als Wert an und für sich glaubt, braucht ihn nicht zeitgemäß. Im Gegenteil: Er muß jedem Versuch einer „zeitgemäßen Definition“ laut und deutlich widersprechen.
Wenn ich Frau Horns Text mit dem Wissen lese, dass sie eine Fürsprecherin des Liberalismus verkörpert, die ihn gleichzeitig zeitgemäß einfordert, muß ich an ein altes Zitat von Zettel denken, dass ich damals schon als sehr klug, ja weise empfand und das mich in diesem Zusammenhang wirklich zusammenzucken läßt:
Ein sehr guter Beitrag von nachdenken_schmerzt_nicht, meine Hochachtung.
Eine Anmerkung möchte ich noch zum im Blogbeitrag ziterten letztem Satz aus Lisa Herzogs Text machen, den ich der Klarheit wegen noch einmal angebe:
Zitat Für diese Debatte wollte ich in meinem Buch Denkanstöße geben, ohne konkrete Politikvorschläge zu machen […], weil es in einer liberalen Gesellschaft nicht die Aufgabe von Philosophen (oder Ökonomen!), sondern die aller Individuen ist, diese Fragen zu stellen und konkrete Lösungen zu finden.
Mit der Kritik, die nachdenken_schmerzt_nicht in seinem Beitrag äußert stimme ich grundlegend überein, ginge aber noch einen Schritt weiter. Wenn es nämlich die Aufgabe "aller Individuen ist, diese Fragen zu stellen und konkrete Lösungen zu finden", sie selbst aber gerade deshalb auf konkrete Politikvorschläge verzichten kann, dann (a) verneint Frau Herzog hier entweder ihren eigenen Status als Individuum, oder (b) für sie stellen konkrete Politikvorschläge grundsätzlich keine Möglichkeit dar, Lösungen für die von ihr aufgezeigten Fragen zu finden. Jetzt kann man Frau Herzog zugutehalten, dass sie eben nur von konkreten Politikvoschlägen und nicht von (Lösungs-)Vorschlägen überhaupt spricht. Unterstellt man ihr, dass (b1) sie diese Unterscheidung bewusst trifft, dann hieße das, dass sie die Möglichkeit sinnvoller Politik in diesem Problembereich bezweifelt. Ihre Aussage wäre dann, dass Lösungen nur ohne Politik gefunden werden können. Die logische Konsequenz wäre in diesem Falle aber die Einnahme eines anarchistischen Standpunkts (den ich bei Frau Herzog gerade nicht sehen kann). Nimmt man hingegegen an, dass (b2) sie trotz der Formulierung gerade keine Einschränkung ihrer Weigerung auf das politische vornehmen möchte, dann bedeutete dies in der Konsequenz, dass für sie Vorschläge nie zu konkreten Lösungen führen werden. Dann wäre das Problem aber als unlösbar nachgewiesen und müsste somit auch nicht mehr debattiert werden. Damit kommen wir wieder zurück auf Alternative (a). Wir hätten es dann also mit eine Frau zu tun, die sich selbst die Grundvoraussetzung zur Freiheit abspricht, nämlich die, ein Individuum zu sein. Nach dieser Interpretation leugnet Frau Herzog schlicht die Möglichkeit von Aufklärung (man fühlt sich beinahe genötigt, ihr Kants "Was ist Aufklärung" über das Bett zu hängen). Es müsste noch geklärt werden, ob dies auch die Erklärung ist, wie es zu der zweiten Aussage kommt, der nachdenken_schmerzt_nicht widerspricht:
Zitat Frei zu sein, bedeutet, sich dieser Einflüsse bewusst zu werden, und eine gewisse Distanz zu erreichen – und sich gegenseitig als freie Menschen ernst zu nehmen, als Individuen, die moralische Verantwortung übernehmen können, trotz all unserer menschlicher Schwächen, die wir durchaus aneinander und an uns selbst wahrnehmen können.
Es bliebe noch die letzte Alternative, dass ihre Aussage schlicht widersprüchlich ist. Dies wäre angesichts der Tatsache, dass nichts im Rest ihres Artikels auf Alternative (b1) hindeutet, noch die wohlwollendste Interpretation ihrer Aussage.
Lieber n_d_s, es holt sich ja jeder seine Anregungen mitunter aus ganz anderen Stellen. In diesem Fall ist es Dein Kommentar zur Zeitgemäßheit, der für mich den Charme des ganzen Threads ausmacht. Diverse philosophische Liberalismus-Betrachtungen habe ich nun nach meinem Geschmack zur Genüge hinter mir - da lese ich Deine zwar mit Wohlwollen, aber mit nur wenig Eigeninteresse. Doch diese Huldigungen an den Zeitgeist, die nerven mich eben auch ziemlich konkret immer noch. Ich kann Dir da nur zustimmen.
Vielleicht lässt sich Karen Horns Bemerkung damit retten, dass sie viel eher an eine zeitgemäße Vermittlung gedacht hat. Dafür spräche ja auch ihre Einlassung, es gelte vor allem, den Liberalismus "gründlich zu entstauben und zu polieren, dann besteht der erste Schritt darin, sich zu überlegen, was den Kern dieser politischen Philosophie ausmacht". Und eine neue Zeit bringt ja auch neue Herausforderungen, auf die dann jeweils, natürlich immer basierend auf demselben "Kern", jeweils passende Antworten zu finden und zu formulieren wären. Eine Zeitgemäßheit in diesem Sinn kann ich mir gut vorstellen.
Aber ein heftiger zeitgeistiger Gegenwind gegen die Grundideen des Liberalismus darf für einen echten Liberalen kein Anlass sein, an eine Überarbeitung dessen zu denken, was er aufgrund gründlicher Überlegungen als richtig erkannt hat - es sei denn natürlich, es handelte sich um echte, empirische Widerlegungen von Grundannahmen. Nur sind die nunmal, soll man sagen: "leider?", sehr, sehr selten, und sie bedürften einer konkreten Gegenthese. Allein, dass Zeit vergangen ist, ist keine solche. Auch nicht, dass sich im Zeitablauf Präferenzen der Mehrheit geändert haben können.
Ein Liberalismus, der sich "zeitgemäß" zum Sozialismus entwickelt, wird dadurch nicht besser. Er verschwindet einfach nur.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
vielen Dank für deinen Kommentar und deinen Zuspruch zu meiner scharfen Kritik am Wort „zeitgemäß“. Ich habe diesen Kommentar zur „Zeitgemäßheit“ mit sehr viel Wut im Bauch geschrieben und wenn man mit Wut im Bauch nachdenkt, kann man sich nie so sicher sein, ob man nicht überzieht und unsachlich wird. Da nimmt, mir zumindest, der Zuspruch anderer Menschen einen Teil dieser Befürchtungen.
Mir geht es mittlerweile sogar so, dass ich mich darüber ärgere in meinem Gastbeitrag das Thema um die „Zeitgemäßheit“ übersehen bzw. nicht beachtet zu haben, weil es eine wesentliche Komponente des ganzen Problems um die Deutungshoheit zur Freiheit ist. Und das, obwohl es in der FAZ "fett gedruckt" als Überschrift zu allen drei Beiträgen steht: „Was ist zeitgemäßer Liberalismus?“
Zitat von Rayson im Beitrag #13 Vielleicht lässt sich Karen Horns Bemerkung damit retten, dass sie viel eher an eine zeitgemäße Vermittlung gedacht hat.
Ich habe darüber nachgedacht. Auch und vor allem in Verbindung mit dem Zitat von Zettel, welches ich oben anführte. Versuche ich einmal meine Gedanken darzulegen: Das Wort „zeitgemäß“ ist ein Modewort. Es dient in vielen, eigentlich allen Zusammenhängen der Relativierung derjenigen Werte, mit welchen die Vertreter der vorherrschenden, stark links dominierten „Meinungsintelligenz“ unserer Gesellschaft auf Kriegsfuß stehen und welche ihnen ein Dorn im Auge sind. Das Wort „zeitgemäß“ steht für den Versuch dieser linken, ökoreligiös dominierten Meinungsherrscher, Werte die ihnen entgegen stehen für sich zu vereinnahmen, auf daß sie Teil der eigenen Bewegung werden. Im Kollektiv soll alles aufgehen. Utopia ruft. Man betrachte nur die Kirchen. In mehreren Beiträgen in Zettels Raum, unter anderem hier und hier, wurde schon diskutiert, wie umfassend sie dem neuen Denken und seinen Werten bereits unterworfen wurden. Ich halte das auch in diesem Zusammenhang für eine äußerst bedenkliche Entwicklung. Auch wenn ich viele „klassischen Werte“ der Kirchen nicht teile, halte ich für eminent wichtig, dass sie weiterhin vertreten werden.
Verwendet nun jemand, der einen solchen Grundwert verteidigen möchte, ebenfalls das Wort „zeitgemäß“ in seiner Verteidigung, wäre er im Sinne „meiner Heisenbergschen Unschärferelation der Philosophie“ schon sehr blauäugig, wenn er davon ausginge dass dies irgendjemand (vor allem aber die Kritisierten selbst) richtig verstünde. Dieses Wort „zeitgemäß“ hat in der Debatte um Liberalismus die argumentative Präzision, welche auch eine Kettensäge bei einer Herzkranzgefäß OP hat. Man kann gesichert davon ausgehen, dass diejenigen die man mit seinen Argument erreichen möchte nur das darunter verstehen, was sie darunter verstehen wollen. In diesem Sinne ist schon das Verwenden des Wortes „zeitgemäß“ eine Tatsache, die man als Unterwerfung unter die Normen der kritisierten Ideologie verstehen kann, ja muß. Das sollte eigentlich auch Frau Horn klar sein, wenn sie es denn so gemeint hat wie du dir vorstellen könntest, dass ihre Bemerkung gemeint war (um sie zu retten).
Zitat von Rayson im Beitrag #13 Und eine neue Zeit bringt ja auch neue Herausforderungen, auf die dann jeweils, natürlich immer basierend auf demselben "Kern", jeweils passende Antworten zu finden und zu formulieren wären. Eine Zeitgemäßheit in diesem Sinn kann ich mir gut vorstellen.
Absolut. Das war es auch was ich meinte als ich schrieb, dass jede Zeit ihren Umgang mit dem Liberalismus finden muß. Auch ein absoluter Wert hat im Wandel der Zeit immer wieder neue Aspekte, denen man sich stellen muß. Dies darf aber weder zu Unschärfen des Wertes noch zu einer Veränderung seiner Definition führen. Im Gegenteil: Es ist notwendig, dass diese so „scharf“ wie möglich bleibt, um geeignete Orientierung zu geben. Der Wert, in unserem Falle hier die persönlich Freiheit, ist das Magnetfeld an dem sich die Kompaßnadel (unsere Gesellschaft) auszurichten hat. Es sollte nicht der Erdball gedreht werden, bis die Nadel in die gewünschte Richtung zeigt.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #14Das Wort „zeitgemäß“ ist ein Modewort. Es dient in vielen, eigentlich allen Zusammenhängen der Relativierung derjenigen Werte, mit welchen die Vertreter der vorherrschenden, stark links dominierten „Meinungsintelligenz“ unserer Gesellschaft auf Kriegsfuß stehen und welche ihnen ein Dorn im Auge sind.
Das ist eine interessante Beobachtung. Früher war ja recht klar, daß "links" für Veränderungen war und "rechts" dagegen.
Tendenziell wurden Veränderungen als Fortschritt empfunden, der entsprechende Begriff war "modern". Die Liberalen waren tendenziell ähnlich aufgestellt.
Durch das Aufkommen der Grünen hat sich das krass geändert, im Prinzip ist der größte Teil der Linken fast schon reaktionär - Ziel ist nicht mehr wie im klassischen Konservatismus ein Bewahren des aktuellen Zustands, sondern eher ein Zurück in die goldene Vergangenheit ohne die Zumutungen moderner Technik. "Fortschritt" wird dabei eindeutig negativ konnotiert, die typische Sprachwendung ist die "blinde Fortschrittsgläubigkeit".
Wenn man dann doch an einigen Punkten (eigentlich nur noch Gender, Migranten und Schwulen) etwas verändert werden soll, kann die allgemeine und diskreditierte Vokabel "modern" nicht mehr verwendet werden. Also wird jetzt "zeitgemäß" gesagt.
Danke werter Vilosov, für diese beiden Links. Aus dem Artikel von Herrn Hank habe ich einige Anregungen zum Nachdenken mitnehmen können.
Was Frau Herzog betrifft finde ich, dass sie hier noch sehr viel offensichtlicher auftritt mit dem um was es ihr geht: Nämlich um die Einschränkung der Freihet, nicht um deren Verteidigung. Mit einem Weltbild, das durchaus starkt geprägt ist von (modernen) linken bis sehr linken Vorstellungen. An ihrem Versuch die "positive Freiheit" zu etablieren macht sie deutlich, was in ihrem von mir kommentierten Beitrag nicht ganz so leicht zu erkennen war (zumindest für mich): Sie sieht die Freiheit nicht als Wert. Sie sieht ihn als eine Zustandsbeschreibung. Freiheit bedeutet dabei denjenigen Zustand, in dem die Gesellschaft nach ihrem eigenen Wertekodex perfekt funktioniert und implizit scheint sie davon auszugehen, dass ihr (Frau Herzogs) eigner Wertekodex der dazu geeignete sein könnte.
In diesem Artikel finde ich so viele Stellen, welche nach einer ausführlichen Kommentierung verlagen... aber "Repetita non placent."
Ein Zitat aus dem Artikel Frau Herzogs möchte ich aber hier angeben, ein Zitat dass sie sogar als Abschnittsüberschrift gewählt hat:
Zitat von Frau Herzog in der FAZDer freie Bürger lebt in einer Gesellschaft, in der ausgehandelt wird, was liberal ist
In diesem Zitat legt Frau Herzog offen, was sie von der Freiheit hält: Eine Ware die gehandelt wird. Und notfalls eben auch verramscht. Dass jemand, der als Fürsprecher der Freiheit auftritt, so über sie schreibt, sagt in diesem Zusammenhang* alles über ihn aus.
Herzlich
nachdenken_schmerzt_nicht
*"in diesem Zusammenhang" nachträglich korrigiert
\"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit.\" - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #17Sie sieht die Freiheit nicht als Wert. Sie sieht ihn als eine Zustandsbeschreibung. Freiheit bedeutet dabei denjenigen Zustand, in dem die Gesellschaft nach ihrem eigenen Wertekodex perfekt funktioniert und implizit scheint sie davon auszugehen, dass ihr (Frau Herzogs) eigner Wertekodex der dazu geeignete sein könnte.
Es ist m.E. noch viel übler. Herzog lehnt den Begriff der individuellen Freiheit, also der mit Verantwortung für sich und andere, grundsätzlich ab und will ihn durch das berühmte kollektive "Aushandeln" ersetzen, das schon seit Jahrzehnten als Euphemismus für Fremdbestimmung herhalten muss. Der Bürger soll nicht in eigener Verantwortung handeln, sondern nur im Kollektiv "mitreden". Das lässt so viele freiheitsfeindliche Scheunentore offen, dass ich es mir erspare, auch nur eins davon aufzulisten - auf mindestens zwei wird jeder nachdenkliche Leser sofort kommen.
Dieser neu verlinkte Essay von Herzog ist ein unverhohlenes Plädoyer für einen Kollektivismus, der, wie uns Gegenwart und Geschichte lehren, immer in einem immer totalitäreren Etatismus enden muss. Wenn diese Frau das nächste Mal das Wort "Freiheit" in den Mund nimmt, ist nur noch höhnisches Gelächter angesagt.
-- L'État, c'est la grande fiction à travers laquelle tout le monde s'efforce de vivre aux dépens de tout le monde. (Frédéric Bastiat) Je länger das Dritte Reich tot ist, um so stärker wird der Widerstand gegen Hitler und die Seinen. (Johannes Gross)
Zitat von Rayson im Beitrag #18Dieser neu verlinkte Essay von Herzog ist ein unverhohlenes Plädoyer für einen Kollektivismus, der, wie uns Gegenwart und Geschichte lehren, immer in einem immer totalitäreren Etatismus enden muss. Wenn diese Frau das nächste Mal das Wort "Freiheit" in den Mund nimmt, ist nur noch höhnisches Gelächter angesagt.
Ich kann dir leider nur recht geben.
Wenn die Intelligenz unserer Gesellschaft Kollektivismus nicht erkennt, wenn sie ihn beschreibt ist es das eine. Wenn sie die Assoziation zwischen Kollektivismus und Totalitarismus nicht hinbekommt das nächste. Und wenn sie das ganze dann noch unter dem Label der Freiheit verkauft ...... und kaum jemand widerspricht bei solchen Versuchen.....
.... mir fällt irgendwie nicht so recht ein was ich dazu sagen soll....
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Ich bin beim Stöbern über dieses kurze Interview mit Frau Herzog gestolpert, welches für mich ein sehr bekanntes Weltbild transportiert.
Ein Zitat daraus:
Zitat Well, in the end I hope to contribute to making our world a bit more just and a bit more humane
Bezeichnend, dass sie auf die Frage was sie antreibt die beiden Dinge benennt, welche in der Begriffsdefinition so ziemlich die unschärfsten sind, die man sich vorstellen kann.
Da erwacht in mir gerade der Drang zum Knitteln, den Heinz Erhard schon als Kind in mir weckte. Die Feingeister unter Ihnen, mögen mir den folgenden Anschlag auf die Poesie verzeihen :
An Freiheit, dies sei hier erhellt das eigne Wollen stets gefällt
doch kommt des Wollens Resultat wird Freiheit schnell auch wieder fad
ganz anders bei Gerechtigkeit da gibts ohn‘ „Un“ voran kein Leid
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
In Hinblick auf das Thema Liberalismus möchte ich dazu nur folgende Anmerkung machen Neben einigen diskussionswürdigen konkreten Punkten, die im Vortrag mehr angedeutet als ausgeführt werden (vielleicht führt sie diese in ihrem Buch ja weiter aus), ist es vor allem ein sich durch den ganzen Vortrag ziehender Aspekt, der es für mich schwer macht, Frau Herzog als eine Liberale (d.h. eine Verteidigerin der Freiheit) anzusehen: Sie setzt die positive Wirkung von absoluten Normsetzungen einfach voraus. Hinter all ihrer Ausführungen, wie evtl. zur Verhinderung bestimmter Zustände in den Markt eingegriffen werden soll, steht die stillschweigende Annahme, dass es möglich ist, ein Wissen a priori über einen gesellschaftlichen Idealzustand zu besitzen. Sie überlässt es letztendlich dem Staat festzulegen, was gut und schlecht, und damit, was Recht ist. Damit hat sie aber meiner Meinung nahc gezeigt, dass sie das entscheidende Charakteristikum des Marktes entweder nicht erkannt, oder zumindest gegenüber den Studenten nicht erwähnt hat (dumm für die Studenten). Dieses möchte ich, frei nach Friedrich A. v. Hayek, folgendermaßen beschreiben: Der wesentliche Vorteil der Marktwirtschaft gegenüber der Planwirtschaft ist nicht, dass sie bessere Lösungen findet, sondern, dass sie sie sucht. Oder etwas anders formuliert mit einer Remineszenz an Karl R. Popper: Der Markt ist nichts weiter als das Feld der empirischen Erforschung der Interessen von Personen. (Ich hätte gerne etwas griffigeres, wie "empirische Wirtschaftsforschung" oder "empirische Sozialforschung", geschrieben, aber das schien mir beides zu wenig passend. Eine entwas elegantere Formulierung nehme ich also gerne an.)
Auch wenn mein Beitrag schon etwas länger her ist, möchte ich ihn um einen sehr guten Text auf Novo Argumente ergänzen, über den ich gerade gestolpert bin. Im weitesten Sinne geht es in diesem Text um die "Moral des Marktes". Diese schreibt, Frau Herzog zufolge, der Liberale dem Markt ja zu, worin Frau herzog etwas schlechtes sieht.
Vorliegender Text dagegen versucht im weitesten Sinne darzulegen, warum individuell begründete, von außen in den Markt hineingetragene und damit erzwungene Moral am Ende nur schadet. Unter geeigneten Spielregeln ist der Markt vilemehr selbst in der Lage, eine inhärente Moral hervorzubringen, der man durchaus folgen kann.
Herzlich
n_s_n
"Dort, wo es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit." - Montesquieu
Zitat von nachdenken_schmerzt_nicht im Beitrag #17Sie sieht die Freiheit nicht als Wert. Sie sieht ihn als eine Zustandsbeschreibung. Freiheit bedeutet dabei denjenigen Zustand, in dem die Gesellschaft nach ihrem eigenen Wertekodex perfekt funktioniert und implizit scheint sie davon auszugehen, dass ihr (Frau Herzogs) eigner Wertekodex der dazu geeignete sein könnte.
Es ist m.E. noch viel übler. Herzog lehnt den Begriff der individuellen Freiheit, also der mit Verantwortung für sich und andere, grundsätzlich ab und will ihn durch das berühmte kollektive "Aushandeln" ersetzen, das schon seit Jahrzehnten als Euphemismus für Fremdbestimmung herhalten muss. Der Bürger soll nicht in eigener Verantwortung handeln, sondern nur im Kollektiv "mitreden". Das lässt so viele freiheitsfeindliche Scheunentore offen, dass ich es mir erspare, auch nur eins davon aufzulisten - auf mindestens zwei wird jeder nachdenkliche Leser sofort kommen.
Dieser neu verlinkte Essay von Herzog ist ein unverhohlenes Plädoyer für einen Kollektivismus, der, wie uns Gegenwart und Geschichte lehren, immer in einem immer totalitäreren Etatismus enden muss. Wenn diese Frau das nächste Mal das Wort "Freiheit" in den Mund nimmt, ist nur noch höhnisches Gelächter angesagt.
Ja, besonders weil dann nämlich auch sehr schnell nichts mehr von der Meinungsfreiheit übrig bleibt und dann ist es auch mit dem "mitreden" essig. Warum sollte eine Selbsternannte Avantgarte ausgerechnete in Bezug auf die Meinungsfreiheit auf individuelle Freiheit setzen?
Die Tendenz sehe ich schon in den USA, wo der Begriff des Individualrechts von Linken verdreht wird: Der einzelne Bürger darf zwar sagen was er will, sobald er aber in einem Zusammenschluss handelt darf die Regierung beliebig "regulieren", den gemeinsames Handeln wird zum Privileg des Zwangskollektivs und darf nur mit seiner Zustimmung erfolgen.
Das sei auch kein Problem, denn Zusammenschlüsse von Bürgern, die am Staat vorbei agieren (auch zur Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit) werden quasi als Antithese zum Volk interpretiert. Mehr noch, als Gefahr für die Demokratie dargestellt. Wozu braucht man schlieslich Lobby-Gruppen, wenn das Volk seine Meinung auch über Wahlen zum Ausdruck bringen kann? Wo der Unterschied zwischen Bürgern, die ihre Meinungsfreiheit ausüben, und Lobby-Gruppen liegen sollen, kann natürlich niemand erklären. Dabei ist es jedoch eine Voraussetzung für freie Wahlen, dass Bürger sich zur Ausübung der Pressefreiheit zusammenschließen können, um effektiv ihre Meinung verbreiten zu können. Freie Wahlen können die Pressefreiheit nicht ersetzen.
Es blieb der DDR-Bürgerrechtlerin und früheren Leiterin der Stasi-Unterlagen-Behörde, Marianne Birthler, vorbehalten, die Grünen davor zu warnen, den Freiheitsgedanken nur als "ein weiteres Tool" zu betrachten, das ihrem Politikrepertoire hinzuzufügen ist.
Man möchte ihnen raten: Freiheit ist ein zu abstrakter Begriff, laßt die Finger davon, bringt eh keine Wähler. "Wir werden die bestehenden und zukünftigen Verbote hinterfragen und eruieren um gegebenenfalls gesamtgesellschaftliche Korrekturen unter der Berücksichtigung von "X" vorzunehmen." Die Birthler hat ja recht, "Freiheit" ist kein Werkzeug, sondern eher eine Unbekannte in der grünen "Gleichung".
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